Bundespatentgericht:
Beschluss vom 29. August 2006
Aktenzeichen: 33 W (pat) 134/04
(BPatG: Beschluss v. 29.08.2006, Az.: 33 W (pat) 134/04)
Tenor
Auf die Beschwerde der Anmelderin wird der Beschluss der Markenstelle für Klasse 36 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 9. März 2004 aufgehoben.
Gründe
I Die am 30. Oktober 2003 eingereichte Anmeldung der Wortmarke JOBBERCARD für Finanz- und Versicherungswesen, insbesondere die Ausgabe von Kreditkarten und Geldkarten und ähnlichen Zahlungsmedien sowie die Abwicklung des damit verbundenen bargeldlosen Zahlungsverkehrsist mit Beschluss der Markenstelle für Klasse 36 vom 9. März 2004 durch einen Beamten des gehobenen Dienstes nach §§ 37 Abs. 1, 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG zurückgewiesen worden. Nach Auffassung der Markenstelle ist die angemeldete Marke sprachüblich aus den auch in Deutschland allgemein bekannten Wörtern "JOBBER" und "CARD" gebildet. In ihrer Gesamtheit besage sie lediglich, dass die beanspruchten Finanz- und Versicherungsdienstleistungen mittels einer speziellen Karte für den Personenkreis der Jobber erlangt würden oder damit in Zusammenhang stünden. Auch die von der Anmelderin in Aussicht gestellte Präzisierung des Dienstleistungsverzeichnisses vermöge daran nichts zu ändern, weil auch hierfür auf Jobber bezogene Daten von Bedeutung sein könnten oder die Abwicklung des damit verbundenen bargeldlosen Zahlungsverkehrs mit "Jobbercards" erfolgen könne. Ebenso wenig rechtfertigten die fehlende lexikalische Belegbarkeit der Wortbildung oder der Hinweis der Anmelderin auf ihrer Ansicht nach vergleichbare Markeneintragungen eine andere Beurteilung.
Gegen diese Entscheidung richtet sich die Beschwerde der Anmelderin, mit der sie sinngemäß beantragt, den Beschluss der Markenstelle für Klasse 36 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 9. März 2004 aufzuheben.
Zur Begründung führt sie aus, dass die Wortkombination "JOBBER CARD" weder sprachüblich gebildet noch in dieser Kombination bekannt sei. Ihre Existenz sei nicht belegbar. Die Kombination der beiden Markenwörter sage nicht aus, um was es gehe. Sie sei ausreichend interpretationswürdig und verfüge über eine ausreichende Unterscheidungskraft. Ergänzend verweist die Anmelderin auf Voreintragungen von Marken wie "MYCARD", "AutoCard", "LifeCard", "JobCard" und "BahnCard".
Mit Eingabe vom 28. August 2006 hat die Anmelderin das Dienstleistungsverzeichnis eingeschränkt. Es lautet nunmehr:
"Finanzdienstleistungen, nämlich die Ausgabe von Kreditkarten und Geldkarten und ähnlichen Zahlungsmedien sowie die Abwicklung des damit verbundenen Zahlungsverkehrs; Versicherungswesen".
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II Die Beschwerde ist begründet.
Entgegen der Beurteilung der Markenstelle hält der Senat die angemeldete Marke für hinreichend unterscheidungskräftig und nicht rein beschreibend. Absolute Schutzhindernisse nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 MarkenG stehen der Eintragung der Anmeldemarke gemäß §§ 33 Abs. 2, 41 MarkenG somit nicht entgegen.
So sind zunächst keine ausreichenden tatsächlichen Anhaltspunkte ersichtlich, die die Annahme eines Freihaltungsbedürfnisses i. S. d. § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG rechtfertigen können. Nach dieser Vorschrift sind Marken von der Eintragung ausgeschlossen, die ausschließlich aus Angaben bestehen, die im Verkehr zur Bezeichnung der Art, der Beschaffenheit, der Bestimmung, der geografischen Herkunft, der Zeit der Herstellung der Waren oder der Erbringung der Dienstleistungen oder zur Bezeichnung sonstiger Merkmale der Waren oder Dienstleistungen dienen können.
Die angemeldete Marke setzt sich erkennbar aus den beiden Wörtern "JOBBER" und "CARD" zusammen, die mit den Bedeutungen "Gelegenheitsarbeiter" und "Karte" längst Eingang in die deutsche Sprache gefunden haben und von jedermann ohne Weiteres verstanden werden. Nach dem natürlichen Sprachverständnis weist die angemeldete Marke damit für breite inländische Verkehrskreise die Gesamtbedeutung einer "Gelegenheitsarbeiter-Karte", also einer Karte für Jobber auf. Naheliegende Einsatzgebiete einer Karte mit diesem Bedeutungsgehalt wären etwa die Arbeitsvermittlung und/oder der Arbeitsantritt bei wechselnden Arbeitgebern, wobei die Karte arbeitstechnisch relevante Daten enthalten könnte, etwa über die Identität, Qualifikation und den Beschäftigungsrahmen (z. B. 400 € - Job) oder abgeleistete Arbeitszeiten ihres Inhabers. In einem vergleichbaren Zusammenhang, nämlich als eine in der Arbeitssuchenden-Kartei des Arbeitsamts geführte Karte, war die deutsche Variante "Jobberkarte" der angemeldeten Wortkombination belegbar (vgl. www.esslingerzeitung.de/lokal/esslingen/esslingen/artikel35084.cfm: "... Deshalb empfiehlt der Teamleiter der Arbeitsvermittler allen Ferienjob-Aspiranten, möglichst rasch in der Jobvermittlung der Agentur für Arbeit vorbeizuschauen und eine Jobberkarte auszufüllen, in der alle persönlichen Daten vermerkt sind, um eine möglichst passgenaue Vermittlung zu garantieren. ...").
Bei diesem Online-Artikel der Eßlinger Zeitung handelt es sich um die einzige deutschsprachige Internet-Fundstelle, bei der der Senat die angemeldete Wortkombination bzw. eine ihr sprachlich gleichkommende Variation in einem beschreibenden Zusammenhang auffinden konnte, und dies auch nur in Zusammenhang mit Arbeitsvermittlung. Daneben hat sich noch eine "jobbercard" in rein markenmäßiger Verwendung auffinden lassen, ebenfalls in Zusammenhang mit (hier: privater) Arbeitsvermittlung (vgl. www.nebenjob.de/jobbercard_inhalt.html). Vorliegend geht es jedoch nicht um Arbeitsvermittlung oder vergleichbare Dienstleistungen aus dem Arbeitsumfeld von Jobbern, sondern um Finanz- und Versicherungswesen. Zwar sind theoretisch besondere Zahlungs- oder Versicherungskonditionen für Jobber denkbar, ebenso die Erbringung von Finanz- oder Versicherungsdienstleistungen durch Jobber. Das Ergebnis der Senatsrecherche hat aber keine Hinweise darauf ergeben, dass tatsächlich entsprechend spezialisierte Finanz- oder Versicherungsbedingungen angeboten bzw. umgekehrt erbracht werden, die eine besondere Bezeichnung als spezielle "Jobber"-Finanz- oder Versicherungsdienstleistungen wahrscheinlich machen. Erst recht ließen sich keine Hinweise dafür auffinden, dass solche Konditionen oder sonstige speziell auf Jobber ausgerichteten Finanz- oder Versicherungsdienstleistungen unter Ausgabe von irgendwelchen Karten für Jobber erbracht werden, obwohl es bereits seit langem Jobber und Kartenzahlungsmittel gibt. Unter dem Gesichtspunkt der Bedeutung einer "Gelegenheitsarbeiter-Karte" haben sich damit keine zureichenden Anhaltspunkte für ein Freihaltungsbedürfnis i. S. d. § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG ergeben.
Gleiches gilt, soweit die Bedeutung einer Karte für Börsenhändler in Betracht kommt. Denn der Begriff "jobber" kann im Englischen, was die Markenstelle nicht ermittelt hat, die Bedeutung eines Aktien-, Börsenhändlers oder -maklers aufweisen, so dass die Anmeldemarke für die beanspruchten Dienstleistungen eine Karte für Börsenhändler oder -makler bezeichnen könnte. Jedoch finden sich in vielen Wörterbüchern, insbesondere Fachwörterbüchern des Wirtschaftswesens, häufig Hinweise darauf, dass es sich bei einem solchen Börsen-"Jobber" um einen lediglich britischen Fachbegriff zu handeln scheint. So wird der Ausdruck "jobber" etwa im ausführlichen Großlexikon "Knapps Enzyklopädisches Lexikon des Geld-, Bank- und Börsenwesens" als ein Händler an der Londoner Börse erläutert, der im Gegensatz zu Brokern nur auf eigene Rechnung kauft oder verkauft (vgl. a. Langenscheidts Enzyklopädischen Wörterbuch - "Der Große Muret-Sanders", 12. Aufl.: "... 5. Br. Aktienhändler, Börsenmakler, -spekulant"; Langenscheidt-Routledge, Fachwörterbuch Wirtschaft, Handel und Finanzen: "... 2. <Stock> (BE) pre-Big Bang term for a marketmaker on the London Stock Exchange"). Auch in wirtschaftlich spezialisierten Online-Fachwörterbüchern oder -glossaren wird zumeist die Bedeutung eines Eigenhändlers an der Londoner Börse aus der Zeit vor der Reform der Londoner Börse 1986 ("Big Bang") erläutert (vgl. etwa www.foerderland.de; http://nachrichten.boerse.de/wissen.php3€text-= lexikon&was=B&id=247; http://de.mimi.hu/finanz/haendler.html.).
Bei einer Internet-Recherche unter Eingabe der parallelen Suchwörter "jobber" und "Börse" (ohne Stringsuche), konnte der Senat insbesondere keinen Hinweis darauf finden, dass an deutschen Börsen oder wenigstens in Zusammenhang mit deutschen Börsengeschäften irgendwelche "Jobber" i. S. v. Börsenhändler tätig sind. Insoweit handelt es sich offenbar um einen auf Großbritannien bzw. die Londoner Börse beschränkten Spezialbegriff, der im Gegensatz zu amerikanischen Börsenbegriffen keinen Eingang in das deutsche Börsenwesen und seinen Sprachgebrauch gefunden hat. Vielmehr zeigte auch die o. g. Internet-Recherche, dass unter einem "Jobber" in Deutschland offenbar ausschließlich ein Gelegenheitsarbeiter verstanden wird.
Damit kann allenfalls vom fachlich versierten inländischen Verkehrsteilnehmer, der auch Spezialbegriffe des britischen Börsenwesens kennt, die Kenntnis eines "Jobbers" als Eigenhändler an der Londoner Börse erwartet werden. Dieser Fachverkehrsteilnehmer wird sich aber fragen müssen, was denn nun eine "JOBBERCARD" ist, wenn ihm dieses Wort als Kennzeichnung der beanspruchten Dienstleistungen begegnet. Eine Internetrecherche nach dem orthografisch korrekt geschriebenen Gesamtbegriff "jobber card" (mit Stringsuche, d. h. Eingabe des Gesamtbegriffs als zwei Wörter unter Verwendung von Anführungszeichen) ergab keinen einzigen Hinweis, der mit dem Börsenwesen in Verbindung steht. Von den nur 17 Treffern der Suchmaschine A... (Suche im gesamten Web) bezogen sich drei Treffer auf Groß- bzw. Zwischenhändler (kein Zusammenhang mit Finanz-, Börsen- oder Versicherungswesen), während sich der überwiegende Teil der Treffer auf das amerikanische Wrestling (Catchen) bezog. In der Fachsprache des Wrestling wird unter dem Begriff "jobber card" offenbar eine Veranstaltungsreihe von Showkämpfen verstanden, in denen Catcher eingesetzt werden, die ihren Kampf (berufsmäßig) verlieren. Dies bedarf hier keines weiteren Eingehens, da es insoweit an jeglichem Bezug zu den beanspruchten Dienstleistungen fehlt.
Wenn also offenbar noch nicht einmal an der Londoner Börse ein fester Gesamtbegriff "jobber card" zu bestehen scheint, wird dies erst recht für das deutsche Börsenwesen gelten. Dies gilt umso mehr, als die Anmelderin die beanspruchten Finanzdienstleistungen im Beschwerdeverfahren auf die Ausgabe von Kreditkarten und ähnlichen Zahlungsmedien sowie die Abwicklung damit verbundenen Zahlungsverkehrs beschränkt hat. Denn es ist nicht nachvollziehbar, dass Börsenhändler ihre Geschäfte mit Hilfe von Karten als verkehrswesentlichem Werkzeug bzw. Zahlungsinstrument abwickeln. Die in der Finanzwelt üblichen Scheck-, Kredit- oder sonstigen Zahlungskarten haben eine Identifizierungs- und Legitimierungsfunktion, die zum Inhaber der Karte bzw. seinem Konto führen. Ein zugelassener Börsenhändler agiert hingegen ohne hinderliche Benutzung einer Karte und rechnet direkt über seine Konten ab. Soweit ein Börsenhändler hingegen eine "jobber card" nur als Ausweis über seine Zutrittsberechtigung zum Börsenparkett benötigen würde, handelt es sich allenfalls um einen Aspekt von Sicherheits- oder Verwaltungsdiensten, nicht aber der beanspruchten Dienstleistungen. Damit sind für die vorliegend beanspruchten Finanzdienstleistungen, erst recht für Versicherungswesen keine zureichenden tatsächlichen Anhaltspunkte für die Annahme einer Merkmalsbezeichnung vorhanden, so dass ein Eintragungshindernis nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG nicht festgestellt werden kann.
Die angemeldete Marke weist auch die erforderliche Unterscheidungskraft auf (§ 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG). Entsprechend der Hauptfunktion der Marke, dem Verbraucher oder Endabnehmer die Ursprungsidentität der durch die Marke gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen zu garantieren, ist unter Unterscheidungskraft im Sinne dieser Vorschrift die einer Marke innewohnende (konkrete) Eignung zu verstehen, Waren oder Dienstleistungen als von einem Unternehmen stammend zu kennzeichnen und sie somit von denjenigen anderer Unternehmen zu unterscheiden (vgl. EuGH GRUR 2002, 804 Nr. 35 - Philips/Remington; GRUR 2004, 428 Nr. 30, 48 - Henkel). Die Unterscheidungskraft ist zum einen im Hinblick auf die angemeldeten Waren oder Dienstleistungen, zum anderen im Hinblick auf die beteiligten Verkehrskreise zu beurteilen, wobei auf den durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher der Waren oder Dienstleistungen abzustellen ist. Kann einer Wortmarke ein für die fraglichen Waren und Dienstleistungen im Vordergrund stehender beschreibender Begriffsinhalt zugeordnet werden oder handelt es sich sonst um ein gebräuchliches Wort der deutschen Sprache oder einer bekannten Fremdsprache, das vom Verkehr - etwa wegen einer entsprechenden Verwendung in der Werbung - stets nur als solches und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden wird, so ergibt sich daraus ein tatsächlicher Anhalt dafür, dass ihr jegliche Unterscheidungskraft fehlt (vgl. BGH GRUR 2003, 1050, 1051 - Cityservice).
Den danach an die Unterscheidungskraft zu stellenden Anforderungen wird die angemeldete Bezeichnung gerecht. Wie oben dargelegt, konnte ihr weder ein eindeutiger, im Vordergrund stehender beschreibender Bedeutungsgehalt zugeordnet werden, noch waren Anhaltspunkte dafür vorhanden, dass sie nur als solche und nicht als betriebliches Unterscheidungsmittel verstanden wird. Vielmehr regt die nach ihrem natürlichen Wortverständnis in den Bereich der Arbeitswelt gehörende Bezeichnung "JOBBERCARD" zum Nachdenken an, ob und inwieweit Finanz- oder Versicherungsdienstleistungen der beanspruchten Art auf Jobber spezialisiert sein können oder sonst wie mit ihnen in Beziehung stehen und dabei durch eine Karte verkörpert werden können.
BPatG:
Beschluss v. 29.08.2006
Az: 33 W (pat) 134/04
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