Bundespatentgericht:
Beschluss vom 10. Februar 2005
Aktenzeichen: 25 W (pat) 163/03

(BPatG: Beschluss v. 10.02.2005, Az.: 25 W (pat) 163/03)

Tenor

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

Die Wortmarke ACUPRESS ist am 20. August 1998 für die Waren

"Arzneimittel, insbesondere topisches Analgetikum vor allem gegen Arthritis und Rheuma"

unter der Nummer 398 23 375 in das Markenregister eingetragen worden.

Der Inhaber der seit 16. März 1989 für die Waren

"Arzneimittel, nämlich rezeptpflichtige, humanmedizinische Herz-Kreislaufmittel"

eingetragenen Marke 1 136 315 ACCUPRO hat dagegen Widerspruch erhoben.

In zwei Beschlüssen der Markenstelle für Klasse 5 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 25. Juli 2001 und vom 9. April 2003, wobei letzterer im Erinnerungsverfahren ergangen ist, wurde der Widerspruch zurückgewiesen.

Ausgehend von einer durchschnittlichen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke und einem unmittelbaren Ähnlichkeitsbereich, in dem die in der Indikation unterschiedlichen Waren lägen, ergäben sich eher strenge Anforderungen an den Abstand der Waren, die aber wegen der Rezeptpflicht der Widerspruchswaren etwas gemindert seien. Trotz des übereinstimmenden Wortanfangs führten die klanglichen Abweichungen an den Wortenden zu einem deutlich verschiedenen Gesamteindruck, gerade auch, weil die Wortendungen betont gesprochen würden. Bei "ACUPRESS" trete der helle Vokal "e" markant hervor, und der scharf gesprochene Endkonsonant "s" verleihe dem Zeichen ein am Ende abrupt abbrechendes Klangbild, während "ACCUPRO" mit dem Vokal "o" einen weicher und dunkler ausklingenden Gesamteindruck aufweise. Auch die Gesamtschriftbilder wichen auffällig voneinander ab. Unter diesen Umständen sei mit Verwechslungen ernsthaft nicht zu rechnen.

Hiergegen hat die Widersprechende Beschwerde eingelegt, ohne einen förmlichen Antrag zu stellen.

Die Marken seien klanglich und schriftbildlich verwechselbar. Sie stimmten in 5 von 6 bzw 7 Buchstaben überein. Ein sicheres Auseinanderhalten sei nicht gewährleistet, zumal die Waren im unmittelbaren Ähnlichkeitsbereich lägen. Auch der Fachverkehr unterläge der Gefahr des Verlesens oder Verhörens. Außerdem bestehe gerade beim Fachverkehr die Gefahr, dass er den Zeichenbestandteil "Acu" der Anmeldemarke mit der Widerspruchsmarke in Verbindung bringe. Die Widerspruchsmarke sei seit Jahren für ein Herz-Kreislauf- Präparat intensiv benutzt und dem Fachverkehr dementsprechend geläufig. Die Gefahr einer mittelbaren Verwechslungsgefahr bestehe um so mehr, als sich die Marken auf identischen Waren begegnen könnten.

Der Inhaber der angegriffenen Marke hat sich in der Sache nicht geäußert. Der Vertreter hat lediglich mitgeteilt, dass er die Vertretung niederlege.

Wegen der Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen.

II.

Die zulässige Beschwerde der Widersprechenden hat in der Sache keinen Erfolg, da keine Verwechslungsgefahr nach § 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG besteht.

Auch wenn der in den Vereinigten Staaten ansässige Inhaber der angegriffenen Marke für die Teilnahme an Verfahren einen Inlandsvertreter benötigt und sein Vertreter mitgeteilt hat, dass er die Vertretung niederlege, ist in der Sache zu entscheiden. Die rechtsgeschäftliche Beendigung der Bestellung eines Vertreters nach § 96 Abs 1 MarkenG wird erst dann wirksam, wenn sowohl die Beendigung als auch die Bestellung eines anderen Vertreters gegenüber dem Patentamt bzw dem Patentgericht angezeigt wird (§ 96 Abs 4 MarkenG). Diese Regelung gilt für alle ab dem 1. Januar 2002 anhängig gewordenen Verfahren (§ 165 Abs 7 MarkenG). Darüber hinaus wäre über das Rechtsmittel der Widersprechenden auch dann in der Sache zu entscheiden, wenn der Inhaber der angegriffenen Marke als Rechtsmittelgegner keinen Inlandsvertreter mehr hätte (Ströbele/Hacker, 7. Aufl, § 96 Rdn 53).

Die Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke ist mangels anderer Anhaltspunkte durchschnittlich. Eine intensive Benutzung der Widerspruchsmarke ist zwar behauptet, jedoch nicht belegt worden, so dass keine gesteigerte Kennzeichnungskraft auf Grund einer intensiven Benutzung angenommen werden kann.

Die sich gegenüberstehenden Waren können identisch sein, da das Warenverzeichnis der angegriffenen Marke die Waren der Widerspruchsmarke mitumfasst.

Da die Waren der Widerspruchsmarke der Rezeptpflicht unterliegen, ist die Gefahr von Begegnungen der Zeichen bei Laien ohne Einschaltung des Fachverkehrs erheblich eingeschränkt. Es ist daher auch bei einseitiger Rezeptpflicht verstärkt auf den Fachverkehr (insbesondere Ärzte und Apotheker) abzustellen, der erfahrungsgemäß im Umgang mit Arzneimitteln sorgfältiger ist und deshalb seltener Markenverwechslungen unterliegt (Ströbele/ Hacker, Markengesetz, 7. Aufl § 9 Rdn 168; BGH GRUR 1999, 587 - Cefallone). Dieser Umstand wirkt sowohl einer klanglichen als auch einer schriftbildlichen Verwechslungsgefahr entgegen. Allerdings darf die Gefahr mündlicher Benennungen verschreibungspflichtiger Arzneimittel durch den Patienten nicht völlig vernachlässigt werden (Ströbele/ Hacker, Markengesetz, 7. Aufl § 9 Rdn 173). Dabei ist jedoch auf den durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher abzustellen, der allem, was mit Gesundheit zusammenhängt, eine gesteigerte Aufmerksamkeit beizumessen pflegt.

Der Gesamteindruck der Zeichen, auf den es maßgeblich ankommt, ist nicht so ähnlich, dass unter Berücksichtigung durchschnittlicher Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke und selbst bei einer Warenidentität mit Verwechslungen zu rechnen wäre. Die Zeichen "ACUPRESS" und "ACCUPRO" weisen zwar jeweils drei Sprechsilben auf und stimmen in den Lauten "AC(C)UPR-" überein. Die Vokale "e" bzw "o" in der jeweils letzten Silbe, die als hellklingende bzw dunkelklingende Vokale einen signifikanten Unterschied darstellen, und der Mehrlaut "s" der angegriffenen Marke, welcher durch seine Verdoppelung besonders scharf und markant gesprochen wird, bewirken jedoch ein deutlich unterschiedliches Klangbild, so dass auch aus der undeutlichen Erinnerung heraus nicht mit Verwechslungen zu rechnen ist. Hinzu kommt, dass für weite Teile des Verkehrs die Markenbestandteile "PRESS" oder "PRO" Begriffsanklänge aufweisen, was das Auseinanderhalten der Marken noch zusätzlich erleichtert. Dies gilt um so mehr, als auch die angegriffenen Marke in der Gesamtheit an einen beschreibenden Begriff erinnert (Akupressur), während bei der Widerspruchsmarke der Bestandteil "ACCU" an die Kurzform "ACCU" für Akkumulator erinnert, wenngleich insoweit kein unmittelbarer Warenbezug besteht.

Auch in schriftbildlicher Hinsicht reichen die Unterschiede in den Bestandteilen "Press" und "Pro" in jeder Schreibweise aus, um rechtserhebliche Verwechslungen zu verhindern, da die Buchstaben "ESS/ess" und "O/o" figürlich sehr verschieden sind. Hinzu kommt, dass der Anfangsbestandteil der angegriffenen Marke lediglich mit einem "C" geschrieben wird, in der Widerspruchsmarke dagegen dieser Buchstabe doppelt steht. Außerdem ist bei der insoweit maßgeblichen visuellen Wahrnehmung zu berücksichtigen, dass das Schriftbild von Marken erfahrungsgemäß eine genauere und in der Regel sogar wiederholte Wahrnehmung der Bezeichnung gestattet als das schnell verklingende Wort (Ströbele/Hacker, Markengesetz, 7. Aufl, § 9 Rdn 207) und daher die Unterschiede leichter bemerkt werden.

Es besteht auch nicht die Gefahr, dass die Marken gedanklich miteinander in Verbindung gebracht werden. Diese Art der Verwechslungsgefahr beruht auf der Erkenntnis, dass manche Unternehmen sich einer Seriemarke für eine Vielzahl von Waren/Dienstleistungen bedienen und diese - dabei als solche erkennbar bleibende Stammmarke - für einzelne Waren/Dienstleistungen zu deren besonderen Kenntlichmachung erweitern. Die Annahme einer mittelbaren Verwechslungsgefahr setzt demnach voraus, dass die beteiligten Verkehrskreise zwar die Unterschiede zwischen den Vergleichsmarken erkennen, gleichwohl einen in beiden Marken übereinstimmend enthaltenen Bestandteil als Stammzeichen des Inhabers der älteren Marke werten, diesem Stammbestandteil also für sich schon die maßgebliche Herkunftsfunktion beimessen und deshalb die übrigen (abweichenden) Markenteile nur als Kennzeichen für bestimmte Waren/Dienstleistungen aus dem Geschäftsbetrieb des Inhabers der älteren Marke ansehen (Ströbele/Hacker, Markengesetz, 7. Aufl, § 9 Rdn 466). Der als Stammbestandteil in Betracht kommende Markenteil muss in beiden Marken identisch oder zumindest wesensgleich enthalten sein (Ströbele/Hacker, Markengesetz, 7. Aufl, § 9 Rdn 480). Es kann schon nicht davon ausgegangen werden, das die Anfangsbestandteile "ACU" und "ACCU" wesensgleich sind. Die Verdoppelung des Buchstabens "C" führt zu einer kürzeren Aussprache des Anfangsvokals der Widerspruchsmarke und der in dem Bestandteil "ACCU" enthaltene Begriffsanklang ist in "ACU" nicht enthalten. Zudem gibt es keine Anhaltspunkte dafür, dass der Verkehr allein wegen des fast klanggleichen Anfangs bei der angegriffenen Marke an eine Serienmarke der Widersprechenden denkt, zumal die Widersprechende keine solche für sie bereits bestehende Serie geltend macht, da sie selbst nur eine einzige "Accu"-Marke, nämlich die Widerspruchsmarke hat. Darüber hinaus sind im Register (auch in Klasse 5) eine erhebliche Anzahl von Marken eingetragen, die mit "Accu" oder "Acu" beginnen, wobei allerdings über deren Benutzung damit noch nichts ausgesagt ist. Auch wenn in der Roten Liste die Anzahl solcher Marken sehr gering ist, zeigt die Vielzahl von Eintragungen eine gewisse Originalitätsschwäche der Anfangsbestandteile. Der Verkehr hat keinen Anlass, wegen des fast klanggleichen Anfangsbestandteils bei der angegriffenen Marke an eine Serienmarke der Widersprecheden zu denken.

Die Beschwerde der Widersprechenden hat daher keinen Erfolg.

Zu einer Kostenauferlegung aus Billigkeitsgründen bot der Streitfall keinen Anlass, § 71 Abs 1 MarkenG.

Kliems Sredl Bayer Na






BPatG:
Beschluss v. 10.02.2005
Az: 25 W (pat) 163/03


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