Bundespatentgericht:
Beschluss vom 22. Juni 2006
Aktenzeichen: 30 W (pat) 20/04

(BPatG: Beschluss v. 22.06.2006, Az.: 30 W (pat) 20/04)

Tenor

Auf die Beschwerde der Widersprechenden wird der Beschluss der Markenstelle für Klasse 9 IR des Deutschen Patent- und Markenamts vom 21. Oktober 2003 aufgehoben. Der international registrierten Marke 731 520 wird der Schutz für die Bundesrepublik Deutschland wegen der Gefahr von Verwechslungen mit der Marke 2 026 593 verweigert.

Gründe

I.

International registriert - Schutzbewilligung für die Bundesrepublik Deutschland wurde beantragt - und veröffentlicht in MInt am 8. Juni 2000 - unter der Nummer 731 520 für die Waren Unite electronique de contr™le pour acquisition et communication de donneesist 731 520

.

Widerspruch erhoben - gegen das Schutzersuchen für die Bundesrepublik Deutschland - wurde aus der unter der Nummer 2 026 593 seit dem 15. Dezember 1992 für die folgenden Waren und Dienstleistungen

"Computer, insbesondere Forschungs-, Wissenschafts- und Industrie-Computer, insbesondere für technischnaturwissenschaftliche und kaufmännischwirtschaftswissenschaftliche Anwendungen; Peripheriegeräte für diese Computer, nämlich Speichergeräte, Ein- und Ausgabegeräte wie Datensichtgeräte und Drucker oder Plotter; auf maschinenlesbaren Datenträgern, insbesondere Magnetplatten und -bändern sowie Disketten aufgezeichnete Datenverarbeitungsprogramme für diese Computer; Software; Erstellen von Programmen für die Datenverarbeitung; Sammeln, Speichern, Auswerten und Wiedergabe von Daten und Informationen durch den Betrieb von Computern, Datenbanken und Datenverarbeitungsanlagen; Beratung von Anwendern auf allen Gebieten der Computertechnologie sowie Durchführen von Datenverarbeitung für andere"

eingetragenen Wortmarke HYDAC.

Deren Benutzung ist bereits im Widerspruchsverfahren vor dem Deutschen Patent- und Markenamt bestritten worden. Die Widersprechende hat Unterlagen zur Glaubhaftmachung der Benutzung eingereicht.

Die Markenstelle für Klasse 9 IR hat den Widerspruch wegen fehlender Verwechslungsgefahr zurückgewiesen. Selbst bei einer zu Gunsten der Widersprechenden unterstellten rechtserhaltenden Benutzung der Widerspruchsmarke und Annahme einer beachtlichen Warenähnlichkeit sei der gebotene Abstand der Vergleichsmarken noch eingehalten.

Hiergegen hat die Widersprechende unter Vorlage weiterer Unterlagen zur Glaubhaftmachung der Benutzung Beschwerde eingelegt. Die Widerspruchsmarke besitze erhöhte Kennzeichnungskraft, da die Widersprechende mit der Marke HYDAC für Produkte der Fluidtechnik und der Hydraulik in 2003 einen Umsatz von 300 Mio Euro erzielt habe.

Die Widersprechende beantragt sinngemäß, den angefochtenen Beschluss der Markenstelle vom 21. Oktober 2003 aufzuheben und der IR-Marke den nachgesuchten Schutz in der Bundesrepublik Deutschland zu verweigern.

Die Inhaberin der angegriffenen Marke beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

Die Markeninhaberin macht geltend, dass sich die Glaubhaftmachungsunterlagen für "Handmessgeräte und Kanalanzeigegeräte" nicht auf von der Widerspruchsmarke beanspruchte Waren und Dienstleistungen bezögen, zudem seien diese mit "Elektronischen Kontrollgeräten zur Datenerfassung und Datenübermittlung" nicht ähnlich. Eine Verkehrsbekanntheit für den deutschen Raum sei nicht belegt. Wegen des stark beschreibenden Gehalts des Widerspruchszeichens sei die Kennzeichnungskraft eher als unterdurchschnittlich einzustufen, da dem deutschen Verkehr die Vorsilbe "HY" für Wasser aus zahlreichen Wörtern bekannt sei.

Ergänzend wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

Die zulässige Beschwerde hat in der Sache Erfolg.

Die angegriffene Marke ist der Widerspruchsmarke jedenfalls in klanglicher Hinsicht so ähnlich, dass die Gefahr von Verwechslungen besteht. Der angegriffenen Marke ist daher der Schutz für die Bundesrepublik Deutschland zu verweigern (§§ 42 Abs. 2, 9 Abs. 1 Nr. 2 i. V. m. §§ 107, 114 Abs. 3 MarkenG).

1. Die Inhaberin der angegriffenen IR-Marke hat die Einrede mangelnder Benutzung der Widerspruchsmarke nach § 43 Abs. 1 MarkenG bereits im Verfahren vor dem Deutschen Patent- und Markenamt zulässig erhoben.

Bei der Entscheidung über den Widerspruch können damit nur die Waren berücksichtigt werden, für die von der Widersprechenden eine rechtserhaltende Benutzung der Widerspruchsmarke für beide Benutzungszeiträume des § 43 Abs. 1 MarkenG glaubhaft gemacht worden ist (§ 43 Abs. 1 Satz 3 MarkenG). Die Widersprechende hatte demnach die Benutzung der Marke nach §§ 114 Abs. 1, 43 Abs. 1 S. 1 für den Zeitraum innerhalb der letzten 5 Jahre vor der Veröffentlichung der IR-Marke in MInt glaubhaft zu machen, nämlich für die Jahre 1995 bis 2000 sowie nach § 43 Abs. 1 Satz 2 MarkenG für die Zeit innerhalb der letzten fünf Jahre vor dieser Beschwerdeentscheidung, nämlich von Mai 2001 bis Mai 2006 (vgl. Ströbele/Hacker MarkenG 7. Aufl. § 43 Rdn. 6, 32).

Für Handmessgeräte, Zubehör für Handmessgeräte und HDA-Kanal-Anzeigegeräte hat die Widersprechende ausreichende Benutzungsnachweise vorgelegt. Den von der Widersprechenden vorgelegten Glaubhaftmachungsunterlagen ist zu entnehmen, dass die oben genannten Waren mit der Widerspruchsmarke "HYDAC" seit 1996 kennzeichenmäßig versehen sind. Dies ergibt sich aus der im Beschwerdeverfahren mit Schriftsatz vom 1. Februar 2006 vorgelegten eidesstattlichen Versicherung des Herrn A... vom 30. Januar 2006 und der in der mündlichen Verhandlung vorgelegten eidesstattlichen Versicherung des Herrn B... vom 2. Februar 2006 sowie den den eidesstattlichen Versiche- rungen beigefügten Produktabbildungen und den Aufstellungen der Umsätze für 2000 bis 2006. Die in den eidesstattlichen Versicherungen vom 30. Januar 2006 und 2. Februar 2006 genannten Jahresumsätze für Handmessgeräte von zwischen rund 47.000 und 114.000 €, für Zubehör für Handmessgeräte von zwischen rund 29.000 und 78.000 € sowie für HDA Anzeigegeräte von zwischen rund 33.000 bis 140.000 € belegen auch die Ernsthaftigkeit der Benutzung.

Die Waren "Handmessgeräte, Zubehör für Handmessgeräte, HDA-Kanal-Anzeigegeräte" fallen unter die eingetragenen Waren "Computer, Peripheriegeräte für Computer nämlich Speichergeräte, Ein- und Ausgabegeräte" (§ 43 Abs. 1 S. 3 MarkenG). Handmessgeräte sind in der Regel elektronisch, verfügen u. a. über Datenspeicher und programmierbare Messmethoden und eine Schnittstelle für den PC zur Datendokumentation und weiteren Verarbeitung. Sie sind daher als Peripheriegeräte eines Computers einsetzbar oder werden auch selbst als Computer in Form eines Handmessgerätes betrieben.

2. Das Bestehen der Verwechslungsgefahr ist unter Berücksichtigung aller relevanten Umstände des Einzelfalls umfassend zu beurteilen; dabei stehen die Faktoren der Ähnlichkeit der Marken, der Ähnlichkeit der damit gekennzeichneten Waren sowie der Kennzeichnungskraft der prioritätsälteren Marke in Wechselbeziehung zu einander, so dass ein geringerer Grad der Ähnlichkeit der Marken durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Waren ausgeglichen werden kann und umgekehrt (BGH in st. Rspr., vgl. GRUR 2005, 513 - MEY/Ella May; WRP 2004, 1281 - Mustang; WRP 2004, 1043 - NEURO-VIBOLEX/NEURO-FIBRAFLEX; WRP 2004, 907 - Kleiner Feigling).

Der Senat geht bei seiner Entscheidung mangels anderweitiger Anhaltspunkte von einer durchschnittlichen Kennzeichnungskraft und damit von einem normalen Schutzumfang der Widerspruchsmarke aus.

Der Bestandteil "HY-" der Widerspruchsmarke hat zwar beschreibenden Anklang, führt jedoch nicht zu einer Kennzeichnungsschwäche des in seiner Gesamtheit zu beurteilenden Zeichens. Ob der Widerspruchsmarke eine gesteigerte Kennzeichnungskraft zuerkannt werden kann, bedarf vorliegend keiner Entscheidung. Verwechslungsgefahr ist bereits bei Annahme eines normalen Schutzumfangs gegeben.

Hinsichtlich der gegenüberstehenden Waren "Computer und Peripheriegeräte für Computer, nämlich Speichergeräte, Ein- und Ausgabegeräte" der Widerspruchsmarke und elektronische Kontrolleinheiten zur Datenerfassung und Datenübermittlung der angegriffenen Marke ist - wenn nicht gar von Warenidentität - jedenfalls von engster Ähnlichkeit auszugehen. Wie oben ausgeführt können elektronische Kontrollgeräte, die auch Messdaten erheben und diese speichern, als Peripheriegeräte eines Computers eingesetzt werden, um diesem die erhobenen Daten zu übermitteln. Sie können auch als eigenständige Computer ausgestaltet sein.

3. Die unter diesen Umständen geltenden strengen Anforderungen an den Markenabstand hält die angegriffene Marke in klanglicher Hinsicht nicht ein; auch für die mit den beiderseitigen Waren angesprochenen Fachkreise, von denen eine beruflich bedingte erhöhte Aufmerksamkeit erwartet werden kann, sind die Vergleichsmarken in ihrem klanglichen Gesamteindruck zu stark angenähert. Der Senat geht davon aus, dass der Verkehr in der angegriffenen Wort-Bild-Marke dem Wort als einfachste und kürzeste Bezeichnungsform eine prägende Bedeutung zumisst und sie mit "VIDAC" benennt (vgl. Ströbele/Hacker a. a. O. § 9 Rdn. 434 m.w.N.). Auch legt die Art der Waren nicht nahe, dass sie im Allgemeinen "auf Sicht" erworben werden, sondern dem Kauf insbesondere mündliche Beratung, Nachfragen und Empfehlungen vorausgehen.

Die jeweils zweisilbigen, aus fünf Buchstaben bestehenden Markenwörter stellen keine Kurzwörter dar (vgl. hierzu Ströbele/Hacker a. a. O.). Sie stimmen bei zudem gegebener gleicher Betonung und gleichem Sprechrhythmus in der zweiten Silbe "DAC" - und damit in drei von fünf Buchstaben - überein. Zwar liegt das Augenmerk allgemein mehr auf den Wortanfängen.

Aber auch hier sind die klanglichen Unterschiede nicht ausreichend markant.

Wenn für die Widerspruchsmarke von der Aussprache des Buchstaben "y" wie "ü" - wie in Hymne, Hyper, Hydro - ausgegangen wird (vgl. auch Duden, Aussprachewörterbuch S. 95), weisen die Vergleichsmarken ("i" gegenüber "ü") deutliche Annäherungen auf. Ebenso verhält es sich mit den Anfangsbuchstaben beider Marken. In den Buchstaben "V" - gleich, ob ausgesprochen wie "W" oder wie "F" - und "H" stehen sich klangschwache Konsonanten gegenüber, so dass sich auch insoweit kein hinreichend verschiedenes Gesamtklangbild ergibt. Andere Aussprachemöglichkeiten, die zu einem ausreichend abweichenden Gesamtklangbild führen könnten - wie etwa englische Aussprache der IR-Marke und deutsche oder französische Aussprache der Widerspruchsmarke - sind von der Wortbildung her nicht nahe gelegt; die Markenwörter erscheinen nicht als Wörter fremder Sprachen.

Zu einer Kostenauferlegung aus Billigkeitsgründen bot der Streitfall keinen Anlass (§ 71 Abs. 1 MarkenG).






BPatG:
Beschluss v. 22.06.2006
Az: 30 W (pat) 20/04


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