Bundespatentgericht:
Beschluss vom 30. Mai 2001
Aktenzeichen: 28 W (pat) 201/00
(BPatG: Beschluss v. 30.05.2001, Az.: 28 W (pat) 201/00)
Tenor
Die Beschwerde der Markeninhaberin wird zurückgewiesen.
Gründe
I.
Gegen die am 16. Juni 1996 für die Warenorthopädische Artikel, insbesondere Bandagen und Prothesen sowie Stützeneingetragene Wortmarke Omofixist Widerspruch erhoben ua aus der seit 1978 eingetragenen Wortmarke 976 527 Omnifix, die für die Waren Verbandstoffe, Pflaster, Binden und Bänder für gesundheitliche Zwecke, soweit in Klasse 5 enthalten, geschützt ist.
Die Markeninhaberin hat die Benutzung der Widerspruchsmarke bestritten, worauf die Widersprechende Unterlagen zur Glaubhaftmachung der Benutzung für die Waren "elastische Fixiervliese für Wundauflagen" vorgelegt hat, was die Markeninhaberin anerkannt hat.
Die Markenstelle für Klasse 10 hat mit zwei Beschlüssen die angegriffene Marke gelöscht. Die Waren "elastische Fixiervliese für Wundauflagen" und die Waren der angegriffenen Marke seien deutlich ähnlich. Auszugehen sei von einer durchschnittlichen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke. Die Vergleichszeichen stimmten in der Buchstabenfolge "Om...fix" überein. Die Unterschiede in den Mittelsilben seien nicht deutlich genug, um eine klangliche Verwechslungsgefahr auszuschließen.
Dagegen richtet sich die Beschwerde der Markeninhaberin. Sie hat in der mündlichen Verhandlung ihr Warenverzeichnis auf "Schulterorthesen mit formstabiler Stützschale" eingeschränkt. Davon ausgehend hält sie die Warenähnlichkeit für nicht mehr oder allenfalls nur noch ganz entfernt gegeben. Die Ware wende sich an den Fachverkehr, der in der Regel über altsprachliche Kenntnisse verfüge und den Sinngehalt des griechischen Wortes "Omos" für "Schulter" erkenne. Den Wortenden beider Vergleichszeichen "...fix" komme bei der Bewertung der Markenähnlichkeit keine Bedeutung zu, so daß die beteiligten Verkehrskreise vermehrt auf die Anfangssilben achteten. "Omo" und "Omni" unterschieden sich jedoch noch ausreichend, um eine Verwechslungsgefahr in jeder Hinsicht auszuschließen, zumal das Anfangs-"O" bei der angegriffenen Marke lang gedehnt ausgesprochen werde.
Die Markeninhaberin beantragt, die angefochtenen Beschlüsse aufzuheben und den Widerspruch im Umfang des eingeschränkten Warenverzeichnisses zurückzuweisen.
Die Widersprechende beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.
Sie hält trotz Einschränkung des Warenverzeichnisses durch die Markeninhaberin weiterhin eine enge Warenähnlichkeit für gegeben. Der Bedeutungsgehalt der angegriffenen Marke sei im übrigen nicht geeignet, eine Verwechslungsgefahr auszuschließen, da sich das griechische Wort "omos" dem Verkehr, auch dem Fachpublikum, in seiner Bedeutung "Schulter" nicht unmittelbar aufdränge.
Im übrigen tritt sie den Ausführungen der Markenstelle in den angefochtenen Beschlüssen bei.
II.
Die zulässige Beschwerde der Markeninhaberin ist unbegründet. Auch nach Einschränkung des Warenverzeichnisses durch die Markeninhaberin besteht zwischen der angegriffenen Marke und der Widerspruchsmarke die Gefahr von Verwechslungen im Sinne des § 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG, so daß die Markenstelle im Ergebnis zu Recht die angegriffene Marke gelöscht hat.
Bei der Prüfung der Verwechslungsgefahr ist von der Ähnlichkeit der Waren, der Kennzeichnungskraft der prioritätsälteren Marke und der Ähnlichkeit der Marken auszugehen. Zwischen diesen Faktoren besteht eine Wechselwirkung, so daß ein geringerer Grad der Ähnlichkeit der Zeichen durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Waren ausgeglichen werden kann und umgekehrt (BGH GRUR 2000, 506, 508 - ATTACHE/TISSERAND).
Was die Waren betrifft ist auf Seiten der Widersprechenden zunächst einmal von, den "elastischen Fixiervliesen für Wundauflagen" auszugehen, für die eine rechtserhaltende Benutzung glaubhaft gemacht worden ist, was auch von der Markeninhaberin nicht mehr in Abrede gestellt wird. Solche elastische Fixiervliese gehören zur Gruppe der Verbandstoffe und Pflaster, wie sie als Oberbegriffe im Warenverzeichnis der Widerspruchsmarke aufgeführt sind. Grundsätzlich ist zwar beim Vergleich der sich gegenüberstehenden Waren von den konkreten Waren auszugehen, für welche die Marken benutzt werden. Handelt es sich aber um eine Art Spezialware oder zB um bestimmte Abgabeformen, Vertriebswege oder Abnehmerkreise, für die der Markeninhaber die Benutzung nachgewiesen hat, ist es nach der sog. erweiterten Minimallösung (vgl. Althammer/Ströbele, MarkenG 6. Aufl., § 26 Rdnr 105f) erforderlich, die Benutzung in einem weiteren Bereich anzuerkennen. Denn ansonsten wäre der Markeninhaber in seiner wirtschaftlichen Bewegungsfreiheit ungebührlich eingeschränkt. Die Benutzung für eine spezielle Ware erhält damit rechtswirksam die Marke auch für einen diese Ware umfassenden, allerdings nicht zu breiten Warenoberbegriff. So liegt der Fall hier. Die von der Markeninhaberin anerkannte Benutzung der Widerspruchsmarke für "elastische Fixiervliese für Wundauflagen" beinhaltet auch die rechtserhaltende Benutzung der Warenoberbegriffe "Verbandstoffe" und "Pflaster", wobei es insoweit Überschneidungen gibt und eine strikte Trennung zwischen diesen Oberbegriffen nicht möglich ist.
"Verbandstoffe/Pflaster" sind mit den nach Einschränkung des Warenverzeichnisses der angegriffenen Marke noch beanspruchten Waren "Schulterorthesen mit formstabiler Stützschale" unbedenklich ähnlich im markenregisterrechtlichen Sinn.
Bei der Beurteilung der Ähnlichkeit der Waren sind zur Gewährleistung der Herkunftsfunktion der Marke alle erheblichen Faktoren zu berücksichtigen, die das Verhältnis zwischen den Waren kennzeichnen. Dabei kann auch auf Umstände zurückgegriffen werden, die bislang für die Bestimmung des Warengleichartigkeitsbereichs Geltung hatten, wie Herstellung von demselben Unternehmen, Übereinstimmungen in der stofflichen Beschaffenheit, gleicher Verwendungszweck oder Berührungspunkte beim Vertrieb, weil die Waren beispielsweise in denselben Verkaufsstätten angeboten werden. Darüber hinaus sind jedoch die Art der Waren, ihr Verwendungszweck und ihre Nutzung sowie ihre Eigenart als miteinander konkurrierende oder einander ergänzende Waren zu berücksichtigen (EuGH GRUR 1998, 922, 923 TR 23 - Canon; BGH aaO - LIBERO), da die Hauptfunktion der Marke darin besteht, dem Verbraucher oder Endabnehmer die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Ware zu garantieren, in dem sie ihm ermöglicht, diese Ware ohne Verwechslungsgefahr von Waren anderer Herkunft zu unterscheiden. Die Marke muß also Gewähr dafür bieten, daß alle Waren, die mit ihr versehen sind, unter der Kontrolle eines einzigen Unternehmens hergestellt oder erbracht worden sind, das für ihre Qualität verantwortlich gemacht werden kann. Daher liegt eine Verwechslungsgefahr dann vor, wenn das Publikum glauben könnte, daß die betreffenden Waren aus demselben Unternehmen oder gegebenenfalls aus wirtschaftlich miteinander verbundenen Unternehmen stammen.
Diese Voraussetzungen werden von den sich vorliegend gegenüber stehenden Waren erfüllt. Die von der Markeninhaberin beanspruchten Schulterorthesen stellen Schulterstützen dar, wie sie auf der Internetseite der Markeninhaberin und in entsprechenden Katalogen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, beworben werden. Sie dienen der Stützung und Stabilisierung der Schultergelenke unter Einbeziehung des Arms für die Stützschale.
Unter Verbandstoffe fallen zB auch Hochleistungsbandagen und Kompressen, die in ihrer Größe und Formgebung schon nahe an Stützen heranreichen. Eine Vielzahl von Firmen bieten sowohl zB Kniebandagen als auch Orthesen an (vgl www.google.de; Orthesen). Trotz der Einschränkung der Schulterorthesen auf solche mit "formstabiler Stützschale" sind die Vergleichswaren insbesondere auch zur Fixierung von Gelenken bestimmt und geeignet, dh sie können sich ohne weiteres ergänzen und von denselben Abnehmern zu nahezu gleichen Zwecken verwendet werden. Schon unter diesem Blickwinkel besteht deshalb eine markenrechtlich relevante durchschnittliche Ähnlichkeit.
Die Waren der Vergleichsmarken richten sich nicht nur an den Fachverkehr, sondern auch an den Endverbraucher, der sie in Spezialgeschäften wie Sanitätshäusern oder Apotheken erwerben kann. Der Widerspruchsmarke kommt eine durchschnittliche Kennzeichnungskraft zu, da keine Anhaltspunkte für deren Schwächung erkennbar sind.
Selbst wenn man von einer durchschnittlichen Warenähnlichkeit und einer normalen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke und damit von eher durchschnittlichen Anforderungen an den zur Verneinung einer Verwechslungsgefahr einzuhaltenden Abstand der Marken ausgeht, kommen diese sich im Ergebnis zu nahe. Wie die Markenstelle schon zutreffend ausgeführt hat, ist im Hinblick auf die Beurteilung der Ähnlichkeit der Vergleichszeichen von deren Gesamteindruck auszugehen. Dabei kann auch der kennzeichnungsschwache Wortteil "fix" nicht völlig unberücksichtigt bleiben, da auch er zum Gesamtklangbild beiträgt. Die Markenwörter stimmen damit in der wesentlichen Laut- und Buchstabenfolge "Om..fix" überein. Zwar weichen die Mittelsilben in den Vokalen "i" und "o" voneinander ab. Dagegen kommen sich die Mittellaute "m" und "n" klanglich wie bildlich allerdings sehr nahe, so daß im Sprechrhythmus und Schriftbild kein großer Gegensatz entsteht.
Berücksichtigt man letztlich, daß im entscheidungsrelevanten Umfang auch Endverbraucher von den Waren angesprochen sind, reichen die vorhandenen Unterschiede nicht aus, um eine Verwechslungsgefahr völlig auszuschließen.
Die Beschwerde der Markeninhaberin hatte somit im Ergebnis keinen Erfolg.
Anlaß, einem der Beteiligten die Kosten des Beschwerdeverfahrens aus Billigkeitsgründen aufzuerlegen (§ 71 Abs 1 MarkenG), bestand indes nicht.
Stoppel Martens Kunze Ko
BPatG:
Beschluss v. 30.05.2001
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