Bundespatentgericht:
Beschluss vom 8. Januar 2009
Aktenzeichen: 21 W (pat) 322/08

(BPatG: Beschluss v. 08.01.2009, Az.: 21 W (pat) 322/08)

Tenor

Das Patent wird widerrufen.

Gründe

I Auf die am 4. September 2000 beim Deutschen Patentund Markenamt eingereichte Patentanmeldung ist das Patent 100 43 864 mit der Bezeichnung "Verfahren zur Bewertung der Verbrennung bei geschichteter Ladung in Otto-Motoren, vorzugsweise mit Direkteinspritzung" erteilt worden. Die Veröffentlichung der Patenterteilung ist am 8. Juli 2004 erfolgt.

Der mit Gliederungspunkten versehene, erteilte Patentanspruch 1 lautet:

M1 Verfahren zur Bewertung von Verbrennungsvorgängen bei direkteinspritzenden Otto-Motoren, und/oder zum Ermitteln von zeitund/oder kurbelwinkelbezogenen Einspritzkenngrößen, und/oder, M2 bei welchen Verbrennungsstrahlung mittels eines optischen Sensors im Brennraum (2) aufgenommen wird M3 und der Verlauf eines Signals der Strahlungsintensität ausgewählter Spektralbereiche, der bei der Verbrennung emittierten Strahlung (Q) analysiert wird, dadurch gekennzeichnet, M4 dass aus der Verbrennungsstrahlung gefilterte Spektralbereiche von Ruß-(QRuß) und OH-Strahlung (QOH) ausgewertet werden M5 und aus deren Verhältnis zueinander das Brennverfahren quantitativ bewertet wird.

Hinsichtlich der erteilten Unteransprüche 2 bis 6 wird auf die Patentschrift verwiesen.

Gegen das Patent ist am 8. Oktober 2004 Einspruch erhoben worden.

Zur Begründung ihres Einspruchs verweist die Einsprechende auf die Entgegenhaltungen D1: Dr. Kazunari Kuwahara, Dr. Hiromitsu Ando, Mitsubishi Motors Corporation, Okazaki, "Time-Series Spectroscopic Analysis of the Combustion Process in a Gasoline Direct Injection Engine", 4. Internationales Symposium für Verbrennungsdiagnostik, Baden-Baden, 18. und 19. Mai 2000. D2: DE3410067A1 D3: US5113828A D4: WO 94/17297 A1.

Im Prüfungsverfahren und in der Beschreibungseinleitung der Patentschrift sind außerdem noch die Entgegenhaltungen D5: DE 199 01 795 A1 D6: DE 196 16 744 C2 D7: DE 198 27 533 A1 D8: US 5 076 237 D9: DE3505063A1 und D10: EP 0 632 864 A1 genannt worden.

Die Einsprechende macht mangelnde erfinderische Tätigkeit geltend.

Die Einsprechende stellt den Antrag, das Patent DE 100 43 864 zu widerrufen.

Die Patentinhaberin stellt den Antrag, das Patent DE 100 43 864 in vollem Umfang aufrechtzuerhalten, hilfsweise das Patent beschränkt aufrechtzuerhalten mit den Patentansprüchen 1 bis 3 gemäß Hilfsantrag 1, überreicht in der mündlichen Verhandlung vom 23. Oktober 2008; weiter hilfsweise mit den Patentansprüchen 1 und 2 gemäß Hilfsantrag 2, überreicht in der mündlichen Verhandlung vom 23. Oktober 2008, im Übrigen jeweils mit den Unterlagen gemäß Patentschrift.

Der mit Gliederungspunkten versehene Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1 lautet:

M1 Verfahren zur Bewertung von Verbrennungsvorgängen bei direkteinspritzenden Otto-Motoren, und/oder zum Ermitteln von zeitbzw. kurbelwinkelbezogenen Einspritzkenngrößen, und/oder, M2 bei welchen Verbrennungsstrahlung mittels eines optischen Sensors im Brennraum (2) aufgenommen wird M3 und der Verlauf eines Signals der Strahlungsintensität ausgewählter Spektralbereiche, der bei der Verbrennung emittierten Strahlung (Q) analysiert wird, dadurch gekennzeichnet, M4 dass aus der Verbrennungsstrahlung gefilterte Spektralbereiche von Rußund OH-Strahlung (QRuß, QOH) ausgewertet werden M5 und aus deren Verhältnis zueinander das Brennverfahren quantitativ bewertet wird, M6 wobei die Maximalwerte des in elektrische Signale gewandelten Signals der Strahlungsintensität der betrachteten Spektralbereiche aus Festkörperund OH-Strahlung (Imax_Ruß / Imax_OH) zueinander ins Verhältnis gesetzt werden, wobei der Rußausstoß quantitativ bestimmt wird.

Hinsichtlich der Unteransprüche 2 und 3 gemäß Hilfsantrag 1 wird auf den Akteninhalt verwiesen.

Der mit Gliederungspunkten versehene Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag 2 lautet:

M1 Verfahren zur Bewertung von Verbrennungsvorgängen bei direkteinspritzenden Otto-Motoren, und/oder zum Ermitteln von zeitbzw. kurbelwinkelbezogenen Einspritzkenngrößen, und/oder, M2 bei welchen Verbrennungsstrahlung mittels eines optischen Sensors im Brennraum (2) aufgenommen wird M3 und der Verlauf eines Signals der Strahlungsintensität ausgewählter Spektralbereiche, der bei der Verbrennung emittierten Strahlung (Q) analysiert wird, dadurch gekennzeichnet, M4 dass aus der Verbrennungsstrahlung gefilterte Spektralbereiche von Rußund OH-Strahlung (QRuß, QOH) ausgewertet werden M5 und aus deren Verhältnis zueinander das Brennverfahren quantitativ bewertet wird, M6 wobei die Maximalwerte des in elektrische Signale gewandelten Signals der Strahlungsintensität der betrachteten Spektralbereiche aus Festkörperund OH-Strahlung (Imax_Ruß / Imax_OH) zueinander ins Verhältnis gesetzt werden, wobei der Rußausstoß quantitativ bestimmt wird M7 und, die zeitund/oder kurbelwinkelbezogenen Einspritzkenngrößen entsprechend dem Verhältnis der die Strahlungsintensität im Spektralbereich der Festkörperund OH-Strahlung kennzeichnenden Messgrößen (Imax_Ruß / Imax_OH) so gesteuert werden, dass dieses Verhältnis kleine Werte annimmt.

Hinsichtlich des Unteranspruches 2 gemäß Hilfsantrag 2 wird auf den Akteninhalt verwiesen.

Die Patentinhaberin tritt dem Vorbringen der Einsprechenden entgegen und ist der Auffassung, dass der Gegenstand des erteilten Patentanspruchs 1 und der Patentansprüche 1 gemäß Hilfsantrag 1 und 2 durch den entgegengehaltenen Stand der Technik nicht nahegelegt sei, da es auf die Auswahl der richtigen Spektren und deren quantitative Beurteilung ankomme und das Verhältnis von Rußzu OH-Strahlung ein spezielles Verhältnis sei, das aus dem Stand der Technik nicht nahegelegt sei.

II 1.

Da die Einspruchsfrist im vorliegenden Verfahren nach dem 1. Januar 2002 zu laufen begonnen hat und der Einspruch vor dem 1. Juli 2006 eingelegt worden ist, ist das Bundespatentgericht für die Entscheidung gemäß § 147 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 PatG in der bis einschließlich 30. Juni 2006 gültigen Fassung weiterhin zuständig (vgl. BGH GRUR 2007, 862 ff. -Informationsübermittlungsverfahren II; BPatG GRUR 2007, 449 f. -Rundsteckverbinder).

2.

Der formund fristgerecht erhobene Einspruch ist zulässig, denn die Einsprechende hat sich im Einspruchsschriftsatz anhand des druckschriftlichen Standes der Technik mit allen Merkmalen des erteilten Patentanspruchs 1 auseinandergesetzt. Die Zulässigkeit des Einspruchs ist im Übrigen von der Patentinhaberin nicht bestritten worden.

3.

Der Einspruch ist auch begründet. Denn nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung erweisen sich die Gegenstände des erteilten Patentanspruchs 1 und der Patentansprüche 1 gemäß Hilfsantrag 1 und 2 aufgrund mangelnder erfinderischer Tätigkeit als nicht patentfähig, so dass das Patent zu widerrufen ist (§ 21 Abs. 1, Nr. 1 PatG).

4.

Das Streitpatent betrifft ein Verfahren zur Bewertung der Verbrennung bei geschichteter Ladung in Otto-Motoren, vorzugsweise mit Direkteinspritzung (Absatz [0001]).

Die Homogenität der in den Zylinder eingebrachten Ladung beeinflusst entscheidend die Verbrennung, d. h. Abgaswerte, Verbrauch, Motorleistung etc. sind von diesem Parameter abhängig. Dies ist insbesondere bei Motoren mit direkter Einspritzung des Kraftstoffes in den Zylinder, hervorgerufen durch die kurzen Gemischbildungszeiten, von Bedeutung. Eine Beurteilung der Ladungsverteilung, insbesondere deren Homogenität, und eine verbrennungsgünstige Verteilung der Ladungsschichten innerhalb des Zylinders sind für eine optimale Gestaltung des Verbrennungsvorganges notwendig (Absatz [0002]).

Bei den vorbekannten Verfahren ist es laut Patentschrift nachteilig, dass nur ein Spektralbereich zur Beurteilung der Verbrennung verwendet wird und eine Auswertung und Analyse verschiedener Spektralbereiche des Verbrennungslichtes nicht stattfindet.

Daher ist es Aufgabe der vorliegenden Erfindung, aus im Brennraum aufgenommenen optischen Messungen Parameter zu bilden, die ein Ermitteln von Einspritzkenngrößen, wie Einspritzzeitpunkt und Einspritzende, zur günstigen Ausbildung einer Schichtladung im Brennraum für optimalen Verbrennungsablauf ermöglichen (Absatz [0013]).

Zur Lösung dieser Aufgabe würden einzelne Lichtintensitätswerte im Spektralbereich von Rußund der OH-Strahlung aufgenommen und aus dem Quotienten (Intensität Ruß-/Intensität OH-Strahlung) würde ein Parameter zur quantitativen Bewertung des Verbrennungsverfahrens gebildet. Kleine Werte dieser Quotienten kennzeichneten dabei eine geringe Rußbildung und ermöglichen die Beurteilung der Ladungsschichtung bezüglich deren Ausbildung auf den Rußausstoß. Der erfindungsgemäß gebildete Parameter korreliere mit der Schwärzungszahl, reagiere jedoch im Vergleich empfindlicher und gewährleiste eine bessere Auflösung (Absatz [0024]).

5.

Die erteilten Patentansprüche 1 bis 6 gehen auf die ursprünglichen Patentansprüche 6 bis 10 zurück, die Patentansprüche 1 bis 3 gemäß Hilfsantrag 1 und die Patentansprüche 1 und 2 gemäß Hilfsantrag 2 gehen auf die ursprünglichen Patentansprüche 6, 8 und 10 zurück. Alle Patentansprüche sind durch die ursprüngliche Offenbarung gedeckt und somit zulässig, durch die Gegenstände der Hilfsanträge 1 und 2 hat die Patentinhaberin das Patent in zulässiger Weise beschränkt.

6.

Die Gegenstände des erteilten Patentanspruchs 1 und der Patentansprüche 1 gemäß Hilfsantrag 1 und 2 sind zwar neu, beruhen jedoch nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit des zuständigen Fachmanns, einem mit der Entwicklung von optischen Sensoren zur Beurteilung der Verbrennung von Verbrennungsmotoren befassten berufserfahrenen Diplom-Physiker.

Erteilter Patentanspruch 1:

Aus der Druckschrift D1 (vgl. Seite 132, rechte Spalte, letzter Absatz) ist ein Verfahren zur Bewertung von Verbrennungsvorgängen bei direkteinspritzenden Otto-Motoren (gasoline direct injection engine) (M1) bekannt, bei welchem (vgl. die Figur 1 mit Beschreibung) Verbrennungsstrahlung mittels eines optischen Sensors (optical multichannel analyser OMA) im Brennraum aufgenommen wird (M2) und der Verlauf (vgl. Seite 134, rechte Spalte) der Strahlungsintensität ausgewählter Spektralbereiche (270 bis 370 nm und 510 bis 590 nm, separatly and simultaneously) der bei der Verbrennung emittierten Strahlung analysiert wird (M3).

Die aus der Verbrennungsstrahlung gefilterten Spektralbereiche werden ausgewertet, wobei auch OH-Strahlung und Rußstrahlung (soot) erwähnt ist (vgl. die Figur 11, sowie die zugehörige Beschreibung auf Seite 134, rechte Spalte) (M4).

Wenn der Fachmann nun vor die Aufgabe gestellt ist, aus den im Brennraum des Motors aufgenommenen optischen Messungen Parameter zu bilden, die ein Ermitteln von Einspritzkenngrößen zur günstigen Ausbildung einer Schichtladung im Brennraum für optimalen Verbrennungsablauf ermöglichen, wird er die Druckschrift D5 in Betracht ziehen, aus der ein Verbrennungsdiagnosesystem bekannt ist, das (vgl. die Figur 1) ein Diagnoseelement (10) umfasst, welches in eine eine Brennkammer (12) umschließende Brennkammerwand (14) einsetzbar ist, um in der Brennkammer (12) auftretende elektromagnetische Strahlung zu detektieren (Spalte 4, Zeilen 12 bis 17). Zur Beurteilung des Verbrennungsverlaufes (vgl. die Figuren 6 und 7) wird das Verhältnis der Spektralbereiche von OH-Strahlung zu CN-und NO-Strahlung gebildet. Dabei liegt es im Bereich fachmännischen Handelns, die für die Beurteilung des Verbrennungsverlaufs sinnvollsten Spektralbereiche auszuwählen. Es ist von dem hier angesprochenem Fachmann zu erwarten und bedarf keiner erfinderischen Tätigkeit, die auch bereits in der D1 erwähnten Spektralbereiche von Rußund OH-Strahlung zur quantitativen Beurteilung des Brennverfahrens ins Verhältnis zu setzen (M5), zumal OH-Strahlung als Referenzgröße ebenfalls bereits in der Druckschrift D5 genannt ist.

Der Gegenstand des erteilten Patentanspruchs 1 ergibt sich somit in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik nach den Druckschriften D1 und D5.

Patentansprüche 1 gemäß Hilfsantrag 1 und 2:

Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 1 bzw. 2 unterscheidet sich vom Gegenstand des erteilten Patentanspruch 1 durch die zusätzlichen Merkmale M6 bzw. M6 und M7.

Der Gegenstand des erteilten Patentanspruchs 1 (Merkmale M1 bis M5) ist, wie oben dargelegt, dem Fachmann durch die Druckschriften D1 und D5 nahegelegt.

Des Weiteren ist aus der Druckschrift D5 (vgl. die Figuren 6 und 7, sowie Spalte 3, Zeilen 13 bis 29, und Spalte 5, Zeilen 35 bis 68) bekannt, die Maximalwerte (Intensität) des in elektrische Signale gewandelten Signals der Strahlungsintensität der betrachteten Spektralbereiche zueinander ins Verhältnis zu setzen, wobei der Schadstoffausstoß quantitativ bestimmt wird (M6), und (vgl. Spalte 5, Zeilen 42 bis 68, Zeilen 57, 58: "Optimierung auf minimale Schadstoffproduktion") die zeitund/oder kurbelwinkelbezogenen Einspritzkenngrößen entsprechend dem Verhältnis der die Strahlungsintensität der betrachteten Spektralbereiche kennzeichnenden Messgrößen so gesteuert werden, dass dieses Verhältnis kleine Werte annimmt (M7), um die Verbrennung zu optimieren. Dabei liegt es im Bereich fachmännischen Handelns, speziell Schadstoffe in Form von Ruß zu reduzieren und dazu die Spektralbereiche von Festkörper-(entsprechend Ruß) und OH-Strahlung zueinander ins Verhältnis zu setzen und die Einspritzkenngrößen so zu steuern, dass dieses Verhältnis für eine optimale Verbrennung und damit minimalen Rußausstoss kleine Werte annimmt.

Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 2 ergibt sich somit für den Fachmann ebenfalls in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik nach den Druckschriften D1 und D5.

Da der Gegenstand des Patentanspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 1 vom enger gefassten Gegenstand des Patentanspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 2 mit umfasst ist, trifft obige Bewertung auch für den Gegenstand des Patentanspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 1 zu.

7. Da auch die erteilten Unteransprüche 2 bis 6, die Unteransprüche 2 und 3 gemäß Hilfsantrag 1 und der Unteranspruch 2 gemäß Hilfsantrag 2, wie der Senat überprüft hat, eine erfindungsbegründende Substanz jedenfalls nicht erkennen lassen und die Pateninhaberin eine solche auch nicht geltend gemacht hat, fallen diese mit den Patentansprüchen 1 gemäß Hauptund Hilfsanträgen 1 und 2.

Dr. Morawek Baumgärtner Bernhart Dr. Müller Pü






BPatG:
Beschluss v. 08.01.2009
Az: 21 W (pat) 322/08


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