Oberlandesgericht Düsseldorf:
Beschluss vom 2. Juli 2007
Aktenzeichen: I-26 W 3/06 AktE
(OLG Düsseldorf: Beschluss v. 02.07.2007, Az.: I-26 W 3/06 AktE)
Tenor
Die sofortige Beschwerde der Beschwerdeführerin wird zurückgewiesen.
Es wird klargestellt, dass Tenor 2 des angefochtenen Beschlusses vom 18.05.2005 die Einführung des Halbeinkünfteverfahrens berücksichtigt.
Die Beschwerdegegnerinnen zu 1 und 2 haben die im Beschwerdeverfah-ren entstandenen Gerichtskosten sowie die im Beschwerdeverfahren ent-standenen außergerichtlichen Kosten der beiden Vertreter der außenste-henden Aktionäre als Gesamtschuldnerinnen zu tragen. Im Übrigen werden außergerichtliche Kosten nicht erstattet.
Wert des Beschwerdeverfahrens: 200.000 €
Gründe
I.
Das Grundkapital der Beschwerdegegnerin zu 1 ist in 400.000 Inhaberaktien aufgeteilt. Ein Viertel der Aktien ist zum Börsenhandel zugelassen. Die übrigen Aktien wurden am 31.01.1989 auf die Beschwerdegegnerin zu 2 übertragen. Diese unterbreitete den außenstehenden Aktionären ein öffentliches Übernahmeangebot zum Preis von 200 DM je Aktie. Bis Anfang Mai 1989 erlangte die Beschwerdegegnerin zu 2 etwa 96 % des Grundkapitals. Am 18.05.1989 schlossen die Beschwerdegegnerin zu 1 als beherrschtes und die Beschwerdegegnerin zu 2 als herrschendes Unternehmen einen Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag, dem die Hauptversammlung der Beschwerdegegnerin zu 1 am 30.06.1989 zustimmte. Auf der Grundlage eines Gutachtens der A.A.& Co. GmbH vom 12.05.1989 (Anlage AG 8) garantierte die Beschwerdegegnerin zu 2) den außenstehenden Aktionären einen Ausgleich für die Dauer des Vertrages in Höhe von 7 DM je Stammaktie für jedes volle Geschäftsjahr. Ferner verpflichtete sie sich, auf Verlangen eines außenstehenden Aktionärs dessen Aktien gegen eine Barabfindung von 200 DM je Stammaktie zu erwerben. Das Gutachten der A.A.& Co. GmbH vom 12.05.1989 enthielt eine Ausgleichzahlung von 6,57 DM und eine Abfindung von 154 DM. Die Aktien der Beschwerdegegnerin zu 1 wurden im ersten Halbjahr 1989 zu einem Kurs von 186 - 220 DM gehandelt, im Zeitpunkt des Abfindungsangebots zu 200 DM.
Die Beschwerdeführerin, die Antragsteller zu 2 - 4 und die gemeinsamen Vertreter der außenstehenden Aktionäre haben vor dem Landgericht Dortmund - Kammer für Handelssachen - beantragt, die Barabfindung und den Ausgleichsbetrag zu erhöhen. Die Antragsteller zu 2 und 3 haben zudem begehrt, den Abfindungsbetrag mit dem Kapitalisierungszinsfuß zu verzinsen, die Antragstellerin zu 3 außerdem, den Ausgleichsbetrag zu verzinsen. Die Beschwerdegegnerinnen zu 1 und 2 haben beantragt, die Anträge zurückzuweisen.
Das Landgericht hat aufgrund seiner Beschlüsse vom 07.01.1993 (GA 207 - 211), 03.07.1997 (GA 292) und 15.10.2001 (GA 457) Beweis erhoben durch Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens vom 09.09.1996 und Ergänzungsgutachten vom 19.04.1999 und 31.03.2003 (GA 516 - 525). Durch Beschluss vom 18.05.2005 (GA 661 ff), berichtigt durch Beschluss vom 16.06.2005 (GA 704), hat das Landgericht eine Abfindung in Höhe von 122 € und einen jährlichen Ausgleichsbetrag in Höhe von 8,00 € je Aktie festgesetzt.
Gegen den ihr am 24.05.2005 (GA 690) zugestellten Beschluss hat die Beschwerdeführerin mit Telefax vom 07.06.2005 (GA 698) sofortige Beschwerde eingelegt und mit am 04.04.2006 bei Gericht eingegangenem Schriftsatz begründet (GA 751 ff GA). Sie trägt vor: Auch für die Ausgleichszahlungen sei eine Verzinsung anzuordnen. Der Ausgleich sei unter Berücksichtigung des Kapitalisierungszinssatzes für die Abfindung zu bemessen. Der Abzug persönlicher Steuern sei nicht gerechtfertigt. Trotz Einführung des Halbeinkünfteverfahrens habe das Landgericht für die gesamte Laufzeit des Unternehmensvertrages die Geltung des Anrechnungsverfahrens unterstellt. Da Anrechnungsbescheinigungen für die Jahre 1989 bis 2001 nicht mehr erteilt würden, sei die Ausgleichszahlung nicht abzüglich zu entrichtender Körperschaftssteuer zu leisten. Der Ertragswert sei aus verschiedenen Gründen fehlerhaft ermittelt.
Die Beschwerdeführerin beantragt,
unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses die Höhe der angemessenen Barabfindung und Ausgleichszahlung höher festzusetzen.
Die Beschwerdegegnerinnen zu 1 und 2 beantragen,
die sofortige Beschwerde zurückzuweisen.
Sie treten den Ausführungen der Beschwerdeführerin im Einzelnen entgegen.
Die Vertreter der außenstehenden Aktionäre stellen keinen Antrag.
Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Schriftsätze der Parteien mit Anlagen und den Inhalt des angefochtenen Beschlusses Bezug genommen.
II.
Die Beschwerde ist gemäß § 12 SpruchG zulässig. Da sie nach dem 01.09.2003 eingelegt wurde, sind gemäß § 17 Abs. 2 S. 2 SpruchG die Vorschriften dieses Gesetzes anwendbar. Das Rechtsmittel hat jedoch keinen Erfolg. Die vom Landgericht festgesetzten Ausgleichs- und Abfindungsbeträge sind nicht zu erhöhen. Eine Verzinsung des Ausgleichs ist abzulehnen.
1. Die Beschwerdeführerin meint, auch Ausgleichzahlungen seien zu verzinsen. Die Erwägung des Landgerichts, wonach eine Abfindung nur dann angemessen sei, wenn sie nicht durch ein langes Gerichtsverfahren entwertet werde, gelte auch für die Ausgleichszahlung. Der Einwand greift nicht durch. Anders als § 305 Abs. 3 S. 3 AktG sieht die Vorschrift des § 304 AktG eine Verzinsung nicht vor. Den Beschwerdegegnerinnen ist zudem darin zuzustimmen, dass bei einer Verzinsung des Ausgleichs eine Überkompensation zugunsten der außenstehenden Aktionäre stattfinden würde. Schon der Ausgleich selbst kompensiert für die Dauer des Gewinnabführungsvertrages den Ausfall der Dividende, welche wiederum eine Verzinsung des eingesetzten Kapitals bildet. Die Verzinsung des Kapitals erfolgt außerdem im Rahmen der Abfindung nach § 305 Abs. 3 S. 3 AktG.
2. Zu Unrecht meint die Beschwerdeführerin, dass für die Bemessung des Ausgleichsanspruchs der Kapitalisierungszinssatz der Abfindung heranzuziehen sei. Dieser Ansicht steht der Gesetzeswortlaut des § 304 Abs. 2 S. 1 AktG entgegen, wonach bei einem festen Ausgleich der Betrag zu bestimmen ist, der voraussichtlich als durchschnittlicher Gewinnanteil auf die einzelne Aktie verteilt werden könnte. Die fiktive Betrachtung der künftigen Ertragsentwicklung zur Bestimmung des angemessenen Ausgleichs hat einen anderen Gegenstand als die Abzinsung der Zukunftserträge auf den Bewertungsstichtag im Rahmen der Berechnung der Abfindung. Diese Betrachtung entspricht der in Rechtsprechung und Literatur ganz überwiegend vertretenen Auffassung (vgl. hierzu Senat, Beschl. v. 20.09.2006, I - 26 W 8/06 AktE, Seite 16 des Umdrucks mit Hinweis auf OLG Frankfurt, Beschl. v. 09.01.2003 - 20 W 434/93, AG 2003 581, Hüffer, AktG, 7. Aufl. § 304 Rdnr. 12 m.w.N.; MünchKomm AktG - Bilda, 2. Aufl., § 304 Rdnr. 91 m.w.N.).
Ohne Erfolg rügt die Beschwerdeführerin den Abzug persönlicher Steuern. Zutreffend weisen die Beschwerdegegnerinnen darauf hin, dass das Landgericht im Einklang mit den Gutachten und der früher durch HFA 2/1983 vorgegebenen Methodik weder bei der Ertragsbemessung noch beim Kapitalisierungszinssatz pauschalierte Einkommenssteuern in Abzug gebracht habe.
3. Die Beschwerdeführerin moniert, die Ausgleichszahlung sei fehlerhaft bemessen, weil das Landgericht trotz der Einführung des Halbeinkünfteverfahrens nur die Geltung des Anrechnungsverfahrens unterstellt habe. Auch diese Kritik ist nicht berechtigt. Zwar haben die Gutachter zunächst die Bruttodividende und hieraus unter Abzug des Ausschüttungstarifs die Nettodividende ermittelt. Auch hat das Landgericht an das gerichtliche Hauptgutachten (Rdnr. 244) angeknüpft. Dann aber hat es den ausschüttungsfähigen Betrag von brutto 15,65 DM (= 8 Euro) nicht um die darauf entfallende Körperschaftssteuerbelastung gekürzt (vgl. S. 23), sondern die Kürzung im Tenor 2 mit ausgesprochen. Durch verallgemeinernde Wendung ("...in Höhe des "jeweils gültigen Steuertarifs") hat es den Fall erfasst, dass von der Bruttodividende für die Zeiträume unter dem Regime des Anrechnungsverfahrens die Ausschüttungs-Körperschaftssteuer und unter dem Regime des Halbeinkünfteverfahrens die bei der Beschwerdegegnerin zu 1 definitiv anfallende Körperschaftssteuer einschließlich Solidaritätszuschlag abzusetzen sind. Zur Klarstellung wird dieser Zusammenhang im Tenor des Senatsbeschlusses nochmals verdeutlicht.
Weiterhin meint die Beschwerdeführerin, Anrechnungsbescheinigungen könnten für die Jahre 1989 bis 2001 nicht mehr erteilt werden, weshalb die Ausgleichszahlung nicht, wie tenoriert, abzüglich der von der Beschwerdegegnerin zu 1 zu entrichtenden Körperschaftssteuer zu leisten sei, sondern ungekürzt. Auch dem folgt der Senat nicht. Für den Abzug kommt es nur darauf an, ob Körperschaftsteuer tatsächlich zu entrichten ist, nicht aber, ob Anrechnungsbescheinigungen hierüber vorgelegt werden können.
4. Nach Ansicht der Beschwerdeführerin hat das Landgericht den Ertragswert unzutreffend bestimmt. Auch diese Kritik geht fehl.
a) Die Beschwerdeführerin moniert, dass der durchschnittliche Ertragsüberschuss in der ersten Planphase 6.799 TDM betrage, dann aber in der Phase II (ewige Rente) wieder sinke, was objektiv falsch sei. Indes liegt ein Absinken des Ertragsüberschusses in Phase II nicht vor. Die Phase I hat eine Dauer von 5 Jahren (1989 bis 1993), so dass der Teiler des Gesamtbetrages der jährlichen Erträge in dieser Zeit nicht 4, sondern 5 beträgt, woraus sich ein durchschnittlicher Ertragsüberschuss für die Phase I in Höhe von 5.439 TDM ergibt (27.194 TDM : 5 = 5.439 TDM). Der Planwert der Phase II (6.363 TDM, GA 676) sinkt also nicht, sondern steigt an.
b) Die Beschwerdeführerin meint, ein Zins von 7,7 % in der Phase II sei nicht hinnehmbar; zum Bewertungsstichtag sei für die Planphasen I und II allenfalls ein Kapitalisierungszinssatz von 7 % vertretbar gewesen. Dies werde dadurch bestätigt, dass sich der Zinssatz seit 1993 halbiert habe.
Dem ist nicht zuzustimmen. Die Zinsprognose erfolgt aus der Sicht des Stichtages. Maßgebend ist, was zum Stichtag vorhersehbar war (vgl. OLG Düsseldorf WM 1998, 2058, 2062; ZIP 1988, 1560). Das Sinken der Zinssätze ab 1993 war Mitte 1989 nicht vorhersehbar und auch nicht durch konkrete Tatsachen "in der Wurzel angelegt". Das Landgericht hat unter Verweis auf anderweitige zeitgleiche Rechtsprechung (vgl. Seite 17) vertretbare Zinssätze zugrunde gelegt. Seine Annahmen stehen im Einklang mit den Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen.
c) Die Beschwerdeführerin rügt, das Landgericht habe zu Unrecht angenommen, dass das Grundstück in S., , als Reservefläche für Betriebserweiterungen zur Verfügung stehe. Die Annahme des Landgerichts setze voraus, dass Betriebserweiterungen und dadurch bedingte Erträge auch in der Planungsrechnung abgebildet würden, woran es fehle. Indes ist die vom Landgericht vorgenommene Zuordnung des Grundstücks zum betriebsnotwendigen Vermögen nicht zu beanstanden. Für die Definition des betriebsnotwendigen Vermögens kommt es nicht auf die Sicht des Unternehmens an (vgl. hierzu Hans OLG Hamburg, NZG 2001, 471, 472; BayObLG WM 1996, 526, 529), sondern auf eine objektivierte Betrachtung. Von Relevanz kann insbesondere die funktionale Bedeutung des Wirtschaftsguts für den Betrieb sein. Vorliegend war es sachgerecht, die Lage des Grundstücks zum Fabrikationsgelände der Beschwerdegegnerin zu 1 zu berücksichtigen.
Die Beschwerdeführerin kritisiert die Einordnung des Wertpapiervermögens als betriebsnotwendiges Vermögen. Da die Wertpapiere im Durchschnitt eine geringere Rendite als festverzinsliche Rentenpapiere erzielten, müsse nach ihrer Ansicht die Veräußerung der Wertpapiere zum Bewertungsstichtag fingiert und die Wiederanlage in langfristige, hochverzinsliche Wertpapiere unterstellt werden. Indes ist nicht zu beanstanden, dass das Landgericht dem Sachverständigen folgend (S. 54 ff des Gutachtens vom 09.09.1996 Rdnrn 215 - 217, Beschl. S. 20 = GA 680) davon ausgegangen ist, dass die Finanzreserve für einen kurzfristigen Finanzierungsbedarf bereitzuhalten war. Der Wertpapierbestand setzte sich zum größten Teil aus einer Akontozahlung der H. Kreditversicherung für ein I.geschäft zusammen und war für die kurzfristige Finanzierung der Produktion bestimmt.
d) Die Beschwerdeführerin moniert, das Landgericht behaupte auf S. 20 ff des angefochtenen Beschlusses Ertrags-, Grundvermögens- und Steuererstattungswerte, ohne eine nachvollziehbare Berechnung vorzulegen. Auch dieser Vorwurf ist nicht berechtigt. Das Landgericht hat sich den überzeugenden Erläuterungen des gerichtlichen Sachverständigen angeschlossen (vgl. S. 10 ff), an einer Begründung des Gerichts fehlt es somit nicht.
e) Die Antragstellerin meint, die Forderung gegen die I. R. könne nicht nur mit der H.-Quote angesetzt werden. Es widerspreche kaufmännischer Sorgfalt, dem I. auf ungedeckter Basis Kredit zu gewähren. Daher sei die nicht realisierte Forderung in Höhe von 24 Mio. DM als Schadenersatzforderung gegen die Verwaltung einzubuchen. Gleiches gelte für abzuschreibende Forderungen gegen eine in Insolvenz gefallene Tochtergesellschaft. Indessen entsprach die vom Landgericht im Einklang mit den Sachverständigen angenommene Neutralität der Restforderungen gegen den I. den Erkenntnissen zum Bewertungsstichtag. Danach standen einer zum 31.12.1988 wertberichtigten Restforderung von 5,1 Mio. DM - vom vorgerichtlichen Gutachter (Seite 54 des Gutachtens, Rdnrn. 216, 217) um einen plausiblen Erwartungswert von rund 3 Mio. DM aufgestockt - eine Rückstellung infolge der H.-Vorfinanzierung in Höhe von 8,11 Mio. DM gegenüber. Am Bewertungsstichtag (30.06.1989) hatte die Beschwerdegegnerin zu 1 einen bereits fünfjährigen außergerichtlichen Rechtsstreit gegen den I. hinter sich. Erst am 21.03.1989 war es zu einer konstituierenden Sitzung des Schiedsgerichts gekommen. Bis dahin hatte der I. - so tragen die Beschwerdegegenrinnen unwidersprochen vor - kein Geld gezahlt. Im Hinblick hierauf und wegen der Gegenforderungen, die der I. S. gegen die Beschwerdegegnerin zu 1 erhob, war die Prognose einer liquidierbaren Restforderung von rund 8,1 Mio. DM gerechtfertigt. Die Einbuchung einer Schadensersatzforderung gegen die Verwaltung kommt hingegen, wie die Beschwerdegegnerinnen zu Recht meinen, mangels Substantiierung des Anspruchs nicht in Betracht. Auch die Voraussetzungen einer Schadensersatzforderung wegen der Insolvenz einer "sch. Tochtergesellschaft" (nach Darstellung der Beschwerdegegnerin zu 1 hatte sie nur eine d. Tochtergesellschaft, vgl. S. 9 des Schriftsatzes vom 02.06.2006 = GA 768) sind weder nachvollziehbar dargetan noch sonst ersichtlich.
III.
Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 6 Abs. 2, 15 Abs. 1, 2 SpruchG.
L. R. W.
OLG Düsseldorf:
Beschluss v. 02.07.2007
Az: I-26 W 3/06 AktE
Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/4f324648f6fe/OLG-Duesseldorf_Beschluss_vom_2-Juli-2007_Az_I-26-W-3-06-AktE