Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen:
Urteil vom 11. August 2010
Aktenzeichen: L 2 R 156/08
(LSG Niedersachsen-Bremen: Urteil v. 11.08.2010, Az.: L 2 R 156/08)
Tenor
Die Berufung wird zurückgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Dem Kläger werden Gerichtskosten in Höhe von 225,00 € auferlegt.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob dem Kläger ein Anspruch auf Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung zusteht.
Der 1971 geborene Kläger ist Volljurist. Er war seit dem 01. September 2002 bis zum 31. März 2005 - zunächst bis September 2003 als sog. Trainee, anschließend als Geschäftskundenbetreuer - bei der I. Hypo- und Vereinsbank AG tätig und aufgrund dieser Beschäftigung bei der Beklagten pflichtversichert. Die Tätigkeitsbeschreibung weist als Hauptaufgaben des Geschäftskundenbetreuers u.a. eine aktive, individuelle und persönliche Betreuung aller Gewerbetreibenden und Unternehmen mit einem Geschäftsjahresumsatz von bis zu drei Millionen Euro jährlich sowie aller Freiberufler und Selbständigen und eine ertrags- und risikoorientierte Beratung in den betrieblichen und privaten Kundenbelangen aus.
Seit dem 31. Januar 2003 war der Kläger nebenberuflich - mit Einwilligung des Arbeitgebers - als selbständiger Rechtsanwalt tätig und als solcher Pflichtmitglied in der Rechtsanwaltskammer J. und im Niedersächsischen Versorgungswerk der Rechtsanwälte - Rechtsanwaltsversorgung Niedersachsen - RVN (Beigeladener zu 1). Beginnend ab 1. Februar 2003 wurden einkommensbezogene Pflichtbeiträge an den Beigeladenen entrichtet. Nach eigenen Angaben hat der Kläger mit Wirkung zum 31. Dezember 2006 auf die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft verzichtet.
Den im März 2003 bei der Beklagten eingegangenen Antrag des Klägers auf Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung vom 17. Februar 2002 - der eine Bestätigung des Arbeitgebers über eine Tätigkeit als Rechtsanwalt in dem Unternehmen nicht enthielt (Antragsvordruck Ziffer 4. Erklärung des Arbeitgebers) - lehnte diese mit Bescheid vom 19. Mai 2003 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 15. August 2003 ab, weil es sich bei der am 01. September 2002 aufgenommenen Beschäftigung bei der I. Hypo- und Vereinsbank AG als Trainee nicht um eine berufsständische (anwaltliche) Tätigkeit handele. Die Pflichtmitgliedschaft in der Rechtsanwaltskammer J. und dem RVN ab dem 31. Januar 2003 sei allein in der selbständigen Tätigkeit als Rechtsanwalt begründet. Dies ergebe sich schon daraus, dass der Kläger die abhängige Beschäftigung, für die er die Befreiung beantragt hätte, bereits seit dem 01. September 2002 ausgeübt habe, ohne dass dies die Mitgliedschaft in dem Versorgungswerk zur Folge gehabt hätte.
Mit der am 13. September 2003 vor dem Sozialgericht (SG) Hannover erhobenen Klage hat der Kläger sein Begehren weiterverfolgt. Zur Begründung hat er insbesondere vorgetragen, berufsspezifisch rechtsberatend und -entscheidend tätig und damit anwaltlich beschäftigt zu sein. Der Status als Trainee stehe dem nicht entgegen. Seine Versorgung sei im Übrigen durch die Zwangsmitgliedschaft bei dem beigeladenen RVN gesichert. Einer weiteren Absicherung bedürfe es nicht. Anderenfalls entstünde eine unzumutbare Doppelbelastung und es träte eine Überversorgung ein. Die Befreiung sei letztlich ein Gebot des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes.
Mit Bescheid vom 27. April 2006 - der Gegenstand eines weiteren, bei dem SG Berlin anhängigen Rechtsstreits (Az: S 21 R 102/08) geworden ist - befreite die Beklagte den Kläger von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung für den Zeitraum seit der erneuten Antragstellung vom 22. August 2005 bis 30. September 2005 wegen einer am 01. April 2005 aufgenommenen Tätigkeit als Assistent der Geschäftsleitung bei der K. -Versicherungs-AG.
Nach Beiziehung einer Auskunft der I. Hypo- und Vereinsbank AG vom 14. Februar 2008, wonach seitens des Klägers keinerlei anwaltliche Tätigkeiten ausgeübt worden sind, hat das SG Hannover die Klage mit Urteil vom 21. Februar 2008 abgewiesen.
Gegen das ihm am 05. März 2008 zugestellte Urteil wendet sich der Kläger mit der am 16. März 2008 eingegangenen Berufung. Er ist weiterhin der Auffassung, einen Anspruch auf Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung für die Tätigkeit bei der I. Hypo- und Vereinsbank AG zu haben. Der fehlerhaften Rechtsanwendung liege die angesichts leerer Rentenkassen verständliche Intention zugrunde, den Kläger auf jeden Fall in der gesetzlichen Rentenversicherung zu halten. Im Falle der Nichtbefreiung müsse er seine Zulassung als Rechtsanwalt dauerhaft niederlegen, um Doppelbelastungen und Doppelansprüche zu vermeiden. Die Ausübung der beruflichen Tätigkeit als Rechtsanwalt sei ihm damit unmöglich. Eine Anwendung des § 6 Abs. 5 Satz 1 SGB VI auf Syndikusrechtsanwälte sei unzulässig. Durch die zwangsweise Mitgliedschaft in der Rechtsanwaltsversorgung bedürfe er keines weiteren Schutzes.
Der Kläger beantragt,
1. das Urteil des Sozialgerichts Hannover vom 21. Februar 2008 und den Bescheid der Beklagten vom 19. Mai 2003 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 15. August 2003 aufzuheben und
2. die Beklagte zu verurteilen, ihn von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung mit Wirkung ab 31. Januar 2003 bis zum 31. März 2005 bezogen auf seine damalige Tätigkeit bei der I. Hypo- und Vereinsbank AG zu befreien.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend und die erteilten Bescheide für rechtmäßig.
Der Beigeladene stellt keinen Antrag.
Dem Senat haben außer der Prozessakte die Verwaltungsakte der Beklagten vorgelegen. Diese sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen. Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts und des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
Gründe
Die statthafte Berufung ist form- und fristgerecht erhoben und damit zulässig. Sie ist jedoch nicht begründet.
Das Urteil des SG Hannover vom 21. Februar 2008 und der Bescheid der Beklagten vom 19. Mai 2003 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 15. August 2003 sind zutreffend und nicht zu beanstanden. Der Kläger, der als Trainee und Geschäftskundenbetreuer bei der I. Hypo- und Vereinsbank AG gegen Arbeitsentgelt beschäftigt und demzufolge nach § 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI vom 01. September 2002 bis zum 31. März 2005 versicherungspflichtig gewesen ist, hat für diese Tätigkeiten keinen Anspruch auf Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung.
Von der Versicherungspflicht werden nach Maßgabe des hier allein in Betracht kommenden § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI unter bestimmten Voraussetzungen (Buchst. a bis c) auf Antrag Angestellte und selbständig Tätige für die Beschäftigung oder selbständige Tätigkeit befreit, wegen der sie auf Grund einer durch Gesetz angeordneten oder auf Gesetz beruhenden Verpflichtung Mitglied einer öffentlich-rechtlichen Versicherungseinrichtung oder Versorgungseinrichtung ihrer Berufsgruppe (berufsständische Versorgungseinrichtung) und zugleich Kraft gesetzlicher Verpflichtung Mitglied einer berufsständischen Kammer sind.
Die Voraussetzungen für eine Befreiung von der Versicherungspflicht nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI für die abhängige Beschäftigung als Trainee und/oder Geschäftskundenbetreuer bei der I. Hypo- und Vereinsbank AG sind im vorliegenden Fall nicht gegeben. Denn der Kläger ist nicht bereits wegen der zuvor bezeichneten Tätigkeiten Mitglied einer Rechtsanwaltskammer und zugleich einer berufsständischen Versorgungseinrichtung geworden.
21Übt ein Versicherter - wie der Kläger - mehrere Tätigkeiten aus, so sind die Voraussetzungen der Befreiung von der Versicherungspflicht getrennt nach den einzelnen sie begründenden Beschäftigungen oder selbständigen Tätigkeiten zu ermitteln, sofern es sich um zeitlich, inhaltlich und funktional abgrenzbare Tätigkeiten handelt (BSG, Urteil vom 10. September 1975, 3/12 RK 6/74). Die Befreiung erfolgt sodann nur wegen der jeweiligen Beschäftigung, aufgrund der eine Pflichtmitgliedschaft in der berufsständischen Versorgungseinrichtung besteht (BSG, Urteil vom 22. Oktober 1998, B 5/4 RA 80/97 R = SozR 3-2600 § 56 Nr. 12)
Dass die Befreiungsregelung des § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI in diesem Sinne tätigkeits- und nicht personenbezogen zu verstehen ist, lässt sich nicht nur ihrem Wortlaut (" € für die Beschäftigung oder selbständige Tätigkeit, wegen der €") entnehmen, sondern ergibt sich auch aus dem Sinn und Zweck der Vorschrift (BSG, Urteil vom 22. Oktober 1998, a.a.O.). Mit der einem Mitglied der berufständischen Versorgungseinrichtung nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI eingeräumten Möglichkeit der Befreiung von der Versicherungspflicht koordiniert das SGB VI die selbständig nebeneinander stehenden, sich partiell überschneidenden Systeme der berufsständischen Altersversorgung und der gesetzlichen Rentenversicherung. Diese Koordinationsregel soll den Berufsangehörigen die Verpflichtung nehmen, Beiträge zu zwei weitgehend funktionsgleichen Sicherungssystemen zahlen zu müssen. Sie setzt daher einen inneren Zusammenhang zwischen der Tätigkeit des Berufsangehörigen, für die Versicherungsbefreiung in Anspruch genommen wird, und dem Versorgungsschutz durch die berufsständische Versorgungseinrichtung voraus (LSG NRW, Urteil vom 19. März 2004,- L 4 RA 12/03 ). Ein solcher innerer Zusammenhang besteht aber nur dann, wenn sich die Tätigkeit des Mitglieds der Versorgungseinrichtung, die von der Versicherungspflicht befreit werden soll, als berufsspezifisch darstellt (vgl. BSG, Urteil vom 22.Oktober.1998, a.a.O.). Dies entspricht auch dem in der Massenverwaltung formalisierten Solidarprinzip, nach dem alle Personen, die nicht nur in einem geringfügigen, entgeltlichen Beschäftigungsverhältnis stehen und damit typischerweise schutzbedürftig sind, in den Schutz der Solidargemeinschaft einbezogen werden und die Aufwendungen zugunsten ihrer nicht mehr aktiven Berufsgenossen mittragen sollen, ohne dass es - über die gesetzlich geregelten Ausnahmen der Versicherungspflicht hinaus - auf die individuelle Schutzbedürftigkeit ankäme (LSG NRW, Urteil vom 22. August 2005, L 3 RA 72/04 m.w.N.).
Nach Maßgabe der zuvor genannten Grundsätze sind die Voraussetzungen für eine Befreiung von der Versicherungspflicht nach § 6 Abs.1 S.1 Nr.1 SGB VI für die abhängige Beschäftigung des Klägers als Trainee und oder als Geschäftskundenbetreuer nicht gegeben.
Mit dem Zeitpunkt der Aufnahme der Beschäftigung als Angestellter bei der I. Hypo- und Vereinsbank AG am 01. September 2002 ist der Kläger nach § 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI als gegen Arbeitsentgelt beschäftigte Person versicherungspflichtig in der gesetzlichen Rentenversicherung. Auf Grund dieser Zugehörigkeit zum versicherten Personenkreis sind denn auch folgerichtig - den Angaben des Klägers zur letzten Beitragszahlung entsprechend - Pflichtbeiträge - jedenfalls - bis Februar 2003 an die Beklagte entrichtet worden.
Die Tätigkeit als angestellter Trainee und/oder Geschäftskundenbetreuer erfüllt indes allein nicht die Voraussetzungen für die Befreiung von der Versicherungspflicht nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI, denn diese begründet weder eine Pflichtmitgliedschaft in der Rechtsanwaltskammer noch bei dem Beigeladenen. Nach § 60 Abs. 1 Satz 2 BRAO sind Mitglieder der Rechtsanwaltskammer die Rechtsanwälte, die von ihr zugelassen oder aufgenommen worden sind, und Rechtsanwaltsgesellschaften, die im Bezirk des Oberlandesgerichts ihren Sitz haben. Für die Tätigkeit bei der I. Hypo- und Vereinsbank AG, einer nicht anwaltlichen Arbeitgeberin, ist der Kläger nicht als Rechtsanwalt zugelassen und damit nicht Mitglied der Rechtsanwaltskammer. Des Weiteren ist die Pflichtmitgliedschaft bei dem Beigeladenen zu 1 nach § 2 Abs. 1 des Gesetzes über das Niedersächsische Versorgungswerk der Rechtsanwälte vom 14. März 1982 (GNVR) auf die Rechtsanwälte, die den Rechtsanwaltskammern angehören, nicht jedoch für andere Juristen, beschränkt.
Entgegen der Auffassung des Klägers ist durch die Aufnahme einer nebenberuflichen (d.h. eine nur mit dem unterhälftigen Anteil seiner Arbeitskraft wahrgenommenen) Tätigkeit als freier Rechtsanwalt am 31. Januar 2003 ein Anspruch auf Befreiung nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI für seine abhängige Tätigkeit nicht entstanden. Zwar ist der Kläger durch die Zulassung als Rechtsanwalt iS von § 46 BRAO, dh als Rechtsanwalt in einem ständigen Dienstverhältnis, mit Wirkung vom 31. Januar 2003 nach § 60 BRAO Mitglied der Rechtsanwaltskammer J. und damit nach § 2 Abs. 1 GNVR iVm § 7 der Satzung des Niedersächsischen Versorgungswerks der Rechtsanwälte, einem berufsständigen Versorgungswerk, geworden.
27Durch die Aufnahme der Nebentätigkeit als selbständiger Rechtsanwalt -die als solche keine Pflichtmitgliedschaft kraft Gesetzes bei der Beklagten zu begründen vermag - ist die Tätigkeit des Klägers als Trainee und nachfolgend als Geschäftskundenbetreuer auch nicht als "anwaltliche" Tätigkeit und damit einhergehend auch nicht als eine den Anspruch auf Befreiung nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI begründende Tätigkeit zu werten.
Die Tätigkeit des Klägers bei der I. Hyper- und Vereinsbank AG ist schon nicht als "berufsspezifische" im Sinne des § 6 Abs. 1 SGB VI, mithin als anwaltliche, Tätigkeit zu qualifizieren. Insbesondere lässt sich schon nicht feststellen, dass der Kläger im Rahmen seiner Tätigkeit als Angestellter überwiegend Tätigkeiten im Sinne von § 3 BRAO, mithin Rechtsberatung, Rechtsentscheidung, Rechtsanwendung und Rechtsvermittlung ausgeübt hat. Da es schon an dieser notwendigen Voraussetzung für einen Befreiungsanspruch bezogen auf die Tätigkeit als Bankangestellter fehlt, bedarf es keiner weiteren Abklärung hinsichtlich der Befreiungsvoraussetzungen im Übrigen.
Zunächst hat der Kläger denn auch eine entsprechende "Erklärung des Arbeitgebers" (Ziff. 4 des Antrags auf Befreiung von der Versicherungspflicht) bezeichnenderweise nicht vorzulegen vermocht, wonach er "als Rechtsanwalt" für die Bank tätig gewesen wäre.
Auch anderweitig ergeben sich darüber hinaus keinerlei Anhaltspunkte, die die Feststellung einer anwaltlichen Tätigkeit rechtfertigen könnten. Erwiesen ist vielmehr nach dem Ergebnis der im erstinstanzlichen sozialgerichtlichen Verfahren ergänzend durchgeführten Beweisaufnahme das Gegenteil.
Ausweislich der Auskunft der I. Hyper- und Vereinsbank AG vom 14. Februar 2008 hat der Kläger im Rahmen seiner Tätigkeit als Geschäftskundenbetreuer keinerlei anwaltliche Tätigkeiten ausgeübt. Der dieser Auskunft beigefügten Arbeitsplatzbeschreibung des Geschäftskundenbetreuers ist ein davon abweichendes Ergebnis nicht zu entnehmen. Die aufgeführten Hauptaufgaben, insbesondere eine aktive, individuelle und persönliche Betreuung aller Gewerbetreibenden und Unternehmen sowie eine ertrags- und risikoorientierte Beratung in den betrieblichen und privaten Kundenbelangen lassen eine berufsspezifische Tätigkeit anwaltlicher Natur nicht erkennen. Im Gegenteil sprechen vielmehr die weiteren Hauptaufgaben im Sinne einer kontinuierlichen Marktbeobachtung zur Akquirierung ertragsbringender Geschäfte und der Bau und die Pflege des Netzwerkes zur Akquisition von Geschäftskunden sowie einer branchenorientierten Neukundenakquisition einschließlich der Repräsentation der Bank im Markt gegen eine entsprechende Wertung. Bezeichnenderweise bedurfte es für die Ausübung der Tätigkeit des Geschäftskundenbetreuers - anders als für die Tätigkeit eines Rechtsanwalts gemäß § 4 BRAO - auch nicht der Befähigung zum Richteramt, die nach § 5 Abs. 1 Deutsches Richtergesetz (DRiG) durch die Ablegung der beiden juristischen Staatsprüfungen erworben wird. Den Anforderungen genügten vielmehr nach den bankinternen Richtlinien die erfolgreiche Absolvierung eines wirtschaftswissenschaftlichen Studiums oder eine vorherige Tätigkeit als Bankkaufmann mit weiteren Qualifikationen (Bankakademie/VWA). Von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe wird insoweit zur Vermeidung von Wiederholungen abgesehen: denn Senat nimmt gemäß § 153 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) diesbezüglich auf die zutreffenden Ausführungen in den Entscheidungsgründen des sozialgerichtlichen Urteils (Seite 5 Abs. 2) Bezug. Anhaltspunkte, die eine davon abweichende Auffassung rechtfertigen könnten, sind für den Senat nicht erkennbar. Bezeichnenderweise hat der Kläger im Berufungsverfahren nicht entsprechend vorgetragen, sondern ausdrücklich von einer ergänzenden Stellungnahme abgesehen.
Auch die vom Kläger vorgetragenen "juristisch-dogmatischen" Argumente vermögen keine abweichende Beurteilung der Sach- und Rechtslage zu rechtfertigen. Insbesondere ist der Kläger durch die fortbestehende Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung nicht in seinen Grundrechten verletzt.
In diesem Zusammenhang sei vorab lediglich ergänzend darauf hingewiesen, dass Satzungsfragen im Verhältnis des Klägers zum Beigeladenen - etwa die Auferlegung von Zwangsbeiträgen bzw. eine nicht vorgesehene pauschale Befreiung von der Beitragspflicht - nicht Gegenstand des Rechtsstreits über das Vorliegen der Voraussetzungen für die Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung sind. Indes ist in der Rechtsprechung des BVerfG anerkannt, dass die Auferlegung von Zwangsbeiträgen keine Verletzung des Eigentums darstellt. Auch der mittelbare und nur wirtschaftlich fühlbare Zwang zur Aufgabe anderer Formen der Versorgung lässt sich hiernach nicht als Eigentumsverletzung ansehen (BVerfG, Entscheidung vom 25. Februar 1960, 1 BvR 239/52).
Der Kläger wird auch anderweitig durch den Fortbestand der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung nicht in seinem Grundrecht aus Art. 14 Abs. 1 GG verletzt. Die Eigentumsgarantie sichert ohnehin nur den konkreten Bestand an vermögenswerten Rechten (BVerfG, Beschluss vom 26. Juni 2007, 1 BvR 2204/00, 1 BvR 1355/03, SozR 4-2600 § 2 Nr. 10 mwN). Dieser Bestand wird nicht beeinträchtigt durch die weiterhin bestehende Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung.
Ein Verstoß gegen Art. 12 GG ist nicht ersichtlich, da der Kläger in seinem verfassungsmäßigen Recht auf freie Berufswahl oder Berufsausübung nicht eingeschränkt ist. Schon die Begründung einer Versicherungspflicht gemäß § 2 Satz 1 Nr. 1 SGB VI -mithin zwangsläufig darin eingeschlossen deren Fortbestand mangels Erfüllung eines Befreiungstatbestandes- berührt nicht den Schutzbereich des Art. 12 Abs. 1 GG. Vorschriften ohne unmittelbar berufsregelnden Charakter, wie etwa die Anordnung einer Versicherungspflicht, greifen nur in die Berufsfreiheit ein, wenn sie in einem engen Zusammenhang zur Berufsausübung stehen und eine objektiv berufsregelnde Tendenz erkennen lassen (vgl. BVerfGE 75, 108 <153 f.>; 81, 108 <121>; stRspr). Mit der Rentenversicherungspflicht steuert der Gesetzgeber weder die Wahl noch die Ausübung eines Berufs. § 2 Satz 1 Nr. 1 SGB VI normiert keine Berufs- sondern Beitragspflichten (BVerfG, Beschluss vom 26. Juni 2007, aaO). Diese Grundsätze sind entsprechend auf die Befreiung von der Versicherungspflicht anzuwenden.
Der allgemeine Gleichheitssatz ist nicht verletzt. Die Verpflichtung des Klägers, für seine Tätigkeit als Angestellter im Bankgewerbe Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung und für seine selbständige Tätigkeit als Rechtsanwalt Beiträge zu einem berufsständischen Versorgungswerk zu entrichten, verstößt nicht gegen den Gleichheitsgrundsatz aus Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG). Bei der gesetzlichen Rentenversicherung und dem berufsständischen Versorgungswerk handelt es sich um selbständig nebeneinander stehende Rechtsmaterien. Es ist mit dem Gleichheitsgrundsatz vereinbar, dass ein nebenberuflich als selbständiger Rechtsanwalt tätiger Angestellter, der auf Grund seiner hauptberuflichen Angestelltentätigkeit bereits Zwangsmitglied in der gesetzlichen Rentenversicherung ist, daneben auch Zwangsmitglied ohne Befreiungsmöglichkeit in einem berufsständischen Versorgungswerk sein kann, wenn auf die wirtschaftliche Belastbarkeit des Mitgliedes Rücksicht genommen und eine unzumutbare Überversorgung vermieden wird (Bundesverwaltungsgericht - BVerwG -, Beschluss vom 23. März 2000, 1 B 15/00 mwN; LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 19. März 2004, L 4 RA 12/03 mwN). Dies wird durch die Satzung des Beigeladenen zu 1) gewährleistet. Nach § 24 Abs. 6 der Satzung tritt für Mitglieder, deren Bruttoeinkommen - insoweit legal definiert als die gesamten Einnahmen aus selbständiger anwaltlicher und notarieller Tätigkeit nach Abzug der Betriebsausgaben, jedoch ohne Abzug von Sonderausgaben, außergewöhnlichen Belastungen und Steuerfreibeträgen - oder Bruttoarbeitsentgelt aus Rechtsanwaltstätigkeit die Beitragsbemessungsgrenze der Angestelltenversicherung nicht erreicht, für die Bestimmung des Beitrages an die Stelle der Beitragsbemessungsgrenze nach §§ 159, 160 SGB VI das jeweils nachgewiesene Bruttoarbeitseinkommen oder Bruttoarbeitsentgelt. Dem zufolge hat der Kläger für seine Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit im Ergebnis lediglich Pflichtbeiträge zum Versorgungswerk zu leisten.
Eine Beeinträchtigung der allgemeinen Handlungsfreiheit (Art 2 Abs 1 GG) in Form der wirtschaftlichen Handlungsfähigkeit des Klägers ist in keiner Weise ersichtlich. Abgesehen davon, dass mit den jeweiligen Beitragszahlungen auch Versorgungsansprüche erworben werden, sind die Beitragspflichten nicht so ausgestaltet, dass dem Kläger nicht einmal ein "Kernbestand" des Erfolges eigener Betätigungen im wirtschaftlichen Bereich (vgl. dazu BVerfG, B. v. 25.09.1992 E 87, 153, 169) verbleiben würde. Bezeichnenderweise hat der Kläger sich bereits geweigert, seine Einkommensverhältnisse näher zu erläutern. Der Kläger muss sich durch die bestehende parallele Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung und der berufsständigen Versorgungseinrichtung lediglich ebenso behandeln lassen, wie andere Arbeitnehmer, die zwei oder mehrere der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung unterliegende Tätigkeiten ausüben und hieraus - jedenfalls bis zum Rahmen der Beitragsbemessungsgrenze - der Beitragspflicht unterliegen. Auch diese werden nicht mit dem Argument von der Versicherungspflicht befreit, dass sie aufgrund ihrer bestehenden Versicherungspflicht in einer ihrer Tätigkeiten bereits hinreichend Pflichtbeiträge entrichten und eine gewisse Versorgung mithin gewährleistet ist.
Die Zwangsmitgliedschaft in der gesetzlichen Rentenversicherung und damit verbundene Beitragspflichten verletzen auch im Übrigen nicht Art. 2 Abs. 1 GG, denn der Gesetzgeber verfolgt mit der Versicherungspflicht einen legitimen Zweck. Neben dem Schutz der Betroffenen dient die gesetzliche Rentenversicherung auch der Allgemeinheit, indem sie der Hilfebedürftigkeit im Alter entgegenwirkt und so eine übermäßige Inanspruchnahme der staatlichen Gemeinschaft verhindert (BVerfG, Beschluss vom 26. Juni 2007, aaO). Auch insoweit kann sich der Kläger insbesondere nicht auf vermeintliche anderweitige Versorgungsanwartschaften berufen. Wie bereits ausgeführt, sind nach Maßgabe der Satzung des Beigeladenen lediglich Pflichtbeiträge aus den Einkünften aus selbständiger Tätigkeit zu entrichten, die den Kläger nicht übermäßig zu belasten vermögen.
Unabhängig davon darf der Gesetzgeber - worauf der Kläger mit Verfügung vom 03. August 2010 ausdrücklich hingewiesen worden ist - als Voraussetzung für die Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung den Tatbestand der Beschäftigung genügen lassen und damit einen generalisierenden Maßstab anlegen. Es ist deshalb für die verfassungsrechtliche Beurteilung nicht entscheidend, dass einzelne Versicherte nicht schutzbedürftig sind, weil ihr Lebensunterhalt im Alter bereits anderweitig gesichert ist (BVerfG, Beschluss vom 26. Juni 2007, aaO).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Abs. 1 SGG.
Da der Kläger das Befreiungsbegehren losgelöst von den wiederholt erläuterten einfachgesetzlichen und verfassungsrechtlichen Vorgaben verfolgt, ist sein Verhalten im Rahmen der gebotenen Gesamtwürdigung, wie der Senat ihm bereits dargelegt hat, als rechtsmissbräuchlich zu werten. Daher erachtet es der Senat unter Berücksichtigung aller Umstände des vorliegenden Einzelfalls für angezeigt und angemessen, dem Kläger nach § 192 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG Gerichtskosten in der gesetzlich vorgesehenen Mindesthöhe (§ 192 Abs. 1 Satz 3 SGG in Verbindung mit § 184 Abs. 2 SGG) von 225 € aufzuerlegen.
Ein gesetzlicher Grund zur Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 SGG liegt nicht vor.
LSG Niedersachsen-Bremen:
Urteil v. 11.08.2010
Az: L 2 R 156/08
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