Oberlandesgericht Köln:
Beschluss vom 11. November 2010
Aktenzeichen: 17 W 229/10
(OLG Köln: Beschluss v. 11.11.2010, Az.: 17 W 229/10)
Tenor
Die sofortige Beschwerde wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Klägerin.
Gegenstandswert für das Beschwerdeverfahren: 625,94 €.
Gründe
I.
Die Klägerin war ehemals Patientin des Beklagten. Mit ihrer Klage nahm sie diesen auf Herausgabe von Unterlagen im Zusammenhang mit der vom Beklagten 2004 durchgeführten Operation in Anspruch. Im Termin zur mündlichen Verhandlung wies das Gericht den Beklagten darauf hin, dass es nicht ausreichend sei vorzutragen, dass er keine Unterlagen mehr besitze, er vielmehr darlegen müsse, welche Bemühungen er (erfolglos) unternommen habe, doch noch Unterlagen aufzufinden. Seine Bemühungen legte der Beklagte in der Folgezeit schriftsätzlich dar. Im folgenden Termin erklärte die Klägerin den Rechtsstreit im Hinblick auf diese Darlegungen für erledigt. Dem schloss sich der Beklagte nicht an, da seiner Ansicht nach die Klage von Anfang an unbegründet war. Das Landgericht hat in seinem Urteil die Kosten des Rechtsstreits in vollem Umfang dem Beklagten auferlegt.
Die Klägerin hat zur Festsetzung eine 1,0 Einigungsgebühr nach Nr. 1003 VV RVG nebst Mehrwertsteuer, insgesamt 625,94 € angemeldet. Der Rechtspfleger hat die Festsetzung abgelehnt. Hiergegen richtet sich die Klägerin mit ihrem Rechtsmittel.
Sie ist der Ansicht, die Einigungsgebühr sei festzusetzen. Auch wenn hierfür grundsätzlich eine Erledigungserklärung nicht ausreiche, so habe sie diese Erklärung allein im Hinblick auf den Vortrag der Gegenseite, weitere Unterlagen nicht zu besitzen, abgegeben. Darin liege ein Nachgeben, wodurch der Streit bzw. die Ungewissheit über ein Rechtsverhältnis geendet habe. Indiziell sei hierfür die Formulierung des Landgerichts im Urteil, dass sie, die Klägerin, "unter Zurückstellung von Bedenken" den Rechtsstreit wegen der Erklärung des Beklagten in der Hauptsache für erledigt erklärt habe. Anders als unter der Geltung der Bundesrechtsanwaltsgebührenordnung seien die Voraussetzungen nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz geringer anzusetzen.
Der Beklagte verteidigt die Entscheidung des Rechtspflegers als richtig. Dieser hat der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.
II.
Die gemäß § 104 Abs. 3 Satz 1 ZPO i. V. m. § 11 Abs. 1 RpflG statthafte und auch ansonsten unbedenklich zulässige sofortige Beschwerde hat in der Sache selbst keinen Erfolg.
Jedenfalls im Ergebnis zu Recht hat der Rechtspfleger die Festsetzung einer Einigungsgebühr abgelehnt.
1.
Die u.a. von ihm gegebene Begründung, es liege kein Vergleich vor, ist allerdings gesetzeswidrig und wiederspricht der höchstrichterlichen Rechtsprechung (BGH NJW-RR 2007, 359; FamRZ 2009, 43; s. a. Senat, Beschluss vom 25. Januar 2010 - 17 W 8/10 - = AGS 2010, 218).
Nach den Motiven des Gesetzgebers zu Nr. 1000 VV RVG (s. Müller-Rabe, in: Gerold/Schmidt u.a. , RVG, 19. Aufl., Nr. 1000 Rn. 1) hängt das Entstehen der Einigungsgebühr nicht mehr davon ab, ob die Parteien einen Vergleich i. S. d. § 779 Abs. 1 BGB geschlossen haben, was bei § 23 BRAGO noch Tatbestandsvoraussetzung für das Entstehen der Vergleichsgebühr war. Damit wollte der Gesetzgeber die sich häufig darum drehenden Streitigkeiten beenden. Zudem hat er deshalb bewusst die Bezeichnung von "Vergleichsgebühr" in "Einigungsgebühr" geändert, um auch dergestalt nach außen hin die Rechtsänderung zu dokumentieren. Es reicht zur Verwirklichung des Gebührentatbestandes, dass die Parteien außergerichtlich (Nr. 1000 VV RVG) oder in einem anhängigen Verfahren (Nr. 1003 VV RVG) ihren Streit oder die Ungewissheit über ein Rechtsverhältnis beenden. Es reichen allerdings weder ein Anerkenntnis noch ein Verzicht aus, um die Einigungsgebühr auszulösen.
Das Entstehen der Einigungsgebühr setzt auch kein gegenseitiges Nachgeben (mehr) voraus. Es soll vielmehr die Beilegung des Streits honoriert und ein Anreiz geschaffen werden, diesen Weg der Erledigung des Rechtsstreites zu gehen. Entscheidendes Kriterium für den Gebührenanfall insoweit ist die Einigung selbst. Dadurch soll das Bemühen und die erhöhte Verantwortung der beteiligten Anwälte honoriert werden, nicht zuletzt auch mit dem Ziel, die Gerichte zu entlasten (BGH BGHReport 2007, 847 = AGS 2007, 366).
An einer derartigen Einigung fehlt es vorliegend.
2.
Die Erklärung der Erledigung des Rechtsstreites in der Hauptsache stellt eine bloße Prozesshandlung dar. Selbst wenn beide Parteien eine solche Erklärung übereinstimmend abgeben, wird dadurch lediglich die Rechtshängigkeit des bisher streitigen Anspruches beendet (Zöller/Vollkommer, ZPO, 28. Aufl., § 91 a Rn. 12; Hartmann, Kostengesetze, 40. Aufl., Nr. 1000 VV RVG Rn. 27). Damit geben die Parteien allein kund - gegebenenfalls nach ausgiebiger Erörterung vor Gericht -, dass sie an einer Sachentscheidung durch das Gericht nicht mehr interessiert sind. Nur wenn die Parteien darüber hinaus eine materiellrechtliche Regelung treffen, die durch zwei übereinstimmende Willenserklärungen mit Rechtsbindungswillen - gegebenenfalls auch durch schlüssiges Verhalten - zustande kommt, fällt eine Einigungsgebühr an (OLG Stuttgart FamRZ 2009, 145; OVG Münster NJW 2009, 2840; OLG Köln MDR 2006, 539; JB 2006, 588 = OLGR 2006, 848; FamRZ 2009, 539; OLG Stuttgart FamRZ 2009, 145; Hartmann, a. a. O.; N. Schneider, in: N. Schneider/Wolf, RVG, 5. Aufl., Nr. 1000 VV RVG Rn. 83).
3.
Gibt allein die klagende Partei eine Erledigungserklärung ab, während die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag ausdrücklich aufrecht erhält, so endet die Rechtshängigkeit nicht (BGH NJW 1990, 2682). Die einseitige Erledigungserklärung stellt vielmehr eine nach § 264 Nr. 2 ZPO stets zulässige Beschränkung des Klagebegehrens dar, allerdings weder einen Verzicht auf eine Sachentscheidung nach § 306 ZPO noch eine Art privilegierte Klagerücknahme (Zöller/Vollkommer, § 91 Rn. 34 m. w. N.). Das Gericht ist nunmehr gehalten zu entscheiden, ob die Klage tatsächlich erledigt ist.
4.
Ist hiernach bei einer übereinstimmenden Erledigungserklärung durch die Parteien eine Einigung im Sinne der Nr. 1000, 1003 VV RVG bei Vorlage der entsprechenden gebührenrechtlichen Voraussetzungen zumindest nicht fernliegend, so zeigt bereits der Blick auf die prozessualen Wirkungen einer lediglich einseitig erklärten Erledigung der Hauptsache, dass für eine Einigung im Sinne der genannten Gebührenvorschriften wenig Raum verbleibt.
Die Argumentation der Klägerin, die Einigung der Parteien liege darin, dass sie sich mit der Erklärung des Beklagten, trotz intensiver Suche keine weiteren Unterlagen gefunden zu haben, zufrieden gegeben habe, liefe auf das durch nichts zu rechtfertigende Ergebnis hinaus, dass stets dann eine Einigung im gebührenrechtlichen Sinne vorläge, wenn ein Kläger die Klage nach substantiiertem Bestreiten durch die beklagte Partei zurücknimmt. Die Klägerin hat mit ihrer Erledigungserklärung allein die prozessrechtlichen Konsequenzen daraus gezogen, dass der Beklagte erklärt hat, trotz intensiver Suche weitere Unterlagen nicht aufgefunden zu haben. Dass die Parteien darüber hinaus auch eine Einigung im gebührenrechtlichen Sinne getroffen haben, ist weder ersichtlich, noch von der Klägerin ansatzweise dargetan.
5.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 97 Abs. 1 ZPO.
OLG Köln:
Beschluss v. 11.11.2010
Az: 17 W 229/10
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