Bundespatentgericht:
Beschluss vom 6. Mai 2004
Aktenzeichen: 21 W (pat) 318/03

(BPatG: Beschluss v. 06.05.2004, Az.: 21 W (pat) 318/03)

Tenor

Nach Prüfung des Einspruchs wird das Patent widerrufen.

Gründe

I Auf die am 31. August 1992 beim Deutschen Patent- und Markenamt eingereichte und am 3. März 1994 offengelegte Patentanmeldung ist das Patent mit der Bezeichnung "Heckleuchte für Kraftfahrzeuge" erteilt worden. Die Veröffentlichung der Patenterteilung ist am 5. Dezember 2002 erfolgt.

Gegen das Patent ist Einspruch erhoben worden.

Dem Einspruchsverfahren liegt nach Hauptantrag das Patent in der erteilten Fassung und nach Hilfsantrag der Patentanspruch 1 vom 5. April 2004 zugrunde.

Der Patentanspruch 1 nach Hauptantrag lautet:

"Heckleuchte für Kraftfahrzeuge, mit einer Lichtquelle, mit einem Mehrkammergehäuse und einem wenigstens zwei Kammern abschließenden Abschlussglas (1) welches an seiner der Lichtquelle zugewandten Innenfläche (9) mit Stegen (6) ausgebildet ist, wobei das Material der Stege (6) lichtundurchlässig ist, dadurch gekennzeichnet, dass die Stege (6) und das Abschlussglas (1) einstückig ausgebildet sind."

Der Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag lautet:

"Heckleuchte für Kraftfahrzeuge, mit einer Lichtquelle, mit einem Mehrkammergehäuse und einem wenigstens zwei Kammern abschließenden Abschlussglas (1) welches an seiner der Lichtquelle zugewandten Innenfläche (9) mit Stegen (6) versehen ist, wobei das Material der Stege (6) lichtundurchlässig ist, dadurch gekennzeichnet, dass die Stege (6) aus Kunststoff bestehen und in einem Arbeitsgang auf die Innenfläche (9) aufgespritzt sind und dadurch die Stege (6) und das Abschlussglas (1) einstückig ausgebildet sind."

Dem Gegenstand des Patents liegt die Aufgabe zugrunde, eine Heckleuchte mit den im Oberbegriff des Patentanspruchs 1 angegebenen Merkmalen derart weiterzubilden, dass sie einfacher und kostengünstiger herstellbar ist (Patentschrift Spalte 1, Zeilen 43 bis 46).

Die Einsprechende stützt ihren Einspruch unter anderem auf folgende Entgegenhaltungen:

(D3) EP 0 442 095 A2 und

(D5) EP 0 074 727 A1.

Zur Begründung führt die Einsprechende aus, bei der Entwicklung und Herstellung von Abdeckgläsern für Kfz-Leuchten stünden nicht zuletzt aus Wirtschaftlichkeitsfragen verschiedene Technologien in engem Eingriff zueinander. Gehe es in der Entwicklung mehr um optische Fragestellungen, so spiele im Hinblick auf die für die Kfz-Zulieferer überlebensnotwendige Rationalisierung der Fertigung die Spritzgusstechnik eine entscheidende Rolle. So gesehen müsse ein in diesem Bereich tätiger Fachmann insbesondere über diese Verarbeitungstechnik Bescheid wissen. Im vorliegender Fall sei der Fachmann sogar ein ausgesprochener Spritzgusstechniker, dem zum Zeitpunkt der Anmeldung des Patents selbstverständlich auch das Zwei-Komponenten-Spritzgießverfahren bekannt gewesen sei. Vor diesem fachlichen Hintergrund ergebe sich der Gegenstand des Patentanspruchs 1 in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik.

Die Einsprechende beantragt, das Patent nach Haupt- und Hilfsantrag zu widerrufen.

Die Patentinhaberin beantragt in ihrem Schriftsatz vom 5. April 2004 sinngemäß, das Patent im erteilten Umfang aufrechtzuerhalten, hilfsweise mit Patentanspruch 1 vom 5. April 2004, im übrigen mit noch anzupassenden Unterlagen beschränkt aufrechtzuerhalten.

Sie hat sich zum Einspruch schriftlich geäußert und ihre Absicht erklärt, an der mündlichen Verhandlung nicht teilzunehmen. Zur mündlichen Verhandlung ist sie nicht erschienen. In ihrem Schriftsatz vom 5. April 2004 vertritt die Patentinhaberin die Auffassung, dass der Gegenstand des Patentanspruchs 1 patentfähig sei und führt dazu aus, dass im Stand der Technik eine Abdeckscheibe mit einer opaken oder schwarzen Beschichtung oder mit lichtundurchlässigen Einsätzen versehen werde, wozu beim Herstellen durch Spritzgießen mehrere Arbeitsgänge erforderlich seien. Dagegen sei das Abschlussglas der Heckleuchte gemäß dem Patentanspruch 1 einstückig ausgebildet und werde in einem einzigen Arbeitsgang hergestellt. Dies werde dem Fachmann nicht nahegelegt, weshalb der Gegenstand des Patentanspruchs 1 auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe. Zum Hilfsantrag führt sie aus, die Offenbarung der zusätzlichen kennzeichnenden Merkmale ergebe sich aus der Patentschrift, Spalte 1, Zeilen 57, 58 und 62, 63.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II Der Senat entscheidet im Einspruchsverfahren (§ 147 Abs 3 PatG) auf Grund mündlicher Verhandlung in entsprechender Anwendung von § 78 PatG (vgl BPatG Mitt 2002, 417, 418 - Etikettierverfahren).

Der form- und fristgerecht eingelegte Einspruch ist zulässig, denn es sind innerhalb der Einspruchsfrist die den Einspruch rechtfertigenden Tatsachen im Einzelnen dargelegt worden, so dass die Patentinhaberin und der Senat daraus abschließende Folgerungen für das Vorliegen oder Nichtvorliegen eines Widerrufsgrundes ziehen können. Der Einspruch hat auch Erfolg, denn der Patentanspruch 1 sowohl nach Haupt- als auch nach Hilfsantrag ist nicht patentfähig.

Der Patentanspruch 1 - sowohl nach Haupt- als auch nach Hilfsantrag - ist formal zulässig, denn er findet seine Stütze sowohl in der Patentschrift als auch in den am Anmeldetag eingereichten Unterlagen. Der Hauptantrag betrifft den erteilten Patentanspruch 1, der auf die ursprünglichen Ansprüche 1 und 5 zurückgeht. Die gegenüber dem Hauptantrag unterschiedlichen Merkmale im Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag, wonach "die Stege (6) aus Kunststoff bestehen und in einem Arbeitsgang auf die Innenfläche (9) aufgespritzt sind und dadurch die Stege (6) und das Abschlussglas (1) einstückig ausgebildet sind", finden ihre Offenbarung in der Patentschrift in Spalte 1, Zeilen 57, 58 und 62, 63 bzw. in den am Anmeldetag eingereichten Unterlagen auf Seite 3, letzter Absatz und Seite 4, Absatz 4 der Beschreibung.

Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 sowohl nach dem Hauptantrag als auch nach den Hilfsanträgen ist nicht patentfähig, da er gegenüber dem Stand der Technik gemäß D3 in Verbindung mit dem Wissen und Können des Fachmanns nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht.

Hauptantrag Mit Gliederungspunkten versehen lautet der Patentanspruch 1 nach Hauptantrag:

a. Heckleuchte für Kraftfahrzeuge, mit einer Lichtquelle, b. mit einem Mehrkammergehäuse undc1. einem wenigstens zwei Kammern abschließenden Abschlussglas (1), c2. welches an seiner der Lichtquelle zugewandten Innenfläche (9) mit Stegen (6) ausgebildet ist, c3. wobei das Material der Stege (6) lichtundurchlässig ist, dadurch gekennzeichnet, d. dass die Stege (6) und das Abschlussglas (1) einstückig ausgebildet sind.

In der D3 ist eine Heckleuchte für Fahrzeuge beschrieben (Spalte 1, Zeilen 1 bis 3 und Figuren 1 und 3 mit Beschreibung in Spalte 2, Zeile 49 bis Spalte 4, Zeilen 22), mit einem Lampenträger, welcher Glühlampen samt ihrer Kontaktierung trägt (Spalte 2, Zeilen 52 bis 55), wonach Merkmal a. gegeben ist.

Wie aus den Figuren 3 und 4 in Verbindung mit der Beschreibung Spalte 3, Zeilen 21 bis 23 hervorgeht, besitzt die Leuchte ein Mehrkammergehäuse (Merkmal b), das nach Figur 4 in Verbindung mit Anspruch 4 ein Abschlussglas aufweist, bei dem einzelnen Kammern zugeordnete Lichtscheibenabschnitte (15, 16, 17, 18, 19) zu einem einzigen Teil im Spritzgussverfahren zusammengefügt sind, was nichts anderes bedeutet, als dass das Abschlussglas wenigstens zwei Kammern abschließt (Merkmal c1.).

Aus der Figur 3 geht in Verbindung mit Anspruch 1, Merkmal g) hervor, dass das Abschlussglas an seiner der Lichtquelle zugewandten Innenfläche mit Stegen (21) (dort als Streifen bezeichnet) ausgebildet ist, wobei die Stege (21) lichtundurchlässig sind. Somit sind auch die im Patentanspruch 1 angegebenen Merkmale c2. und c3. in der D3 beschrieben.

Danach sind alle Merkmale im Oberbegriff des Patentanspruchs 1 aus der D3 bekannt. Im Übrigen ist auch in der Patentschrift (Spalte 1, Zeilen 6 bis 8) angegeben, dass das Patent von der D3 ausgeht.

Das kennzeichnende Merkmal d., wonach die Stege und das Abschlussglas einstückig ausgebildet sind, ist in der D3 zwar nicht explizit ausgeführt, kann aber die Patentfähigkeit nicht begründen.

So ist es bereits fraglich, ob sich dieses Merkmal nicht schon bei der in der D3 beschriebenen Herstellung des Abdeckglases von selbst ergibt. Denn aus der D3, Figur 3 mit Beschreibung und Anspruch 3, geht hervor, dass die lichtundurchlässigen Stege auf das Abschlussglas u.a. im Prägeverfahren durch Druck und/oder Wärme aufgesiegelt sind. Diese Herstellung führt zu einem Gegenstand, dem man das Zusammenfügen aus ursprünglich mehreren Teilen möglicherweise nicht mehr ansieht, mithin zu einem einstückig ausgebildeten Abschlussglas.

Darauf kommt es jedoch nicht an, da ein Fachmann, ein - wie die Einsprechende überzeugend dargelegt hat - in der Fertigung von Leuchten für Kraftfahrzeuge tätiger Spritzgusstechniker, erkennt, dass das Aufbringen der Stege 21 auf das Abschlussglas durch Kleben oder im Prägeverfahren - abgesehen von einer ohnehin problematischen mechanischen Stabilität infolge der in Kraftfahrzeugleuchten auftretenden hohen thermischen Spannungen - zusätzliche Arbeitsvorgänge erfordert, die einen Nachteil hinsichtlich einer kostengünstigen Herstellung durch das die Fertigung dominierende Spritzgussverfahren darstellen. Im Hinblick auf eine Rationalisierung der Fertigung wird er dann selbstverständlich anstreben, das Aufbringen dieser Stege in das Spritzgussverfahren zu integrieren und wird daran denken, die Stege aus einem lichtundurchlässig eingefärbten Kunststoff vorzusehen und diese Stege in einem ihm geläufigen Zwei-Komponenten-Spritzgießen - und somit in einem Arbeitsgang - auf die Innenfläche des Abschlussglases aufzuspritzen.

Daraus ergibt sich zwangsläufig, dass die Stege und das Abschlussglas einstückig ausgebildet sind, wie es im Merkmal d. im kennzeichnenden Teil des Patentanspruchs gemäß dem Hauptantrag angegeben ist.

Im Übrigen sind dem Fachmann Leuchten für Kraftfahrzeuge, bei denen transparente Abschlussgläser und Kunststoffstege niedrigerer Lichtdurchlässigkeit einstückig miteinander verbunden sind, ohnehin geläufig, beispielsweise aus der D5 (Anspruch 1). Dort ist in Figur 8 in Verbindung mit der Beschreibung auf Seite 3, Zeilen 30 bis 33 ein Abschlussglas ("cover plate 70") dargestellt, das aus einem klaren Plastikmaterial besteht ("layer 72 of clear plastics material"), dessen innere Oberfläche mit Stegen aus grauem Plastikmaterial versehen ist ("with baffles 74 of grey plastics material mounted on the inner surface thereof").

Diese Ausführungen treffen auch auf den Patentanspruch 1 gemäß dem Hilfsantrag zu, wie nachfolgend ausgeführt wird.

Hilfsantrag Der Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag unterscheidet sich vom Hauptantrag dadurch, dass es erstens anstelle von "mit Stegen (6) ausgebildet" im Merkmal c2. nach Hauptantrag nunmehr lautet "mit Stegen (6) versehen", und dass zweitens nunmehr nach dem kennzeichnenden Anspruchsteil "die Stege (6) aus Kunststoff bestehen und in einem Arbeitsgang auf die Innenfläche (9) aufgespritzt sind und dadurch die Stege (6) und das Abschlussglas (1) einstückig ausgebildet sind."

Diese Unterschiede können die Patentfähigkeit nicht begründen.

So betrifft die erste Änderung eine rein sprachliche, den Gegenstand des Patentanspruchs nicht verändernde Umformulierung.

Die Unterschiede im kennzeichnenden Teil des Patentanspruchs 1 betreffen Merkmale, die sich - wie bereits zum Hauptantrag zur fehlenden erfinderischen Tätigkeit ausgeführt worden ist, - für den Fachmann zwangsläufig ergeben, wenn er bei der Fertigung das Aufbringen der Stege auf das Abschlussglas in das Spritzgießen integriert.

Der geltende Patentanspruch 1 sowohl nach Hauptantrag als auch nach Hilfsantrag hat somit wegen fehlender Patentfähigkeit seines Gegenstandes keinen Bestand. Da nur über den Antrag insgesamt entschieden werden kann, teilen die geltenden rückbezogenen Ansprüche das Schicksal des Patentanspruchs 1.

Dr. Winterfeldt Klosterhuber Dr. Franz Dr. Maksymiw Be






BPatG:
Beschluss v. 06.05.2004
Az: 21 W (pat) 318/03


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