Bundesgerichtshof:
Beschluss vom 22. Februar 2016
Aktenzeichen: II ZR 48/15

(BGH: Beschluss v. 22.02.2016, Az.: II ZR 48/15)

Tenor

Die Parteien werden darauf hingewiesen, dass der Senat beabsichtigt, die Revisionen der Beklagten gegen das Urteil des 23. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 5. Februar 2015 durch Beschluss nach § 552a ZPO auf ihre Kosten zurückzuweisen.

Streitwert: 600 € (= 2 x 300 € je Auskunft)

Gründe

Die Revisionen sind zurückzuweisen, weil die Voraussetzungen für ihre Zulassung nicht vorliegen und sie auch keine Aussicht auf Erfolg haben (§ 552a ZPO).

I. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts hat die Rechtssache nicht deshalb grundsätzliche Bedeutung, weil bislang nicht höchstrichterlich entschieden sei, ob die Weitergabe von Namen und Anschriften der Treugeber einer Fondsgesellschaft an Mitgesellschafter bzw. Mittreugeber mit § 28 Abs. 1 Satz 2 BDSG in Einklang steht, wenn im Gesellschafts- und/oder Treuhandvertrag die Weitergabe an andere Mittreugeber ausgeschlossen ist. Ebenso wenig ist klärungsbedürftig, ob die Rechtsprechung des Senats zur Zulässigkeit der Auskunftserteilung nach § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BDSG und zur Unwirksamkeit der Anonymitätsklausel mit den Vorgaben der Richtlinie 95/46/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. Oktober 1995 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr (ABl. Nr. L 281 vom 23. November 1995 S. 31 ff.; künftig: Datenschutz-RL 95/46/EG) vereinbar ist. Die Rechtsfragen sind, anders als das Berufungsgericht meint, in der Rechtsprechung des Senats geklärt, ohne dass es deren ausdrücklicher Erwähnung in den Entscheidungen bedurft hätte.

1. Der Senat hätte seine Entscheidungen zur Zulässigkeit der Datenweitergabe nach § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BDSG (siehe hierzu nur BGH, Urteil vom 11. Januar 2011 - II ZR 187/09, ZIP 2011, 322 Rn. 17) nicht treffen können, wenn die Voraussetzungen des § 28 Abs. 1 Satz 2 BDSG nicht erfüllt (gewesen) wären. Die Zulässigkeit der Datenweitergabe nach § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 3 BDSG setzt zwingend voraus, dass die Voraussetzungen des § 28 Abs. 1 Satz 2 BDSG erfüllt sind. Die Übermittlung der Daten nach § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BDSG ist (grundsätzlich) immer nur im Rahmen der festgelegten Zweckbindung zulässig. Auch ohne ausdrückliche Normierung dieser Festlegungspflicht in § 28 Abs. 1 Satz 2 BDSG ergäbe sie sich aus dem Normzusammenhang des Satzes 1, weil ohne die Festlegung des Zweckes die Zulässigkeit nach § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 3 gar nicht geprüft werden könnte (vgl. Taeger in Taeger/Gabel, BDSG, 2. Aufl., § 28 Rn. 109; siehe dazu auch Wolff in Wolff/Brink, BeckOK DSR, Stand: 1. August 2015, § 28 Rn. 14; Gola/ Klug/Körffer in Gola/Schomerus, BDSG, 12. Aufl., § 28 Rn. 35).

2. Ebenso hat der Senat die Frage der Vereinbarkeit der Datenweitergabe mit den Vorgaben der Datenschutz-RL 95/46/EG, deren Umsetzung (u.a.) § 4 und § 28 BDSG dienen, im Sinne eines acte clair bereits mitentschieden, da er bei Zweifeln an der Vereinbarkeit seiner Auslegung des § 28 Abs. 1 Satz 1 BDSG mit den Vorgaben der Datenschutz-RL 95/46/EG nach Art. 267 AEUV zur Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union verpflichtet gewesen wäre, weil er ansonsten gegen Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG verstoßen hätte (vgl. BVerfG, Beschluss vom 8. Oktober 2015 - 1 BvR 1320/14, juris Rn. 10 ff.).

Das Bundesverfassungsgericht hat die Verfassungsbeschwerde gegen das Urteil des Senats vom 11. Januar 2011 (II ZR 187/09, ZIP 2011, 322 ff.), in dem der Senat sich ausführlicher als zuvor mit der Vereinbarkeit des Auskunftsverlangens mit § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BDSG auseinandergesetzt hat, nicht zur Entscheidung angenommen (BVerfG, Beschluss vom 8. Februar 2012 - 1 BvR 623/11).

II. Die Revisionen der Beklagten haben auch keine Aussicht auf Erfolg.

1. Soweit die Beklagten mit ihren Revisionen ihr Begehren weiterverfolgen, die Auskünfte nur gegen Kostenerstattung erteilen zu müssen, hinsichtlich derer sie sich eines Zurückbehaltungsrechts gegenüber dem Auskunftsanspruch berühmen, sind die Revisionen bereits unzulässig, weil sie insoweit nicht zugelassen worden sind. Das Berufungsgericht hat die Revision nur beschränkt auf die Rechtsfrage der Vereinbarkeit der Weitergabe von Namen und Adressen der Treugeber einer Fondsgesellschaft an Mitgesellschafter bzw. Mittreugeber mit § 28 Abs. 1 Satz 2 BDSG zugelassen. Die Zulassungsbeschränkung ergibt sich zwar nicht aus dem Tenor des Berufungsurteils. Von einer beschränkten Zulassung der Revision ist aber auszugehen, wenn die Zulassung - wie hier - wegen einer bestimmten Rechtsfrage ausgesprochen wird, die lediglich für die Entscheidung über einen selbständigen Teil des Gesamtstreitstoffs erheblich sein kann (st. Rspr., vgl. nur BGH, Beschluss vom 7. Dezember 2009

- II ZR 63/08, ZIP 2010, 879 Rn. 4). Dies ist hier der Fall. Die Frage, ob das Auskunftsverlangen der Kläger mit § 28 Abs. 1 Satz 2 BDSG vereinbar ist, ist entscheidungserheblich nur im Zusammenhang mit dem Streit der Parteien über die Berechtigung des Auskunftsverlangens. Ohne Belang ist die Beantwortung der Frage hingegen dafür, ob die Beklagten die Auskunft nur gegen Kostenerstattung erteilen müssen. Die Beschränkung der Revisionszulassung ist auch wirksam. Insoweit reicht es aus, dass die Beklagten ihre Revisionsanträge selbst entsprechend beschränken könnten (vgl. hierzu BGH, Beschluss vom 22. Januar 2013 - II ZR 264/10, juris Rn. 2 mwN).

2. Soweit die Revisionen zugelassen sind, haben sie keinen Erfolg.

a) Das Berufungsgericht hat unter Bezugnahme auf die ständige Rechtsprechung des Senats (siehe nur BGH, Urteil vom 16. Dezember 2014 - II ZR 277/13, ZIP 2015, 319 Rn. 11; Urteil vom 5. Februar 2013 - II ZR 134/11, BGHZ 196, 131 Rn. 12; Urteil vom 11. Januar 2011 - II ZR 187/09, ZIP 2011, 322 Rn. 11, jew. mwN) entschieden, dass sich das Auskunftsrecht der Treugeber, die - wie hier - im Innenverhältnis den Kommanditisten gleichgestellt sind, als unentziehbares mitgliedschaftliches Recht aus dem durch den Gesellschaftsvertrag begründeten Vertragsverhältnis als solchem ergibt, dass sich dieser Auskunftsanspruch sowohl gegen die Fondsgesellschaft als auch gegen die Komplementärin und den geschäftsführenden Kommanditisten richtet (vgl. hierzu nur BGH, Urteil vom 5. Februar 2013 - II ZR 134/11, BGHZ 196, 131 Rn. 48 mwN) und dass Anhaltspunkte für einen Verstoß der Klägerin gegen das Verbot der unzulässigen Rechtsausübung (§ 242 BGB) und das Schikaneverbot (§ 226 BGB) nicht ersichtlich sind. Hiergegen wird von den Revisionen - zu Recht - nichts erinnert.

b) Die Revisionen wenden sich allein gegen die Ansicht des Berufungsgerichts, die Auskunftserteilung sei mit dem Bundesdatenschutzgesetz und der Datenschutz-RL 95/46/EG vereinbar. Damit haben sie keinen Erfolg.

aa) § 28 Abs. 1 Satz 2 BDSG steht der Datenübermittlung nicht entgegen. Die Übermittlung personenbezogener Daten im Sinne von § 3 Abs. 1 BDSG ist nach § 4 Abs. 1 BDSG ohne die Einwilligung des Betroffenen zulässig, soweit "dieses Gesetz oder eine andere Rechtsvorschrift" dies erlaubt oder anordnet (Verbot mit Erlaubnisvorbehalt). Die Erlaubnisnorm findet sich hier in § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BDSG (vgl. BGH, Urteil vom 11. Januar 2011 - II ZR 187/09, ZIP 2011, 322 Rn. 17). Die Treugeber wussten bei der Bekanntgabe ihrer Daten gegenüber der Fondsgesellschaft bzw. gegenüber der Treuhandkommanditistin, dass diese zum Zwecke der Durchführung des Gesellschaftsvertrags erhoben und verwendet wurden. Eine derartige konkludente Zweckbestimmung genügt den Erfordernissen des § 28 Abs. 1 Satz 2 BDSG (vgl. hierzu nur Wolff in Wolff/Brink, BeckOK DSR, Stand: 1. August 2015, § 28 Rn. 17 unter Hinweis auf BGH, Urteil vom 8. Februar 2007 - III ZR 148/06, NJW 2007, 1528 Rn. 12). Deshalb entfällt die ansonsten nach § 4 Abs. 3 Nr. 2 BDSG erforderliche Unterrichtung des Betroffenen über die Zweckbestimmung dann, wenn der Betroffene - wie hier die Treugeber - bereits anderweitige Kenntnis von dem Zweck hat, die sich bereits aus dem Geschäft selbst (hier: Durchführung des Gesellschaftsvertrags) ergeben kann (vgl. nur Taeger in Taeger/Gabel, BDSG, 2. Aufl., § 4 Rn. 79; Plath in Plath, BDSG, § 4 Rn. 36 f.; Gola/Klug/Körffer in Gola/Schomerus, BDSG, 12. Aufl., § 4 Rn. 32, 34, 38). Nach dem "objektiven Empfängerhorizont" mussten die Treugeber mit einer Übermittlung ihrer Daten an ihre Mitgesellschafter rechnen, da ansonsten die Durchführung des Gesellschaftsvertrags nicht möglich war (§ 4 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BDSG; dem Berufungsurteil zustimmend Wolff in Wolff/Brink, BeckOK DSR, Stand: 1. August 2015, § 28 Rn. 56a 1).

bb) Diese Auslegung deckt sich entgegen der Ansicht der Revision mit den Vorgaben aus Art. 6 (1) lit. a) bis c), Art. 10 lit. b) und c) und dem Erwägungsgrund 28 der Datenschutz-RL 95/46/EG. Anders als die Revision meint, postuliert die Datenschutz-Richtlinie kein "Verbot der Datenverarbeitung gegen den Willen des Betroffenen" (auch) dann, wenn der Betroffene bei der Datenerhebung über die Zweckbindung der Datenerhebung informiert worden ist und sich die Datenweitergabe im Rahmen dieser Zweckbindung bewegt. So liegt der Fall hier. Die Treugeber wussten bei Bekanntgabe ihrer Daten gegenüber der Fondsgesellschaft bzw. der Treuhandkommanditistin, dass diese zum Zwecke der Durchführung des Gesellschaftsvertrags erhoben und verwendet wurden (konkludente Zweckfestlegung). Das Übermitteln der im Rahmen dieser Zweckfestlegung erhobenen personenbezogenen Daten ist gemäß § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BDSG im Rahmen eines rechtsgeschäftlichen Schuldverhältnisses zulässig, wenn es für dessen Durchführung erforderlich ist. Das ist anzunehmen, wenn der Auskunftsberechtigte bei vernünftiger Betrachtung auf die Datenverwendung zur Erfüllung der Pflichten oder zur Wahrnehmung der Rechte aus dem Vertragsverhältnis angewiesen ist. Das ist hier der Fall. Die Klägerin ist zur Wahrnehmung ihrer Rechte aus § 16 Abs. 2 des Gesellschaftsvertrages auf die Kenntnis der Namen und der Anschriften ihrer Mitgesellschafter angewiesen.

cc) Entgegen der Auffassung der Revision muss sich die Klägerin nicht in Anlehnung an § 127a AktG auf ein Internetforum oder auf die Einrichtung eines Datentreuhänders als milderes Mittel verweisen lassen. Es muss vielmehr den Gesellschaftern überlassen bleiben, auf welchem Weg und in welcher Weise sie sich an ihre Mitgesellschafter wenden wollen. Auf Seiten der Klägerin besteht ein berechtigtes Interesse, ihre Gesellschafterrechte wahrnehmen zu können, ohne auf die Beklagten als Mittler zu den übrigen Treugebern angewiesen zu sein oder von ihnen bereitgestellte und kontrollierte Medien zu nutzen (vgl. BGH, Urteil vom 11. Januar 2011 - II ZR 187/09, ZIP 2011, 322 Rn. 17; siehe zum Verein BGH, Beschluss vom 21. Juni 2010 - II ZR 219/09, ZIP 2010, 2397 Rn. 13 mwN).

Bergmann Strohn Caliebe Reichart Sunder Vorinstanzen:

LG München II, Entscheidung vom 11.04.2014 - 3 O 3565/13 -

OLG München, Entscheidung vom 05.02.2015 - 23 U 1875/14 -






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Beschluss v. 22.02.2016
Az: II ZR 48/15


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