Landgericht Köln:
Urteil vom 10. Dezember 2013
Aktenzeichen: 33 O 83/13

(LG Köln: Urteil v. 10.12.2013, Az.: 33 O 83/13)

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Klägerin macht mit der Klage Ansprüche wegen des Betriebs einer App durch die Beklagte unter der Bezeichnungen "Y DE", "Y-de" und "Y-DE" geltend.

Die Klägerin gehört zur Mediengruppe B Deutschland. Die Klägerin ist innerhalb der Gruppe für die Bereiche Online / Mobil /Teletext / IP TV, Media Services (Telefonmehrwertdienste) und Licensing zuständig. Die Klägerin betreibt seit mindestens zehn Jahren eine werbefinanzierte Webseite unter der Domain "www.Y.de" sowie seit 2009 die dazugehörige App (Kurzform für "Application") "Y.de". Die App wird über einen in das Betriebssystem des Mobilgerätes - zumeist ein Smartphone - integrierten Onlineshop (zB den App Store von Apple) bezogen und direkt auf dem Endgerät (zB Apple IPhone oder Android Smartphone) installiert. Über die Webseite und die App bietet die Klägerin ortsspezifisch aufbereitete Ydaten und weitere Informationen mit Bezug auf das Y an.

Die Beklagte ist ein Unternehmen aus X und betreibt unter den Webseiten und gleich lautenden Apps "Y.at" und "Y-deutschland.com" einen Wetterinformationsdienst. Die Beklagte betreibt seit Ende 2011 eine weitere Y-App unter der Bezeichnungen "Y DE", "Y-de" und "Y-DE". Auf die Screenshots der Apple-/Androidstores in Anlage K 19 im Anlagenheft zur Klageschrift wird Bezug genommen. Auf der Benutzeroberfläche des Smartphones erscheint die App nach dem Download unter gleichlautenden Icons. Auf die Anlagen K 20-22 im Anlagenheft zur Klageschrift wird insoweit Bezug genommen.

Mit Schreiben vom 16.01.2013 (Anlage K23) mahnte die Klägerin die Beklagte wegen des Betriebs der App u.a. unter der Bezeichnung "Y DE" ab und macht für diese Abmahnung Kostenerstattungsansprüche in Höhe von 1.780,20 EUR geltend. Die Beklagte erhob daraufhin eine negative Feststellungsklage vor dem Landgericht Hamburg unter dem Az. 327 O 104/13, die beide Parteien aufgrund der hiesigen Klage inzwischen übereinstimmend für erledigt erklärt haben.

Die Klägerin ist der Auffassung, dass ihr gegen die Beklagte ein titelrechtlicher Anspruch auf Unterlassung aus §§ 5 Abs. 3, 15 Abs. 2, 3, 4 MarkenG zustehe. Ihre App und Domain Y.de genieße als Werktitel Schutz vor Verwechslungen mit den streitgegenständlichen Apps der Beklagten. Für den Internetnutzer sei das Zeichen Y.de mit der Klägerin als Betreiberin der Webseite bzw. der App verknüpft. Die Apps der Beklagten seien - wenn nicht sogar identisch - jedenfalls hochgradig ähnlich und damit verwechslungsfähig zu der App der Klägerin. Der Verkehr sei daran gewöhnt, zur Unterscheidung der verschiedenen Online-Präsentationen einzelner Anbieter auf feine Unterschiede zu achten. Dieser sehe in der Bezeichnung Y.de daher nicht eine bloße Adressbezeichnung oder eine rein beschreibende Angabe. Zweitrangig bestünden Ansprüche aus der geschäftlichen Bezeichnung der Klägerin "Y.de". Das Zeichen genieße jedenfalls durch Verkehrsgeltung hinreichende Schutzfähigkeit. Nach einer FORSA-Umfrage (Anlage K 31 im Anlagenheft zur Klage) genieße die Webseite Y.de eine ungestützte Bekanntheit von 33 % (alle Befragte) und 41 % (Internetnutzer) der befragten Verkehrskreise und eine gestützte Bekanntheit von 56 % (alle Befragte) und 67 % (Internetnutzer) der befragten Verkehrkreise. Die Klägerin investiere jährlich 6 bis 7stellige Summen in Bewerbung der Webseite und der App. Die Bezeichnung Y.de genieße eine hohe Bekanntheit. Der Klägerin stünden nachrangig auch Ansprüche aus einer Benutzungsmarke i.S.d § 4 Nr. 2 MarkenG sowie wettbewerbsrechtliche Ansprüche wegen Irreführung der angesprochenen Verkehrskreise und Behinderung der Klägerin zu.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vortrags der Klägerin wird Bezug genommen auf die Seiten 3 ff. der Klageschrift (Bl. 33 ff. d.A.), ihren Schriftsatz vom 28.10.2013 (Bl. 66 ff.) sowie den nachgelassenen Schriftsatz vom 19.11.2013 (Bl. 90 ff.).

Die Klägerin beantragt,

1) Die Beklagte wird verurteilt,

a) es bei Androhung vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu € 250.000,00, ersatzweise Ordnungshaft oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten zu unterlassen,

im geschäftlichen Verkehr die Bezeichnung "Y DE" und/oder "Y-de" und/oder "Y-DE" zu Bezeichnung einer Anwendungssoftware (App) mit Wetterinformationen kennzeichenmäßig zu benutzen und/oder benutzen zu lassen.

b) über Art und Umfang der unter Ziffer 1. Aufgeführten Verletzungshandlungen Auskunft zu erteilen, und zwar unter Vorlage eines Verzeichnisses, aus dem sich ergibt:

(1) Dauer der Verletzungshandlungen;

(2) Art und Umfang der auf der mobilen Applikation "Y DE" und/oder "Y-de" und/oder "Y-DE" durchgeführten Werbemaßnahmen;

(3) Der im Zusammenhang mit dem Be- u. Vertrieb der mobilen Applikation "Y DE" und/oder "Y-de" und/oder "Y-DE" erzielte Umsatz nebst den für die Berechnung des erzielten Gewinns relevanten Faktoren, insbesondere die Höhe der Werbeeinnahmen sowie die mit dem Be- und Vertrieb der mobilen Applikation "Y DE" und/oder "Y-de" und/oder Y-DE" zusammenhängenden Kosten;

2) Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der dieser durch die zu Ziffer 1. beschriebene Handlung entstanden ist und/oder entstehen wird.

3) Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin € 1.780,20 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte meint, der Bezeichnung Y.de komme bereits mangels Werkcharakter kein Titelschutz zu. Überdies fehle der Bezeichnung Y.de jegliche Unterscheidungskraft. Es handele sich um einen generischen Begriff. Für den Verkehr werde erkennbar nur das Y für Deutschland unter der Webseite bzw. der App angezeigt. Eine Verkehrsdurchsetzung der beschreibenden Angabe zur Erlangung von kennzeichenrechtlichem Schutz bestünde nicht. Die FORSA-Umfrage sei zum Nachweis der Verkehrsdurchsetzung jedenfalls untauglich. Zuletzt sei die Benutzung der Kombination "Y-de" für eine Y-App durch die Beklagten nach § 23 Nr. 2 MarkenG zulässig.

Wegen der weiteren Einzelheiten des diesbezüglichen Vortrags der Beklagten wird Bezug genommen auf die Klageerwiderung vom 09.10.2013 (Bl. 45 ff. d.A.) sowie den Schriftsatz vom 30.10.2013 (Bl. 86 ff.).

Gründe

Die zulässige Klage ist als unbegründet abzuweisen. Der Klägerin hat keinen Anspruch auf Unterlassung wegen der Nutzung der Bezeichnungen "Y DE", "Y-de" und "Y-DE" für eine App mit Wetterinformationen durch die Beklagte und demzufolge auch keinen Anspruch auf Auskunft, Schadensersatz und Erstattung von Abmahnkosten.

1. Der Klägerin steht kein Anspruch auf Unterlassung aus einem Werktitel gem. §§ 5 Abs. 3, 15 Abs. 2, 4 MarkenG zu.

Das Landgericht Hamburg hat in seinem Beschluss vom 08.10.2013 (Az. 327 O 104/13, Kopie Bl. 75 ff. d.A.), mit dem es der dortigen Beklagten und hiesigen Klägerin die Kosten des Rechtsstreits nach den übereinstimmenden Erledigungserklärungen der Parteien auferlegt hat, folgendes ausgeführt:

"Die Bezeichnung einer App ist zwar grundsätzlich dem Werktitelschutz fähig, jedoch war auch diesbezüglich nicht die erforderliche originäre Kennzeichnungskraft gegeben.

a) Entgegen der Ansicht der Klägerin stellt auch eine App ein titelschutzfähiges Werk im Sinne des § 5 Absatz 3 MarkenG dar.

Werke im kennzeichenrechtlichen Sinne sind alle immateriellen Arbeitsergebnisse, die als Gegenstand des Rechts- und Geschäftsverkehrs nach der Verkehrsanschauung bezeichnungsfähig sind (BGH GRUR 1993, 767, 768 - Zappel-Fisch; BGH GRUR 1998, 155 - Power Point; BGH GRUR 2012, 1265 - stimmt€s€). Neben den explizit in § 5 Absatz 3 MarkenG genannten Druckschriften, Filmwerken, Tonwerken und Bühnenwerken erwähnt die Regelung auch die sonstigen vergleichbaren Werke. Damit ist nicht abschließend bestimmt, welche Werke Titelschutz genießen können. Charakteristisch ist jedenfalls eine eigenständige geistige Leistung, die sich in dem Werk verkörpert (BGH GRUR 2005, 959, 960 - FACTS II).

Als solche vergleichbaren Werke genießen nach höchstrichterlicher Rechtsprechung bereits Computerprogramme bzw. Software (BGH GRUR 2006, 594 (Rn. 16) - SmartKey; BGH GRUR 1998, 155 - Power Point; BGH GRUR 1997, 902 - FTOS; BGH GRUR 1998, 1010 - WINCAD) sowie - in einem eingeschränkten Rahmen - auch Websites Schutz, wenn diese fertiggestellt sind und inhaltlich die Werkqualität erreichen (BGH GRUR 2009, 1055, 157 - airdsl; Ingerl/Rohnke, MarkenG, 3. Aufl., § 5 Rn. 81).

Eine App kann im Hinblick auf den Werkbegriff des § 5 Absatz 3 MarkenG als internet- und plattformbasierte Softwareanwendung für mobile Endgeräte umschrieben werden. Durch die App wird es dem Nutzer ermöglicht, die Leistungen eines Anbieters über das mobile Internet direkt auf einem Endgerät zu nutzen. Der Vorteil liegt für den Nutzer darin, dass die jeweilige App auf die Betriebssoftware des jeweiligen Geräts abgestimmt ist, um auf diese Weise eine schnellere und reibungslosere Anwendung zu gewährleisten.

Damit weist eine App zum einen Parallelen zur Software auf, da auch diese auf bestimmten Plattformen basiert und meist für ein bestimmtes Betriebssystem konfiguriert ist. Wie die Software beeinflusst auch die App die Datenverarbeitung eines Geräts.

Zum anderen ist eine App auch mit einer Homepage vergleichbar, da über eine App, wie auch über eine Homepage, Leistungen online angeboten und abgerufen werden können. Eine App stellt mithin in diesem Sinne ein online Dienstleistungsangebot dar, welches über ein mobiles Endgerät abgerufen werden kann. So kann ein Nutzer beispielsweise einen bestimmten Online-Shop sowohl über eine Homepage aufrufen als auch - soweit verfügbar - eine App auf einem mobilen Endgerät nutzen. Darüber hinaus bestehen Apps - wie auch die meisten Internetseiten - grundsätzlich aus einzelnen Werken wie Bildern und Texten, die in der App zu einem Gesamtbild verknüpft werden. Weiter können Apps von jedermann erworben werden und sind auf der Benutzeroberfläche des mobilen Endgeräts durch ein Symbol, das sog. Icon, sichtbar. Die Apps werden über eine zentrale Vertriebsplattform angeboten und können von Kunden dort kostenlos oder kostenpflichtig heruntergeladen werden.

Zwar war der Klägerin insoweit zuzustimmen, dass die bloßen aktuellen Ydaten an sich keine immateriellen Arbeitsergebnisse darstellen und somit isoliert auch nicht dem Werktitelschutz zugänglich sind. Allerdings sieht die Kammer die streitgegenständliche App nicht als bloße Wiedergabe dieser Daten an. Bei dem in der App "Y.de" liegenden immateriellen Arbeitsergebnis handelte es sich um eine eigenständige und weit über die bloßen aktuellen Ydaten in ihrer isolierten Form hinausgehende Leistung. Die ortsspezifische Aufbereitung von Ydaten und die darüber hinaus gehenden zusätzlichen Leistungen sowie die Umsetzung des dieser Leistung immanenten Konzepts in der App stellten eine nach der Verkehrsanschauung eigenständige geistige Leistung dar. Durch die Zusammenstellung und Aufbereitung der Daten sowie deren Aufmachung und Anordnung in Bezug auf Übersichtlichkeit und Benutzerführung wird eine eigenständige und charakteristische Leistung, mithin ein Produkt im Sinne des § 5 Abs. 3 geschaffen, das durch das Icon "Y.de" inhaltsbezogen gekennzeichnet ist.

b) Für den Werktitelschutz des § 5 Absatz 3 MarkenG fehlte der Bezeichnung "Y.de" für eine App allerdings die erforderliche originäre Kennzeichnungskraft.

aa) Für die Entstehung des Werktitelschutzes bei Apps ist zur Bestimmung der originären Kennzeichnungskraft der allgemeine Maßstab anzulegen. Für App-Titel gelten nach Auffassung der Kammer dagegen nicht die deutlich vereinfachten Voraussetzungen wie für Zeitungs- oder Zeitschriftentitel.

Ein Titel muss grundsätzlich kennzeichnungskräftig in dem Sinne sein, dass er geeignet ist, ein Werk von einem anderen zu unterscheiden (BGH GRUR 2003, 440, 441 - Winnetous Rückkehr). Allgemein ist die Zuerkennung des Titelschutzes schon bei einer geringen Unterscheidungskraft gerechtfertigt (Fezer, 4. Aufl. 2009, § 15 Rn. 274). Dafür reicht jedoch in Bezug auf Apps ein "Mindestmaß an Individualität" (vgl. BGH GRUR 2002, 176 - Auto Magazin), wie es in Bezug auf Zeitschriften gefordert wird, jedoch nicht aus. An die Unterscheidungskraft von Zeitschriftentiteln werden noch geringere Anforderungen gestellt, weil auf dem Zeitungs- und Zeitschriftenmarkt seit jeher Zeitungen und Zeitschriften unter mehr oder weniger farblosen Gattungsbezeichnungen angeboten werden (BGH GRUR 1999, 235, 237 - Wheels Magazine, m. w. N.; BGH GRUR 2007, 70, 72 - SZENE; BGH GRUR 2000, 504, 505 - FACTS). Dies gilt insbesondere, wenn sich eine Vielzahl von Zeitschriften mit einem bestimmten Thema bzw. Bereich befassen und dadurch eine Vielzahl von Titeln vorhanden ist, die neben dem für dieses Thema bzw. diesen Bereich beschreibenden Begriff allenfalls schwach individualisierende Merkmale aufweisen und so den Verkehr dazu veranlassen, besonders auf Zusätze zu achten (BGH GRUR 2002, 176 - Auto Magazin).

Die grundlegenden Unterschiede zwischen Zeitschriften als periodisch erscheinenden Druckschriften und Apps als internet- und plattformbasierten Softwareanwendungen für mobile Endgeräte verbieten die Übernahme der für Zeitschriften geltenden Grundsätze.

Zunächst gilt, dass das Angebot an Apps, die unter "farblosen Gattungsbezeichnungen" angeboten werden, nicht im gleichen Maße wie bei Zeitschriften besteht. Dies war auch nicht bereits deshalb anzunehmen, weil es mehrere Apps gibt, welche die Bezeichnung "Y" im Titel verwenden. Zwar kann die Gewöhnung des Verkehrs an beschreibende Angaben als Titel für eine bestimmte Werkart dazu führen, die Anforderungen an die Kennzeichnungskraft (weiter) zu senken. Von einer solchen Gewöhnung des Verkehrs ist aber in Bezug auf Apps nicht auszugehen. Hier stehen reine Phantasiebezeichnungen ("skype", "WhatsApp") neben sprechenden Zeichen ("traffic4all") und beschreibenden Titeln ("Y"). Auch dies spricht gegen eine Übertragung der zuvor genannten Grundsätze (so auch Ingerl/Rohnke, a. a. O., § 5 Rn. 100 zum Software-Bereich).

Darüber hinaus fehlt einer App auch die grundsätzliche Eigenschaft einer Zeitschrift, in periodischen Abständen zu erscheinen, wodurch der Verkehr immer wieder mit dem jeweiligen Titel konfrontiert wird. Diese wiederholte Konfrontation trägt zu der Gewöhnung des Verkehrs bei, welcher dann auch schwächere Zusätze im Gedächtnis behält und verschiede Werke auf diese Weise individualisiert. Bei einer App, welche lediglich einmal von einer entsprechenden Verkaufsfläche runtergeladen wird, kann eine grundsätzliche Gewöhnung in dieser Hinsicht hingegen nicht angenommen werden.

Auch die Tatsache, dass eine App lediglich in digitaler Form als Verknüpfung auf dem Display eines mobilen Endgeräts angezeigt wird, führt zu einer abweichenden Beurteilung im Vergleich zu Druckwerken. Neben dem periodischen Erscheinen eines Druckwerks spielt für die Gewöhnung des Verkehrs auch die Haptik des Werkes selbst eine Rolle. Zu einer Gewöhnung an beschreibende Angaben kommt es nach Ansicht der Kammer auch dadurch, dass die Verkehrskreise Zeitschriften bzw. Druckwerke im Allgemeinen als festen Gegenstand wahrnehmen, welchen sie anfassen und durchblättern können. Das gesamte Werk bleibt den beteiligten Verkehrskreisen so eher im Gedächtnis. Eine App hingegen ist im Vergleich dazu als abstraktes Anwendungsprogramm in digitaler Form einer Gewöhnung im Vergleich zu einem Druckwerk nur in eingeschränkter Form zugänglich.

Dies wird umso deutlicher wenn man berücksichtigt, dass man Apps innerhalb der jeweiligen Verkaufsfläche gezielt nach ihrem Titel sucht und so meist direkt mit der gewünschten bzw. einer nur begrenzten Anzahl an Apps konfrontiert wird. Anders als bei Zeitschriften, die dem Verkehr meist in Fachgeschäften oder Kiosken in einer schier unüberschaubaren Vielzahl verschiedenster Arten gegenübertreten, ist eine gesteigerte Aufmerksamkeit bei der Auswahl aus einem bereits eingegrenzten Sortiment nicht im gleichen Maße nötig.

Darüber hinaus werden Apps den Verkehrskreisen im Rahmen des "Downloads" grundsätzlich mitsamt einer Beschreibung sowie weiteren Informationen, wie beispielsweise dem Anbieter, angezeigt. Eine Entscheidung lediglich anhand des Titels, wie es bei Zeitschriften der Fall ist, ist aufgrund diesem Mehr an Informationen nicht nötig. Eine zwangsläufige Gewöhnung des Verkehrs an beschreibende Angaben als Titel für Apps - und damit verbunden eine gesteigerte Aufmerksamkeit der Verkehrskreise - findet aus diesem Grund nicht im gleichen Maße wie bei Zeitschriften statt.

Darüber hinaus stellte der Zusatz ".de" auch nicht einmal ein schwach individualisierendes Merkmal dar, an welchem sich der Verkehr orientieren kann. Eine angehängte Top-Level-Domain wird vom Verkehr grundsätzlich nicht als individualisierender Zusatz, sondern nur als bloße Länderzuweisung verstanden. So war bei der Beurteilung der Kennzeichnungskraft die Bezeichnung "Y" isoliert von dem seinerseits beschreibenden Zusatz ".de" zu betrachten. Diese Bezeichnung war für die durch die App angebotenen Leistungen als noch nicht mal schwach kennzeichnungskräftig, mithin als glatt beschreibend einzustufen.

c) Ein titelrechtlicher Schutz für die Domain "Y.de" scheidet ebenfalls aus. Auf die zuvor gemachten Ausführungen wird verwiesen."

Die erkennende Kammer hat nach dem Vortrag der Parteien keine Veranlassung zu einer abweichenden Entscheidung und schließt sich den Ausführungen des Landgerichts Hamburg vollumfänglich an. Soweit die Klägerin ergänzend argumentiert, dass sich die periodische Erscheinung einer App entgegen der Auffassung der Landgerichts Hamburg daraus ergebe, dass diese kontinuierlich aktualisiert und an die veränderten Gegebenheiten angepasst werde, ist dem zudem aus eigener Erfahrung der Mitglieder der Kammer entgegenzuhalten, dass der Nutzer diesen Änderungen -soweit er sie überhaupt bemerkt - nicht die gleiche Aufmerksamkeit widmen wird, wie dem Titel einer Zeitschrift, die regelmäßig erscheint, zumal es sich oftmals nur um bloße zum Download verfügbare Softwareupdates der auf dem Mobilgerät einmalig installierten App handelt.

Ein Werktitelschutz kraft Verkehrsgeltung ist ebenfalls nicht hinreichend dargelegt. Insoweit gelten die gleichen Grundsätze wie bei der geschäftlichen Bezeichnung oder der Benutzungsmarke. Bei dem Zeichen der Klägerin Y.de handelt es sich nach dem Vorhergesagten um einen Begriff, der für die Dienstleistung eines Wetterdienstes glatt beschreibend ist. Eine Verkehrsdurchsetzung setzt nach der Rechsprechung daher einen Durchsetzungsgrad von weit über 50% voraus (u.a. BGH GRUR 2006, 760 - LOTTO). Hiervon kann im Streitfall nicht ausgegangen werden. Dabei kommt es nicht darauf an, ob die von der Klägerin in Bezug genommene FORSA-Umfrage zur Ermittlung der Verkehrsdurchsetzung per se tauglich ist. Die darin ermittelte Bekanntheit rechtfertigt jedenfalls nicht die Annahme der Verkehrsdurchsetzung. Auch wenn man wie im Falle des Begriffs "Kinder€ (BGH GRUR 2003, 1040 - Kinder) keine nahezu einhellige Verkehrsbekanntheit fordert, kommt eine Verkehrsdurchsetzung bei einem Begriff, der die in Rede stehende Leistung eines Wetterinformationsdienstes nach dem ursprünglichen Bedeutungsgehalt beschreibt, erst bei einem Durchsetzungsgrad in Betracht, der erheblich über 50% liegt und im Streitfall auch nach der von der Klägerin vorgelegten Verkehrsbefragung, die eine lediglich gestützte Bekanntheit von 67 % der befragten Internetnutzer und ungestützt von nur 41 % ermittelt hat, nicht erreicht ist.

2. Mangels Erwerb eines unterscheidungskräftigen Kennzeichens scheiden auch Ansprüche der Klägerin aus §§ 5 Abs. 2, 15 Abs. 2, 3 MarkenG aus. Nach dem Vorhergesagten ist das Zeichen "Y" in Kombination mit der Top Level Domain "de" für die Tätigkeit eines Wetterinformationsdienstes beschreibend und damit nicht ursprünglich unterscheidungskräftig. Kennzeichnungskraft aufgrund von Verkehrsdurchsetzung ist ebenfalls nicht hinreichend dargelegt.

3. Aus den gleichen Gründen kommen auch Ansprüche gem. §§ 14 Abs. 2, § 4 Nr. 2 MarkenG aus einer Benutzungsmarke "Y.de" nicht in Betracht.

4. Wettbewerbsrechtliche Ansprüche nach § 5 Abs. 2 UWG wegen einer Irreführung der angesprochenen Verkehrskreise sind ebenfalls nicht ersichtlich. Insoweit ist ergänzend zu berücksichtigen, dass in der konkreten Aufmachung - wie sie sich aus der von der Klägerin in Bezug genommenen Anlage K 19 ergibt - dem Verkehr in den jeweiligen App-Stores zu den jeweiligen Apps weitere Informationen insbesondere die Namen der Anbieter der Apps mitgeteilt werden.

Da die Beklagte ihre App unter den streitgegenständlichen Bezeichnungen ohne Verletzung entgegenstehender Kennzeichenrechte der Klägerin im geschäftlichen Verkehr nutzt, ist zuletzt auch eine unlautere Behinderung der Klägerin i.S.d. § 4 Nr. 10 UWG nicht ersichtlich.

5. Mangels Unterlassungsanspruch sind auch die geltend gemachten Annexansprüche auf Auskunft, Schadensersatzfeststellung und Ersatz der Abmahnkosten dem Grunde nach nicht begründet.

6. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit aus § 709 ZPO.

Streitwert: 135.000,- EUR (Unterlassung: 100.000,- EUR, Auskunft: 10.000,-EUR, Schadensersatzfeststellung: 25.000,- EUR)






LG Köln:
Urteil v. 10.12.2013
Az: 33 O 83/13


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