Bundespatentgericht:
Beschluss vom 1. Dezember 2008
Aktenzeichen: 11 W (pat) 52/04

(BPatG: Beschluss v. 01.12.2008, Az.: 11 W (pat) 52/04)

Tenor

1.

Der angefochtene Beschluss des Deutschen Patentund Markenamts wird aufgehoben.

2.

Das Patent wird mit den in der mündlichen Verhandlung übergebenen Ansprüchen 1 -11 vom 1. Dezember 2008 sowie Beschreibung, Blatt 1 -9, und Figuren 1 -7 vom 1. Dezember 2008 erteilt.

Gründe

I.

Die Prüfungsstelle für Klasse B65H des Deutschen Patentund Markenamts hat durch Beschluss vom 14. Juli 2004 die am 17. April 2001 eingereichte Patentanmeldung mit der Bezeichnung

"Kassettengerät"

gemäß § 48 PatG zurückgewiesen.

Zum Stand der Technik sind von der Prüfungsstelle die Druckschriften

(1)

EP0963935A2

(2)

EP0313719B1

(3)

DE4220843C1 und von der Anmelderin beschreibungseinleitend zudem die Druckschriften

(4) EP 0 313 720 B1

(5) EP 0 551 522 B1

(6) EP 0 656 308 B1 berücksichtigt worden.

Die Patentanmeldung DE 101 18 830.7 -27 ist mit Hinweis auf den unbeantworteten Prüfungsbescheid vom 13. November 2001 zurückgewiesen worden, in dem die Prüfungsstelle sinngemäß festgestellt hatte, dass die nebengeordneten Ansprüche 1, 15 und 19 nicht gewährbar seien, weil ihre Gegenstände nicht neu seien.

Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der Anmelderin. Sie hat in der mündlichen Verhandlung am 1. Dezember 2008 einen neuen Satz geänderter Unterlagen vorgelegt und ausgeführt, dass das Kassettengerät nach dem geltenden Anspruch 1 neu sei und auf einer erfinderischer Tätigkeit beruhe.

Die Beschwerdeführerin stellt den Antrag, den angefochtene Beschluss des Deutschen Patentund Markenamt aufzuheben und das Patent mit den in der mündlichen Verhandlung übergebenen Ansprüchen 1 -11 vom 1. Dezember 2008 sowie Beschreibung, Blatt 1 -9, und Figuren 1 -7 vom 1. Dezember 2008 zu erteilen.

Der geltende Anspruch 1 lautet:

Handgerät (1) zum Übertragen eines Mittels von einem Trägerband (21), vorzugsweise einer Trägerfolie aus Papier oder Kunststoff, auf ein Substrat, mit einem wiederschließbaren Gehäuse (3) zur Aufnahme einer austauschbaren Wechselkassette (2), in der ein aus dem Gehäuse (3) herausragendes, elastisches Auftragselement (16), eine das Trägerband (21) abgebende Vorratsoder Abwickelspule (14) und eine das Trägerband (21) aufnehmende Aufwickelspule (15) angeordnet sind, wobei der Federweg des Auftragselements (16) im Benutzungszustand unter Druck in Richtung auf das Gehäuse (3) hin durch einen Anschlag begrenzt ist, der am Gehäuse (3) angeordnet ist, wobei der Anschlag (100) am Gehäuse (3) einen Gegenanschlag zu einem Vorsprung(160) auf der Oberseite des Auftragselementes (16) bildet, dadurch gekennzeichnet, dassder Anschlag (100) räumlich von dem Trägerband (21) durch einen Abstandshalter (162) in Form eines halbkreisförmigen Bogens getrennt ist und das Trägerband (21) den Abstandshalter (162) tangential von oben berührt.

Auf diesen Anspruch folgen rückbezogene Ansprüche 2 bis 11.

Der Erfindung liegt die Aufgabe zugrunde, das gattungsgemäße Kassettengerät derart zu verbessern, dass auch bei Fertigungstoleranzen von Handgerät, Gehäuse bzw. Kassette die Funktionsfähigkeit gewährleistet ist (vgl. Seite 2, 3. Absatz der Beschreibung vom 1. Dezember 2008).

Zu den weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.

II.

Die zulässige Beschwerde der Anmelderin ist begründet.

Die geltenden Ansprüche sind zulässig, da sie sich aus den ursprünglichen Anmeldeunterlagen herleiten. Hierbei sind die Merkmale des Oberbegriffs des Anspruchs 1 in ihrer Merkmalsreihenfolge in den ursprünglichen Ansprüchen 1 und 2 offenbart. Die Merkmale des kennzeichnenden Teils des Anspruchs sind in ihrer Merkmalsreihenfolge an folgenden Stellen der ursprünglichen Unterlagen offenbart: Anspruch 12, S. 5, 2. Abs., Z. 5 und S. 12, 3. Abs., Z. 3 -5. Die Ansprüche 2 -11 entsprechen den ursprünglichen Ansprüchen 13 und 3 bis 11.

Die Beschreibung ist der geltenden Anspruchsfassung in zulässiger Weise angepasst und redaktionell überarbeitet.

Das Handgerät nach dem geltenden Anspruch 1 ist offensichtlich gewerblich anwendbar. Es ist neu und beruht auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Der mit der Lösung der angegebenen Aufgabe betraute Fachmann ist ein Fachhochschulingenieur für Maschinenbau mit Kenntnissen und Erfahrungen in der Konstruktion und Fertigung von einschlägigen Kassettengeräten.

Die im Prüfungsverfahren genannten Entgegenhaltungen offenbaren allesamt nicht das Merkmal, wonach der Anschlag räumlich von dem Trägerband durch einen Abstandshalter in Form eines halbkreisförmigen Bogens getrennt ist, weshalb das Handgerät gemäß dem geltenden Anspruch 1 neu ist.

Auch geben die im Verfahren genannten Entgegenhaltungen dem Fachmann keine Anregung zur Merkmalsgesamtheit des Anspruchs 1.

In der nächstkommenden, gattungsgemäßen Druckschrift (1) wird zwar durch Fig. 3 offenbart, dass der Anschlag räumlich von dem Trägerband durch einen Abstandshalter getrennt ist, denn durch die doppel-T-förmige Gestalt des Auftragselements ("film transfer head H"), wirken die seitlichen Wangen ("guide flanges 36") unter Belastung als Abstandshalter, die eine räumliche Trennung zwischen der Aussparung 10a, die als Anschlag am Gehäuse dient, und dem Trägerband gewährleisten. Eine Anregung zu den erfindungsgemäßen Merkmalen, wonach der Abstandshalter in Form eines halbkreisförmigen Bogens vorhanden ist und das Trägerband den Abstandshalter tangential von oben berührt, ist diesem Stand der Technik jedoch nicht zu entnehmen. Die Abstandshalter ("guide flanges 36") gemäß (1) führen das Trägerband seitlich und bewirken durch die doppel-T-förmige Gestalt des Auftragselements bereits eine räumliche Trennung zwischen dem Anschlag am Gehäuse und dem Trägerband ("At both side edges of the head H, guide flanges 36, for guiding running of the coat film transfer tape T are formed"; Sp. 9, Z. 31 -33). Somit besteht keine Veranlassung, die Form des Abstandshalters anzupassen und ihn in Form eines halbkreisförmigen Bogens vorzusehen, damit beim Einlegen der Wechselkassette in das Gehäuse das Trägerband nicht mit dem Anschlag am Gehäuse in Kontakt kommt. Die Abstandshalter ("guide flanges 36") gemäß der Druckschrift (1) wirken offensichtlich mit dem Anschlag am Gehäuse zusammen und berühren ihn deshalb (vgl. z. B. die Fig. 3). Aus diesem Grund ist ihr auch keine Anregung für das weitere kennzeichnende Merkmal zu entnehmen, wonach das Trägerband den Abstandshalter von oben berührt, da sonst bei dem bekannten Handgerät das Band im Benutzungszustand zwischen Anschlag und Abstandshalter eingeklemmt würde. Dieser Stand der Technik führt somit nicht zur erfindungsgemäßen Lösung.

Das Handgerät zum Übertragen eines Mittels von einem Trägerband auf ein Substrat, das die Druckschrift (2) zeigt und beschreibt, unterscheidet sich vom Gegenstand des Anspruchs 1 durch die Merkmale, wonach der Abstandshalter in Form eines halbkreisförmigen Bogens vorgesehen ist und wonach der Anschlag am Gehäuse angeordnet ist. Der in (2) verwendete Spannhebel 6, der, wie der Fachmann in Fig. 2 erkennt, als Abstandshalter dient, somit das Trägerband räumlich vom Anschlag trennt und vom Trägerband tangential von oben berührt wird, soll in erster Linie das Trägerband so führen, dass es zum besseren Haften auf der Aufwickelspule 11 noch Klebstofffilm von der Vorratsspule 10 aufnehmen kann (vgl. Sp. 9 Z. 8 -20). Ein Hinweis, die erfindungsgemäße Gestalt des Abstandshalters zu wählen, um zu verhindern, dass beim Einlegen der Wechselkassette in das Gehäuse das Trägerband mit dem Anschlag in Kontakt kommt, ist somit nicht zu entnehmen. Die aus (2) bekannte Wechselkassette (vgl. Sp. 8, Z. 28 -31) sieht zudem den Anschlag an der Kassette vor, denn in Sp. 9, Z. 27 -36 ist ausgeführt, dass auf der Auftragsleiste 14 ein Anschlagbereich in Form eines Vorsprungs 7 angebracht ist, der in Richtung der Ausfederbewegung vorspringt. Diesem Anschlagbereich 7 ist ein gestellfester Gegenanschlag 8 zugeordnet, der einstückig an einem Verbindungssteg 15 zur Verbindung der beiden Seitenplatten 2a und 2b der Kassette 1 miteinander vorgesehen ist. Zur patentgemäßen Lösung, wonach der Anschlag am Gehäuse angeordnet ist, erhält der Fachmann aus diesem Stand der Technik demnach ebenfalls weder Vorbild noch Anregung. Zur Vermeidung des genannten Nachteils, dass im Benutzungszustand bei der Vorrichtung gemäß (2) ein Drehmoment auf die Kassette ausgeübt wird, so dass sich diese dreht und die Aufwickelspule bzw. die Vorratsspule verklemmen, wird der Fachmann -ausgehend von dem aus dieser Druckschrift entnehmbaren Stand der Technik -vielmehr Lösungen in Betracht ziehen, die die Kassette im Gehäuse besser fixieren und auf diese Weise das Drehen der Kassette vermeiden.

Da der Offenbarungsgehalt der Entgegenhaltung (4) nicht über den der Druckschrift (2) hinausgeht, erhält der Fachmann auch aus diesem Stand der Technik keine Hinweise zur patentgemäßen Lösung nach Anspruch 1.

Eine Zusammenschau von Merkmalen aus der Entgegenhaltung (1) und den Druckschriften (2) oder (4) würde allenfalls darin bestehen, den Abstandshalters 6 nach der Fig. 2 der (2) oder 24 nach der Fig. 4 der (4) in das Handgerät gemäß (1) zu integrieren. Da der Gegenstand nach (1) bereits als Abstandshalter wirkende Elemente aufweist und auch nicht ersichtlich ist, dass Abstandshalter wie sie in (2) oder (4) offenbart sind, einen Beitrag zur Lösung der gestellten Aufgabe leisten könnten, wird der Fachmann diese Kombination jedoch nicht in Betracht ziehen.

Die übrigen im Verfahren berücksichtigten Schriften (3), (5) und (6) betreffen zwar ebenfalls Handgeräte mit Merkmalen des Oberbegriffs des Anspruchs 1, liegen jedoch weiter ab, da sie weder Anschläge zur Begrenzung des Federwegs des Auftragselements im Benutzungszustand unter Druck in Richtung auf das Gehäuse hin offenbaren, noch Abstandshalter in Form eines halbkreisförmigen Bogens, der den Anschlag räumlich vom Trägerband trennt.

Der Gegenstand des geltenden Anspruchs 1 ist somit patentfähig.

Die geltenden Ansprüche 2 bis 11 betreffen zweckmäßige, nicht selbstverständliche Ausgestaltungen des Handgerätes nach Anspruch 1 und sind daher mit Anspruch 1 ebenfalls gewährbar.

Dr. Maier Dr. Fritze Schell Rothe Bb






BPatG:
Beschluss v. 01.12.2008
Az: 11 W (pat) 52/04


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