Kammergericht:
Beschluss vom 12. März 2013
Aktenzeichen: 2 Ws 42/13 Vollz
(KG: Beschluss v. 12.03.2013, Az.: 2 Ws 42/13 Vollz)
Zu den Anforderungen an einen Antrag eines Sicherungsverwahrten auf Entfernung bestimmter Teile aus den Gefangenenpersonalakten, wenn dieser zuvor Akteneinsicht in diese Akten hatte.
Ein genereller Anspruch auf Entfernung aller Mitteilungen eines Therapeuten besteht jedenfalls dann nicht, wenn diese nicht näher bezeichnet sind, obwohl dem Verwahrten dies möglich wäre.
Tenor
Die Rechtsbeschwerde des Sicherungsverwahrten gegen den Beschluss des Landgerichts Berlin € Strafvollstreckungskammer € vom 3. Dezember 2012 wird als unzulässig verworfen.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten der Rechtsbeschwerde zu tragen (§§ 130,121 Abs. 4 StVollzG, § 473 Abs. 1 Satz 1 StPO).
Gründe
Der Beschwerdeführer befindet sich zur Zeit in der Sicherungsverwahrung in der Justizvollzugsanstalt Tegel. Am 30. Januar 2012 beantragte er, die Justizvollzugsanstalt zu verpflichten, alle Schreiben der Psychologin A sowie ihres Anwaltes B aus der ihn betreffenden Gefangenenpersonalakte zu entfernen. Zur Begründung führte er aus, dass er von Mai 2010 bis November 2010 eine extramurale Therapie bei der genannten Psychologin durchgeführt habe. Die Therapie sei gescheitert und aus Rache habe die Psychologin der Anstalt den Abbruch der Therapie mitgeteilt. In der Folgezeit habe die Psychologin heimlich E-Mails des Antragstellers an die Haftanstalt übersandt. Er habe im Januar 2012 bei dem Amtsgericht Wedding eine einstweilige Anordnung erwirkt, wonach der Therapeutin untersagt worden sei, der Justizvollzugsanstalt Tegel Unterlagen oder sonstige Mitteilungen zukommen zu lassen. Durch die Nichtentfernung der Schreiben der Psychologin sei er in seinen Rechten verletzt. Alle Schreiben unterlägen entweder der Schweigepflicht oder anderen Berufs- und persönlichen Geheimnissen. Mit dem angefochtenen Beschluss hat die Strafvollstreckungskammer den Antrag des Verwahrten auf gerichtliche Entscheidung als unbegründet zurückgewiesen. Seine hiergegen gerichtete Rechtsbeschwerde hat keinen Erfolg.
Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg, da es unzulässig ist.
Im Streitfall fehlt es schon an einem zulässigen Antrag auf gerichtliche Entscheidung, weil die Voraussetzungen des § 109 Abs. 2 StVollzG nicht eingehalten worden sind.
1) Zu den allgemeinen Verfahrensvoraussetzungen gehört es, dass ein zulässiger Antrag auf gerichtliche Entscheidung vorliegt, was der Senat im Rechtsbeschwerdeverfahren von Amts wegen zu überprüfen hat. Das gilt auch für die Frage, ob der Antrag auf gerichtliche Entscheidung den formellen Voraussetzungen des § 109 Abs. 2 StVollzG entsprach (vgl. OLG Stuttgart NStZ 1999, 447 bei Matzke; NStZ 1986, 480; OLG Celle NStZ 1989, 295; Senat, Beschlüsse vom 12. März 2009 € 2 Ws 78/09 Vollz -; 11. Oktober 1993 € 5 Ws 352/93 Vollz € und 8. Februar 1985 € 5 Ws 552/84 Vollz -; Kamann/Volckart in AK-StVollzG 5. Aufl., § 116 Rdn. 4; Calliess/ Müller-Dietz, StVollzG 11. Aufl., § 118 Rdn. 3). Der Senat hält an seiner Ansicht fest, dass in diesem Fall die Rechtsbeschwerde des Gefangenen unzulässig ist. Denn ihr fehlt nach der Aufdeckung des Fehlens einer Verfahrensvoraussetzung die für die Zulässigkeit eines jeden Rechtsmittels erforderliche Beschwer. Seinem Anliegen könnte der Verwahrte durch die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und einen in der Beschlussformel des Senats enthaltenen Ausspruch, der Antrag auf gerichtliche Entscheidung hätte als unzulässig verworfen werden müssen, nicht näher kommen. In der durch die Behandlung des Antrags als zulässig durch die Strafvollstreckungskammer zustande gekommenen inhaltlichen Befassung liegt keine selbständige Beschwer.
2) Zur Zulässigkeit eines Antrags auf gerichtliche Entscheidung gehört, dass er eine aus sich heraus verständliche Darstellung enthält und erkennen lässt, durch welche Maßnahmen der Vollzugsbehörde sich der Gefangene oder der Verwahrte in seinen Rechten verletzt fühlt (vgl. OLG Hamm ZfStrVO 2002, 316 € Ls und NStZ 2002, 531 bei Matzke; OLG Celle NStZ 1989, 295, 296; Senat, Beschluss vom 18. Mai 2009 € 2 Ws 8/09 Vollz -). Zu diesem Zweck muss der Antragsteller Tatsachen vortragen, die, wenn sie gegeben wären, eine Rechtsverletzung als möglich erscheinen lassen (vgl. OLG Hamm und OLG Celle € jeweils a.a.O.; Senat, Beschluss vom 10. September 1986 € 5 Ws 262/86 Vollz -; Arloth, StVollzG 3. Aufl., Rdn. 13; Calliess/ Müller-Dietz, StVollzG 11. Aufl., Rdn. 19; Schuler in Schwind/Böhm/Jehle/Laubenthal, StVollzG 4. Aufl., Rdn. 30 € jew. zu § 109). Dem Gericht muss es möglich sein, den zugrundeliegenden Sachverhalt ohne Zuhilfenahme weiterer € erst zu ermittelnder € Erklärungen oder Unterlagen zu erfassen und nicht nur zu erkennen, durch welche Maßnahme sich der Gefangene beschwert sieht (Streitgegenstand), sondern inwiefern und wodurch er seine Rechte als verletzt erachtet (vgl. OLG Hamm NStZ 1981, 368; OLG Frankfurt ZfStrVO 1981, 317, 318; Senat, Beschlüsse vom 14. Oktober 2009 € 2 Ws 468/09 Vollz -, 21. Juli 2009 € 2 Ws 316/09 Vollz - und 18. Mai 2009 € 2 Ws 8/09 Vollz -). Diese Angaben sind grundsätzlich innerhalb der Frist des § 112 Abs. 1 Satz 1 StVollzG zu machen.
Der Untersuchungsgrundsatz, nach dem die Strafvollstreckungskammer das Verfahren zu führen hat (vgl. Calliess/Müller-Dietz, § 115 StVollzG Rdn. 3 mit weit. Nachw.), enthebt den Antragsteller nicht von der Verpflichtung, sein Begehren in der gesetzlich vorgesehenen Form einzureichen (vgl. Senat, Beschlüsse vom 18. Mai 2009 € 2 Ws 8/09 Vollz € und vom 8. Februar 1985 € 5 Ws 552/84 Vollz -).
3) Dabei sind an das Vorbringen keine zu hohen Anforderungen zu stellen. Notwendig, aber auch ausreichend ist eine aus sich heraus verständliche Sachdarstellung, welche die vorbezeichneten Erfordernisse erfüllt (vgl. OLG Stuttgart ZfStrVO 1992, 136; OLG Frankfurt am Main ZfStrVO 1981, 317, 318; Senat, Beschluss vom 18. Mai 2009 € 2 Ws 8/09 Vollz -). Zu den Mindestvoraussetzungen gehört es vor allem, dass nicht nur der Streitgegenstand bestimmt, sondern ein Sachverhalt mitgeteilt wird (vgl. OLG Hamm NStZ 1981, 368; Beschluss vom 7. Juni 2001 € 1 Vollz (Ws) 138/01 -). Lässt sich über den Streitgegenstand nur aus einem einzigen offen zutage liegenden rechtlichen Gesichtspunkt befinden, so kann im Ausnahmefall die Benennung der angefochtenen Entscheidung genügen (vgl. OLG Zweibrücken NStZ 1992, 512).
So liegt es hier nicht. Der Verwahrte begehrt die Entfernung sämtlicher von der Therapeutin an die Haftanstalt weitergeleiteter Unterlagen, da ein Verwertungsverbot bestehe.
a) Ein generelles Verwertungsverbot bezüglich aller Schreiben € deren Inhalt der Verwahrte nicht mitteilt € besteht nicht. Dem Beschwerdeführer waren in der Vollzugsplanfortschreibung vom 11. Mai 2010 Lockerungen (Ausgang zu therapeutischen Gesprächen) ausschließlich zu dem Zweck gewährt worden, dass ihm Gelegenheit gegeben wird, seine langjährige Therapie bei der Psychologin A fortzusetzen. Die Ausgänge waren daher zielgerichtet und zeitlich beschränkt (vgl. Senat, Beschluss vom 29. April 2011 € 2 Ws 108/11 Vollz-). Den Abbruch der Therapie durfte die Psychologin schon deshalb mitteilen, weil damit der Grund für die zielgerichteten Ausgänge entfallen war. Gleiches gilt für Terminsaufhebungen und die Verlegung von Terminen, da die Justizvollzuganstalt hiervon Kenntnis haben muss, ebenso von einem Nichterscheinen eines Verwahrten. Schon vor diesem Hintergrund kommt ein generelles Verwertungsverbot, welches einen Anspruch auf Entfernung aller Schreiben und Mitteilungen umfassen könnte, nicht in Betracht.
b) Aufgrund der Angaben des Untergebrachten in seinem Antrag auf gerichtliche Entscheidung kann auch nicht überprüft werden, ob nach § 184 StVollzG in Verbindung mit § 20 BDSG ausnahmsweise im Wege der Folgenbeseitigung ein Anspruch auf Vernichtung von Aktenteilen besteht, da anders ein rechtmäßiger Zustand nicht hergestellt werden kann (vgl. OLG Koblenz ZfStrVo 1989, 182; Calliess/Müller-Dietz, StVollzG 11. Aufl. § 184 Rdn. 3; Arloth StVollzG 3. Aufl. Rdn. 3).
Demnach hätte der Beschwerdeführer darlegen müssen, in welcher Hinsicht bestimmte Schreiben seiner Ansicht nach inkriminiert sind und welchen wesentlichen Inhalt diese hatten. Dies wäre ihm auch möglich gewesen, da er am 24. Mai 2011 Einsicht in seine Personalakten hatte. Weiterhin wurden ihm durch Verfügung der Strafvollstreckungskammer vom 1. Juni 2012 Ablichtungen aus seiner Gefangenenpersonalakte übersandt. Wie sich aus dem Schreiben des Verwahrten vom 10. Juni 2012 ergibt, hat er diese auch erhalten. Allein die Behauptung, die E-Mails enthielten Erkenntnisse aus €der therapeutischen Beziehung€ oder €unterliegen entweder der Schweigepflicht oder anderen Berufs- und persönlichen Geheimnissen€ genügen zu einer näheren Bezeichnung nicht, da anhand dieser Angaben nicht überprüft werden kann, ob die Schreiben zu Unrecht zur Personalakte gelangt sind. Insbesondere erschließt sich nicht einmal, ob die beanstandeten Schriftstücke überhaupt Mitteilungen über das Arzt-Patienten Verhältnis enthielten. Nichts anderes ergibt sich aus der Behauptung des Verwahrten, die Psychologin habe noch im Januar 2012, somit nach der einstweiligen Verfügung durch das Amtsgericht Wedding, Mitteilungen an die Justizvollzugsanstalt gemacht, obwohl ihr dies darin untersagt worden sei. Insoweit verlangt der Beschwerdeführer die €Offenbarung€ der Unterlagen. Es erschließt sich nicht, inwieweit der Verwahrte hierdurch in seinen Rechten im Sinne des § 109 StVollzG verletzt sein soll. Soweit er sich für das Vorhandensein solcher Mitteilungen auf ein Schreiben des Rechtsanwaltes B vom 9. Januar 2012 beruft, vermag dies den Antrag nicht zu konkretisieren. Denn aus dem genannten Schreiben ergibt sich nur, dass der Anwalt der Haftanstalt Kopien über bekannt gewordene rechtliche Aktivitäten des Beschwerdeführers gegen die Psychologin übersandt hat. Die von ihm selbst entwickelten rechtlichen Aktivitäten dürften dem Verwahrten hinlänglich bekannt sein, um konkrete Angaben zu machen. Auch bedurfte es deshalb keiner €Offenbarung€.
Ob die Psychologin gegen die einstweilige Verfügung des Amtsgerichts Wedding vom 18. Januar 2012, deren Bestandskraft ungeklärt ist, verstoßen hat, wird nicht im Verfahren nach dem Strafvollzugsgesetz überprüft. Eine Bindungswirkung für nicht an diesem Verfahren beteiligte Dritte - hier das Land Berlin - entfaltete jene Entscheidung von vornherein nicht.
4) Hat ein € forensisch nicht erfahrener € Gefangener persönlich den Antrag verfasst und hält das Gericht den mitgeteilten Sachverhalt nicht für ausreichend, um zu erkennen, welche Rechtsverletzung er behaupten möchte, so gebietet es die Fürsorgepflicht, ihn auf diesen Mangel hinzuweisen und ihm zu gestatten, die fehlenden Erklärungen nachzuholen (vgl. HansOLG Hamburg ZfStrVO 1979, 56; Senat NStZ-RR 1997, 154 mit weit. Nachw.). Das gilt indes nicht für Antragsschriften, die von Rechtsanwälten verfasst sind und auch nicht für solche von forensisch erfahrenen Gefangenen (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 7. Juni 2001 € 1 Vollz (Ws) 138/01 -; Senat, Beschluss vom 18. Mai 2009 € 2 Ws 8/09 Vollz -), weil insoweit nicht die Fürsorgepflicht besteht, die den Gerichten gegenüber solchen juristischen Laien zukommt, die sich im Verkehr mit den Gerichten nicht oder nur wenig auskennen (vgl. Senat, Beschluss vom 10. September 1986 € 5 Ws 262/86 Vollz € mit weit. Nachw.).
Dazu zählt der Antragsteller nicht. Er führt, wie dem Senat aus der Befassung mit den von dem Beschwerdeführer eingelegten Rechtsmitteln bekannt ist, selbständig eine Vielzahl von Rechtsstreitigkeiten und ist grundsätzlich in der Lage, seine Interessen sachgerecht wahrzunehmen.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 130, 121 Abs. 4 StVollzG, § 473 Abs. 1 Satz 1 StPO.
KG:
Beschluss v. 12.03.2013
Az: 2 Ws 42/13 Vollz
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