Bundespatentgericht:
Beschluss vom 24. Juni 2005
Aktenzeichen: 25 W (pat) 272/02
(BPatG: Beschluss v. 24.06.2005, Az.: 25 W (pat) 272/02)
Tenor
Auf die Beschwerde der Widersprechenden wird der Beschluß der Markenstelle des Deutschen Patent- und Markenamts vom 5. August 2002 aufgehoben, soweit der Widerspruch aus der Marke 1 087 216 für die Waren "Mittel zur Körper- und Schönheitspflege; Seifen; Parfümerien; ätherische Öle; Badezusätze, Salben, Lotionen, Öle, balsamische Mittel (auch für medizinische Zwecke);Heilmittel gegen die Bildung von (Fuß)Schweiß" zurückgewiesen worden ist.
Für diese Waren wird die Löschung der angegriffenen Marke angeordnet.
Im übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
Gründe
I.
Die Bezeichnung LAVENIA ist am 10. Juni 1999 unter der Nummer 399 06 722 für "Mittel zur Körper- und Schönheitspflege; Seifen; Parfümerien; ätherische Öle; Badezusätze, Salben, Lotionen, Öle, balsamische Mittel (auch für medizinische Zwecke); Hygienemittel, insbesondere Damenbinden und Mittel zur Desinfektion; Heilmittel gegen die Bildung von (Fuß)Schweiß" in das Markenregister eingetragen worden.
Gegen die Eintragung hat die Inhaberin der älteren Marke 1 087 216 Laveradie seit dem 29. Januar 1986 für "Mittel zur Körper- und Schönheitspflege, Haarwässer, Zahnputzmittel, Parfümerien, Fußpflegemittel, dekorative Kosmetika; pharmazeutische Erzeugnisse sowie chemische Erzeugnisse für die Gesundheitspflege; alkoholfreie Getränke" geschützt ist, Widerspruch erhoben.
Die Inhaberin der angegriffenen Marke hat die Benutzung der Widerspruchsmarke umfassend bestritten und die Nichtbenutzungseinrede auch nach Vorlage von Benutzungsunterlagen im Verfahren vor der Markenstelle für Klasse 5 des Deutschen Patentamts aufrecht erhalten.
Mit Beschluß eines Beamten des höheren Dienstes vom 5. August 2002 hat die Markenstelle den Widerspruch zurückgewiesen, weil eine rechterhaltende Benutzung der Widerspruchsmarke nicht ausreichend glaubhaft gemacht worden sei. Die vorgelegten Unterlagen seien lückenhaft im Hinblick auf Form, Umfang und insbesondere auf Art und Zeitraum der Benutzung der konkreten Widerspruchsmarke. Die Unterlagen gemäß der Anlage C-N (Händlerinformationen, Prospekte, Preis- und Bestelllisten, Rechnungen) fielen nicht in den nach § 43 Abs 1 Satz 2 MarkenG maßgeblichen Zeitraum von Juli 1997 bis Juli 2002. Anlage B lasse zwar Produktlabels für Baby-Shampoo etc erkennen. Die Widersprechende führe allerdings selbst aus, daß keine Druckdaten erkennbar seien und nur in einem Fall ein Haltbarkeitsdatum - 6.97 - erkennbar sei, das außerhalb des fraglichen Benutzungszeitraums liege. Demgegenüber sei die Eidesstattliche Versicherung gemäß Anlage A aus dem Jahr 1997 die einzige Unterlage, die beide Zeiträume des § 43 Abs 1 MarkenG abdecke, aber eine rechtserhaltende Benutzung allein nicht belegen könne, denn die Umsätze seien dort nicht nach den Warenarten aufgeschlüsselt. Daher sei auch eine Subsumtions- und Integrationsprüfung nicht möglich.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Widersprechenden mit der Begründung, die ausreichende Benutzung könne bereits durch die Eidesstattliche Versicherung vom 4. Juli 2000 nachgewiesen werden. Dennoch würden ergänzend weitere Unterlagen vorgelegt, so eine weitere Eidesstattliche Versicherung vom 22. Juli 2004 sowie zwei Beschlüsse der Markenstelle in der Parallelsache, in der die Markenstelle eine rechtserhaltende Benutzung der Widerspruchsmarke anerkannt habe. Die sich gegenüberstehenden Waren seien identisch, zumindest aber hochgradig ähnlich. Der Widerspruchsmarke komme auch eine gesteigerte Kennzeichnungskraft zu, wie aus der Eidesstattlichen Versicherung und aus der häufigen Erwähnung in den Medien hervorgehe. Ausgehend von strengen Maßstäben und einem entsprechend großen Abstand seien die Marken verwechselbar, weil beide aus drei Sprechsilben bestünden, ähnlich wie bei den Namen "Laetitia" und "Lavinia". Die Mittelsilben-Abweichung "-R/NI" gehe gegenüber den Übereinstimmungen in der Lautfolge "LAVE-A" unter. Die Betonung liege in beiden Fällen jeweils auf dem "E". Auch im Schriftbild bestehe Verwechslungsgefahr, ebenso im Hinblick auf den Begriffsgehalt, da beide Marken dem romanischen Sprachkreis zuzuordnen seien. Im Hinblick auf ähnlich gebildete Marken der Widersprechenden bestehe aufgrund möglicher falscher Zuordnung der Marken auch mittelbare Verwechslungsgefahr.
Die von der Inhaberin der angegriffenen Marke monierten Unstimmigkeiten der beiden Eidesstattlichen Versicherungen des Geschäftsführers der Widersprechenden seien damit zu erklären, daß dieser seit 1987 zwar nicht nominell, aber tatsächlich Geschäftsführer des Unternehmens der Widersprechenden, der heutigen Firma "l... GmbH", gewesen sei. Von 1987 bis 1997 sei er Generalbe- vollmächtigter der Geschäftsführerin gewesen. Die in den beiden Eidesstattlichen Versicherungen abgegebenen Erklärungen seien daher stimmig und geeignet, die Benutzung der Widerspruchsmarke nachzuweisen. Die von der Inhaberin der angegriffenen Marke herangezogene Rechtsprechung sei nicht geeignet, eine andere Beurteilung zu bewirken, weil die Entscheidungen andere Branchen, Verkehrsteilnehmer und Produkte beträfen. Die von ihr weiter aufgestellte Behauptung, zahlreiche Marken der Widersprechenden seien nach Anmeldung der angegriffenen Marke angemeldet worden und könnten daher nicht zur Stützung einer mittelbaren Verwechslungsgefahr der Marken herangezogen werden, sei falsch. Vielmehr habe die Widersprechende den Verkehr an eine Markenserie mit dem Bestandteil "Lavera" oder jedenfalls "Lave-" gewöhnt. Die Vergleichsmarken wiesen damit einen wesensgleichen Bestandteil mit Hinweischarakter auf die Widersprechende auf, so daß auch assoziative Verwechslungsgefahr bestehe.
Die Widersprechende beantragt sinngemäß, den Beschluß der Markenstelle vom 5. August 2002 aufzuheben und die Löschung der angegriffenen Marke anzuordnen.
Die Inhaberin der angegriffenen Marke beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.
Die Benutzung sei nach wie vor nicht glaubhaft gemacht worden. So bestünden Unstimmigkeiten der beiden Eidesstattlichen Versicherungen des Geschäftsführers der Widersprechenden im Hinblick auf seine Tätigkeit und seine Funktion sowie im Hinblick auf die Firma der Widersprechenden. Auch ließen die Umsatzzahlen nach wie vor offen, für welche Produkte welche Umsätze erzielt worden seien. Zudem seien die von der Widersprechenden zitierten Beschlüsse der Markenstelle nicht rechtskräftig. Der Widerspruchsmarke komme auch keine erhöhte Kennzeichnungskraft zu, da aus den Angaben der Eidesstattlichen Versicherung keine erhebliche Bekanntheit abzulesen sei. Die Widerspruchsmarke leite sich von "laver" = frz. waschen ab, und durch das angefügte "A" werde ein Bezug zu "Aloe vera" hergestellt. Eine Ähnlichkeit oder Identität der Waren könne dahin stehen, da wegen der Unterschiede in den Wörtern keine klangliche Verwechslungsgefahr bestehe. Insoweit sei auf die Entscheidungen "COMPUNET # COMNET" (BGH GRUR 2001, 1161), "ORBENIN # ORBICIN" (BPatGE 44, 33), "VIA # VIEGA" (BPatG Mitt. 1996, 172) und "Jeantex # Jeanbax" (OLG Hamburg GRUR 2000, 1057) verwiesen. Auch mittelbare Verwechslungsgefahr bestehe nicht. Die Buchstabenfolgefolge "Laver" existiere auch in Drittzeichen oder sei erst nach Anmeldung der angegriffenen Marke angemeldet worden oder würde nicht benutzt, so daß sie nicht als Serienmarke berücksichtigt werden könnte.
II.
Die zulässige Beschwerde ist nur zum Teil begründet.
Nach Auffassung des Senats besteht zwischen der angegriffenen Marke "LAVENIA" und der Widerspruchsmarke "Lavera" im Hinblick auf die im Tenor aufgeführten Waren der angegriffenen Marke die Gefahr von Verwechslungen im Sinne des § 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG. Der Beschwerde der Widersprechenden war insoweit stattzugeben, wobei der Senat die angegriffene Entscheidung der Markenstelle nicht nur aufheben, sondern in der Sache selbst entscheiden kann, arg. § 70 Abs 3 Nr 1 MarkenG (vgl Ströbele/Hacker, Markengesetz, 7. Aufl., § 70, Rdnr 12). Im übrigen war die Beschwerde jedoch zurückzuweisen.
1. Nachdem die Inhaberin der angegriffenen Marke die Benutzung der Widerspruchsmarke zulässigerweise nach § 43 Abs 1 MarkenG unbeschränkt bestritten hat, war es Aufgabe der Widersprechenden, die Benutzung ihrer Marke für die eingetragenen Waren in den nach § 43 Abs 1 Satz1 und Satz 2 MarkenG maßgeblichen Zeiträumen glaubhaft darzulegen.
Diese Anforderungen sind zumindest durch die weiteren, im Beschwerdeverfahren vorgelegten Unterlagen erfüllt in Form einer weiteren Eidesstattlichen Versicherung vom 22. Juli 2004, in der nunmehr Mindestumsatz-Zahlen für unterschiedliche Produkte angegeben worden sind, die dem Bereich der "Mittel zur Körper- und Schönheitspflege" und "Dekorative Kosmetika" zuzurechnen sind. In Verbindung mit den bereits im Verfahren vor der Markenstelle vorgelegten Unterlagen in Form kopierter Verpackungsschachteln für Baby-Shampoo, -Ölbad, -Hautöl und -Creme, auf der die Widerspruchsmarke in Kleinbuchstaben widergegeben ist, ist von einer Benutzung der Widerspruchsmarke zumindest für "Mittel zur Körper- und Schönheitspflege" auszugehen. Die diesen Warenbereich betreffenden Unterlagen erstrecken sich sowohl über den Zeitraum von fünf Jahren vor Veröffentlichung der Eintragung der angegriffenen Marke am 15. Juli 1999 als auch auf den Zeitraum von fünf Jahren vor Entscheidung über den Widerspruch, hier im Beschwerdeverfahren.
Dagegen kann aus den im Beschwerdeverfahren vorgelegten Unterlagen die Benutzung nicht auch für "Kosmetika" oder "Dekorative Kosmetika" anerkannt werden, denn hierfür wären die Anforderungen an die Glaubhaftmachung allenfalls für den Zeitraum von 5 Jahren vor Entscheidung über den Widerspruch, nicht dagegen auch für den Zeitraum von 5 Jahren vor Veröffentlichung der Eintragung der angegriffenen Marke im Sinne des § 43 Abs 1 Satz 1 MarkenG erfüllt. Hinzu kommt, daß insbesondere auch Beispiele dafür fehlen, in welcher Form die ältere Marke im Verkehr aufgetreten ist. Preislisten und Händlerinformationen allein können hierüber keinen Aufschluß geben.
Daß die Widergabe der Widerspruchsmarke auf den jeweiligen in Kopie vorgelegten Verpackungen von der eingetragenen Form leicht abweicht, ist unschädlich, weil die ältere Marke als Wortmarke in Großbuchstaben angemeldet und eingetragen worden ist. Ihre schutzbegründende Eigenart wird durch die veränderte Schreibweise in Kleinbuchstaben insoweit nicht berührt (vgl Ströbele/Hacker, Markengesetz, 7. Aufl, § 26, Rdnr 163).
Auch wenn die Bedenken der Inhaberin der angegriffenen Marke insbesondere im Hinblick auf die Angaben zur Geschäftsführer-Eigenschaft des Erklärenden in den beiden Eidesstattlichen Versicherungen nachvollziehbar sind, reichen die dort genannten Mindestumsätze in Verbindung mit den vorgelegten Unterlagen doch aus, um insgesamt eine rechtserhaltende Benutzung zumindest für "Mittel zur Körper- und Schönheitspflege" glaubhaft zu machen. In diesem Zusammenhang ist zu berücksichtigen, daß es für die Glaubhaftmachung ausreicht, wenn eine überwiegende Wahrscheinlichkeit für die Benutzung der Widerspruchsmarke im Geschäftsverkehr besteht. Eines vollen Beweises bedarf es jedenfalls nicht (vgl Thomas/Putzo, ZPO, 26. Aufl., § 294, Rdnr 1).
2. Die "Mittel zur Körper- und Schönheitspflege", für die die ältere Marke benutzt wird, sind mit den von der Inhaberin der angegriffenen Marke beanspruchten Waren identisch, soweit dort dieselben Waren im Warenverzeichnis enthalten sind. Gegenüber den weiter beanspruchten Waren "Seifen, Parfümerien, ätherische Öle" der angegriffenen Marke besteht eine hochgradige Ähnlichkeit, da die genannten Waren ohne weiteres zu den Körper- und Schönheitspflegemitteln zu zählen sind (vgl hierzu Richter/Stoppel, Die Ähnlichkeit von Waren und Dienstleistungen, 12. Aufl, S. 242 mi Sp; S. 242 li Sp.; S. 241, mi Sp.). Das Gleiche gilt für die Waren "Badezusätze; Salben, Lotionen, Öle, balsamische Mittel (auch für medizinische Zwecke)" der angegriffenen Marke, wobei die zuletzt genannten Waren selbst dann Überschneidungen zu Körper- und Schönheitspflegemitteln aufweisen, wenn sie ausschließlich medizinischen Zwecken, zB in Form von Massageölen, dienten. Auch im Hinblick auf die Waren "Heilmittel gegen die Bildung von (Fuß-)Schweiß" besteht zu den Waren der älteren Marke, für die die Benutzung anzuerkennen ist, Ähnlichkeit, weil es sich ebenfalls um Produkte handelt, die zur Körperpflege bestimmt sind (vgl hierzu auch Richter/Stoppel, Die Ähnlichkeit von Waren und Dienstleistungen, 12. Aufl, S. 242, li Sp für "Heilmittel" generell). Insoweit kann für die angesprochenen Verkehrskreise die Vermutung nahegelegt sein, daß die jeweiligen Waren aus ein- und demselben Unternehmen oder zumindest aus wirtschaftlich verbundenen Unternehmen stammten, weil sie nach Verwendungszweck, Vertriebsweg und Herstellung entsprechend enge Berührungspunkte aufweisen (vgl hierzu Ströbele/Hacker, Markengesetz, 7. Aufl, § 9, Rdnr 56 ff mit Hinweisen zur Rspr.), 3. Im Bereich der im Tenor genannten Waren besteht nach Auffassung des Senats Verwechslungsgefahr im Sinne des § 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG.
Die Beurteilung der Verwechslungsgefahr wird nach ständiger Rechtsprechung durch mehrere Komponenten bestimmt. In diesem Zusammenhang ist neben dem Verhältnis der sich gegenüberstehenden Waren und/oder Dienstleistungen und dem Verhältnis der zu vergleichenden Marken zu berücksichtigen, welche Kennzeichnungskraft und welchen Schutzbereich die Widerspruchsmarke beanspruchen kann (vgl BGH WRP 2004, 1281 - Mustang). Dieser stellt keine feste Größe dar, sondern kann durch intensive Benutzung der Marke erweitert oder aber wegen eines - auch nach der Eintragung sich entwickelnden - beschreibenden Sinngehalts der Marke verringert sein. Von der Antwort auf diese Frage hängt die Beurteilung des Abstandes ab, den die jüngere Marke gegenüber der älteren Marke einzuhalten hat, wobei bei Waren -oder Dienstleistungsidentität höhere Anforderungen an den Markenabstand zu stellen sind als bei sich entfernter gegenüberstehenden Waren bzw Dienstleistungen.
a. Der Widerspruchsmarke kann entgegen der Ansicht der Widersprechenden keine entscheidungserheblich gesteigerte Kennzeichnungskraft zugebilligt werden. Von Hause aus hat eine Marke keine erhöhte Kennzeichnungskraft, da bei Zeichen, die nicht an eine beschreibende Angabe angelehnt sind, von normaler Kennzeichnungskraft auszugehen ist (vgl Ströbele/Hacker, Markengesetz, 7. Aufl., § 9, Rdnr. 285). Auch aufgrund der - im Zusammenhang mit der Glaubhaftmachung der Benutzung - eingereichten Unterlagen kann nicht festgestellt werden, daß die Widerspruchsmarke infolge intensiver Benutzung eine starke Kennzeichnungskraft erlangt hat. Selbst wenn zugunsten der Widersprechenden angenommen würde, daß ihre Marke im Bereich der Naturkosmetika einen Marktanteil von ca 20 % erreicht, wäre zu berücksichtigen, daß es sich dabei lediglich um einen Ausschnitt aus dem gesamten Spektrum der Kosmetika handelte. Abgesehen davon, daß für die Beurteilung der Kennzeichnungskraft nicht lediglich auf die Situation im Bereich der Naturkosmetika abgestellt werden könnte, da die Abnehmer dieser Produkte keinen abgeschlossenen Verkehrskreis darstellen, müsste sich die gesteigerte Kennzeichnungskraft hier gerade auch auf die Waren beziehen, für die eine rechtserhaltende Benutzung glaubhaft gemacht worden ist, denn nur diese Waren können bei der Beurteilung der Verwechslungsgefahr berücksichtigt werden. Für die Bekanntheit der Widerspruchsmarke auch im Bereich der "Mittel zur Körper- und Schönheitspflege" hat die Widersprechende nichts vorgetragen. Darüber hinaus könnte sich die Widersprechende im vorliegenden Kollisionsverfahren auf einer erhöhte Kennzeichnungskraft auch nur berufen, wenn diese bereits im Zeitpunkt der Anmeldung der angegriffenen Marke, also im Juni 1999 vorgelegen hätte (vgl Ströbele/Hacker, Markengesetz, 7. Aufl., § 9, Rdnr. 40). Hierfür hat die Widersprechende ebenfalls keine entsprechenden Unterlagen vorgelegt.
b. Des weiteren legt der Senat seiner Entscheidung das vom EuGH entwickelte Verbraucherleitbild zugrunde, das von einem durchschnittlich informierten, verständigen Verbraucher ausgeht, dessen Aufmerksamkeit je nach Art der Ware bzw Dienstleistung unterschiedlich hoch sein kann (vgl BGH MarkenR 2002, 124 - Warsteiner III; EuGH MarkenR 2002, 231 - Philips/Remington). Da hier keine eindeutig gesundheitsbezogenen Produkte betroffen sind, bei denen die Aufmerksamkeit erfahrungsgemäß größer ist, es sich andererseits aber auch nicht um einfache Waren des täglichen Bedarfs handelt, die im Vorbeigehen gekauft werden, ist von einer durchschnittlichen Aufmerksamkeit auszugehen.
c. Sind daher eine normale Kennzeichnungskraft und eine erhebliche Ähnlichkeit, zum Teil sogar Identität der Waren zu berücksichtigen, müssen an den markenrechtlichen Abstand strenge Anforderungen gestellt werden, denen die angegriffene Marke in klanglicher Hinsicht nicht mehr gerecht wird.
Beim Vergleich der Markenwörter ist maßgeblich auf den Gesamteindruck der Zeichen abzustellen, wobei Übereinstimmungen ein größeres Gewicht zukommt als Abweichungen (vgl BGH GRUR 2004, 783, 785 - NEURO-VIBOLEX / NEURO-FIBRAFLEX). Hierbei ist nämlich zu berücksichtigen, daß der Durchschnittsverbraucher die Marken kaum unmittelbar miteinander vergleichen kann, sondern auf sein Erinnerungsvermögen angewiesen ist, das er von einem früheren Kontakt im Gedächtnis behalten hat.
Danach weisen beide Marken für den Gesamtklang wichtige gemeinsame Merkmale auf wie Vokalfolge "-A-EÑA", Lautfolge "LAVEÑA", Wortanfang "LAVE---" und Silbenzahl. Auch stimmt die Betonung auf dem Vokal "E" überein; weder der Wortanfang noch die Endung der Wörter werden klanglich hervorgehoben. Zwar enthält die angegriffene Marke in der Endung für sich gesehen eine Abweichung durch die Vokalfolge "-IA". Bei einer normalen, nicht zu besonderer Betonung neigenden Sprechweise verschleifen sich diese Doppellaute jedoch häufig zu "-JA", was im vorliegenden Fall durch den vorangestellten Konsonanten "N" verstärkt wird, so daß die jüngere Marke eher wie "LAVENJA" lautet und daher wie die ältere Marke nur drei Sprechsilben aufweist. An gleicher Klangstelle ist bei der Widerspruchsmarke der Konsonant "R" zu hören, der jedoch nicht als Rachenlaut gesprochen wird und sich somit auch eher mit den ihn umgebenden Vokalen verbindet. Den abweichenden Merkmalen ist gemeinsam, daß sie eher zu den klangschwächeren Lauten gehören und im Gesamtklang der Markenwörter nicht besonders hervortreten, so daß sie insgesamt dem Eindruck einer klanglichen Übereinstimmung nicht in entscheidungserheblichem Ausmaß entgegen wirken können.
Der Annahme der klanglichen Übereinstimmung steht nicht entgegen, daß die mit den Zeichen versehenen Produkte häufig in Regalen angeboten und damit auf Sicht im Wege der Selbstbedienung gekauft werden. Gleichwohl sind mündliche Benennungen dadurch aber nicht in dem Umfang ausgeschlossen, daß sie für die Beurteilung der Markenähnlichkeit keine Rolle mehr spielten. So sind gerade auf dem vorliegenden Warenbereich mündliche Empfehlungen oder Beratungs- und Verkaufsgespräche in den entsprechenden Abteilungen der Kaufhäuser und Drogerien üblich, so daß das Erinnerungsvermögen der Verbraucher in entscheidungserheblichem Umfang noch von mündlichen Empfehlungen geprägt ist.
Die von der Inhaberin der angegriffenen Marke genannte Entscheidung des EuG vom 3. März 2004, T - 355/02 (MarkenR 2004, 162), in der sich die Bezeichnung "ZIRH" und eine Wort-Bild-Marke mit dem Wortbestandteil "sir" gegenüberstanden, führt zu keiner anderen Beurteilung. Die fehlende Verwechslungsgefahr wurde vom EuG zum einen mit dem unterschiedlichen Gesamteindruck der Marken begründet, da die ältere Marke aus einem Wort- und einem Bildteil bestand, wobei aber durchaus auch auf die klanglichen Übereinstimmungen der Wörter in den Sprachen einiger Mitgliedstaaten hingewiesen wurde. Zum anderen kann nach der Rechtsprechung des EuG eine klangliche Ähnlichkeit durch einen Bedeutungsunterschied zwischen den Vergleichsmarken neutralisiert werden, wie er hier bei dem Wort "sir" der älteren Marke angenommen wurde. Darüber hinaus sind die Wörter "ZIRH" und "sir" auch in ihrer äußeren Erscheinungsform verschieden. Eine dem vorliegenden Verfahren vergleichbare Sachlage ist nicht erkennbar, da es sich hier nicht um in ihrer Struktur unterschiedliche Marken handelt, bei denen wegen der Kürze der jeweiligen Markenwörter Unterschiede in der Schreibweise deutlicher auffallen, und die Marken als Phantasiezeichen dem Verbraucher zudem keinerlei begriffliche Gedächtnisstütze anbieten.
Im Umfang der im Tenor aufgeführten Waren besteht daher Verwechslungsgefahr, so daß unter Aufhebung der angegriffenen Entscheidung der Markenstelle insoweit die Löschung der angegriffenen Marke anzuordnen war.
4. Soweit dagegen die Beschwerde der Widersprechenden sich auch gegen die Zurückweisung des Widerspruchs bezüglich der von der angegriffenen Marke ebenfalls beanspruchten "Hygienemittel, insbesondere Damenbinden und Mittel zur Desinfektion" richtet, war die Beschwerde zurückzuweisen.
Zwar können auch für diese Waren Berührungspunkte mit den "Mitteln zur Körper- und Schönheitspflege" bestehen, für die die Widerspruchsmarke benutzt wird (vgl Richter/Stoppel, Die Ähnlichkeit von Waren und Dienstleistungen, 12. Aufl., S. 107 li Sp betr "Desinfektionsmittel"; S. 178 re Sp betr "Hygienische Artikel"), so daß grundsätzlich von einer markenrechtlichen Warenähnlichkeit auszugehen ist. Diese ist hier jedoch wegen eines erkennbaren Abstands der jeweiligen Produkte eher im mittleren Bereich anzusiedeln (vgl hierzu Richter/Stoppel aaO, S. 178 re Sp: BPatG 24 W(pat) 39/95 und 24 W(pat) 136/89), weshalb insoweit keine strengen Anforderungen mehr an den Abstand der Marken gestellt werden müssen.
Ist daher nur noch ein mittlerer Maßstab anzulegen, hält der Senat die oben aufgezeigten Unterschiede in den Markenwörtern in klanglicher und schriftbildlicher Hinsicht gerade noch für ausreichend, um die markenrechtliche Übereinstimmung zu verneinen. Insoweit war die Beschwerde der Widersprechenden ohne Erfolg.
Zu einer Kostenauferlegung aus Billigkeitsgründen bestand kein Anlaß, § 71 Abs 1 MarkenG.
Sredl Bayer Merzbach Na
BPatG:
Beschluss v. 24.06.2005
Az: 25 W (pat) 272/02
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