Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen:
Beschluss vom 12. Oktober 2010
Aktenzeichen: 13 A 567/10

(OVG Nordrhein-Westfalen: Beschluss v. 12.10.2010, Az.: 13 A 567/10)

Tenor

Der Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Düsseldorf vom 3. Februar 2010 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Zulassungsver-fahrens.

Der Streitwert wird auch für das Zulassungsver-fahren auf 10.000 EUR festgesetzt.

Gründe

Der Antrag auf Zulassung der Berufung ist unbegründet.

Die geltend gemachten Zulassungsgründe, die gemäß § 124a Abs. 5 Satz 2 VwGO nur im Rahmen der Darlegungen der Klägerin zu prüfen sind, liegen nicht vor.

Es bestehen keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).

Das Verwaltungsgericht hat zur Begründung seines klageabweisenden Urteils im Wesentlichen ausgeführt: Die Klägerin sei nicht klagebefugt. Sie sei nicht Adressatin des angefochtenen Verwaltungsakts und als nicht unmittelbar beteiligte Dritte durch diesen auch nicht in subjektiven eigenen Rechte oder in zumindest anderweitig rechtlich geschützten Interessen verletzt. Die Vorschriften des Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuches (LFGB) gewährten dem einzelnen Lebensmittelhersteller bzw. -inverkehrbringer keine subjektiv-öffentlichen Rechte auf Schutz vor mittelbaren Eingriffen in Geschäftsbeziehungen. Die Klägerin könne sich auch nicht erfolgreich auf ihre Grundrechte aus Art. 12 und Art. 14 GG berufen. Durch das an ihre Geschäftspartnerin ergangene Verbot des vorübergehenden Inverkehrbringens eines einzigen der von ihr hergestellten Produkte sei sie nicht in ihrer durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützten Berufsfreiheit betroffen. Den angefochtenen Maßnahmen fehle im Hinblick auf die Klägerin die berufsregelnde Tendenz. Weder werde ihr der Vertrieb des Produkts verboten noch würden ihr Pflichten auferlegt. Art. 14 Abs. 1 GG vermittele keinen Erwerbsschutz. Einnahmeausfälle und Aufwendungen, die mittelbar durch das in der Verfügung ausgesprochene Verbot des vorübergehenden Inverkehrbringens entstünden und die Existenz des Betriebs als solchen nicht bedrohten, beträfen den Unternehmer allenfalls in seinem eigentumsrechtlich als solchem nicht geschütztem Vermögen. Die Klägerin müsse sich insoweit auf die aus den vertraglichen Beziehungen mit ihrer Vertragspartnerin folgenden Rechte und entsprechenden Rechtsschutzmöglichkeiten verweisen lassen. Im Übrigen wäre die Klage auch unbegründet. Die für die Geflügelfleischwurst zusätzlich verwendete Bezeichnung "Spitzenqualität" sei zur Täuschung der Verbraucher geeignet. Qualitativ hochwertiges Ausgangsmaterial könne für die vom Beklagten beanstandeten Proben nicht verwandt worden sein, weil diese einen viel zu hohen Anteil an Knochensplittern aufgewiesen hätten und wiederverarbeitetes Brät - bei einer Probe sogar mit Räucherrand - verwendet worden sei. Unabhängig davon, ob die Knochensplitteranteile auf die Verwendung von Separatorenfleisch zurückzuführen seien oder andere Ursachen hätten, sei ein derartig wie in den Proben festgestellter hoher Knochensplitteranteil unvereinbar mit der an eine Spitzenqualität geknüpften Verbrauchererwartung. Allein ein erhöhter BEFFE-Wert (= Wert des bindegewebsfreien Fleischeiweißes) sei für die Zulässigkeit der Verwendung der Bezeichnung "Spitzenprodukt" nicht maßgeblich. Die amtliche Probenahme könne entgegen der Auffassung der Klägerin auch verwertet werden, obwohl sie keine Gegenprobe erhalten habe. Die Behörde sei nicht verpflichtet, für jeden Lebensmittelunternehmer in der konkret betroffenen Herstellungs- und Vertriebskette eine separate Gegenprobe zur Verfügung zu stellen und über alle zurückgelassenen Proben in Kenntnis zu setzen.

Die dagegen erhobenen Einwände zeigen ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung nicht auf.

Bei dem Zulassungsgrund des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO, durch den die Einzelfallgerechtigkeit gewährleistet wird, kommt es nicht darauf an, ob die angefochtene Entscheidung in allen Punkten der Begründung richtig ist, sondern nur darauf, ob ernstliche Zweifel im Hinblick auf das Ergebnis der Entscheidung bestehen. Ernstliche Zweifel sind dabei anzunehmen, wenn gegen die Richtigkeit der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung nach summarischer Prüfung gewichtige Gesichtspunkte sprechen, d. h., wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung in der angefochtenen Gerichtsentscheidung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt wird.

Vgl. BVerfG, Beschluss vom 21. Dezember 2009 - 1 BvR 812/09 -,NJW 2010, 1062, 1063; BVerwG, Beschluss vom 10. März 2004 - 7 AV 4.03 -, DVBl. 2004, 838; Meyer-Ladewig/Rudisile, in: Schoch/ Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, Loseblattsammlung, 19. Ergänzungslieferung, § 124 Rdnr. 26 f.; Kopp/Schenke, VwGO, 16. Aufl., § 124 Rdnr. 6 f.

In diesem Sinne bestehen keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung. Das Verwaltungsgericht hat die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen. Es kann offenbleiben, ob die Klage - wie das Verwaltungsgericht festgestellt hat - unzulässig ist, denn jedenfalls ist sie unbegründet, weil der angefochtene Verwaltungsakt rechtmäßig und die Klägerin dadurch nicht in ihren Rechten verletzt ist.

Für die Auffassung des Verwaltungsgerichts, der Klägerin fehle die erforderliche Klagebefugnis, könnte sprechen, dass sie nicht Adressatin der angefochtenen Verfügung vom 21. Mai 2008 gewesen ist und es deswegen an einer Rechtsverletzung der Klägerin fehlen könnte. Mit dieser Verfügung hatte der Beklagte der Firma N. N1. H. C. J. GmbH (im Folgenden: N1. ) vorübergehend verboten, den von dieser unter der Handelsmarke "U. " vertriebenen und von der Klägerin hergestellten Artikel "Geflügel-Fleischwurst Spitzenqualität" in den Verkehr zu bringen, bis die entsprechende Verkehrsfähigkeit des Produkts nachgewiesen sei.

Die von der Klägerin als Nichtadressatin gegen die Verfügung erhobene Anfechtungsklage ist gemäß § 42 Abs. 2 Alt. 1 VwGO nur zulässig, wenn sie geltend machen kann, durch den Verwaltungsakt in eigenen Rechten verletzt zu sein. Eine Verletzung eigener Rechte kann der klagende Nichtadressat regelmäßig nur geltend machen, wenn die Möglichkeit besteht, dass der Verwaltungsakt seine Grundrechte oder eine einfachgesetzliche Norm verletzt, die ihn als Dritten zu schützen bestimmt ist. Nach der sog. Schutznormtheorie vermitteln einen derartigen Drittschutz nur solche Vorschriften, die nach dem in ihnen enthaltenen und durch Auslegung zu ermittelnden Entscheidungsprogramm auch der Rücksichtnahme auf die Interessen des betreffenden Dritten dienen.

Vgl. zur vom Bundesverwaltungsgericht in ständiger Rechtsprechung vertretenen Schutznormtheorie i. d. R. im Zusammenhang mit einem Verwaltungsakt mit Doppelwirkung - den einen begünstigend, den anderen belastend - u. a. BVerwG, Urteile vom 26. Oktober 1995 - 3 C 27.94 -, NVwZ-RR 1996, 537, vom 16. Juni 1994 - 3 C 12.93 -, NJW 1995, 1628, vom 16. März 1989 - 4 C 36.85 -, BVerwGE 81, 329 (334), jeweils auch juris.

Eine einfachgesetzliche Norm, die der Klägerin in dieser Weise Schutz gewährte, ist durch den angefochtenen Verwaltungsakt nicht verletzt. § 11 LFGB, mit dessen Vorliegen die auf der Grundlage des § 39 Abs. 2 Nr. 2 LFGB angeordnete Verfügung begründet worden ist, dient allein dem Schutz der Allgemeinheit, nämlich dem Verbraucherschutz, und nicht dem der Klägerin als Herstellerin des von dem Verbot betroffenen Produkts. Auch ansonsten ist wie das Verwaltungsgericht zu Recht festgestellt hat - keine einfachgesetzliche Vorschrift des LFGB ersichtlich, die der Klägerin als Lebensmittelherstellerin ein subjektiv-öffentliches Recht auf Schutz vor durch an Dritte erlassene, mittelbare Beeinträchtigungen verursachende Verwaltungsakte gewähren könnten.

Der Senat lässt offen, ob das Verwaltungsgericht die mögliche Verletzung von Grundrechten der Klägerin durch den von ihr angefochtenen Verwaltungsakt zu Recht verneint hat.

Grundsätzlich kann sich die Klägerin für ihre gewerbliche Tätigkeit auf das Grundrecht der Berufsfreiheit nach Art. 12 Abs. 1 GG berufen, das die Erwerbszwecken dienende frei unternehmerische Betätigung schützt. Diese Schutzwirkung entfaltet das Grundrecht nicht nur gegenüber Regelungen mit unmittelbarer Rechtswirkung. Auch staatliche Maßnahmen, die nur mittelbar auf die gewerbliche Betätigung einwirken, können in den Schutzbereich des Art. 12 Abs. 1 GG eingreifen, wenn ihnen eine objektive berufsregelnde Tendenz innewohnt. Das von der handelnden staatlichen Stelle verfolgte Handlungsziel fasst dann den Geschehensablauf unabhängig von der Länge der Kausalkette zu einer einheitlichen grundrechtsbeeinträchtigenden Handlung zusammen.

Vgl. zu Letzterem: BVerwG, Urteil vom 27. März 1992 7 C 21.90 -, BVerwGE 90, 112 (120); zum Eingriff in die Berufsfreiheit: Urteil vom 18. April 1985 3 C 34.84 -, BVerwGE 71, 183 (190), jeweils auch juris; vgl. auch Sodan, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 3. Aufl. 2010, § 423 Rdnr. 395 f.

Das nicht an die Klägerin gerichtete vorübergehende Verbot des Inverkehrbringens, bis die Verkehrsfähigkeit des von der Klägerin hergestellten Produkts geklärt ist, könnte ihr gegenüber mit berufsregelnder Tendenz ergangen sein. Die unternehmerische Tätigkeit der Klägerin besteht in der Herstellung von Geflügelfleischprodukten wie der von der Verfügung des Beklagten betroffenen Geflügelfleischwurst. Es könnte einiges dafür sprechen, dass die Klägerin durch das Verbot des Inverkehrbringens dieses Produkts, das nach ihren Angaben vor der Verbotsverfügung aufgrund eines Dauerliefervertrags im nahezu täglichen Rhythmus an die N1. geliefert und von dieser seit dem Erlass der Verbotsverfügung nicht mehr abgenommen worden sei, in ihrer unternehmerischen Tätigkeit gezielt eingeschränkt worden ist. Der mit der Verfügung verfolgte Zweck, die Verbraucher vor Irreführung zu schützen und das weitere Inverkehrbringen des Produkts (vorübergehend) zu verbieten, dürfte sich wohl nicht verwirklichen lassen, ohne zugleich die unternehmerische Tätigkeit der Klägerin zu beschränken. Die Klägerin dürfte jedenfalls insbesondere mit Blick auf den Umfang der Herstellung des betroffenen Produkts für die Adressatin der Verfügung und Lieferung an diese in ihrer unternehmerischen Tätigkeit nicht nur beiläufig und unerheblich betroffen sein.

Vgl. zur berufsregelnden Tendenz bei einer

Rufnummernabschaltung nach dem TKG: OVG NRW,

Beschlüsse vom 25. März 2010 - 13 B 226/10 -,

NVwZ-RR 2010, 595, und vom 5. August 2010 - 13 B

690/10 u. a. -, juris.

Hinsichtlich des Grundrechts aus Art. 14 Abs. 1 GG dürfte es entsprechend der Auffassung des Verwaltungsgerichts allerdings fraglich sein, ob durch die Verfügung eine eigentumsfähige Rechtsposition der Klägerin betroffen sein kann. Geschützt wird durch Art. 14 Abs. 1 GG das wirtschaftliche Unternehmen mit seinen personellen und gegenständlichen Grundlagen, die Sach- und Rechtsgesamtheit des Betriebs in ihrer Substanz.

Vgl. hierzu BVerfG, Beschlüsse vom 8. Juni 1977 2 BvR 499/74 und 1042/75, BVerfGE 45, 142 (173) und vom 26. Juni 2002 - 1 BvR 558/91 u. a. -, BVerfGE 105, 252, 277 f., sowie Urteil vom 29. November 1961 1 BvR 148/57 , BVerfGE 13, 225 (229).

Dazu dürfte aber nicht die bloße Erwartung der Klägerin gehören, ihr Produkt in Zukunft ungehindert weiter an die Adressatin der Verfügung liefern und durch diese in den Verkehr bringen lassen zu können. Ob die von der Klägerin zur Begründung ihrer Klagebefugnis vertretene Auffassung, die durch den angefochtenen Verwaltungsakt verursachte Beeinträchtigung der laufenden Geschäftsbeziehungen zu dessen Adressatin sei als Eingriff in den Schutzbereich des durch Art. 14 Abs. 1 GG geschützten Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb zu qualifizieren, die sie unter Hinweis auf eine Entscheidung des Verwaltungsgerichts Arnsberg geltend macht,

vgl. VG Arnsberg, Beschluss vom 2. Oktober 1996 3 L 1611/96 , in dem das Gericht zur Begründung der "von Art. 14 GG erfassten Lieferbeziehungen" eines Schweineschlachtbetriebs mit einer Lebensmitteleinzelhandelskette in erster Linie die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zitiert,

bedarf vor dem Hintergrund, dass ernstliche Zweifel am Ergebnis der erstinstanzlichen Entscheidung nicht bestehen, keiner vertiefenden Auseinandersetzung.

Für die Auffassung des Verwaltungsgerichts, die Klage sei mangels Klagebefugnis unzulässig, könnte weiter sprechen, dass die Klägerin trotz einer möglicherweise gegebenen Rechtsbetroffenheit die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts gleichwohl nicht erfolgreich geltend machen kann. (Bau)Ordnungsrechtliche Verfügungen ergehen regelmäßig unbeschadet der privaten Rechte Dritter, lassen deren Rechte also unberührt, sodass der nicht an sie gerichtete Verwaltungsakt von ihnen auch dann nicht angefochten werden kann, wenn sie Eigentümer der durch den Verwaltungsakt betroffenen Sache sind oder sonstige Rechte hinsichtlich der betroffenen Sache haben. Das (Mit-)Eigentum oder sonstige Berechtigungen eines Dritten berühren grundsätzlich nicht die Rechtmäßigkeit der nicht auch an ihn gerichteten Ordnungsverfügung, sondern können nur ein gesetzliches Vollzugshindernis bilden.

Vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 28. April 1972 - IV C 42.69 -, BVerwGE 40, 101 = juris, m. w. N.

Ob diese für den Bereich des Bauordnungsrechts entwickelten Grundsätze auch auf das hier in Frage stehende ordnungsrechtliche Vorgehen des Beklagten auf der Grundlage des LFGB übertragbar sind,

vgl. für ein gegen einen Dritten ergangenes, auf das Chemikaliengesetz gestütztes Verbot des Inverkehrbringens PCB-haltiger Recyclingprodukte: Hess. VGH, Beschluss vom 10. November 1995 - 14 TH 2919/94 -, NVwZ-RR 1996, 330 = juris,

bedarf aus Anlass des insgesamt erfolglosen Berufungszulassungsverfahrens der Klägerin keiner weitergehenden Klärung.

Das Verwaltungsgericht hat die Klage nicht nur im Ergebnis zu Recht abgewiesen, auch die Ausführungen zur fehlenden Begründetheit der Klage begegnen keinen ernstlichen Zweifeln.

Die erstinstanzliche Entscheidung geht zutreffend davon aus, dass durch das Inverkehrbringen des von der Klägerin hergestellten Fleischerzeugnisses unter der Bezeichnung "Geflügel-Fleischwurst Spitzenqualität" gegen die Vorschriften zum Schutz des Verbrauchers vor Täuschung verstoßen worden ist. Nach § 11 Abs. 2 Nr. 2 lit. b LFGB ist es verboten, Lebensmittel, die hinsichtlich ihrer Beschaffenheit von der Verkehrsauffassung abweichen und dadurch in ihrem Wert, insbesondere in ihrem Nähr- oder Genusswert oder in ihrer Brauchbarkeit nicht unerheblich gemindert sind, ohne ausreichende Kenntlichmachung in den Verkehr zu bringen. Die Tatbestandsvoraussetzungen dieser Verbotsnorm sind hinsichtlich des Wursterzeugnisses der Klägerin erfüllt.

Das Wursterzeugnis weicht in seiner Beschaffenheit von der Verkehrsauffassung ab. Bei der Ermittlung der Verkehrsauffassung im Sinne dieser Vorschrift ist in erster Linie die mutmaßliche Erwartung eines Durchschnittsverbrauchers, der angemessen gut unterrichtet und angemessen aufmerksam und kritisch ist, unter Berücksichtigung sozialer, kultureller und sprachlicher Faktoren zugrunde zu legen.

Vgl. hierzu Erwägungsgrund (18) Richtlinie 2005/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Mai 2005; Wehlau, LFGB, Kommentar, 2010, § 11 Rdnr. 24, 117; vgl. im Übrigen zu dem bisher vertretenen Begriff des durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers: EUGH, Urteil vom 16. Juli 1998 C210/96 -, Gut Springheide, Slg. I 1998, 4657, www.curia.europa.eu = juris; BVerwG, Beschluss vom 18. Oktober 2000 - 1 B 45.00 , LRE 40, 166 = juris; OVG NRW, Beschluss vom 15. März 2010 - 13 A 1038/07 -, LRE 60, 124 = juris.

Zur Ermittlung der Erwartung eines Durchschnittsverbrauchers in diesem Sinne (aber auch eines verständigen Durchschnittsverbrauchers im Sinne der zitierten Rechtsprechung) dienen die im Deutschen Lebensmittelbuch niedergelegten Leitsätze für Fleisch und Fleischerzeugnisse vom 27./28. November 1974 in der Bekanntmachung vom 20. Juni 1975 (GMBl. S. 489), zuletzt geändert durch Bekanntmachung vom 8. Januar 2010 (BAnz. Nr. 16 S. 336), als "Sachverständigengutachten von besonderer Qualität" und wesentliche Auslegungshilfen. Als solche begründen sie eine Vermutungswirkung dafür, was der Verbraucher von einem nach Herstellung, Beschaffenheit und sonstigen Merkmalen in den Leitsätzen beschriebenen Lebensmittel erwartet.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 10. Dezember 1987 3 C 18.87 -, Buchholz 418.711 LMBG Nr. 24 = juris und Beschluss vom 18. Oktober 2000 1 B 45.00 -, a. a. O; OVG NRW, Beschlüsse vom 15. März 2010 13 A 1038/07 , a. a. O. und vom 30. März 2009 13 B 1910/08 -, juris.

Mit Blick auf diese - zuletzt im Jahr 2010 geänderten - Leitsätze entspricht das Produkt der Klägerin nicht der - von ihr für die Beurteilung von Lebensmitteln als maßgeblich angesehenen, aktuell herrschenden - Verbrauchererwartung.

Die insoweit maßgeblichen Leitsätze regeln Folgendes:

Leitsatz 2.12: Fleischerzeugnisse mit hervorhebenden Hinweisen wie Delikatess-, Feinkost-, Gold-, prima, extra, spezial, fein, I a, ff oder dgl. oder in besonders hervorhebender Aufmachung (z.B. goldfarbene Hülle) unterscheiden sich von den unter der betreffenden Bezeichnung sonst üblichen Fleischerzeugnissen, abgesehen von einem hohen Genusswert, durch besondere Auswahl des Ausgangsmaterials, insbesondere höhere Anteile an Skelettmuskulatur. ...

Sofern in den Leitsätzen keine besonderen Feststellungen getroffen sind, liegt der Anteil an bindegewebseiweißfreiem Fleischeiweiß in diesen Fällen (2.12) absolut um ein Zehntel (z.B. 11 statt 10 %) bezogen auf Fleischeiweiß histometrisch um 10 % (z.B. 80 statt 70 Vol.- %), chemisch um 5 % (z.B. 75 statt 70 %) höher.

Bei Erzeugnissen, bei deren Herstellung gemäß der Bezeichnung üblicherweise schon bestes Ausgangsmaterial verwendet wird, stellen hervorhebende Zusatzbezeichnungen einen verstärkten Hinweis darauf dar, dass diese Erzeugnisse aus bestem Ausgangsmaterial hergestellt sind.

Leitsatz 2.22: "Brühwürste" sind durch Brühen, Backen, Braten oder auf andere Weise hitzebehandelte Wurstwaren, bei denen zerkleinertes rohes Fleisch mit Kochsalz und ggf. anderen technologisch notwendigen Salzen meist unter Zusatz von Trinkwasser (oder Eis) ganz oder teilweise aufgeschlossen wurde und deren Muskeleiweiß bei der Hitzebehandlung mehr oder weniger zusammenhängend koaguliert ist, sodass die Erzeugnisse bei etwaigem erneutem Erhitzen schnittfest bleiben. ...

"Brät" ist

das unter Zusatz von Trinkwasser und Salzen zerkleinerte rohe Fleisch, die für die Brühwurstherstellung zum Abfüllen hergestellte Rohmasse.

...

Leitsatz 2.222.2, der für die Herstellung von Geflügelfleischwurst entsprechend anwendbar ist:

Fleischwurst etc.,

Ausgangsmaterial:

grob entsehntes Rindfleisch

sehnenreiches Rindfleisch

fettgewebereiches Schweinefleisch

Fettgewebe

....

Analysenwerte:

bindegewebseiweißfreies Fleischeiweiß

nicht unter 7,5 %

bindegewebseiweißfreies Fleischeiweiß

im Fleischeiweiß

...

chemisch nicht unter 75 %

Leitsatz 1.61 (dritter Spiegelstrich): Folgende Tierkörperteile werden nicht in Fleischerzeugnissen verarbeitet:

Knochen und Knorpel, sofern sich nicht üblicherweise Bestandteil des Erzeugnisses sind (z.B. Knochenschinken sowie technologisch nicht vermeidbare Knorpelreste beim Schweinebauch);

Leitsatz 2.11 (Absatz 4): Auf die Mitverwendung von unter die gemeinschaftliche Definition von "Separatorenfleisch" fallenden Erzeugnissen ... wird hingewiesen.

Danach handelt es sich bei dem von der Klägerin hergestellten Wursterzeugnis nicht um ein solches der "Spitzenqualität". Fleischerzeugnisse mit hervorhebenden Hinweisen unterscheiden sich von den sonst üblichen im Ausgangsmaterial. Sie zeichnen sich diesbezüglich durch eine besondere Auswahl, vor allem höhere Anteile an Skelettmuskulatur, und/oder einen höheren BEFFE-Wert aus oder es handelt sich um solche Erzeugnisse, die "üblicherweise" unter Verwendung von bestem Ausgangsmaterial hergestellt werden. Sinn und Zweck des Leitsatzes 2.12 ist in erster Linie die Kenntlichmachung der besonderen Qualität eines solchen Produkts; der hervorhebende Hinweis soll dem Durchschnittsverbraucher die Unterscheidung zwischen dem sonst üblichen Produkt und dem durch den Hinweis gekennzeichneten qualitativ höherwertigen Fleischerzeugnis ermöglichen.

Diesen Anforderungen entspricht das Produkt der Klägerin nicht. Das Verwaltungsgericht ist entgegen der Auffassung der Kläger zutreffend davon ausgegangen, dass allein der in dem Produkt festgestellte erhöhte BEFFE-Wert die Bezeichnung "Spitzenqualität" nicht rechtfertigt. Zwar mag das Produkt insoweit den Anforderungen des Leitsatzes 2.12 Abs. 2 entsprechen, weil die bei den chemischen Untersuchungen festgestellten (nach II. Abs. 3 Satz 1 der Leitsätze wohl auch maßgeblich wertbestimmenden) BEFFE- sowie BEFFE im FE-Werte die nach diesem Leitsatz erforderlichen (im Vergleich zu den üblichen in Leitsatz 2.222.2 für Fleischwurst vorgesehenen Werten) höheren Prozentanteile sogar überschritten haben. Es kann aber gleichwohl nicht festgestellt werden, dass das Produkt die Vorgaben dieses Leitsatzes erfüllte. Die erhöhten BEFFE-Werte können zwar Anzeichen für die Verwendung von bindegewebsfreier oder bindegewebsarmer Skelettmuskulatur sein und damit für eine besondere Auswahl des Ausgangsmaterials; die im Rahmen der histologischen Untersuchungen vorgefunden Knochensplitter (in einem Anteil von 3,9/cm2 und 1,4/cm2) sowie das - bei der Probe vom 18. Februar 2008 mit Räucherrand vorgefundene - wiederverarbeitete Brät sprechen aber ganz entschieden gegen die Verwendung besten Ausgangsmaterials. Entweder ist die Geflügelfleischwurst entgegen Leitsatz 1.61 dritter Spiegelstrich hergestellt worden, wonach Knochen nicht in Fleischerzeugnissen verarbeitet werden und damit nicht, auch nicht in Form von Knochensplittern allenfalls mit Ausnahme von einem nach Angaben der Klägerin technologisch unvermeidbaren Frischknochenanteil von 0,1% in ein Wursterzeugnis gelangen können dürften; oder es ist Separatorenfleisch i. S. d. Definition in Anhang I Nr. 1.14 der Verordnung (EG) Nr. 853/2004 mitverwendet worden, bei dem es sich um minderes Fleisch, nämlich um nach dem eigentlichen Prozess der Fleischgewinnung durch maschinelle Ablösung von den fleischtragenden Knochen gewonnenes Restfleisch handelt, das unter keinen Umständen als "bestes Ausgangsmaterial" i. S. d. Leitsatzes 2.12 qualifiziert werden kann und dessen Mitverwendung im Übrigen zu kennzeichnen ist.

Vgl. zum Begriff Separatorenfleisch und zum Verstoß gegen das Irreführungsverbot bei fehlender Kennzeichnung: OVG NRW, Beschluss vom 2. Juni 2010 13 A 2441/07 -, juris,

Angesichts dieser Feststellungen kann offenbleiben, welche Schlüsse aus dem bei den Untersuchungen festgestellten erhöhten Calciumgehalten zu ziehen sind, also ob diese zusätzlich - wie der Beklagte angenommen hat - Anhaltspunkte für die Mitverwendung von Separatorenfleisch bieten. Die Klägerin hat im Übrigen auch im Berufungszulassungsverfahren nicht schlüssig dargelegt, warum die Untersuchungsergebnisse wegen dieser Feststellungen "nicht haltbar" sein sollten.

Im Hinblick auf die bei den histologischen Untersuchungen durch den Gutachter getroffenen Festgestellungen hinsichtlich der in den Proben vorgefundenen Knochensplitteranteile, deren Vorhandensein auch unter Berücksichtigung des von der Klägerin vorgelegten Gutachtens des Laboratoriums "H1. Institut" vom 23. Mai 2008 nicht substantiiert bestritten worden ist, bedarf es keiner abschließenden Entscheidung, ob das bei der Herstellung der Geflügelfleischwurst unstreitig wiederverwendete Brät auch gegen die Annahme der Verwendung besten Ausgangsmaterials und damit gegen die Auslobung des Produkts als "Spitzenqualität" spricht. Der Senat teilt jedenfalls nicht die Auffassung des Bayerischen Verwaltungsgerichts München in der von der Klägerin zitierten Entscheidung,

vgl. VG München, Urteil vom 21. November 2007 M 18 K 06.2511 -, juris,

wonach die Wiederverarbeitung von Brät, sofern dies bereits Bestandteil einer schon zuvor unter Verwendung von bestem Ausgangsmaterial erzeugten Wurst gewesen sei, sich im Hinblick auf die angegebene Eigenschaft "Spitzenqualität" nicht als Irreführung zur Beschaffenheit des Erzeugnisses darstelle, weil sich die Erwartungen des Verbrauchers hinsichtlich der Qualität nicht am Verarbeitungsvorgang, sondern an der Qualität des Endprodukts, abgeleitet aus der Qualität des verwendeten Materials, orientierten. Dagegen spricht aus Sicht des Senats, dass die mit wiederverarbeitetem Brät hergestellte Brühwurst nicht mehr die Anforderungen des Leitsatzes 2.22 erfüllen kann; sie kann nämlich - unabhängig vom Umfang der Zugabe von wiederverarbeitetem, bereits gebrühtem Brät - schon denknotwendig nicht die in diesem Leitsatz für Brühwürste vorgesehenen besonderen Verarbeitungseigenschaften des aus zerkleinertem rohen Fleisch unter Zusatz von Trinkwasser und Salzen hergestellten Bräts aufweisen. Insofern kann - auch bezogen auf die Qualität des Endprodukts - nicht mehr von der Verwendung von bestem Ausgangsmaterial bei der Herstellung gesprochen werden.

Unabhängig davon tritt im Fall der durch die Klägerin hergestellten Geflügelfleischwurst noch hinzu, dass in der vom 18. Februar 2008 genommenen Probe Brät mit Räucherrand vorgefunden wurde und demzufolge für die Herstellung der (wiederverarbeiteten) Geflügelfleischwurst nicht zugehöriges Ausgangsmaterial verwendet worden sein muss. Insofern werden Verbraucher durch falsche Erwartungen selbst unter Berücksichtigung der Auffassung des Verwaltungsgerichts München - getäuscht. Denn dessen Erwartungen orientieren sich an der Qualität des Endprodukts, die sich aber aus der durch die (Wieder-)Verwendung von geräuchertem Material geminderten Qualität ableitet.

Soweit die Klägerin meint, die erstinstanzliche Entscheidung begegne Zweifeln, weil diese nicht berücksichtige, dass sie dem Beklagten 15 Untersuchungsbefunde vorgelegt habe, die belegten, dass die beprobte Geflügelfleischwurst frei verkehrsfähig sei, kann sie ebenfalls nicht durchdringen. Die Untersuchungsbefunde beziehen sich nach ihren eigenen Angaben nicht auf das unter der beanstandeten Etikettierung hergestellte Produkt, sondern auf eine Geflügelfleischwurst, die sie mit gleicher Rezeptur und mit identischen Angaben im Zutatenverzeichnis unter eigenem Namen herstelle. Außerdem datieren die von ihr vorgelegten Untersuchungsbefunde auf März und April 2009 und betreffen damit gerade nicht vergleichbare Chargen, die zurzeit der Beanstandungen im Jahr 2008 produziert worden sind, sodass ihnen schon aus diesem Grunde kein Aussagewert im Hinblick auf die Verkehrsfähigkeit des von der Verfügung betroffenen Produkts "U. Geflügel-Fleischwurst Spitzenqualität" beizumessen ist. Abgesehen davon bleibt es der Klägerin unbenommen, mit ihrem nunmehr hergestellten (anderen und beanstandungsfreien) Produkt nebst Untersuchungsbefunden an die N1. heranzutreten und um Wiederaufnahme der Geschäftsverbindungen nachzusuchen.

Entgegen der Auffassung der Klägerin werden auch durch die Annahme des Verwaltungsgerichts, wegen des festgestellten Verstoßes gegen § 11 Abs. 1 Nr. 1 LFGB bedürfe es keines Eingehens mehr darauf, ob auch ein Verstoß gegen § 11 Abs. 2 LFGB vorliege, keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung begründet. Denn es kommt wie oben ausgeführt nicht darauf an, ob die angefochtene Entscheidung in allen Punkten der Begründung richtig ist, sondern allein darauf, ob ernstliche Zweifel im Hinblick auf das Ergebnis der Entscheidung bestehen, was, wie sich aus dem Ausführten ergibt, gerade nicht der Fall ist.

Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung bestehen auch nicht, soweit das Verwaltungsgericht festgestellt hat, der Beklagte sei seiner Informationspflicht dadurch nachgekommen, dass die H2. Vertriebsgesellschaft mbH über die zurückgelassene Zweitprobe informiert worden sei. Aus der von der Klägerin zitierten Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs

- vgl. EuGH, Urteil vom 10. April 2003 C276/01 ,

Joachim Steffensen, Slg. 2003, I-03735,

www.curia.europa.eu = juris -

kann sie nichts für sich herleiten. Der Entscheidung lag der Fall eines Lebensmittelherstellers zugrunde, der im Rahmen einer Überwachungsmaßnahme eine Zweitprobe nicht erhalten hatte, und gegen den ein Bußgeld wegen des Inverkehrbringens von Lebensmitteln unter Verstoß gegen Bestimmungen des Lebensmittel- und Bedarfsgegenständegesetzes, der Vorgängervorschrift des LFGB, verhängt worden war. Der Europäische Gerichtshof hat darin ausgeführt: Da der Hersteller mit der Sanktion belegt werde, müsse er als Betroffener i. S. d. Art. 7 Abs. 1 Unterabsatz 2 der Richtlinie 89/397 des Rates vom 14. Juni 1989, die durch Art. 61 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung (EG) Nr. 882/2004 des Europäischen Paraments und des Rates vom 29. April 2004 aufgehoben worden ist, angesehen werden und ihm müssten die durch diese Vorschrift verliehenen Rechte zuerkannt werden; durch das Gegengutachten sollten die legitimen Rechte der betroffenen Wirtschaftsteilnehmer, insbesondere ihr Recht auf Einlegung eines Rechtsbehelfs gegen die zur Ausübung der Überwachung getroffenen Maßnahme, gewahrt werden.

Die Klägerin ist aber weder als Betroffene i. S. d. Rechtsprechung zu Art. 7 Abs. 1 Unterabsatz 2 der Richtlinie 89/397 noch als Lebensmittelunternehmerin i. S. d. nunmehr geltenden Art. 11 Abs. 6 der Verordnung (EG) Nr. 882/2004 anzusehen, die der Beklagte hätte informieren und hinsichtlich derer er hätte sicherstellen müssen, dass auch sie eine Zweitprobe hätte erhalten können. Der Beklagte ist gegen die Klägerin weder repressiv wie aber in dem vom Europäischen Gerichtshof zu entscheidenden Fall noch präventiv eingeschritten, sondern hat durch die Ordnungsverfügung allein der N1. ordnungsrechtliche Maßnahmen auferlegt. Dass der Europäische Gerichtshof als Betroffene i. S. d. Art. 7 Abs. 1 Unterabsatz 2 Richtlinie 89/397 nicht jeden Lebensmittelunternehmer in der konkret betroffenen Herstellungs- und Vertriebskette im Blick hatte, sondern nur diejenigen, denen andernfalls mangels Möglichkeit zur Ausübung ihres Rechts auf Einholung eines Gegengutachtens in einem gegen sie gerichteten Verfahren "Verteidigungsrechte" abgeschnitten würden, findet seine Bestätigung auch in dessen Entscheidung,

vgl. Beschluss vom 19. Mai 2009 C-166/08 -, Guido Weber, Slg. 2009 I-04253, www.curia.europa.eu = juris,

wonach ein Geschäftsführer eines Lebensmittelunternehmens, der weder über die Überwachung informiert worden war noch eine Zweitprobe erhalten hatte, und der wegen des Zustands und der Etikettierung eines Produkts strafrechtlich zur Verantwortung gezogen, gegen den also ebenfalls repressiv eingeschritten worden war, als Betroffener i. S. d. Art. 7 Abs. 1 Unterabsatz 2 Richtlinie 89/397anzusehen sei.

Die insoweit nunmehr geltende Vorschrift des Art. 11 Abs. 6 der Verordnung (EG) 882/2004 ist im Lichte dieser Rechtsprechung zu Art. 7 Abs. 1 Unterabsatz 2 der Richtlinie 89/397 und u. a. auch unter Berücksichtigung der durch den Europäischen Gerichtshof darin in Bezug genommenen Vorschrift des Art. 4 der Richtlinie 89/397 auszulegen. Nach Art. 4 Abs. 3 der Richtlinie 89/397 erstreckt sich die Überwachung auf alle Stufen der Erzeugung, der Herstellung, der Einfuhr in die Gemeinschaft, der Behandlung, der Lagerung, der Beförderung, des Vertriebs und des Handels; nach Art. 4 Abs. 5 der Richtlinie 89/397 ist die zuständige Behörde in jedem Einzelfall gehalten, aus den in Absatz 3 genannten Stufen diejenige oder diejenigen auszuwählen, die sich für die geplante Untersuchung am besten eignen. Entscheidet sich die Behörde - wie hier - auf der Stufe des Handels einzuschreiten, muss sie im Falle einer Probenahme im Rahmen einer Überwachungsmaßnahme für die insoweit betroffenen Lebensmittelunternehmer den Erhalt einer ausreichenden Zahl von Proben sicherstellen. Geht sie (zudem) gegen den Vertreiber und/oder den Hersteller und/oder weitere an der Lebensmittelkette beteiligte Unternehmer vor, muss sie (auch) diesen den Erhalt einer Zweitprobe ermöglichen, um nicht Gefahr zu laufen, dass der Verwertung ihrer Untersuchungsergebnisse im Streitfalle ein Verstoß gegen das Recht des Betroffenen auf Einholung eines Gegengutachtens entgegensteht. Umgekehrt führt dieses Verständnis der im Lichte der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs auszulegenden Vorschrift des Art. 11 Abs. 6 der Verordnung (EG) 882/2004 auch dazu, dass im Falle einer Überwachungsmaßnahme eine Verpflichtung der Behörde zur Überlassung einer Gegenprobe gegenüber sämtlichen (der in Art. 4 Abs. 3 der Richtlinie 89/397 aufgezählten acht) von der Maßnahme potentiell betroffenen Beteiligten der Lebensmittelkette vom Gemeinschaftsgesetz- und -verordnungsgeber nicht gemeint gewesen sein kann, zumal die zuständige Behörde andernfalls zu einer effektiven Überwachung nicht mehr in der Lage wäre.

Vor diesem Hintergrund kommt es auch nicht darauf an, ob - so wie es das Verwaltungsgericht aus Sicht der Klägerin unzutreffend angenommen hat - für die Klägerin tatsächlich Untersuchungsmöglichkeiten der zurückgelassenen Gegenprobe bestanden haben oder nicht.

Die Berufung ist nicht gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO zuzulassen. Aus dem Vorstehenden ergibt sich zugleich, dass die Rechtssache keine besonderen rechtlichen und tatsächlichen Schwierigkeiten aufweist, sich die in dem Verfahren entscheidungserheblichen Fragen vielmehr ohne weiteres im Zulassungsverfahren klären lassen.

Die Berufung ist auch nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung nach § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zuzulassen. Denn die von der Klägerin aufgeworfenen Zulässigkeitsfragen und die Frage, ob Brühwurst unter Verwendung von wiederverarbeitetem Brät als Spitzenqualität in den Verkehr gebracht werden könne, sind, wie sich aus den obigen Darlegungen ergibt, nicht entscheidungserheblich, sodass ihnen auch keine rechtsgrundsätzliche Bedeutung im Verständnis von § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zukommen kann.

Eine Zulassung kommt auch nicht nach § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO in Betracht. Soweit die Klägerin vorbringt, das Verwaltungsgericht habe zur Frage der Verkehrsauffassung und dazu, dass der angebliche Nachweis von Knochensplittern nicht auf die Verwendung von Separatorenfleisch hinweise oder sonst Aufschluss auf bei der Herstellung verwendetem Ausgangsmaterial von minderer Qualität gebe, ein Sachverständigengutachten einholen müssen, führt auch dies nicht zum Erfolg des Rechtsmittels. Der damit geltend gemachte Zulassungsgrund des § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO wegen Verstoßes gegen § 86 Abs. 1 VwGO liegt nicht vor. Die Klägerin hat nicht substantiiert dargelegt, dass sich dem Verwaltungsgericht insoweit eine weitere Aufklärung hätte aufdrängen müssen, denn auf diese Fragen kommt es nach den vorstehenden Ausführungen nicht entscheidungserheblich an. Im Übrigen verletzt ein Gericht die Pflicht zur Sachaufklärung von Amts wegen regelmäßig dann nicht, wenn es von einer Beweiserhebung absieht, die ein anwaltlich vertretener Beteiligter in der mündlichen Verhandlung - wie hier - nicht förmlich beantragt hat.

Vgl. hierzu Kopp/Schenke, a. a. O., § 124 Rdnr. 13, m. w. N.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf den §§ 47 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3, 52 Abs. 1 GKG.






OVG Nordrhein-Westfalen:
Beschluss v. 12.10.2010
Az: 13 A 567/10


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/508d72e7a02a/OVG-Nordrhein-Westfalen_Beschluss_vom_12-Oktober-2010_Az_13-A-567-10




Diese Seite teilen (soziale Medien):

LinkedIn+ Social Share Twitter Social Share Facebook Social Share