Oberlandesgericht Düsseldorf:
Beschluss vom 29. Juli 2004
Aktenzeichen: II-10 WF 18/04

(OLG Düsseldorf: Beschluss v. 29.07.2004, Az.: II-10 WF 18/04)

Tenor

Die Beschwerde der Antragsgegnerin vom 04.03.2004 gegen den Be-schluss des Amtsgerichts Oberhausen - Familiengericht - vom 28.01.2004 wird zurückgewiesen.

Das Verfahren über die Beschwerde ist gebührenfrei, Kosten werden nicht erstattet.

Gründe

I.

Mit ihrer Beschwerde begehrt die Staatskasse, die Vergütung der Antragstellerin für ihre Tätigkeit in den Verfahren auf Überlassung der ehelichen Wohnung nach § 2 Gewaltschutzgesetz (einstweilige Anordnung und Hauptverfahren) nicht - wie geschehen - auf EUR 539,98 abzüglich des erstatteten Betrages, sondern auf lediglich EUR 382,51 abzüglich des erstatteten Betrages festzusetzen. Insoweit seien die jeweils berücksichtigten Geschäfts- und Besprechungsgebühren nach § 118 BRAGO nicht in Höhe von 7,5/10, sondern nur in Höhe von 5/10 anzusetzen. Zum einen folge dies daraus, dass es sich lediglich um unterdurchschnittliche Verfahren gehandelt habe, zum anderen seien die hier angefallenen Gebühren des § 118 BRAGO in Angleichung an die Gebühren nach § 63 BRAGO bei Zuweisung einer Ehewohnung nach der HausratsVO auf 5/10 zu reduzieren (§ 63 Abs. 3 BRAGO). Hilfsweise rügt die Staatskasse, dass die Antragstellerin gegen ihre Verpflichtung zur Kostengeringhaltung verstoßen habe.

II.

Die Beschwerde der Antragsgegnerin vom 03./04.03.2004 (Bl. 78 GA) gegen den ihr am 02.03.2004 zugestellten Beschluss des Amtsgerichts Oberhausen vom 28.01.2004 (Bl. 74 a, 76 R GA) ist gemäß § 128 Abs. 4 BRAGO zulässig, jedoch unbegründet.

Zu Recht hat das Amtsgericht durch den angefochtenen Beschluss die Erinnerung der Staatskasse vom 24.09.2003 (Bl. 70 GA) gegen den Beschluss des Amtsgerichts Oberhausen vom 29.08.2003 (Bl. 67 f GA) zurückgewiesen, mit welchem die an die Antragstellerin zu zahlende Vergütung auf insgesamt EUR 539,98 abzüglich bereits erstatteter EUR 269,12 festgesetzt wurde.

1.

Entgegen der Auffassung der Staatskasse sind die hier jeweils angesetzten 7,5/10 Gebühren nach § 118 BRAGO nicht auf 5/10 zu reduzieren. Für das Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Anordnung und das Hauptverfahren sind - was die Staatskasse nicht mehr beanstandet - jeweils eine Geschäftsgebühr und eine Besprechungsgebühr nach § 118 BRAGO angesetzt worden. Die Höhe dieser zwischen 5/10 und 10/10 anfallenden Gebühren bestimmt sich nach den Umständen des Einzelfalles, insbesondere der Bedeutung der Angelegenheit , des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit sowie der Vermögens- und Einkommensverhältnisse des Auftraggebers nach billigem Ermessen, § 12 Abs. 1 BRAGO.

a.

Die Rahmengebühren nach § 118 BRAGO sind im vorliegenden Fall nicht - wie die Staatskasse meint - in entsprechender Anwendung des § 63 Abs. 3 BRAGO nach oben zu begrenzen auf eine 5/10 Gebühr.

§ 63 BRAGO unterstellt bestimmte prozessähnliche Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit, in denen das Bedürfnis, die Gebühren des Rechtsanwalts in sinngemäßer Anwendung der für bürgerliche Rechtsstreitigkeiten geltenden Vorschriften zu bemessen, schon früher bestanden hat, der Gebührenregelung für den Zivilprozess. Hierzu gehören Verfahren nach der Verordnung über die Behandlung der Ehewohnung und des Hausrats vom 21.Oktober 1944 (Reichsgesetzblatt I S. 256). Die Aufzählung in § 63 Abs. 1 BRAGO ist abschließend (vgl. Riedel/ Sußbauer-Keller, BRAGO, 8. Aufl., § 63 Rn. 4); auf andere Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit ist § 63 BRAGO nicht anzuwenden (vgl. Gerold/Schmidtv.Eicken/Madertv.Eicken, BRAGO, 15. Aufl., § 63 Rn. 1). § 63 Abs. 3 BRAGO nimmt insoweit Bezug auf die Regelung in Abs. 1, gilt mithin für alle Verfahren nach der Hausratsverordnung. Seine entsprechende Anwendung rechtfertigt sich daher nur für Verfahren, für die die Hausratsverordnung sinngemäß gilt. Dies ist nach § 18 a Hausratsverordnung bei Verfahren auf Zuweisung der Ehewohnung bei Getrenntleben nach § 1361 b BGB der Fall (vgl. Palandt- Brudermüller, BGB, 63. Aufl., § 1361 b Rn. 32), weshalb für diese Verfahren eine entsprechende Anwendung des § 63 Abs. 3 BRAGO zu befürworten ist (vgl. Riedel/Sußbauer-Keller aaO; Gerold/Schmidt/v.Eicken/Madertv.Eicken, BRAGO, 15. Aufl., § 63 Rn. 5). Anders liegt es jedoch bei Verfahren nach dem Gewaltschutzgesetz. Für diese ist eine sinngemäße Anwendung der Hausratsverordnung nicht bestimmt. Sie richten sich vielmehr nach den Verfahrensvorschriften des FGG bzw. der ZPO (vgl. Palandt-Brudermüller, BGB, Einl. GewSchG, Rn. 5). Eine analoge Anwendung des § 63 Abs. 3 BRAGO auf diese Verfahren kommt demnach auch dann nicht in Betracht, wenn lediglich die Zuweisung der Ehewohnung begehrt wird. Insoweit steht der klare Gesetzeswortlaut des § 63 Abs. 1, 3 BRAGO entgegen, der aufgrund seiner abschließenden Regelung eine Ausdehnung auf andere Verfahren verbietet.

b.

Unter Berücksichtigung der in § 12 Abs. 1 BRAGO genannten Bemessungskriterien rechtfertigen die von der Antragstellerin vorgetragenen Umstände in jeder Beziehung die Annahme einer durchschnittlichen Angelegenheit, für die jeweils eine Mittelgebühr anzusetzen ist. Den eher unterdurchschnittlichen Einkommens- und Vermögensverhältnissen der vertretenen Partei stehen besondere familiäre Umstände gegenüber, die nach Angaben der antragstellenden Partei geprägt sind von wiederholten gewalttätigen Übergriffen des Prozessgegners in alkoholisiertem Zustand, bedingt dadurch, dass dieser mit der Trennungssituation nicht zurecht kommt.

Der Annahme einer Mittelgebühr steht auch nicht - wie die Staatskasse meint - entgegen, dass in der mündlichen Verhandlung eine Antragstellung nur noch für das Hauptverfahren erfolgt ist und der Prozessgegner dem Begehren letztlich zugestimmt hat. Entscheidend ist, dass ausweislich des Protokolls Bl. 19 GA offensichtlich in beiden Verfahren eine Erörterung zum Sach- und Streitstand stattgefunden hat, mithin die sich aus den häuslichen Verhältnissen ergebenden Schwierigkeiten auch Gegenstand der Erörterung gewesen sind.

2.

Auch die Hilfserwägungen der Staatkasse greifen nicht durch. Entgegen ihrer Auffassung kann gegenüber dem Kostenfestsetzungsantrag der Antragstellerin nicht eingewandt werden, die Antragstellerin habe gegen die ihr obliegende Verpflichtung zur kostensparenden Prozessführung verstoßen, da sie nicht den Antrag nach § 1361 b BGB gewählt habe.

Zu berücksichtigen ist, dass der durch die Antragstellerin vertretenen Partei mit Beschluss des Amtsgerichts vom 20.08.2002 (Bl. 21 GA) sowohl für die Hauptsache als auch für das einstweilige Anordnungsverfahren Prozesskostenhilfe bewilligt und die Antragstellerin beigeordnet worden ist. Entsprechend ist davon auszugehen, dass das Amtsgericht nach eingehender Prüfung des jeweiligen PKH-Antrages festgestellt hat, dass die in den Antragsschriften vom 08.08.2002 und 19.08.2002 (Bl. 1, 24 GA) dargelegte beabsichtigte Rechtsverfolgung nicht mutwillig erscheint. Die Feststellung fehlender Mutwilligkeit ist Voraussetzung für die Gewährung von Prozesskostenhilfe, § 114 ZPO. Hiermit hat das Gericht auch inzidenter festgestellt, dass es keine kostengünstigere gleichwertige Möglichkeit gab, die Rechte der Partei zu verfolgen. Ansonsten hätte es die PKH-Gesuche ablehnen müssen. Wer den kostspieligeren von zwei gleichwertigen prozessualen Wegen beschreitet, handelt mutwillig im Sinne des § 114 Abs. 1 ZPO (vgl. Zöller-Philippi, ZPO, 24. Aufl., § 114 Rn. 34).

Ist aber durch richterlichen Beschluss inzidenter festgestellt, dass es keinen gleichwertigen kostengünstigeren Weg der Rechtsverfolgung gab, gibt es keinen Grund, diese Frage nochmals im Festsetzungsverfahren überprüfen zu lassen. Insbesondere ist zu berücksichtigen, dass die Festsetzung im Verfahren nach § 128 Abs. 1 BRAGO dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle obliegt. Könnte dieser im Rahmen der Gebührenfestsetzung den beigeordneten Rechtsanwalt darauf verweisen, dass er das verfolgte Prozessziel auf einem billigeren als dem eingeschlagenen Weg hätte erreichen können, beinhaltete dies zugleich die Feststellung, dass das Prozessgericht Prozesskostenhilfe eigentlich hätte versagen müssen. Damit würde der Urkundsbeamte im Festsetzungsverfahren letztlich über die inhaltliche Richtigkeit des PKH-Bewilligungsbeschlusses befinden. Dies liegt jedoch nicht mehr im Rahmen seiner Prüfungs- und Entscheidungskompetenz. Er ist vielmehr an die Entscheidungen gebunden, die in dem dem Vergütungsanspruch zugrundeliegenden gerichtlichen Verfahren ergangen sind (vgl. OLG Zweibrücken JurBüro 1995, 362; Gerold/Schmidt/v.Eicken/Madertv.Eicken, BRAGO, § 128 Rn. 9; Riedel/Sußbauer-Schneider, BRAGO,§ 128 Rn. 29; Enders JurBüro 1995, 361f).

Aus den vorstehenden Gründen hält der Senat jedenfalls für Fälle der vorliegenden Art nicht mehr an seiner früheren Rechtssprechung fest, wonach der Einwand der Landeskasse, der im Rahmen von Prozesskostenhilfe beigeordnete Anwalt habe gegen seine Verpflichtung zur kostensparenden Prozessführung verstoßen, im Festsetzungsverfahren des § 128 BRAGO zu berücksichtigen sei (vgl. Beschluss vom 11.12.1997 - 10 W 17/97 mwN).

III.

Der Kostenausspruch folgt aus § 128 Abs. 5 BRAGO.






OLG Düsseldorf:
Beschluss v. 29.07.2004
Az: II-10 WF 18/04


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