Oberlandesgericht Hamm:
Urteil vom 10. Februar 2005
Aktenzeichen: 4 U 167/04

(OLG Hamm: Urteil v. 10.02.2005, Az.: 4 U 167/04)

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das am 11. August 2004 verkündete Urteil der 1. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Essen wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der Verbotstenor unter Aufrechterhaltung der Ordnungsmittelandrohung wie folgt lautet:

Der Beklagten wird untersagt, im geschäftlichen Verkehr für als Nahrungsergänzungsmittel angebotene „T-Produkte“ mit Aussagen Dritter zu werben, wonach T vor Grippe schütze, insbesondere zu werben:

„Also das schützt vor Grippe und alles.“

wie geschehen bei der Äußerung einer Fernsehzuschauerin im Rahmen der

Fernsehsendung des Senders R am 00.00.0000.

Die Beklagte trägt die Kosten der Berufung.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

I. Der Kläger ist ein eingetragener Verein, zu dessen satzungsmäßigen Aufgaben die

Wahrung der Interessen seiner zahlreichen Mitglieder aus allen Wirtschaftsbereichen gehört.

Mitglieder sind unter anderem Heilpraktiker, Hersteller von Kosmetika, Betreiber von Kurkliniken, Hersteller und Vertreiber von Naturheilmitteln und pharmazeutischer Produkte, ein Hersteller von Kraftsportnahrung sowie sonstige Lebensmittelbetriebe.

Die Beklagte vertreibt verschiedene Nahrungsergänzungsmittel, insbesondere auch das Algenprodukt "T". Sie präsentiert das Produkt auch über ihren früheren Geschäftsführer G im Rahmen von Werbemaßnahmen, die überwiegend vom Fernsehsender R ausgestrahlt werden. Wegen krankheitsbezogener Aussagen zu dem Produkt im Rahmen solcher Werbung kam es bereits zu mehreren Unterlassungsklagen gegen die Beklagte und ihren früheren Geschäftsführer, die zu gerichtlichen Verboten führten.

Der Sender R strahlte am 00.00.0000 in der Zeit zwischen 15.00 h. und 17.00 h. erneut eine Werbesendung über dieses Produkt aus. Im Studio anwesend waren eine Moderatorin des Senders und der frühere Geschäftsführer der Beklagten. Diese gaben –wie im Rahmen des Konzepts der Sendung üblich- Zuschauern während der Vorstellung des beworbenen Produkts die Möglichkeit, anzurufen, Fragen zu stellen und über eigene Erfahrungen mit dem Produkt zu sprechen. Dabei erhielt auch die Zuschauerin I auf ihren Wunsch die Gelegenheit, ein paar Worte zu dem T-Produkt zu sagen. Sie äußerte daraufhin: "Das ist wunderbar! Also das schützt vor Grippe und alles." Die Moderatorin unterbrach die Anruferin bei ihren weiteren Ausführungen und verwies darauf, dass es sich dabei immer um ganz individuelle Erfahrungen gehandelt habe, die sie gemacht habe, und dass sie ja wisse, sie seien immer ein bisschen gebunden. Der frühere Geschäftsführer der Beklagten stimmte ihr mit dem Ausruf "Genau!" zu. Anschließend kam es noch zu einem Gespräch unter allen Beteiligten darüber, wie lange die Anruferin das Mittel schon einnehme und ob sie mit dem Preis zufrieden sei.

Der Kläger hat in der Aussage der Anruferin eine krankheitsbezogene Werbung gesehen, die sich die Beklagte zurechnen lassen müsse.

Deshalb hat der Kläger beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, es unter Androhung der üblichen Ordnungsmittel zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr für als Nahrungsergänzungsmittel angebotene "T-Produkte" mit Aussagen Dritter zu werben, wonach T vor Grippe schütze, insbesondere zu werben:

"Also das schützt vor Grippe und alles."

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat die Meinung vertreten, sie könne für die Äußerung der Anruferin nicht verantwortlich gemacht werden. Es habe sich um eine Verkaufsveranstaltung des Senders R gehandelt, der zuvor –so die Behauptung der Beklagten- die T-Produkte von ihr käuflich erworben habe. Sie habe keinen Einfluss auf den Ablauf der Sendung und ihr sei auch nicht bekannt, wer die entsprechenden Anrufer seien und was sie sagen wollten. Die Beklagte hat behauptet, der Sender blende mehrmals in der Stunde einen Text ein, in dem groß und gut lesbar darauf hingewiesen werde, dass der Sender zwar großes Interesse an den Erfahrungen der Kunden habe, diese Erfahrungen aber nur spezielle Einzelerfahrungen seien, die sich die Firma R nicht zu eigen mache. Dieser Hinweis sei auch in der Sendung vom 00.00.0000 mehrfach gegeben worden.

Das Landgericht hat der Klage stattgegeben und den Unterlassungsanspruch auf § 1 UWG a.F. in Verbindung mit § 18 Abs. 1 Nrn. 1 und 4 LMBG und den Zahlungsanspruch auf Geschäftsführung ohne Auftrag gestützt. Wegen der Begründung im Einzelnen wird auf die dortigen Entscheidungsgründe verwiesen.

Die Beklagte greift das Urteil mit der Berufung an, mit der sie die Abweisung der Klage erstrebt. Sie rügt zunächst Verfahrensfehler. Dabei sieht sie es als Verletzung des Grundsatzes des rechtlichen Gehörs an, dass das Landgericht ohne vorherigen Hinweis und ohne Ausschöpfung des Sachverhalts, insbesondere ohne Kenntnisnahme von der Sendung im Ganzen und den darin ausgestrahlten Hinweisen festgestellt habe, dass die Aussagen der Anrufer auf den Zuschauer zweifelsfrei als solche der Beklagten wirken würden. Es komme hinzu, dass das Landgericht bei der Frage der Wesentlichkeit des Verstoßes private Kenntnisse und Erfahrungen des Handelsrichter C verwertet habe, die nicht in den Rechtsstreit eingeführt worden und der Beklagten als solche auch nicht bekannt gewesen seien. Die Verfahrensweise lasse auf eine Voreingenommenheit der Kammer, jedenfalls aber des Handelsrichters C schließen, die erst nachträglich erkennbar geworden sei.

Abgesehen davon bleibt die Beklagte bei ihrer Auffassung, dass sie die umstrittene Aussage der Anruferin in der Sendung der Firma R nicht als Äußerung Dritter verwendet habe. § 18 Abs. 1 LMBG setze eine geplante, zielgerichtete und bewusste Nutzung einer derartigen Aussage zu Werbezwecken voraus. Eine solche Nutzung erfordere es, dass sie, die Beklagte, sich diese Aussage zu eigen gemacht hätte. Das sei eindeutig nicht der Fall gewesen. Die Beklagte verweist darauf, dass nicht einmal die Firma R als die für den Verkauf ihrer eigenen T-Produkte Verantwortliche sich die Aussage zu eigen gemacht habe. Die Beklagte beruft sich insoweit erneut auf ihren erstinstanzlichen Vortrag und den entsprechenden Beweisantritt. Ein durchschnittlich informierter und aufmerksamer Zuschauer der Sendung, auf den es ankomme, habe klar und deutlich erkannt, dass sowohl die für die Sendung verantwortliche Firma R als auch ihr damaliger Geschäftsführer für sie die beanstandete krankheitsbezogene Aussage der Anruferin ausdrücklich und für jedermann erkennbar unterbunden hätten. Das gelte umso mehr angesichts der seit geraumer Zeit in jeder und auch gerade in dieser Sendung mehrfach pro Sendestunde eingeblendeten Hinweise, dass die Firma R die von den Zuschauern mitgeteilten Erfahrungen als Einzelerfahrungen ansehe, die sie sich nicht zu eigen mache. Diese Hinweise könne jeder der deutschen Sprache mächtige Zuschauer gar nicht anders verstehen. Erstmals in der Berufungsinstanz trägt die Beklagte dazu noch ergänzend vor, dass auch der Moderator der Firma R in dieser Sendung die Zuschauer und Anrufer mehrfach darauf hingewiesen habe, dass der Sender sich von krankheitsbezogenen Aussagen der Anrufer distanziere und dass solche Aussagen nicht gemacht werden dürften. Obwohl das nicht erforderlich gewesen sei, habe sie, die Beklagte, aus Gutgläubigkeit auch von sich aus darauf geachtet, dass zugeschaltete Anrufer keine krankheitsbezogenen Erklärungen zu den betreffenden Produkten abgaben und die Firma R gebeten, die entsprechenden Zuschauer vorab noch einmal auf dieses Problem hinzuweisen. Diese halte sich daran und weise seit einigen Monaten sogar durch den Moderator vor jedem Telefonat jeden einzelnen Anrufer darauf hin, dass gesundheitsfördernde Aussagen und Fragen zu den Produkten nicht erwünscht seien. Damit habe die Beklagte alles Zumutbare getan, um solchen Aussagen von Anrufern der Firma R sogar entgegen zu wirken. Es könne von ihr nicht verlangt werden, dass sie in der Sendung erkläre, die von ihr bezogenen Produkte hätten gerade keine krankheitsbezogene Wirkung. Gerade das sei wissenschaftlich nicht erwiesen. Es müsse ausreichen, wenn man gegenteilige Äußerungen wie hier unterbinde und deutlich mache, dass man derartige Erklärungen nicht wünsche. Wenn schon die Lehre von der Störerhaftung im Wettbewerbsrecht keine Anwendung mehr finden könne, so seien ihr, der Beklagten, unerwünschte Erklärungen von Zuschauern in fremden Sendungen erst recht nicht zuzurechnen. Mit näheren Ausführungen benennt die Beklagte Beispiele dafür, wozu eine solche Zurechnungspraxis führen könnte. Gewerbetreibenden zufällige werbende Erklärungen Dritter zuzurechnen, verbiete auch schon eine verfassungskonforme Auslegung des § 18 Abs. 1 LMBG. Für den Fall, dass der Senat hier einen Verstoß gegen § 18 LMBG annehmen sollte, beruft sich die Beklagte auf die von ihr angenommene Verfassungswidrigkeit der Vorschrift. Sie regt an, die Sache vorab dem Bundesverfassungsgericht im Rahmen eines Normenkontrollverfahrens vorzulegen. Mit eingehenden Ausführungen legt sie ein gewandeltes Verständnis der Aufgabe von Nahrungsergänzungsmitteln dar und sieht insbesondere darin, dass deren Hersteller ihre Meinung zu den Wirkungen ihrer Produkte nicht äußern dürften, einen Verstoß gegen die Meinungsfreiheit und die Berufsfreiheit, der durch keine wichtigen Belange Dritter oder der Allgemeinheit mehr zu rechtfertigen sei.

Die Beklagte beantragt,

unter Aufhebung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung mit der Maßgabe zurückzuweisen, dass der insbesondere-Zusatz im Verbotstenor um folgende Passage ergänzt wird: "Dass es sich nämlich um eine Äußerung einer Fernsehzuschauerin im Rahmen der Fernsehsendung des Senders R am 00.00.0000 handelt."

Der Kläger verteidigt das landgerichtliche Urteil. Er bestreitet weiter, dass die Beklagte keinerlei Einflussmöglichkeiten auf den Verlauf der Werbesendung habe. Immerhin habe zumindest bislang der frühere Geschäftsführer der Beklagten die Produktpräsentation immer selbst vorgenommen. Zudem gebe es Absprachen zwischen den Moderatoren von R und Anrufern darüber, welche Aussagen ohne Gefahr von Wettbewerbsverstößen getätigt werden dürfen. Die Beklagte habe in einem Ordnungsmittelverfahren selbst vorgetragen, sie versuche, die Anrufer unter Hinweis auf die geltende Gesetzeslage in ihren Äußerungen zur Zurückhaltung zu bewegen. Sollte gleichwohl noch eine Unsicherheit im Hinblick auf die Aussagen von Anrufern verbleiben, müsse die Beklagte entweder auf dieses Werbemedium verzichten oder wirksamere Vorkehrungen treffen. Letzteres könnte beispielsweise durch eine geringfügig zeitversetzte Ausstrahlung mit entsprechenden Kontrollmöglichkeiten geschehen.

Der Kläger setzt sich mit näheren Ausführungen auch mit den verfassungsrechtlichen Berufungsangriffen der Beklagten auseinander. Er tritt unter Hinweis auf § 3 Abs. 4 der Verordnung über Nahrungsergänzungsmittel der Behauptung der Beklagten entgegen, bei einer ausgewogenen, abwechslungsreichen Ernährung sei im allgemeinen die Zufuhr angemessener Nähr- und Wirkstoffe nicht möglich.

Der Kläger hält die Argumentation der Beklagten vor dem Hintergrund für fragwürdig, dass es in der Vergangenheit wiederholt Verfahren und auch Unterwerfungserklärungen der Beklagten gegeben habe, in denen es um die Werbung mit Aussagen Dritter gegangen sei. Der Kläger führt ferner näher aus, warum die Zurechnung der Aussage der Anruferin hier auch nicht an den eingeblendeten Hinweisen scheitere, die er in Abschrift zu den Akten gereicht hat.

Schließlich widerspricht der Kläger auch der Ansicht der Beklagten, sie habe sich von der Aussage der Anruferin distanziert. Niemand sei der geäußerten Wirkung des Mittels entgegen getreten. Der Satz: "Und sie wissen ja, wir sind da immer ein bisschen gebunden." bringe vielmehr zum Ausdruck, dass der Aussage an sich durchaus beigetreten werde, dies aber aus rechtlichen Gründen nicht ausdrücklich erfolgen könne.

II. Die Berufung ist nach der Klarstellung des Verbotstenors unter Einbeziehung der konkreten Verletzungshandlung unbegründet. Dem Kläger steht der geltend gemachte Unterlassungsanspruch wegen eines Verstoßes der Beklagten gegen § 18 LMBG, in dem auch ein Wettbewerbsverstoß zu sehen ist, zu.

1) Es liegt kein Verfahrensfehler des Landgerichts vor, der sich zu Lasten der Beklagten ausgewirkt haben könnte. Zwar hat das Landgericht bei der Urteilsbegründung private Erfahrungen eines Handelsrichters verwendet, der eine Apotheke betreibt, die kein Verfahrensbestandteil geworden sind. Wenn darin ein Verfahrensverstoß zu sehen sein sollte, hätte sich dieser aber nicht ausgewirkt. Diese Erfahrungen des Handelsrichters waren nämlich erkennbar für die Einschätzung der Kammer, dass hier ein wesentlicher Verstoß vorlag, nicht von entscheidender Bedeutung, weil sie nur praktische Beispiele dessen wären, was der Gesetzgeber bei der Schaffung des Verbots der krankheitsbezogenen Werbung verhindern wollte. Insgesamt lässt das Urteil objektiv auch keinen Eindruck einer Voreingenommenheit gegen die Beklagte erkennen.

2) Das Verbot soll sich erkennbar auf Werbung mit krankheitsbezogenen Äußerungen Dritter und "insbesondere" auf die Werbeaussage in der konkreten Verletzungsform beziehen. Damit ist der insbesondere-Zusatz hier unbedenklich, weil er nur erläutern soll, worauf sich das Verbot im einzelnen beziehen soll. Das ist durch die Einbeziehung des hier vorliegenden Umstandes, dass es sich um eine Äußerung einer Fernsehzuschauerin im Rahmen der Fernsehsendung des Werbesenders R am 00.00.0000 gehandelt hat, noch deutlicher geworden.

3) Dem nach § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG unzweifelhaft aktivlegitimierten Kläger steht ein Anspruch auf Unterlassung gegen die Beklagte nach § 8 Abs. 1 UWG zu, weil diese mit der beanstandeten Verwendung der krankheitsbezogenen Äußerung zum Mittel T Spa unlauter gehandelt und damit gegen § 3 UWG verstoßen hat.

a) Unlauter im Sinne des § 3 UWG handelt nach § 4 Nr. 11 UWG insbesondere, wer einer gesetzlichen Vorschrift zuwiderhandelt, die auch dazu bestimmt ist, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln. Eine solche wettbewerbsbezogene Vorschrift ist § 18 Abs. 1 LMBG. Diese Norm ist genauso wie § 11 LMBG jedenfalls auch dazu bestimmt, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln (vgl. BGH GRUR 2004, 1037, 1038 – Johanniskraut). Ein solcher Verstoß ist auch geeignet, den Wettbewerb zum Nachteil der Mitbewerber und Verbraucher nicht nur unerheblich zu beeinträchtigen.

b) Hier liegt auch ein Verstoß gegen § 18 Abs. 1 Nr. 4 LMBG in Verbindung mit § 18 Abs. 1 Nr. 1 LMBG vor. Die Beklagte hat in der Werbung für Lebensmittel Äußerungen Dritter in Form von Aussagen, die sich auf die Beseitigung, Linderung und Verhütung von Krankheiten beziehen, im Sinne der obigen Vorschrift verwendet.

aa) Bei der Fernsehsendung, in der die beanstandete Aussage gefallen ist, handelte es sich um eine vom Sender R im Fernsehen verbreitete Werbeveranstaltung für das von der Beklagten vertriebene Produkt "T". Für eine solche Veranstaltung gilt grundsätzlich das Gebot sachlicher und objektiver Verbraucheraufklärung und das Verbot krankheitsbezogener Werbung auch für die Beklagte, wenn sie sich daran beteiligt. Das gilt unabhängig davon, ob R in der Veranstaltung bereits bei der Beklagten angekaufte Ware vertreiben oder solche Produkte nur vermitteln will. In jedem Fall dient die Sendung dem Zweck, für den Absatz des Produktes auch im Interesse der Beklagten zu werben. Das hat der frühere Geschäftsführer der Beklagten bei seiner Anhörung vor dem Landgericht ausdrücklich eingeräumt.

bb) Das in dieser Veranstaltung beworbene Produkt "T" ist unstreitig auch und gerade in der entscheidenden Sicht der Verbraucher ein Nahrungsergänzungsmittel und als solches ein Lebensmittel.

cc) Die Anruferin I, die über dieses Lebensmittel geäußert hat, es schütze vor Grippe, ist eine Dritte im Sinne dieser Vorschrift. Sie war als Zuschauerin weder dem Sender noch der Beklagten bekannt und wollte nur das Angebot nutzen, sich zu dem vorgestellten Produkt zu äußern. Als eine Äußerung einer solchen dritten Person ist auch eine lobende mündliche Aussage im Fernsehen anzusehen. Die in der Vorschrift angeführten Dank-, Anerkennungs- und Empfehlungsschreiben sind nur beispielhaft genannt, um den Schutzbereich deutlich zu machen (vgl. Zipfel -Rathke, Lebensmittelrecht, § 18 LMBG Rdn. 30).

dd) Hier ging es auch um eine Aussage, die sich auf die Verhütung von Krankheiten bezog. Das Produkt soll danach vor Grippe schützen, also diese besonders bekannte und allgemein gefürchtete Krankheit verhüten. Es ist dabei auch unschädlich, dass in § 18 Abs. 1 Nr. 4 LMBG im Gegensatz zu Nr. 1 der Vorschrift nur von Beseitigung und Linderung von Krankheiten die Rede ist. Es handelt sich nur um ein Redaktionsversehen aus Anlass der ergänzenden Änderung der Nr. 1, bei der Nr. 4 nicht einbezogen worden ist. Es kann im Ergebnis auch nicht anders sein, als dass Äußerungen Dritter jedenfalls dann nicht verwendet werden dürfen, wenn sie Aussagen nach Nr. 1 der Vorschrift sind (vgl. Zipfel-Rathke, a.a.O, Rdn. 31).

ee) Die Beklagte hat diese krankheitsbezogene Drittäußerung auch für ihre Werbung verwendet. Der Begriff der Verwendung gesundheitsbezogener Äußerungen Dritter im Bereich der Werbung für Lebensmittel setzt nicht voraus, dass sich der Werbende deren Aussageinhalt zu eigen macht. Es reicht vielmehr aus, dass solche zur Werbung geeigneten Äußerungen Dritter im Rahmen einer Werbung unmittelbar wiedergegeben oder zitiert werden oder dass bloß auf sie hingewiesen wird, wenn die Äußerungen in einer Weise mit der Werbung verbunden sind oder werden, dass aus der Sicht des Verbrauchers ernsthaft der Eindruck entstehen kann, das gerade beworbene Mittel könne die vom Dritten angesprochene Krankheit verhüten. Auch dann besteht nämlich die Gefahr, dass der Selbstmedikation Vorschub geleistet wird, was die Vorschrift verhindern will. Der Eindruck, "T" könnte Grippe verhüten, ist hier durch die unmittelbare Wiedergabe der entsprechenden Äußerung der Anruferin I in der Werbesendung für das Produkt der Beklagten bei den Zuschauern entstanden.

(1) Dabei ist es entgegen der Einschätzung der Beklagten nicht entscheidend, ob der Werbende bei der Verwendung der Drittaussagen geplant und zielgerichtet vorgeht. Eine Wertung oder Einordnung der Äußerung braucht der Werbende selbst dabei nicht vorzunehmen. Die Beklagte brauchte unter den besonderen Voraussetzungen, wie sie hier vorliegen, noch nicht einmal aktiv zu werden. Im vorliegenden Fall reicht für eine Verwendung der Äußerung aus, dass die Beklagte es geduldet hat, dass im Rahmen einer reklamehaften Anpreisung ihrer Produkte in einer Sendung Werbeaussagen von Dritten so einbezogen werden, dass bei den Verbrauchern der Eindruck entsteht, sie seien Teil der zu vermittelnden Werbeinformation. Gerade hier entsteht ein solcher Eindruck durch die Art und Organisation der Sendung, die das Landgericht zutreffend beschrieben hat. Es geht im Rahmen des Sendekonzepts darum, das Produkt der Beklagten auch unter Beteiligung sich äußernder und fragender Zuschauer vorzustellen. Werbende Äußerungen werden somit erwartet, sind auch in den Augen der Zuschauer erkennbar erwünscht. Wenn es dann bei einer so gestalteten Werbeveranstaltung zu einer krankheitsbezogenen Werbung kommt, fällt diese nicht so aus dem Rahmen der sonstigen Anpreisung des Produkts, dass die Zuschauer sie nicht mehr darauf beziehen. Das gilt umso mehr, als jedenfalls ein nicht unerheblicher Teil der Zuschauer die allgemeine Einstellung und das frühere Werbeverhalten der Beklagten und ihres früheren Geschäftsführers kennt und weiß, dass diese früher selbst gerade auch T-Produkten die Fähigkeit zugesprochen hat, Krankheiten verhüten zu können. So sind die Beklagte und ihr früherer Geschäftsführer im Verfahren 4 U 173 / 02 vor dem Senat verurteilt worden, in der Werbung für T2 nicht schwerwiegende Infektionskrankheiten anzusprechen.

(2) Der Zurechnung solcher krankheitsbezogenen Äußerungen steht nicht entgegen, dass es nach dem Sendekonzept an sich zu solchen verbotenen Werbeaussagen nicht kommen soll. Solche Äußerungen, die von den Zuschauern als weitere Werbung für das Produkt der Beklagten verstanden werden können, müssen möglichst schon im Vorfeld verhindert werden. Dazu sind jedenfalls im Hinblick auf die hier beanstandete krankheitsbezogene Werbung die erforderlichen Anstrengungen noch nicht unternommen worden. Die eingeblendeten Hinweise darauf, das es sich bei den Äußerungen um –allerdings erwünschte- Privatmeinungen der Anrufer handele, stellen nur klar, dass sich der Sender diese Meinungen nicht zu eigen machen wolle. Da es darauf aber im Rahmen der Verwendung nicht ankommt, sind sie für sich als Vorsorge ungeeignet. Die Vorabinformation der Anrufer, mit der der Sender R seit einigen Monaten unmittelbar vor dem Gespräch solche Äußerungen zusätzlich zu verhindern sucht, gab es unstreitig zum Zeitpunkt der Sendung im April 2004 noch nicht. Falls es dem Sender R und der Beklagten auch damit nicht möglich sein sollte, solche Äußerungen völlig zu verhindern, wie sie behauptet, dürfte die Beklagte an der Sendung jedenfalls nicht mehr teilnehmen.

(3) Selbst wenn man aber die Vorsorgemaßnahmen entgegen der Auffassung des Senats noch als ausreichend ansehen sollte, musste sich die Beklagte in einem Fall wie diesem von der krankheitsbezogenen Aussage der Anruferin ausdrücklich distanzieren, um dem Eindruck der Zuschauer entgegen zu wirken, die Aussage sei Teil der Werbung für das Produkt der Beklagten. Das hat sie aber nicht getan. Es reichte insoweit nicht aus, dass der frühere Geschäftsführer der Beklagten ebenso wie die für den Sender R tätige Moderatorin lediglich erklärt haben, es handele sich um die private Meinung der Anruferin, die man sich nicht zu eigen mache, zumal man "ein bisschen gebunden" sei. Das ist gerade keine Distanzierung, sondern erweckt eher den Anschein, als wenn man diese Äußerung als maßgebend gelten lassen wollte, wenn man nur könnte. Ein Unterbinden weiterer Äußerungen führte insoweit auch nicht weiter, weil die entscheidende Äußerung ja bereits gefallen war und Wirkung entfaltet hatte. Der Beklagten wäre diese Äußerung als Werbung nur dann nicht zuzurechnen, wenn sie oder die Moderatorin auch in ihrem Namen ausdrücklich klargestellt hätten, dass sie diese fremde Äußerung im Hinblick auf ihr Nahrungsergänzungsmittel nicht billigen. Die Beklagte musste insoweit auch nicht erklären, dass die Äußerung objektiv falsch sei. Sie hätte auch den Hinweis geben können, diese krankheitsverhütende Eigenschaft des Produkts sei wissenschaftlich nicht erwiesen und das Produkt habe als Lebensmittel auch überhaupt nicht die Aufgabe, solche Krankheiten zu verhüten.

(4) Die Beklagte haftet für den Rechtsbruch im Rahmen ihres eigenen Handelns oder Duldens. Um einen Fall der sogenannten Störerhaftung geht es hier entgegen der Auffassung der Beklagten daher nicht.

4) Der Senat teilt nicht die verfassungsrechtlichen Bedenken der Beklagten an der Wirksamkeit des § 18 Abs. 1 LMBG. Die Vorschrift ist im Entwurf des LFGB erneut so gefasst worden und steht auch in Einklang mit dem europäischen Lebensmittelrecht. Das Verbot der krankheitsbezogenen Werbung ist durch ganz erhebliche Interessen der Allgemeinheit, insbesondere der Volksgesundheit gerechtfertigt und kann deshalb die Grundrechte der Gewerbetreibenden aus Art. 5 und 12 GG einschränken. Lebensmittel sollen grundsätzlich nicht der Verhütung, Beseitigung oder Linderung von Krankheiten dienen. Insbesondere soll die Furcht vor Krankheiten nicht für Werbeaussagen instrumentalisiert oder der Verbraucher davon abgehalten werden, rechtzeitig den Arzt aufzusuchen (vgl. BGH GRUR 1998, 493, 493 –Gelenk-Nahrung). Auch die weite Auslegung des Verwendungsbegriffes stellt in Anbetracht dieses Schutzzweckes keine Verletzung der Grundrechte der Beklagten aus Art. 5, 12 GG dar. Sie soll ausschließlich einer Umgehung der Schutzvorschrift entgegen wirken. Schließlich ergibt sich auch keine Besonderheit daraus, dass es sich um ein Nahrungsergänzungsmittel handelt. Grundsätzlich gelten auch insoweit dieselben Bestimmungen wie für alle Lebensmittel. Außerdem ist in § 1 Abs. 1 Nr. 1 NemV geregelt, dass krankheitsbezogene Bewerbung von Nahrungsergänzungsmitteln verboten ist. Aus den schon genannten Schutzzwecken darf auch insoweit in der Werbung kein Krankheitsbezug vorgenommen werden.

5) Die der Höhe nach unstreitigen Abmahnkosten nebst Zinsen kann der Kläger im Rahmen eines Aufwendungsersatzanspruchs nach den Grundsätzen der Geschäftsführung ohne Auftrag erstattet verlangen entsprechend der Regelung des § 12 Abs. 1 Satz 2 UWG, die für Abmahnungen in der Zeit nach dem 8. Juli 2004 gilt.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO in diesem speziellen Einzelfall mit seinen besonderen Umständen nicht vorliegen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs.1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10,

711, 713 ZPO.






OLG Hamm:
Urteil v. 10.02.2005
Az: 4 U 167/04


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