Bundesfinanzhof:
Urteil vom 18. Juni 2009
Aktenzeichen: V R 30/07
(BFH: Urteil v. 18.06.2009, Az.: V R 30/07)
Tatbestand
I. Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) war im Voranmeldungszeitraum April 2000 Gesellschafter und Geschäftsführer der X-GmbH (GmbH), die an im Inland ansässige Unternehmen sog. Eintragungsofferten versandte. Die "Eintragungsofferten" ähnelten Handelsregisterschreiben und enthielten Rechnungsangaben mit gesondertem Steuerausweis. Da hierdurch der Eindruck erweckt wurde, dass es sich um Kostenrechnungen des Handelsregisters für bereits erbrachte Leistungen handelte, wurde die GmbH wiederholt wegen Verstoßes gegen das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) abgemahnt, obwohl den Schreiben auch zu entnehmen war, dass sich der angeforderte Zahlungsbetrag auf eine erst noch zu erbringende Leistung, die Eintragung in ein privates Wirtschaftsregister bezog. Um die GmbH gegenüber Abmahnungen abzuschirmen, wurden die Eintragungsofferten unter dem Namen von "Verlagen" abgegeben, die der Kläger "gegründet" hatte. Zwischen den "Verlagen" und der GmbH bestanden sog. Treuhandverträge. Danach wurden die Verlage weisungsgebunden tätig (§ 2 des Treuhandvertrages) und erhielten für ihre Tätigkeit keine Vergütung (§ 4 des Treuhandvertrages). Die "Verlage" hatten gegenüber der GmbH zwar Anspruch auf Aufwendungsersatz, bei ihnen entstanden jedoch aus der unter ihrem Namen ausgeübten Tätigkeit keine Aufwendungen, so dass die GmbH keine Zahlungen an die "Verlage" zu leisten hatte.
Der Kläger ging davon aus, dass sich aus den Eintragungsofferten für ihn keine umsatzsteuerrechtlichen Konsequenzen ergeben, da die Tätigkeit der GmbH zuzurechnen sei.
Im Anschluss an eine bei der GmbH durchgeführte Außenprüfung nahm der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) den Kläger nach § 14 Abs. 3 des Umsatzsteuergesetzes 1980/1993 (UStG) wegen unberechtigten Steuerausweises in Anspruch, da der Kläger unter den Namen der jeweiligen Verlage nicht als Unternehmer tätig geworden sei. Die hiergegen eingelegte Klage hinsichtlich der Umsatzsteuer 1992 bis 1996 wurde wegen Versäumung der Klagefrist als unzulässig abgewiesen.
In seiner Umsatzsteuervoranmeldung für April 2000 erklärte der Kläger Vorsteuerbeträge in Höhe von 572 990,50 DM aus Rechnungen der GmbH. Die GmbH hatte in diesen Rechnungen die vom Kläger in den Vorjahren eingenommenen und an die GmbH abgeführten Beträge erfasst. Diese Beträge stellte sie dem Kläger nunmehr mit gesondert ausgewiesener Umsatzsteuer in Rechnung. Das FA lehnte den Vorsteuerabzug ab, da der Kläger nicht Unternehmer sei.
Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) ging davon aus, dass der Kläger nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt sei. Der Kläger sei als Unternehmer anzusehen, insbesondere habe er selbständig gehandelt. Er sei als Strohmann für die GmbH tätig gewesen, da die GmbH nach diversen Abmahnungen auf der Grundlage des UWG nicht mehr selbst nach außen in Erscheinung treten wollte. Mittels des Treuhandvertrages habe sie deshalb ihre Gesellschafter und damit auch den Kläger vorgeschoben, damit diese unter diversen Verlagsbezeichnungen zu Dritten (Kunden) in Kontakt treten und auch selbständig die Kundenaufträge abrechnen sollten. Für die Kunden sei die GmbH nicht erkennbar gewesen. Leistender Unternehmer sei die GmbH gewesen, die aufgrund der Treuhandvereinbarung mit dem Kläger die Leistungen berechtigterweise unter dem Namen des Klägers ausgeführt habe. Als Strohmann sei weiter auch der Kläger leistender Unternehmer. Für die Beurteilung der Unternehmereigenschaft eines Strohmannes sei auf die Sicht des Leistungsempfängers und damit auf die Sicht der Empfänger der Eintragungsleistungen abzustellen, denen die Existenz der GmbH nicht bekannt gewesen sei. Es sei für die Kunden nicht erkennbar gewesen, dass der Kläger nicht für eigene, sondern für fremde Rechnung, nämlich die der GmbH tätig geworden sei. Gleichwohl sei der Kläger aber nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt, da zwischen der GmbH und dem Kläger kein Leistungsaustausch stattgefunden habe. Steuerbar seien nur die Leistungen, die ein Unternehmer im Inland im Rahmen seines Unternehmens gegen Entgelt ausführe. Im Streitfall sei der Kläger für die GmbH nicht gegen Entgelt --also im Rahmen eines Geschäftsbesorgungsvertrages (§ 675 des Bürgerlichen Gesetzbuches --BGB--)-- tätig geworden. Nach § 4 des zwischen dem Kläger und der GmbH abgeschlossenen Treuhandvertrages habe der Kläger keine Vergütung erhalten. Die Treuhandverträge hätten dazu gedient, die GmbH vor Abmahnungen nach dem UWG "abzuschirmen". Diese Abschirmwirkung habe nach dem Willen der Vertragsparteien nicht mit Kosten für die GmbH verbunden sein sollen. Eine entgeltliche Geschäftsbesorgung, wie sie § 675 BGB voraussetze, liege deshalb nicht vor. Demgemäß fehle es auch an einem Leistungsaustausch zwischen GmbH und Kläger, so dass der Kläger aus Rechnungen der GmbH keinen Vorsteuerabzug beanspruchen könne. Auch die Beteiligung des Klägers an einem etwaigen Gewinn der GmbH könne nicht als Entgelt angesehen werden, da eine Gewinnbeteiligung im Gesellschaftsverhältnis begründet sei und damit einen anderen Rechtsgrund habe. Der Kläger habe somit zwar seinerseits eine Leistung an die GmbH erbracht, indem er die von den Kunden erhaltenen Zahlungen an die GmbH weitergeleitet habe; er habe für diese Leistung von der GmbH jedoch keine Gegenleistung erhalten. Auch die sog. Leistungskommission führe nicht zu einer abweichenden Beurteilung, da diese gleichfalls einen entgeltlichen Geschäftsbesorgungsvertrag und damit ein entgeltliches Rechtsgeschäft zwischen Auftraggeber und Beauftragtem voraussetzte. Daran fehle es. Der Umstand, dass der Kläger die Zahlungen der Kunden ggf. an die GmbH weitergeleitet habe, sei unerheblich.
Das Urteil des FG ist in "Entscheidungen der Finanzgerichte" (EFG) 2007, 1041 veröffentlicht.
Mit seiner Revision rügt der Kläger Verletzung materiellen Rechts. Im Rahmen einer Leistungskommission habe die GmbH Leistungen an den Kläger erbracht. Der Kläger habe durch die Weiterleitung der von den Kunden vereinnahmten Zahlungen für die Leistungen der GmbH ein Entgelt entrichtet. Ein Entgelt liege auch dann vor, wenn das herausgegeben werde, was durch die Geschäftsbesorgung erlangt werde. Einer weitergehenden, dem Kläger verbleibenden Vergütung bedürfe es nicht. Im Übrigen ergebe sich die entgeltliche Leistung zumindest daraus, dass dem Kläger nach §§ 662, 670 BGB ein Anspruch auf Aufwendungsersatz zugestanden habe, der durch den Treuhandvertrag nicht ausgeschlossen worden sei.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des FG und den Ablehnungsbescheid des FA vom 9. Juli 2001 in Gestalt des Einspruchsbescheides vom 25. März 2003 aufzuheben und das FA zu verpflichten, der Umsatzsteuervoranmeldung vom 14. April 2000 zuzustimmen und die Umsatzsteuer mit einem Erstattungsbetrag von 572 990,50 DM festzusetzen.
Das FA beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Der Kläger sei nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt, da er von der GmbH keine entgeltliche Leistung erhalten habe. Da der Kläger nach dem Treuhandvertrag für seine Tätigkeit kein Entgelt habe erhalten sollen, hätten die Vertragsparteien keinen entgeltlichen Leistungsaustausch vereinbart. Die Annahme einer fiktiven Leistung im Rahmen einer Leistungskommission komme nicht in Betracht. Ob der Kläger Aufwendungsersatz hätte beanspruchen können, sei unerheblich, da Aufwendungen ausschließlich und originär bei der GmbH angefallen seien und daher fraglich sei, ob überhaupt Aufwendungen des Klägers entstehen konnten. Die Herausgabe der von den Kunden erlangten Beträge führe auch nicht zu einem Entgelt, da der Kläger für diese Weiterleitung keine Gegenleistung erhalten habe.
Gründe
II. Die Revision ist unbegründet und war daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Der Kläger ist nicht Unternehmer (§ 2 Abs. 1 UStG) und daher auch nicht zum Vorsteuerabzug nach § 15 UStG berechtigt, so dass es nicht darauf ankommt, ob er von der GmbH im Rahmen eines Kommissionsverhältnisses entgeltliche Leistungen bezogen hat.
1. Gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 UStG ist Unternehmer, wer eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit selbständig ausübt. Gewerblich oder beruflich ist nach § 2 Abs. 1 Satz 3 UStG jede nachhaltige Tätigkeit zur Erzielung von Einnahmen, auch wenn die Absicht, Gewinn zu erzielen, fehlt. Bei richtlinienkonformer Anwendung entsprechend Art. 4 Abs. 1 und 2 der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG (Richtlinie 77/388/EWG) muss es sich dabei um eine wirtschaftliche Tätigkeit handeln (vgl. Urteile des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 12. Dezember 1996 V R 23/93, BFHE 182, 388, BStBl II 1997, 368; vom 28. Oktober 2004 V R 19/04, BFH/NV 2005, 725; vom 11. April 2008 V R 10/07, BFH/NV 2008, 1773, unter II.1., und vom 18. Dezember 2008 V R 80/07, BFH/NV 2009, 860, unter II.1.).
Eine derartige wirtschaftliche Tätigkeit nach Art. 4 der Richtlinie 77/388/EWG und damit eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit, die mit Einnahmeerzielungsabsicht ausgeübt wird (§ 2 Abs. 1 UStG), setzt voraus, dass der Unternehmer Leistungen gegen Entgelt erbringt oder zumindest zu erbringen beabsichtigt. Daher sind z.B. Eingriffe einer Holdinggesellschaft in die Verwaltung ihrer Tochtergesellschaft nur dann eine wirtschaftliche Tätigkeit i.S. von Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG, wenn diese Tätigkeiten gemäß Art. 2 der Richtlinie 77/388/EWG der Mehrwertsteuer unterliegen, es sich also um Leistungen gegen Entgelt handelt (vgl. z.B. Urteile des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften --EuGH-- vom 14. November 2000 Rs. C-142/99, Floridienne/Berginvest, Slg. 2000, I-9567 Rdnr. 19, und vom 27. September 2001 Rs. C-16/00, Cibo Participations, Slg. 2001, I-6663 Rdnr. 21). Der für die Beurteilung als wirtschaftliche Tätigkeit i.S. von § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG maßgebliche Leistungsaustausch setzt voraus, dass zwischen dem Unternehmer und dem Leistungsempfänger ein Rechtsverhältnis besteht, das einen unmittelbaren Zusammenhang zwischen Leistung und Entgelt begründet, so dass das Entgelt als Gegenwert für die Leistung anzusehen ist (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 5. Dezember 2007 V R 60/05, BFHE 219, 455, BStBl II 2009, 486, m.w.N. zur Rechtsprechung des EuGH und des BFH).
2. Der Kläger erbrachte im Streitfall keine steuerbaren Leistungen gegen Entgelt i.S. von § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG. Die Zahlungen der Offertenempfänger bezogen sich nicht auf die mit den Eintragungsofferten angebotene Leistung, so dass es an dem erforderlichen unmittelbaren Zusammenhang zwischen Leistung und Entgelt fehlt. Auf die vom FG für maßgeblich erachtete Frage der Leistungskommission kommt es daher nicht an.
Nach den mit begründeten Revisionsrügen nicht angegriffenen und daher für den Senat bindenden Feststellungen des FG (§ 118 Abs. 2 FGO) bestand die von der GmbH unter Einschaltung des Klägers ausgeübte Tätigkeit darin, gegenüber Adressaten, zu denen keine Geschäftsbeziehungen bestanden, "Eintragungsofferten" abzugeben, die Handelsregisterschreiben und Rechnungen ähnelten. Weiter wurde die GmbH wiederholt wegen Verstoßes gegen das UWG abgemahnt. Die Eintragungsofferten dienten dementsprechend dazu, beim Empfänger den unzutreffenden Eindruck hervorzurufen, dass es sich um Kostenrechnungen für die Eintragung in das amtlich geführte Handelsregister (§§ 8 ff. des Handelsgesetzbuches --HGB--) handele, während tatsächlich und für den aufmerksamen Leser erkennbar nur ein Angebot auf Eintragung in ein privates Wirtschaftsregister vorlag.
Schreiben, die wie im Streitfall nach der Art einer Rechnung Kosten und Bankverbindung besonders hervorheben und denen Anrede und Grußformel fehlen, dienen dazu, den Eindruck zu erzeugen, es würden bereits in Auftrag gegebene Leistungen in Rechnung gestellt, um darüber hinwegzutäuschen, dass es sich nur um Angebote auf Leistungserbringung handelt (vgl. Urteil des Bundesgerichtshofs --BGH-- vom 26. November 1997 I ZR 109/95, Der Betrieb 1998, 769, unter II.2.a (2) zur Anwendung von § 1 UWG auf Schreiben, die Einträge in ein privates "Wirtschaftsregister" anbieten). Selbst wenn ein aufmerksamer Leser erkennen kann, dass es sich nur um Angebotsschreiben handelt, sind derartige Schreiben darauf angelegt, aufgrund einer Irreführung dadurch zu wirtschaftlichen Vorteilen zu gelangen, dass der Empfänger den im Anschreiben angegebenen Betrag in der Annahme überweist, es handele sich um einen Rechnungsbetrag für eine bereits erbrachte Leistung (BGH-Urteil vom 26. Januar 1995 I ZR 39/93, Neue Juristische Wochenschrift 1995, 1361, unter III.1. zu § 1 UWG; vgl. auch BGH-Urteil vom 4. Dezember 2003 5 StR 308/03, Neue Zeitschrift für Strafrecht-Rechtsprechungsreport 2004, 110, unter II.1.a und II.2., zu § 263 des Strafgesetzbuchs). Damit fehlt es an dem für den steuerbaren Leistungsaustausch erforderlichen unmittelbaren Zusammenhang zwischen der tatsächlich angebotenen Leistung, der Eintragung in ein privates Wirtschaftsregister, und dem Entgelt, der Zahlung der Offertenempfänger. Während das Entgelt aufgrund einer beabsichtigten Irreführung als Gegenwert für eine bereits erbrachte Leistung (Handelsregistereintragung) entrichtet werden soll, stellt es bei objektiver Betrachtung den Gegenwert für eine erst noch zu erbringende Leistung dar. Die mit den Schreiben angeforderten Zahlungen sind unter diesen besonderen Umständen nicht als Gegenwert für die in den Schreiben angebotene Leistung anzusehen.
BFH:
Urteil v. 18.06.2009
Az: V R 30/07
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