Bundespatentgericht:
Beschluss vom 18. Februar 2003
Aktenzeichen: 23 W (pat) 5/02

(BPatG: Beschluss v. 18.02.2003, Az.: 23 W (pat) 5/02)

Tenor

Auf die Beschwerde der Einsprechenden wird der Beschluss der Patentabteilung 34 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 25. Oktober 2001 aufgehoben und das Patent 44 16 460 widerrufen.

G R Ü N D E I Die Prüfungsstelle für Klasse H 05 K des Deutschen Patent- und Markenamts hat auf die am 10. Mai 1994 eingereichte Patentanmeldung das am 11. April 1996 veröffentlichte Patent 44 16 460 mit der Bezeichnung "Schaltungsanordnung, insbesondere zur Gebläsesteuerung für Kraftfahrzeuge" (Streitpatent) erteilt.

Die Patentabteilung 34 des Deutschen Patent- und Markenamts hat das Patent nach Prüfung eines für zulässig erklärten Einspruchs mit Beschluss vom 25. Oktober 2001 in vollem Umfang aufrechterhalten.

Zur Begründung ist ausgeführt, dass die im Oberbegriff des erteilten Anspruchs 1 angegebene Formulierung "insbesondere zur Gebläsesteuerung für Kraftfahrzeuge" kein Sachmerkmal beträfe, sondern lediglich einen Hinweis zur Verwendung der patentgemäßen Schaltungsanordnung. In der ursprünglichen Beschreibung sei darüber hinaus angegeben, dass derartige Schaltungsanordnungen insbesondere zur Ansteuerung von Lüftungsgebläsen in Heiz- und Klimaanlagen von Kraftfahrzeugen dienen (ursp. Beschreibung, Seite 1, 2. Absatz, 1. bis 3. Zeile). Aus diesem Hinweis und auch aus dem Gesamtinhalt der Patentanmeldung entnehme der Fachmann, dass die Schaltungsanordnung auch für andere Anwendungen vorgesehen sein kann. Insofern sei der Gegenstand des erteiltren Anspruchs 1 entgegen der Auffassung der Einsprechenden gegenüber dem Gegenstand des ursprünglich eingereichten Anspruchs 1 nicht unzulässig erweitert.

Der unbestritten gewerblich anwendbare Gegenstand des erteilten Patentanspruchs 1 sei im Hinblick auf den Stand der Technik gemäß den von der Einsprechenden erstmals genannten Entgegenhaltungen - deutsche Offenlegungsschrift 42 22 838 [ = D4 ]

- deutsche Offenlegungsschrift 42 04 391 [ = D5 ]

- deutsche Offenlegungsschrift 41 07 312 [ = D6 ] und - deutsche Offenlegungsschrift 41 18 398 [ = D7 ]

sowie im Hinblick auf den Stand der Technik gemäß den bereits im Prüfungsverfahren in Betracht gezogenen Entgegenhaltungen - deutsche Offenlegungsschrift 25 54 747 [ = D1 ]

- deutsche Patentschrift 39 35 272 [ = D2 ] und - deutsche Offenlegungsschrift 34 09 037 [ = D3 ]

neu und beruhe diesem gegenüber auch auf einer erfinderischen Tätigkeit des Durchschnittsfachmanns.

Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der Einsprechenden.

Der angegriffene Patentanspruch 1 lautet:

"Schaltungsanordnung, insbesondere zur Gebläsesteuerung für Kraftfahrzeuge, mit einem Kühlkörper (1), mit einem wärmeerzeugenden elektrischen Bauelement (3), das auf dem Kühlkörper (1) befestigt ist, mit elektrischen Anschlusselementen (4) und mit einem Gehäuseteil (5), dass das elektrische Bauelement (3) gegen Umgebungseinflüsse schützt, dadurch gekennzeichnet, dass zwischen dem Bauelement (3) und dem Kühlkörper (1) ein Metallblech (6) angeordnet ist, dessen Fläche größer ist als die Grundfläche des Bauelements (3) ist und kleiner ist als die Grundfläche des Kühlkörpers (1) und dass das Bauelement (3) mit dem Metallblech (6) verlötet ist."

Die Einsprechende hat in Ergänzung ihrer Beschwerdebegründung vom 2. Mai 2002, in der sie sich auf die vorstehend genannten Druckschriften D2, D4 und D6 stützt, mit Eingabe vom 4. Februar 2003 noch die - PCT-Offenlegungsschrift WO 92 / 22 090 [ = D8 ]

ins Verfahren eingeführt. Sie vertritt die Auffassung, dass der Gegenstand des erteilten Patentanspruchs 1 durch diese Druckschrift neuheitsschädlich vorweggenommen wird.

Die Einsprechende stellt den Antrag aus ihrer Beschwerdeschrift vom 13. Dezember 2001, nämlichden Beschluss der Patentabteilung 34 des Deutschen Patent- und Markenamts aufzuheben und das Patent 44 16 460 zu widerrufen.

Die ordnungsgemäß geladene, zur mündlichen Verhandlung jedoch -- wie mit Schriftsatz vom 10. Februar 2003 angekündigt -- nicht erschienene Patentinhaberin verteidigt das Streitpatent im Beschwerdeverfahren weiterhin mit dem erteilten Patentanspruch 1, ohne dass sie insoweit einen konkreten Antrag stellt.

Hinsichtlich der erteilten Unteransprüche 2 bis 10 wird auf die Patentschrift und hinsichtlich weiterer Einzelheiten auf den Akteninhalt verwiesen.

II Die zulässige Beschwerde der Einsprechenden ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zum Widerruf des Patents, weil sich der Gegenstand des verteidigten Patentanspruchs 1 nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung als nicht patentfähig erweist.

1. Es kann dahinstehen, ob der verteidigte Patentanspruch 1 unzulässig erweitert ist, denn die Beschwerde der Einsprechenden hat jedenfalls deshalb Erfolg, weil der beanspruchte Gegenstand mangels Neuheit nicht patentfähig ist (vgl. hierzu BGH GRUR 1991, 120, 121, li Sp Abs. 3 - "Elastische Bandage" ). Gleichwohl bestehen seitens des Senats erhebliche Bedenken hinsichtlich der Zulässigkeit des Anspruchs 1 des Streitpatents.

2. Im Oberbegriff des verteidigten Patentanspruchs 1 wird von einer Schaltungsanordnung, insbesondere zur Gebläsesteuerung für Kraftfahrzeuge ausgegangen, wie sie aus der eingangs genannten Druckschrift D1 bekannt ist (vgl. dort den Anspruch 1 iVm der Figur 1 und der zugehörigen Beschreibung Seite 5 (handschriftlich), vorletzter Absatz). Bei dieser bekannten, gattungsgemäßen Schaltungsanordnung ist das elektrische Bauelement (Leistungsteil 3) direkt mit dem Kühlkörper (Grundplatte 1) verlötet, was nach den Angaben in der Streitpatentschrift insofern als nachteilig anzusehen ist, als der Leistungsbedarf z.B. der verwendeten Gebläsemotoren häufig so groß ist, dass zur Vermeidung einer Überhitzung der wärmeerzeugenden elektrischen Bauelemente mehrere derartige Bauelemente verwendet werden müssen. Diese Überhitzung kommt, wie weiter ausgeführt wird, dadurch zustande, dass die Kontaktfläche der Bauelemente auf dem Kühlkörper jeweils nur eine geringe Größe aufweist, und insofern die erforderliche Wärmeabfuhr vom wärmeerzeugenden Bauelement zum Kühlkörper nur unvollständig erfolgen kann (Spalte 1, Zeile 33 bis 46). Die verwendeten Leistungstransistoren als wärmeerzeugende Bauelemente seien jedoch, verglichen mit dem Gesamtwert der Schaltungsanordnung, sehr teuer, so dass beispielsweise die Verwendung zweier derartiger Bauelemente statt eines Bauelements den Gesamtpreis der Schaltungsanordnung stark erhöhe. Ein Verzicht auf eines oder mehrere dieser Bauelemente führe jedoch zu einer thermischen Überlastung dieser Bauelemente (Spalte 1, Zeile 47 bis 54).

Vor diesem Hintergrund liegt dem Streitpatentgegenstand als technisches Problem die Aufgabe zugrunde, eine Schaltungsanordnung, insbesondere zur Gebläsesteuerung für Kraftfahrzeuge zu schaffen, bei der die Wärmeabfuhr von dem wärmeerzeugenden Bauelement zum Kühlkörper soweit verbessert ist, dass die Zahl der erforderlichen Bauelemente gegenüber dem Vorbekannten reduziert werden kann (Spalte 1, Zeile 58 bis 64).

Diese Aufgabe soll bei einer gattungsgemäßen Schaltungsanordnung mit den Merkmalen nach dem kennzeichnenden Teil des verteidigten Patentanspruchs 1 gelöst werden (Spalte 1, Zeile 65 bis Spalte 2, Zeile 2), wobei es insbesondere darauf ankommt,

- dass zwischen dem Bauelement (3) und dem Kühlkörper (1) ein Metallblech (6) angeordnet ist, dessen Fläche größer ist als die Grundfläche des Bauelements, da hierdurch die thermische Kopplung zwischen dem Metallblech (6) und dem darunter liegenden Kühlkörper (1) gegenüber dem Vorbekannten soweit verbessert wird, dass in einem konkreten Fall statt zweier wärmeerzeugender Bauelemente ein derartiges Bauelement verwendet werden kann (Spalte 2, Zeile 11 bis 20). Dadurch,

- dass ferner zwischen dem wärmeerzeugenden Bauelement (3) und dem Metallblech (6) eine Lötverbindung vorgesehen ist, ist darüber hinaus eine sehr gute thermische Kopplung zwischen diesen beiden Bauteilen gewährleistet (Spalte 2, Zeile 3 bis 10).

3. Die Schaltungsanordnung nach dem verteidigten Patentanspruch 1 ist zweifelsohne gewerblich anwendbar (§ 5 PatG); sie ist jedoch im Hinblick auf den aus der Druckschrift D8 bekannten Stand der Technik nicht mehr neu (§ 3 PatG).

Der hier in Rede stehende Durchschnittsfachmann ist ein mit der Entwicklung von Schaltungsanordnungen befasster, berufserfahrener Fachhochschulingenieur der Fachrichtung Elektrotechnik, der sich im Rahmen seiner Tätigkeit insbesondere auch mit Fragen der Kühlung von wärmeerzeugenden elektrischen Bauelementen beschäftigt.

Dieser Fachmann entnimmt der Druckschrift D8 eine gattungsgemäße Schaltungsanordnung mit einem Kühlkörper (heat sink 27), einem wärmeerzeugenden elektrischen Bauelement (heat generating semiconductor device 10), das auf dem Kühlkörper befestigt ist, mit elektrischen Anschlusselementen (both leaded and leadless packages may be employed, vgl. Seite 5, Zeile 10 und 11) und mit einem Gehäuseteil (cover 21), welches das Bauelement gegen Umgebungseinflüsse schützt (Figuren 1 und 2 iVm der zugehörigen Beschreibung Seite 4, 1. Absatz bis Seite 6, 1. Absatz). Darüber hinaus erkennt der Fachmann, dass zwischen dem Bauelement und dem Kühlkörper entsprechend den Merkmalen des kennzeichnenden Teils des verteidigten Patentanspruchs 1 ein Metallblech (thermally conductive member 22) angeordnet ist, dessen Fläche größer ist als die Grundfläche des Bauelements und kleiner als die Grundfläche des Kühlkörpers, wobei das Bauelement mit dem Blech verlötet ist (tin/lead solder 13) (vgl. Figur 2 und Seite 4, Zeile 28 bis Seite 5, Zeile 1).

Dem diesbezügliche Einwand der Patentinhaberin in ihrem Schriftsatz vom 10. Februar 2003, die kennzeichnenden Merkmale des Gegenstandes gemäß Anspruch 1 des Streitpatents seien beim Stand der Technik gemäß Druckschrift D8 nicht nachweisbar, vermag sich der Senat nicht anzuschließen (Seite 2, 2. Absatz). Soweit die Patentinhaberin nämlich unter Hinweis auf das Lexikon BROCKHAUS Naturwissenschaften und Technik, Sonderausgabe, F. A. Brockhaus Mannheim, Bd. 1, A - Ek., 1989, Seite 148, geltend macht, es handle sich bei dem wärmeleitenden Element (22) in der Figur 2 der D8 nicht um ein Blech im Sinne des Patentgegenstandes, weil es ein stufenförmiges Profil aufweist, so übersieht sie, dass dem technischen Sprachgebrauch zufolge unter einem Blech nicht nur "gewalztes Metall in Form von ebenen, planen Tafeln oder Bändern" zu verstehen ist. Vielmehr ist von dem besagten Begriff, wie sich der Zitatstelle einige Zeilen weiter unten entnehmen lässt, auch Metall umfasst, das nach der Profilierung in Form von Riffel-, Raupen-, Tränen- oder Warzenblech vorliegt, mitnichten also ausschließlich eben und flach sein muss, sondern beispielsweise auch ein stufenförmiges Profil in Form sogenannter Warzen aufweisen kann, wie dies ersichtlich beim Stand der Technik nach der D8 der Fall ist (Figur 2).

Auch dem Einwand der Patentinhaberin in der oben genannten Eingabe vom 10. Februar 2003, beim Stand der Technik der gemäß Druckschrift D8 sei die Grundfläche des Bauelements größer als die Fläche des wärmeleitenden Elements (22), kann nicht beigetreten werden (Seite 2, 4. Absatz). Denn für die auch bei diesem Stand der Technik angestrebte Verbesserung der Wärmeabfuhr vom Bauelement zur Wärmesenke (27) (Seite 2, letzter Absatz bis Seite 3, 1. Absatz) kommt es, wie der vorstehend definierte Fachmann bei der aufmerksamen Lektüre der D8 ohne weiteres erkennt (vgl. BGH GRUR 1995, 330, L2 - "Elektrische Steckverbindung") in erster Linie nur darauf an, dass die Grundfläche der Komponente, die tatsächlich Verlustwärme erzeugt, kleiner ist als die angrenzende Grundfläche der Komponente, über welche die Wärme abgeführt werden soll, weil dann nämlich ein thermischer Engpass vermieden wird und der Wärmestrom divergieren kann. So verhält es sich bei dem in Figur 2 der D8 gezeigten Ausführungsbeispiel. Denn die dort anfallende Verlustwärme stammt ausschließlich von dem elektronischen Bauelement (10), dessen Grundfläche zweifelsohne kleiner ist als die Grundfläche des Blechs (22) in seinem nach oben abgestuften Bereich, auf welchem das Bauelement (10) zusammen mit seinem Substrat (ohne Bezugszeichen), das selbst natürlich keine Wärme erzeugt, aufliegt. Die Tatsache, dass die Fläche dieses Substrats die Fläche des Blechs (22) an der Auflagefläche übersteigt, ist für die Wärmeabfuhr insoweit unerheblich und vermag die Neuheit des Patentgegenstandes nicht zu begründen.

Nach alledem erweist sich die Schaltungsanordnung nach dem verteidigten Patentanspruch 1 gegenüber dem Stand der Technik gemäß der Druckschrift D8 als nicht patentfähig.

4. Mit dem verteidigten Patentanspruch 1 fallen auch die darauf zurückbezogenen, erteilten Unteransprüche 2 bis 10. Einen eigenen erfinderischen Gehalt hat die Patentinhaberin für diese echten Unteransprüche im übrigen nicht geltend gemacht.

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