Verwaltungsgericht Münster:
Urteil vom 25. Juli 2006
Aktenzeichen: 5 K 1808/05

(VG Münster: Urteil v. 25.07.2006, Az.: 5 K 1808/05)

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden, einschließlich der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 v. H. des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte bzw. der Beigeladene vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darüber, ob die dem beigeladenen Arbeitgeber des Klägers von dem Beklagten erteilte Zustimmung zur außerordentlichen fristlosen Kündigung des Klägers rechtsmäßig ist.

Der im Jahre 1951 geborene Kläger ist Schwerbehinderter mit einem Grad der Behinderung (GdB) von 50. Er ist verheiratet und hat drei unterhaltsberechtigte Kinder. Seit dem 1. März 1984 war er bei dem Beigeladenen, dem Caritasverband S e. V., als Sozialarbeiter in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis beschäftigt. Er war im sogenannten ambulanten Dienst tätig. Sein Tätigkeitsschwerpunkt war die Schuldner- und Insolvenzberatung. Im Rahmen seiner Tätigkeit hatte er Termine mit seinen Klienten sowohl in seinem Büro als auch in den jeweiligen Familien wahrzunehmen. Es gehörte ferner zu seinen Aufgaben, Kontakte zu Gläubigern und zu Banken aufzunehmen, wo er ebenfalls Termine wahrzunehmen hatte. An seinem Arbeitsplatz, der sich in einem abschließbaren Einzelbüro befand, verfügte der Kläger über einen eigenen PC mit passwortgeschütztem Zugang.

Der Arbeitgeber des Klägers verfügt über insgesamt ca. 1.000 Arbeitsplätze und beschäftigt bei 58 Pflichtplätzen 39 schwerbehinderte Arbeitnehmer.

Im Zeitraum September/Anfang Oktober 2004 kam es bei dem Arbeitgeber des Klägers zu Problemen innerhalb des EDV-Netzwerkes, die durch sogenannte „Computerviren" entstehen. Nachdem diese Probleme sich häuften, wurde seitens des zuständigen EDV-Leiters nach der Ursache geforscht. Im Rahmen dieser Ursachenermittlung wurden die Personalcomputer der Mitarbeiter überprüft. Dabei stellte der zuständige EDV-Leiter auf dem Personalcomputer des Klägers am 18. Oktober 2004 eine große Anzahl von Bilddateien mit pornografischem Inhalt fest. Es handelte sich um ca. 20 Dateiordner mit etwa 15.000 Bilddateien. Die reine Speicherzahl für diese Dateien betrug sieben Stunden und 28 Minuten. Daraufhin informierte der EDV-Leiter bei dem Beklagten die Geschäftsführung, die den Kläger zu einem persönlichen Gespräch aufforderte, das am 18. Oktober 2004 im Beisein des Abteilungsleiters, der stellvertretenden Vorsitzenden der Mitarbeitervertretung und des EDV-Leiters statt fand. Im Beisein des Klägers öffnete der zuständige Netzwerk-Administrator die Dateien auf dessen Arbeits-PC; dabei stellte sich heraus, dass die Internetseiten von Januar 2004 bis September 2004 in sogenannten Cache- Dateien abgelegt worden waren.

Unter Bezugnahme auf diesen Sachverhalt beantragte der Arbeitgeber des Klägers mit am 29. Oktober 2004 beim Beklagten eingegangenen Antrag die Zustimmung zur außerordentlichen fristlosen Kündigung, hilfsweise zur ordentlichen fristgerechten Kündigung des Klägers. Zur Begründung führte er aus, dass die Fortsetzung des Dienstverhältnisses zwischen dem Arbeitgeber und dem Kläger unzumutbar sei. Der Umstand, dass der Kläger seit Januar 2004 während der Arbeitszeit in großem Umfang und regelmäßig Internetseiten und Bildmaterial mit eindeutig pornografischem Inhalt aufgerufen habe, beinhalte einen Vertragsverstoß, der eine schwerwiegende Verletzung gegen die Sittengesetze der Kirche darstelle. Allein der Ordner vom 13. August 2004 habe bereits 199 pornografische Abbildungen enthalten. Die Überprüfung habe ergeben, dass sich auf dem PC keinerlei Manipulationen befänden, z. B. durch Dialer. Somit sei es technisch völlig auszuschließen, dass die im Cache befindlichen Dateien ohne jedes Hinzutun des Klägers in den PC gelangt seien. Der Arbeitgeber sei auch berechtigt, die Dateien auszuwerten; datenschutzrechtliche Verstöße seien nicht ersichtlich.

Diesem Antrag auf Erteilung der Zustimmung zur Kündigung wiedersprach der Kläger. Zur Begründung führte er aus, dass der PC an seinem Arbeitsplatz keinerlei Bilddateien pornografischen Inhalts enthalte. Der EDV-Mitarbeiter habe lediglich festgestellt, dass in den Cache-Dateien eine Vielzahl von Bildern dokumentiert seien, die er im Internet aufgerufen (nicht abgerufen) und daher angesehen haben müsse. Diese Internetseiten habe er nicht bewusst aufgesucht. Sie seien vielmehr durch unbewusstes Anklicken von Internetseiten und/oder Links in den Cache-Dateien registriert worden. Richtig sei, dass er auf Anraten einer Kollegin im Juli bzw. August einige Male unter seinem Namen, dem Vornamen seiner Ehefrau und auch unter ihrem Beruf das Internet aufgerufen habe. Die daraufhin erschienenen Links habe er teilweise angeklickt. Infolge dessen sei immer wieder eine Vielzahl von Bildern plötzlich zur gleichen Zeit erschienen, die nicht zu stoppen gewesen seien. Sämtliche dieser durch anklicken von Links bewusst bzw. unbewusst aufgerufenen Bilder seien in der Cache-Datei registriert. Sie seien aber keineswegs von ihm bewusst aufgerufen oder angeschaut worden. Bei seinem Arbeitgeber existierten keine Richtlinien über die Internetnutzung zu dienstlichen oder zu privaten Zwecken. Deshalb habe er auch keine Verpflichtungserklärungen abgegeben, die Internetnutzung am Arbeitsplatz außerhalb seiner rein dienstlichen Tätigkeit zu unterlassen. Auch sei ihm nicht bekannt gewesen, dass der Arbeitgeber trotz Löschung aller Dateien in der Lage sei, im Nachhinein über die Cache-Dateien seine Verweildauer im Internet zu überprüfen und seine Internetnutzung auszuwerten. Eine solche heimliche Überprüfung des Internetsverhaltens eines Arbeitnehmers an seinem Arbeitsplatz sei nach seiner Überzeugung rechtlich unzulässig, deshalb widerspreche er einer Verwertung dieser Dateien ausdrücklich. Die Auswertung der auf seinem PC gespeicherten Cache-Dateien verstoße gegen das Bundesdatenschutzgesetz. Nach § 33 dieses Gesetzes sei der Betroffene von einer Datenspeicherung zu benachrichtigen, wenn erstmals personenbezogene Daten über ihn gespeichert würden bzw. erstmals an Dritte übermittelt würden. Ihm stünde daher ein Berichtigungs- und ein Löschungsanspruch, sowie ferner ein Anspruch auf Sperrung zu. Ohne die Einwilligung des Betroffenen dürften die Daten nicht übermittelt oder genutzt werden. Jegliche Art der Datenverarbeitung, die unter Verletzung der Beteiligungsrechte der Mitarbeitervertretung geschehe, sei unzulässig und daher rechtswidrig. Sein Persönlichkeitsrecht umfasse die Befugnis, selbst zu entscheiden, wann und innerhalb welcher Grenzen er persönliche Lebenssachverhalte offenbare. Durch die Auswertung durch den Arbeitgeber sei dieses Persönlichkeitsrecht verletzt worden. Damit sei die Auswertung und Überprüfung der Cache-Dateien rechtswidrig, weshalb die Ergebnisse gerichtlich nicht verwertet werden dürfen. Schließlich sei eine rechtlich unzulässige geheime Überwachung zwecks Erforschung seines Verhaltens im Internet zur Überprüfung seiner Gesinnung nicht mit den Grundsätzen des § 1 der Richtlinien für Arbeitsverträge in den Einrichtungen des Deutschen Caritasverbandes (AVR) in Einklang zu bringen.

Die Schwerbehindertenvertretung bei dem Beklagten führte anlässlich ihrer Anhörung aus, dass das Ansehen pornografischen Bildmaterials am Arbeitsplatz schon für sich und erst recht bei einem kirchlichen Träger ein grobes Fehlverhalten darstelle. Der von dem Kläger dargestellte Zusammenhang hinsichtlich des Bildmaterials sei gedanklich nachvollziehbar und technisch möglich. Das private Surfen im Internet sowie die vom Kläger vorgenommenen Einkäufe privater Natur im Internet komplettierten sein Fehlverhalten. Da dieser Vorgang insgesamt nicht im Zusammenhang mit der Behinderung des Klägers stehe und der Kläger den Sachverhalt an sich eingeräumt habe, schließe man sich nach derzeitigem Informationsstand der Entscheidung der Geschäftsführung an.

Auch die Mitarbeitervertretung erhob gegen die außerordentliche Kündigung des Klägers keine Einwendungen. Die stellvertretende Vorsitzende der Mitarbeitervertretung führte aus, dass sie an allen Gesprächen zwischen den Vertretern des Arbeitgebers und dem Kläger teilgenommen habe. Darüber hinaus habe sie ein persönliches Gespräch und mehrere Telefonate mit dem Kläger geführt. Dabei habe der Kläger in allen Gesprächen eingeräumt, dass er mehrfach im Internet auf pornografische Seiten gelangt sei und sich diese auch angesehen habe. Zur weiteren Erläuterung habe er angegeben, dass auch Angaben seiner Klienten dazu, wie leicht es sei, im Internet auf pornografische Seite zu gelangen, ihn dazu veranlasst hätten, in Erfahrung zu bringen, ob dies zutreffend sei.

Daraufhin erteilte das Integrationsamt bei dem Beklagten mit Bescheid vom 12. November 2004 die Zustimmung zur außerordentlichen Kündigung des Klägers durch den beigeladenen Arbeitgeber. Hiergegen legte der Kläger am 23. November 2004 Widerspruch ein. Daraufhin begründete das Integrationsamt die zustimmende Entscheidung mit Bescheid vom 13. Januar 2005 im Wesentlichen damit, dass ein Zusammenhang zwischen den vom Arbeitgeber vorgetragenen Kündigungsgründen und der Schwerbehinderung des Klägers nicht bestehe. Das Integrationsamt habe daher im Rahmen eines nur sehr eingeschränkten Ermessens zu entscheiden. Eine versagende Entscheidung sei allenfalls dann gerechtfertigt, wenn offensichtlich kein eine außerordentliche Kündigung rechtfertigender Grund vorliege; hiervon sei indes nicht auszugehen.

Hiergegen hat der Kläger am 14. Februar 2005 Widerspruch eingelegt. Zur Begründung beruft er sich auf die bereits bei seiner Anhörung vorgetragenen Ausführungen, wonach die Überprüfung seines am Arbeitsplatz genutzten PC und die Auswertung und Verwendung der dabei gefundenen Dateien rechtswidrig sei. Das Verhalten des Arbeitgebers laufe auf eine totale heimliche Überwachung zum Zwecke der Gesinnungsüberprüfung hinaus. Zudem sei der Arbeitgeber nicht in der Lage, auch nur ein einziges Bild pornografischen Inhalts, das sich in den Cache- Dateien befinde, zu bezeichnen, welches er sich auf dem Bildschirm angesehen haben müsse. Vielmehr handele es sich lediglich um Vermutungen und Unterstellungen. Dieses sowie das Beweisverwertungsverbot und ferner die Tatsache, dass die Cache-Dateien automatisch erstellt würden, ohne dass er davon Kenntnis gehabt habe, führe dazu, dass die Feststellungen nicht ausgewertet werden dürften. Zwar habe er zuvor seine Zustimmung zur Überprüfung seines PC erteilt. Das beinhalte jedoch nicht die Erlaubnis, für ihn geheime, automatisch gespeicherte Dateien auszuspähen und sein Surf-Verhalten auszuwerten. Ihm sei nicht vorab offenbart worden, dass man ausschließlich dieses sichten wolle. Im Übrigen betone er wiederholt, dass er die entsprechenden Seiten im Internet nicht absichtlich aufgerufen habe. Neben alldem sei ferner zu berücksichtigen, dass er eine außergewöhnlich lange Betriebszugehörigkeit aufweisen könne, sowie weiter, dass ein ausdrückliches Verbot privater Internetnutzung bei seinem Arbeitgeber nicht bestehe und er auch nicht entsprechend abgemahnt worden sei. Schließlich liege ein wichtiger Grund für eine außerordentliche Kündigung auf Grund eines Verstoßes gegen § 16 Abs. 1 Satz 2 AVR nur bei schweren Vergehen gegen Sittengesetze der katholischen Kirche vor. Soweit der Arbeitgeber diesbezüglich einen Verstoß gegen den katholischen Katechismus geltend mache, sei die Mitarbeitervertretung hierzu nicht angehört worden.

Der Arbeitgeber des Klägers führte hierzu aus, dass mehrere wichtige Gründe für eine außerordentliche Kündigung vorgelegen hätten. Insoweit sei zunächst darauf abzustellen, dass der Kläger den ihm dienstlich zur Verfügung gestellten PC an seinem Arbeitsplatz privat genutzt habe sowie, dass dies durchgängig während seiner Arbeitszeit geschehen sei. Schließlich stelle das Aufrufen einer erheblichen Menge pornografischen Bildmaterials einen Verstoß gegen die Glaubens- und Sittenlehre der katholischen Kirche und damit zugleich gegen die allgemeinen Dienstpflichten des Klägers dar. Gemäß § 4 Abs. 3 AVR würden sich die Mitarbeiter in den Einrichtungen des Deutschen Caritasverbandes dazu verpflichten, ihre persönliche Lebensführung nach der Glaubens- und Sittenlehre sowie den übrigen Normen der katholischen Kirche einzurichten. Pornografie sei allerdings nach dem katholischen Katechismus auch beim Betrachter eine schwere Verfehlung. Die festgestellten Pflichtverstöße durch den Kläger in Bezug auf seine PC- und Internet- Nutzung seien auch ohne Weiteres verwertbar und unterlägen weder einem allgemeinen Verwertungsverbot noch einem Verwertungsverbot nach dem Bundesdatenschutzgesetz. Beweisverwertungsverbote ergäben sich regelmäßig daraus, dass tatsächliche Vorgänge, insbesondere Datenübertragungsvorgänge, in nicht zulässiger Weise mitverfolgt würden. Hingegen würden solche Daten einem Verwertungsverbot nicht unterliegen, die bereits auf einem Datenträger des Arbeitgebers gespeichert und erst danach festgestellt und gesichtet worden seien. So liege der Fall aber hier, da der PC des Klägers erst wegen der aufgetretenen technischen Probleme überprüft worden sei. Zudem habe der Kläger die Pflichtverletzungen im Rahmen seiner Anhörung am 18. Oktober 2004 auch eingestanden; auch der Sichtung des Dateiordners hab er mit keinem Wort widersprochen. Schließlich liege ein Verstoß gegen § 4 des Bundesdatenschutzgesetzes (BDSG) auch schon deshalb nicht vor, da dieses im vorliegenden Falle keine Anwendung finden würde; der Arbeitgeber sei nämlich eine karitative kirchliche Einrichtung, für die die sogenannte Anordnung über den kirchlichen Datenschutz (KDO) Geltung habe. Diese entspreche allerdings unter Berücksichtigung der Besonderheiten der kirchlichen Einrichtungsträger in weiten Zügen dem BDSG. Der Schutzbereich des § 3 Abs. 1 KDO sei aber nicht verletzt, weil die im Cache abgelegten Bilddateien keine sogenannten personenbezogenen Daten darstellten. Schließlich käme ein Verwertungsverbot auch deshalb nicht in Betracht, weil der Kläger weder im Antragsverfahren auf Zustimmung zur außerordentlichen Kündigung noch im Schlichtungsverfahren bei dem Arbeitgeber noch im Kündigungsschutzverfahren vor dem Arbeitsgericht bestritten habe, dass sich die festgestellten pornografischen Bilddateien im Cache seines Dienst-PC befunden hätten.

Das zwischen dem Kläger und dem Beigeladenen durchgeführte Schlichtungsverfahren blieb erfolglos.

Am 12. November 2004 hat der Beigeladene die außerordentliche fristlose Kündigung ausgesprochen. Hiergegen hat der Kläger ein arbeitsgerichtliches Kündigungsschutzverfahren vor dem Arbeitsgericht in S anhängig gemacht.

Mit Widerspruchsbescheid vom 22. Juli 2005 wies der Beklagte den Widerspruch des Klägers als unbegründet zurück. Diese Entscheidung war darauf gestützt, dass das Integrationsamt die Zustimmung zur außerordentlichen Kündigung eines schwerbehinderten Arbeitnehmers gemäß § 91 Abs. 4 des Sozialgesetzbuches (SGB) IX erteilen soll, wenn die Kündigung aus einem Grund erfolgen soll, der nicht im Zusammenhang mit der Behinderung steht. Die Voraussetzungen dieser Norm seien vorliegend erfüllt, da ein Zusammenhang zwischen den vom Arbeitgeber geltend gemachten Kündigungsgründen und den anerkannten Behinderungen des Klägers nicht ersichtlich sei. Ein derartiger Zusammenhang sei auch vom Kläger selbst nicht geltend gemacht worden. Dem Wesen dieser Vorschrift als einer Sollvorschrift entsprechend dürfe das Integrationsamt im Regelfall keine andere Entscheidung treffen, als die vom Arbeitgeber beantragte Zustimmung zur außerordentlichen Kündigung zu erteilen, wenn ein Zusammenhang zwischen Behinderung und Kündigungsgründen nicht bestehe. Diese drastische Einschränkung des Abwägungsermessens zu Lasten des schwerbehinderten Arbeitnehmers entspreche nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts sowohl dem Zweck als auch der Entstehungsgeschichte des Kündigungsschutzes für schwerbehinderte Arbeitnehmer. § 91 Abs. 4 SGB IX beruhe auf der gesetzlichen Wertung, dass dem Kündigungsinteresse des Arbeitgebers grundsätzlich der Vorrang vor dem Interesse des schwerbehinderten Menschen an der Erhaltung seines Arbeitsplatzes einzuräumen sei, wenn der behinderte Arbeitnehmer einen Grund für die außerordentliche Kündigung gegeben habe, der nicht im Zusammenhang mit seiner Behinderung stehe. Bei einem solchen fehlenden Behinderungszusammenhang dürfe die Zustimmung nur ausnahmsweise dann versagt werden, wenn sachliche Gründe ein Abweichen von der Sollvorschrift des § 91 Abs. 4 SGB IX rechtfertigten. Die Behörde könne nur dann anders als im Gesetz vorgesehen verfahren und nach eigenem pflichtgemäßen Ermessen entscheiden, wenn Umstände vorlägen, die den Fall als atypisch erscheinen ließen. Das sei dann der Fall, wenn die außerordentliche Kündigung den schwerbehinderten Menschen in einer die Schutzzwecke des SGB IX berührenden Weise besonders hart treffe, ihm also im Vergleich zur der der Gruppe der schwerbehinderten Arbeitnehmer im Falle einer außerordentlichen Kündigung allgemein zugemuteten Belastungen ein Sonderopfer abverlange. Nicht zu prüfen sei im Rahmen des besonderen Kündigungsschutzes nach dem SGB IX dem gegenüber, ob wichtige Gründe für eine außerordentliche Kündigung im Sinne des § 626 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) vorlägen. Eine solche Überprüfung müsse der Arbeitsgerichtsbarkeit vorbehalten werden, da sie über den Schutzzweck des SGB IX, der in erster Linie behinderungsbedingte Nachteile ausgleichen wolle, hinausgehe. Allerdings sei in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts bislang nicht entschieden, ob ausnahmsweise dann etwas anderes zu gelten habe, wenn die vom Arbeitgeber herangezogenen Gründe eine außerordentliche Kündigung offensichtlich nicht zu rechtfertigen vermöchten. Dies bedürfe indes auch im vorliegenden Fall keiner Entscheidung, da eine offensichtliche Unwirksamkeit der Kündigung nur dann angenommen werden könne, wenn sie ohne jeden vernünftigen Zweifel in rechtlich und tatsächlicher Hinsicht offen zu Tage liege und sich jedem Kundigen geradezu aufdränge. Dies sei vorliegend nicht der Fall. Dem Kläger werde durch seinen Arbeitgeber vorgeworfen, während der Arbeitszeit in erheblichem Umfang privat im Internet gesurft zu haben und dabei auch pornografische Inhalte aufgerufen zu haben. Unstreitig seien die entsprechenden Bilddateien im Cache des Browsers seines Arbeitsplatz-PC gespeichert gewesen, was beim Download solcher Internetseiten geschehe. Dies werde vom Kläger auch nicht bestritten. Er bestreite lediglich, die betreffenden Internetseiten mit Absicht aufgesucht zu haben. Ein unabsichtliches Anklicken der Pornoseiten könne aber nicht zweifelsfrei angenommen werden. Zweifel an einem solchen unabsichtlichen Aufrufen der fraglichen Seiten ergäben sich schon auf Grund des festgestellten langen Zeitraums dieser Aktivitäten von Januar bis September 2004. Auf Grund dessen könne nicht davon ausgegangen werden, dass es offensichtlich an einem wichtigen Kündigungsgrund im Sinne des § 626 BGB mangele. Denn in der jüngeren Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts sei entschieden worden, dass auch dann, wenn der Arbeitgeber die Privatnutzung nicht ausdrücklich verboten habe, der Arbeitnehmer mit einer intensiven zeitlichen Nutzung des Internets während der Arbeitszeit zu privaten Zwecken seine arbeitsvertraglichen Pflichten verletze. Das gelte insbesondere dann, wenn der Arbeitnehmer auf Internetseiten mit pornografischem Inhalt zugreife. Eine solche Pflichtverletzung könne ein wichtiger Grund für eine fristlose Kündigung sein. Da danach das Surfen auf pornografischen Internetseiten eine außerordentliche Kündigung in jedem Arbeitsverhältnis begründen könne, brauche auf die Frage, inwieweit ein solcher Sachverhalt bei einem katholischkirchlichen Arbeitgeber auf Grund der besonderen, dem Arbeitgeber nach § 16 Abs. 1 Satz 2 AVR auferlegten Pflichten erst recht eine außerordentliche Kündigung rechtfertigen könne, nicht eingegangen werden. Die Zustimmung zur außerordentlichen Kündigung könne schließlich auch deshalb nicht versagt werden, weil der Arbeitgeber etwa gegen Datenschutzgesetze und damit gegen Persönlichkeitsrechte des Klägers verstoßen hätte. Nach der arbeitsgerichtlichen Rechtsprechung spreche alles dafür, dass allenfalls eine Interessenabwägung zwischen den Interessen des Arbeitgebers und denen des Arbeitnehmers vorzunehmen sei. Eine solche Interessenabwägung sei allerdings von den Arbeitsgerichten vorzunehmen und nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens. Andere sachliche Gründe, die den Fall als atypisch erscheinen ließen und ausnahmsweise ein Abweichen von der Sollvorschrift des § 91 Abs. 4 SGB IX rechtfertigten, seien ebenfalls nicht ersichtlich.

Daraufhin hat der Kläger am 19. September 2005 die vorliegende Klage erhoben, mit der er sein auf Aufhebung der Zustimmung zur außerordentlichen fristlosen Kündigung gerichtetes Begehren unter Wiederholung und Vertiefung seines Widerspruchsvorbringens weiter verfolgt. Insbesondere beruft er sich auf ein Datenverwertungsverbot aus arbeitsrechtlichen und datenschutzrechtlichen Gründen und bestreitet überdies, die fraglichen Bilddateien mit pornografischem Inhalt bewusst bzw. absichtlich aufgerufen und angesehen zu haben. Hintergrund sei vielmehr, dass er den PC und auch die Möglichkeiten des Internets im Rahmen seiner Tätigkeit habe nutzen müssen, um seine Klienten besser beraten zu können. Allerdings habe es seitens des Arbeitgebers nie eine Einweisung in die Internetnutzung gegeben. Er habe mehrfach um eine solche Schulung gebeten, man habe ihn aber darauf verwiesen, sich das selbst beizubringen. Teilweise hätte seine Familie ihm Anleitungen gegeben, im Übrigen habe er, den Ratschlägen seiner Kollegen entsprechend, versucht, durch Übung selbst darauf zu kommen, wie das Internet sinnvoll zu nutzen sei. Im Rahmen dieser Übung habe er das Internet auch privat genutzt. Dabei sei er davon ausgegangen, dass dies zulässig sei, um so mehr, als es kein entsprechendes Verbot seines Arbeitgebers gegeben habe und es auch bei den Kollegen allgemein üblich gewesen sei, die Personalcomputer am Arbeitsplatz privat zu nutzen.

Zur weiteren Begründung hat der Kläger ein Gutachten des öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen Diplominformatiker N vom 4. August 2005 vorgelegt, das im Rahmen des arbeitsgerichtlichen Verfahrens angefordert worden ist. Darin heißt es zu der Beweisfrage, es solle Beweis erhoben werden über die Behauptung des Arbeitgebers des Klägers, die Bilddateien könnten nur dadurch in den „Cache" des Dienst-PC des Klägers gelangt sein, dass sie von diesem PC aus im Internet aufgerufen wurden:

„Es gibt im Bereich des Betriebssystems zahlreiche Caches, die Daten temporär speichern. Im Zusammenhang mit diesem Verfahren wurde nur der Bereich der temporären Internetdaten betrachtet. Dieser Bereich dient dem Internetexplorer, der zum Surfen im Internet verwendet werden kann, Daten temporär abzuspeichern. Bei einem weiteren Besuch der Internetseiten werden diese gespeicherten Daten benutzt, um die Seite schneller aufbauen zu können. Das Speichern der Daten findet automatisch statt.

Dieser Bereich ist nicht für den Benutzer des Computers gedacht. Mit den Standardeinstellungen des Betriebssystems sind die Verzeichnisse versteckt.

Da es sich hier aber technisch um normale Verzeichnisse handelt, können dort auch Dateien manuell gespeichert werden. Da die Verzeichnisse tief verzweigt liegen und wenig sinnvolle Verzeichnisnamen besitzen, ist die Wahrscheinlichkeit, dass ein Benutzer dort Daten direkt ablegt, sehr gering."

Weiter ist in dem Gutachten ausgeführt, dass die Internethistorie des Computers rekonstruiert worden ist. Es konnten Daten vom 8. Juli 2003 bis zum 5. November 2004 verwendet werden; die Einträge sind nach der Anzahl der gespeicherten Zugriffe auf die Internetseiten sortiert worden. Diese Auswertung wurde ausgedruckt und dem Gutachten beigefügt. Diese Anlage legte der Vertreter des Beigeladenen zusammen mit dem Urteil des Arbeitsgerichts Rheine vom 8. Februar 2006 vor. Dieser Auflistung ist eine Vielzahl von Internetzugriffen zu entnehmen, bei denen alles dafür spricht, dass sie nicht dienstlichen, sondern vielmehr privaten Zwecken des Klägers dienten; u. a. sind viele Zugriffe auf Firmen wie „Tchibo", „Aldi" und „Miele" festzustellen, ferner wurde häufig auf „ebay", „amazon" und beispielsweise Kinoprogramme Zugriff genommen. Daneben sind Internetadressen wie: „www.loveline.de", „www.gratis- ficken.org", „www.lesbenlesbien.com", „www.pornolounge.de" oder „www.internetsex.de", „www.pornocash.tv" und Ähnliches zu finden, wobei die Häufigkeit der Zugriffe auf die jeweils einzelnen dieser Adressen im Wesentlichen zwischen 5 Mal und 45 Mal liegt, einige allerdings auch häufiger, „www.loveline.de" beispielsweise sogar 246 Mal, aufgerufen worden sind.

Ausweislich des vorgelegten Urteils des Arbeitsgerichts Rheine wurde festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nicht durch die fristlose Kündigung des Beklagten beendet worden ist. Dieses Urteil ist noch nicht rechtskräftig; das Verfahren ist derzeit beim Landesarbeitsgericht anhängig.

Der Kläger beantragt,

den Bescheid des Beklagten vom 12. November 2004 in der Fassung seines Widerspruchsbescheides vom 22. Juli 2005 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung nimmt er auf die Ausführungen im Widerspruchsbescheid Bezug.

Der Beigeladene beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung nimmt er Bezug auf die Ausführungen in dem Widerspruchsbescheid des Beklagten vom 22. Juli 2005. Ergänzend führt er aus, dass durch die Sichtung der in dem „Cache" des PC des Klägers gespeicherten Dateien weder ein Persönlichkeitsrecht noch die Intimsphäre noch sonstige Rechte des Klägers verletzt worden seien. Darüber hinaus habe der Kläger seine Arbeitspflichten dadurch in erheblichem Umfang verletzt, dass er den dienstlich zur Verfügung gestellten PC in erheblichem Umfang privat genutzt habe. Selbst wenn er von einer stillschweigenden Duldung einer privaten Nutzung habe ausgehen können, sei die von ihm vorgenommene Nutzung weit über das hinaus gegangen, was ein Arbeitgeber dulden könne. Insgesamt sei die ausgesprochene fristlose Kündigung deshalb nicht offensichtlich unsachlich, willkürlich oder fehlerhaft. Etwas anderes sei im vorliegenden Verfahren - neben der Frage, inwieweit die Kündigung den Kläger in seiner Eigenschaft als Schwerbehinderter in besonderem Maße betreffe - nicht zu überprüfen.

Das Gericht hat am 27. Juni 2006 einen Termin zur Erörterung der Streitsache durchgeführt und den Kläger zu seiner Tätigkeit bei dem Beigeladenen und insbesondere zu den Erfordernissen der Nutzung eines PC im Rahmen dieser Tätigkeit befragt. Wegen der Einzelheiten insoweit wird auf die Sitzungsniederschrift verwiesen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der vorgelegten Verwaltungsvorgänge des Beklagten (Beiakte Heft 1) sowie der beigezogenen Gerichtsakte des Arbeitsgerichts Rheine (- 1 Ca 2070/04 -) zum arbeitsgerichtlichen Verfahren des Klägers gegen den Beigeladenen Bezug genommen.

Gründe

Die Klage ist als Anfechtungsklage gemäß § 42 Abs. 1 VwGO zulässig; sie hat jedoch in der Sache keinen Erfolg. Die Zustimmung des Beklagten zur Kündigung des Klägers durch Bescheid vom 12. November 2004 in der Fassung des Widerspruchsbescheides des Beklagten vom 22. Juli 2005 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.

Nach § 85 des Sozialgesetzbuches (SGB) IX bedarf die Kündigung des Arbeitsverhältnisses eines schwerbehinderten Menschen durch den Arbeitgeber der vorherigen Zustimmung des Integrationsamtes. Der Kläger gehört - unstreitig - zu dem durch § 85 SGB IX geschützten Personenkreis, weil er mit einem Grad der Behinderung (GdB) von 50 schwerbehindert ist. Die danach erforderliche Zustimmung ist gemäß § 87 Abs. 1 SGB IX vom Arbeitgeber schriftlich zu beantragen. Dieses Antragsverfahren nach § 87 SGB IX ist durchgeführt worden und die Formvorschriften der §§ 87 und 88 SGB IX sind eingehalten worden.

Die angegriffene Entscheidung ist auch im Übrigen rechtlich nicht zu beanstanden.

Nach § 85 SGB IX hat das Integrationsamt - wie bereits die Hauptfürsorgestelle auf der Grundlage der Vorgängervorschrift des § 15 des Schwerbehindertengesetzes (SchwbG) nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichtes

vgl. Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Urteil vom 5. Juni 1975 - V C 57.73 -, FEVS 24, 7 bis 14 -

über die Zustimmung zur Kündigung nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden; Gleiches gilt für den Widerspruchsausschuss. Als Ermessensentscheidung unterliegt die Zustimmung nur eingeschränkter verwaltungsgerichtlicher Kontrolle; das Gericht prüft gemäß § 114 VwGO lediglich, ob die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist. Dazu ist zu untersuchen, ob die Behörde von einem ausreichend ermittelten und zutreffenden Sachverhalt ausgegangen ist und ob sie in ihre Ermessenserwägungen all das eingestellt hat, was nach Lage der Dinge zu berücksichtigen ist, und ob die sodann vorgenommene Gewichtung sachgerecht war.

Im Rahmen der Entscheidung nach § 85 SGB IX hat das Integrationsamt die widerstreitenden Interessen des Schwerbehinderten und die des Arbeitgebers unter Berücksichtigung des fürsorgerischen Schutzzweckes des Gesetzes gegeneinander abzuwägen. Dabei ist zum einen das Interesse des Arbeitgebers an der Erhaltung seiner Gestaltungsmöglichkeiten und zum anderen das Interesse des behinderten Arbeitnehmers an der Erhaltung seines Arbeitsplatzes zu berücksichtigen. Der Schwerbehindertenschutz gewinnt an Gewicht, wenn die Kündigung des Arbeitsverhältnisses auf Gründe gestützt wird, die in der Behinderung selbst ihre Ursache haben. In diesen Fällen sind an die Zumutbarkeitsgrenze für den Arbeitgeber besonders hohe Anforderungen zu stellen, um den im Schwerbehindertenrecht zum Ausdruck gekommenen Schutzgedanken der Rehabilitation verwirklichen zu können. Beruhen die Kündigungsgründe dagegen auf Umständen, die in keinem Zusammenhang mit der Behinderung stehen, tritt der Behindertenschutz in den Hintergrund. Diese Vorschrift gilt gemäß § 91 Abs. 1 SGB IX auch bei einer außerordentlichen Kündigung, soweit sich aus den Bestimmungen des § 91 SGB IX nichts anderes ergibt. Dabei soll das Integrationsamt nach § 91 Abs. 4 SGB IX die Zustimmung erteilen, wenn die Kündigung aus einem Grund erfolgt, der nicht im Zusammenhang mit der Behinderung steht.

Ausgehend hiervon ist die angegriffene Zustimmung des Integrationsamtes des Beklagten zur Kündigung des Klägers nicht zu beanstanden. Ermessensfehler sind nicht ersichtlich. Das Integrationsamt ist insbesondere von einem zutreffenden Sachverhalt ausgegangen. Auch die Voraussetzungen des § 91 Abs. 4 SGB IX sind vorliegend erfüllt, weil ein Zusammenhang zwischen den vom Arbeitgeber geltend gemachten Kündigungsgründen und den bei dem Kläger anerkannten Behinderungen nicht erkennbar ist und auch vom Kläger im Übrigen nicht behauptet wird. Hinsichtlich der Würdigung im Einzelnen kann zur Vermeidung von Wiederholungen auf die ausführliche, zutreffende und überzeugende Begründung des Widerspruchsbescheides des Beklagten vom 22. Juli 2005 verwiesen werden, der das Gericht folgt (vgl. § 117 Abs. 5 VwGO). Lediglich ergänzend ist Folgendes bestätigend anzumerken: Ebenso wie der Beklagte geht das Gericht davon aus, dass die von der Beigeladenen vorgetragenen Kündigungsgründe keinesfalls derart sind, dass sie eine außerordentliche Kündigung offensichtlich nicht rechtfertigen könnten. Wie der Beklagte zutreffend ausgeführt hat, kann eine offensichtliche Unwirksamkeit der Kündigung nur dann angenommen werden, wenn sie ohne jeden vernünftigen Zweifel in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht offen zu Tage liegt; dies trifft auf den vorliegenden Sachverhalt gerade nicht zu. Der von dem Beigeladenen erhobene Vorwurf, der Kläger habe während seiner Arbeitszeit (- in erheblichem Umfange -) mit dem ihm für die Arbeit zur Verfügung gestellten PC das Internet zu privaten Zwecken genutzt und dabei auch Internetseiten mit pornographischem Inhalt aufgerufen, ist vielmehr zweifellos geeignet, eine außerordentliche Kündigung zu begründen. Dabei hat das Gericht ganz erhebliche Zweifel an der Darstellung des Klägers, die dieser im gerichtlichen Verfahren hinsichtlich dieser Vorgänge gegeben hat. Soweit der Kläger sich zunächst darauf berufen hat, dass es bei seinem Arbeitgeber keine Regelung hinsichtlich der privaten Nutzung der zur Verfügung gestellten PC´s gegeben habe, diese mithin nicht verboten gewesen sei, weshalb er zumindest von einer stillschweigenden Duldung der privaten Nutzung - auch des Internetzuganges - habe ausgehen können, ist dem entgegenzuhalten, dass es jedem Arbeitnehmer bewusst sein muss, dass er sich selbstverständlich während seiner Arbeitszeit seinen entsprechenden arbeitsmäßigen Verpflichtungen zu widmen hat und private Angelegenheiten auf ein Minimum zu beschränken sind. Daraus folgt ohne Weiteres selbstverständlich, dass auch eine etwaige private Internetnutzung eine Ausnahme bleiben muss und auf ein Minimum zu beschränken ist. Dem gegenüber ergibt sich aus dem Anhang zum Gutachten des öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen Diplom-Informatiker N vom 4. August 2005, dass im Rahmen des arbeitsgerichtlichen Verfahrens erstellt worden und von den Beteiligten im vorliegenden Verfahren eingeführt worden ist, dass der Kläger in erheblichem Umfang Zugriff auf Internetseiten zu privaten Zwecken genommen hat. So wurde in dem untersuchten Zeitraum vom 8. Juli 2003 bis zum 5. November 2004 allein 676 Mal die Internetadresse der Firma „Tchibo" aufgerufen. Darüber hinaus sind zahlreiche Zugriffe auf „Ebay", „Aldi", Kinoprogramme und Reiseangebote feststellbar. Selbst wenn man ausgehend von der Tätigkeitsbeschreibung, die der Kläger über seine Arbeit gegeben hat, annimmt, dass möglicherweise einige diese Internetzugriffe im Rahmen seiner Tätigkeit erfolgt sind und der Beratung seiner Klienten dienen sollten, verbleibt gleichwohl eine erhebliche Anzahl von privaten Nutzungen. Bei Anwendung der erforderlichen, von einem Arbeitnehmer zu erwartenden Sorgfalt musste dem Kläger auch ohne entsprechendes ausdrückliches Verbot klar sein, dass eine derart häufige und intensive private Nutzung des ihm von seinem Arbeitgeber zur Verfügung gestellten PC und des Internetanschlusses mit seinen arbeitsrechtlichen Verpflichtungen nicht in Einklang zu bringen war. Wenn er sich selbst dieses nicht bewusst gemacht hat, sondern davon ausgegangen ist, seine privaten Angelegenheiten in beliebigem Umfang auch während seiner Arbeitszeit erledigen zu können, so vermag ihn dieses nicht zu entlasten.

Erst Recht bestehen erhebliche Zweifel hinsichtlich der Richtigkeit seiner Behauptung, er habe die Seiten pornographischen Inhaltes nicht absichtlich aufgesucht, sondern entsprechende Bilder bzw. „Links" seien ohne sein Zutun auf dem Bildschirm aufgetaucht. Er habe diese „weggeklickt" und nicht gewusst, dass auch dabei eine Speicherung vorgenommen werde. Zwar geht das Gericht davon aus, dass tatsächlich gelegentlich zu Werbezwecken Bilder und Links ungewollt auf dem Bildschirm erscheinen, die zu einem Aufsuchen bestimmter Internetseiten mit sexuellen und auch pornographischen Angeboten auffordern sollen. Die Vielfalt der in dem Cache des Browsers im PC des Klägers festgestellten verschiedenen Adressen, die auf Seiten mit pornographischen Inhalten schließen lassen, die Häufigkeit, mit der einige dieser Internetadressen gespeichert sind, sowie schließlich die sich daraus ergebende zeitliche Dauer lassen sein Vorbringen aber als unglaubhaft erscheinen. Würde man sein Vorbringen als zutreffend unterstellen, würde dies bedeuten, dass jeder Internetnutzer in vergleichbarer Häufigkeit durch derartige, zu Werbezwecken dienende Bilder zum entsprechenden Aufsuchen derartiger Seiten aufgefordert werden würde; dies entspricht allerdings nicht der allgemeinen Lebenserfahrung. Die Angaben des Klägers dazu, wie es zu dem Auftauchen dieser Dateien gekommen sein soll, nämlich, dass er versucht habe, sich die richtige Nutzung des Internet durch Übung selbst beizubringen, sind ebenfalls nicht plausibel. Dabei zeigen bereits die in der Anlage zu dem vorgenannten Gutachten aufgeführten, von dem Kläger aufgerufenen Internetadressen, dass er in dem fraglichen Zeitraum offenbar bereits durchaus in der Lage war, das Internet zielstrebig und sinnvoll einzusetzen und für seine Zwecke zu nutzen. Denn er hat die von ihm gewünschten Internetadressen - von „amazon" über „ebay" und „Sparkasse Rheine" bis hin zu „Tchibo" offenbar problemlos jederzeit aufrufen können. Zudem ist auch nicht ersichtlich, wieso ihm beispielsweise die Eingabe seines Nachnamens in die Suchmaschine „google" beim Erlernen der Internetnutzung hätte helfen sollen. Schließlich ist auch kaum erklärbar, weshalb alleine auf Grund der Eingabe seines Nachnamens eine derartige Vielzahl verschiedener Internetadressen mit pornographischen Angeboten erschienen sein soll. Das Gericht hält diese Erklärung deshalb - ebenso wie die Behauptung, da andere Kollegen seinen PC ebenfalls genutzt hätten, könnten auch sie die fraglichen Seiten aufgerufen haben - für reine Schutzbehauptungen. Nicht nachvollziehbar ist in diesem Zusammenhang schließlich auch, weshalb der Kläger, die Richtigkeit seines Vorbringens unterstellt, dass die fraglichen Internetadressen durch Bilder und Links zu Webezwecken ohne sein Zutun auf den PC gelangt seien, sich nicht jedenfalls bei einer derartigen Häufung, wie sie festgestellt worden ist, an den zuständigen Mitarbeiter gewandt und dieses angezeigt hat. Seine im Termin zur mündlichen Verhandlung hierzu geäußerte Begründung, er habe die entsprechenden Bilder „weggeklickt", stimmt jedenfalls nicht mit seinem Vortrag überein, es seien - ohne sein Zutun und von ihm nicht gesteuert - immer mehr Bilder dieser Art erschienen. Zumindest angesichts dessen wäre es jedenfalls naheliegend und von einem Mitarbeiter auch zu erwarten gewesen, dass er derartige Vorgänge seinen Vorgesetzten bzw. einem EDV-Beauftragten meldet. Im Übrigen ist zu berücksichtigen, dass der Kläger in den ersten Gesprächen mit anderen Mitarbeitern des Beigeladenen auch eingeräumt hat, Bilddateien mit pornographischen Inhalten jedenfalls angesehen, wenn auch nicht gezielt aufgesucht zu haben.

Dies alles bedarf indes keiner abschließenden Würdigung, weil, wie dargelegt, bereits die umfangreiche private Nutzung des ihm für seine Arbeit zur Verfügung gestellten PC während seiner Arbeitszeit ausreicht, um einen nicht von der Hand zu weisenden Kündigungsgrund zu bieten, der die Kündigung jedenfalls nicht offensichtlich unwirksam macht. Diese Würdigung der intensiven privaten Nutzung des Internets während der Arbeitszeit entspricht auch, worauf auch bereits der Beklagte in dem angegriffenen Widerspruchsbescheid hingewiesen hat, der arbeitsgerichtlichen Rechtsprechung.

Die festgestellten Daten sind nach Auffassung des Gerichts auch verwertbar. Das Gericht ist nicht der von der Klägerseite vertretenen Auffassung, dass diese aus datenschutzrechtlichen Gründen einem Verwertungsverbot unterliegen. Auch insofern folgt das Gericht vollumfänglich den Ausführungen in dem angegriffenen Widerspruchsbescheid, die es für zutreffend erachtet und auf die deshalb gemäß § 117 Abs. 5 VwGO verwiesen wird. Das Gericht teilt insoweit insbesondere die Auffassung des Arbeitsgerichts Hannover

vgl. Urteil vom 1. Dezember 2000 - 1 Ca 504/00B, NJW 2001, 3500 f.,

wonach festgestellte Pflichtverstöße in Bezug auf eine PC- und insbesondere Internet-Nutzung verwertbar sind und keinem Verwertungsverbot unterliegen, weil sich ein Beweisverwertungsverbot bestimmter durch den Arbeitgeber gewonnener Erkenntnisse im Rahmen des arbeitsgerichtlichen Kündigungsschutzverfahrens daraus herleitet, dass der Übertragungsvorgang durch den Arbeitgeber in nicht zulässiger Weise abgehört worden ist. Dies war im Falle des Klägers - ebenso wie bei dem vom Arbeitsgericht Hannover zu entscheidenden Fall - jedoch nicht vorgenommen worden, da der Arbeitgeber den Kläger nicht beim Surfen im Internet oder beim Herunterladen von Daten beobachtet, sondern die auf den Datenträgern des Beklagten gespeicherten Daten gesichtet hatte. Von einem „Ausspähen" seines Verhaltens kann dabei nicht die Rede sein. Im Übrigen entbehrt die Behauptung des Klägers, dem Beigeladenen sei es um eine „Ausforschung" seines Internet- Verhaltens gegangen, mangels erkennbarer Anhaltspunkte insoweit nach Überzeugung des Gerichts jeglicher Grundlage. Die Verwertung der in den Cache- Dateien gespeicherten Daten wäre angesichts dessen selbst dann nach Auffassung des Gerichts zulässig gewesen, wenn man dem Vortrag des Beigeladenen nicht folgte, wonach die Überprüfung der PC der Mitarbeiter erfolgt ist, weil nach dem Ursprung von Computerviren gesucht worden sei, sondern der Beigeladene den PC des Klägers - entsprechend dessen Vermutung - gezielt wegen des Verdachts einer unrechtmäßigen Internetnutzung durch den Kläger überprüft hätte, weil auch eine solche Überprüfung zur Wahrung der Interessen des Arbeitgebers grundsätzlich zulässig ist.

Inwieweit der Kläger schließlich aus Gründen des sozialen Kündigungsschutzes einen Anspruch auf Weiterbeschäftigung bei dem Beigeladenen hat, ist im vorliegenden Verfahren nicht zu entscheiden. Die dahingehende Prüfung ist den Gerichten der Arbeitsgerichtsbarkeit vorbehalten.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 11. November 1999 - 5 C 23.99 -, BVerwGE 110, 67.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO; gemäß § 188 Satz 2 werden Gerichtskosten nicht erhoben. Im Hinblick darauf, dass der Beigeladene einen eigenen Sachantrag gestellt und sich damit am Kostenrisiko beteiligt hat, waren dem Kläger auch die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen aufzuerlegen, da dieser mit seinem Klageantrag im vorliegenden Verfahren obsiegt hat (vgl. § 162 Abs. 3 VwGO).

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung ergibt sich aus § 167 VwGO i. V. m. den §§ 708 Nr. 11, 711 der Zivilprozessordnung (ZPO).






VG Münster:
Urteil v. 25.07.2006
Az: 5 K 1808/05


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/5103d3ed4029/VG-Muenster_Urteil_vom_25-Juli-2006_Az_5-K-1808-05




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