Oberlandesgericht Köln:
Urteil vom 13. Dezember 1996
Aktenzeichen: 6 U 191/96
(OLG Köln: Urteil v. 13.12.1996, Az.: 6 U 191/96)
Brutto UWG §§ 1, 13, 25; PAngVO § 1 VI 3 1. Ein Wettbewerber ist nicht verpflichtet, eine Diskette, auf der er bestimmte Wettbewerbswidrigkeiten vermutet, auf alle möglichen Verstöße von sich aus zu untersuchen. Entdeckt er bei späterer Durchsicht einen anderen als den ursprünglich angenommenen Verstoß und verfolgt er diesen alsdann zügig, wird durch das Zuwarten mit der Durchsicht die Dringlichkeitsvermutung des § 25 UWG nicht widerlegt. 2. Der Anforderung in § 1 Abs. 2 S. 3 PAngVO, bei einer Aufspaltung von Preisen die Endpreise hervorzuheben, wird nicht genügt, wenn der Werbende den Endpreis in gleicher Weise wie die Preisbestandteile angibt und (lediglich) vor den Endpreis ein Gleichheitszeichen und dahinter das Wort ,Brutto" setzt.
Gründe
Die Berufung ist zulässig, hat aber in der Sache keinen Erfolg.
Zu Recht hat das Landgericht durch das angefochtene Urteil die am
8.5.1996 im Beschlußwege erlassene einstweilige Verfügung - 31 O
302/96 - bestätigt. Denn der Antrag auf deren Erlaß war zulässig
und aus § 1 Abs.6 S.3 PAngVO i.V.m. §§ 1, 13 Abs.2 Ziff.1 UWG auch
begründet.
Der Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Verfügung war zulässig.
Insbesondere ist die sich aus § 25 UWG ergebende Vermutung seiner
Dringlichkeit durch das Verhalten der Antragstellerin nicht
widerlegt. Die Antragstellerin hat glaubhaft gemacht, erst in der
Mitte der 17.Kalenderwoche des Jahres 1996, also um den 24.4.1996,
vom Inhalt der Datei ,liesmich.txt", die u.a. die im vorliegenden
Verfahren angegriffenen Preisangaben enthielt, Kenntnis genommen zu
haben. Die Antragstellerin hat anschließend in ersichtlich nicht
dringlichkeitsschädlicher Zeit unter dem 26.4.1996 die erfolglose
Abmahnung ausgesprochen und am 8.5.1996 den Verfügungsantrag bei
Gericht eingereicht. Allein, daß die Antragstellerin nicht früher
von dem Inhalt der Datei Kenntnis genommen und die Antragsgegnerin
dann nicht dementsprechend früher in Anspruch genommen hat, nachdem
der von ihr beauftragte Zeuge N. die erste an ihn übersandte
Diskette, die auch bereits die Datei ,liesmich.txt" enthalten
hatte, schon am 23.3.1996 von der Post abgeholt hatte, vermag die
Vermutung der Dringlichkeit nicht zu widerlegen. Denn die
Antragstellerin war nicht verpflichtet, von sich aus die Diskette
auf mögliche Wettbewerbsverstöße zu untersuchen. Eine Pflicht, das
Verhalten von Konkurrenten darauf zu beobachten, ob diese sich
wettbewerbskonform verhalten, besteht grundsätzlich nicht (vgl.
Baumbach/ Hefermehl, Wettbewerbsrecht, 18.Aufl., § 25 UWG RZ 12
m.w.N.). Die Antragstellerin konnte daher nach Erhalt der ersten
Diskette mit deren Durchsicht zuwarten, ohne sich später dem
Vorwurf auszusetzen, es sei ihr mit der Verfolgung des erst bei der
späteren Durchsicht des Inhalts der Diskette entdeckten
Wettbewerbsverstoßes nicht eilig. Hieran ändert es schließlich auch
nichts, daß die Antragstellerin sich beide Disketten, also auch die
schon am 23.3.1996 von ihrem Mitarbeiter N. in Empfang genommene,
mit dem Ziel beschafft hat, diese auf eventuelle
Wettbewerbsverstöße durchzusehen. Der Antragstellerin war es dabei
nicht um Verstöße gegen die Preisangabenverordnung und die Datei
,liesmich.txt", sondern darum gegangen, ob die in der anderen Datei
aufgeführten Daten über Zwangsversteigerungen entsprechend der
Werbung der Antragsgegnerin vollständig waren.
Der Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Verfügung war auch
begründet. Die angegriffenen Preisangaben verstoßen gegen § 1 Abs.6
S.3 PAngVO und stellen damit zugleich einen Verstoß gegen § 1 UWG
dar. Dieser ist auch geeignet, im Sinne des § 13 Abs.2 Ziff.1 UWG
den Wettbwerb auf dem betroffenen Markt wesentlich zu
beeinträchtigen. Nach § 1 Abs.6 S.3 PAngVO sind bei einer
Aufgliederung von Preisen die Endpreise hervorzuheben. Diesen
Anforderungen des Gesetzes wird die Gestaltung der Preisangaben,
wie sie sich im Rahmen der von der Antragsgegnerin verwendeten AGB
auf der Diskette in der Datei ,liesmich.txt" finden, nicht gerecht.
Es trifft zwar zu, daß die von der Verordnung geforderte
Hervorhebung nicht unbedingt drucktechnisch erfolgen muß (vgl.die
bereits von dem Landgericht hierzu angeführten Belege), die
Antragsgegnerin hat jedoch auch nicht auf andere Weise - etwa durch
Einrückung - sichergestellt, daß die Endpreise hervorgehoben
erscheinen. Die Endpreise finden sich vielmehr ohne irgendwie
geartetete Abweichung im Erscheinungsbild gleichrangig neben den
übrigen Preisangaben. Eine Hervorhebung durch das Schriftbild liegt
damit nicht vor. Entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin reicht
es in vorliegenden Fall auch nicht aus, daß sich jeweils vor dem
Endpreis ein Gleichheitszeichen und hinter der Angabe des
Endpreises das Wort ,brutto" befinden. Denn es ist nicht glaubhaft
gemacht, daß der Leser auf diese Weise die Endpreise leicht als
solche erkennt und die Angaben daher die Funktion einer
Hervorhebung übernehmen. Preisangaben werden üblicherweise schnell
gelesen, weil der Verbraucher eine klare und übersichtliche
Information über die Preisgestaltung gewohnt ist und erwartet. Der
Verbraucher wird die Angaben daher nur oberflächlich zur Kenntnis
nehmen. Bei einer derartigen Sicht gewährleisten aber das
Gleichheitszeichen und die Angabe ,brutto" nicht, daß der
Verbraucher innerhalb der Preisinformationen, die einen Umfang von
3 1/2 (,Bezugspreise) bzw. sogar 4 1/2 (,Abonnement") im Fließtext
verfaßten Zeilen haben, den so bezeicheten Betrag als Endpreis
erkennt. Daran ändert es weder etwas, daß der gesamte die
Preisangaben enthaltende Text sich ohne Hervorhebung und damit
relativ unauffällig auf der dritten Seite der nur durch Absätze
unterteilten AGB befindet, noch, daß es sich bei den betroffenen
Verbrauchern um solche handelt, die durch die Verwendung von
Disketten und ihr Interesse für Zwangsversteigerungen eine gewisse
Wendigkeit erkennen lassen. Die angeführte Einbindung der
Preisangaben in die äußerlich nicht besonders strukturierten AGB
mag dazu führen, daß nicht viele Bezieher der Diskette die
Preisangaben überhaupt wahrnehmen. Hierauf kommt es indes nicht an.
Entscheidend ist vielmehr allein, ob für diejenigen Verbraucher,
die die aufgegliederten Preisangaben lesen, die Endpreise genügend
hervorgehoben sind. Das ist indes aus den vorstehenden Gründen
nicht der Fall. Auch und gerade Kunden, die die angesprochene
Wendigkeit aufweisen, werden die Preisangaben eher oberflächlich
lesen und ihnen werden sich die Preisangaben trotz des
Gleichheitszeichen und des Zusatzes ,brutto" nicht ohne weiteres
als Angabe des Endpreises erschließen. Bezüglich der Angabe
,brutto" kommt noch hinzu, daß nicht glaubhaft gemacht ist, daß
auch im Geschäftsleben nicht unerfahrene Kunden - von wenigen zu
vernachlässigenden Ausnahmen abgesehen - damit die Vorstellung der
Summe von Nettopreis und Mehrwertsteuer verbinden, zumal bei
flüchtigem Lesen das Wort ,brutto" auch - wenn auch fälschlich -
dahin verstanden werden kann, daß der Preis auch die Verpackungs-,
Porto- und sonstigen Versandkosten erfasse, die ebenfalls in den
Preisangaben aufgeführt sind. Schließlich ändert es an dem Verstoß
nichts, daß sich die Angaben in der zu beanstandenden Form nur auf
der Diskette selbst finden und daher den Kunden im Regelfall erst
erreichen, wenn dieser das Produkt bereits gekauft hat. Denn es ist
nicht ausgeschlossen, daß jemand erst nach Kenntnisnahme der
Preisangaben von der Diskette (weitere) Bestellungen bei der
Antragsgegnerin tätigt. Dies kommt nicht nur in dem - bereits von
dem Landgericht angeführten - Fall der Bestellung zunächst einer
Einzeldiskette und erst anschließend des Abonnements, sondern auch
dann in Betracht, wenn ein Kunde etwa bei einem Dritten, der die
Diskette bereits bezogen hat, von dieser Kenntnis erlangt und sich
durch einen Blick in die Datei ,liesmich.txt" über die
Bezugsbedingungen informieren will.
Der mithin vorliegende Verstoß gegen § 1 Abs.6 S.3 PAngVO stellt
auch einen Verstoß gegen § 1 UWG dar. Es trifft zwar zu, daß es
sich nach gefestigter höchstrichterlicher Rechtsprechung bei den
Bestimmungen der Preisangabenverordnung um wertneutrale
Vorschriften handelt, sodaß nicht jeder Verstoß per se
wettbewerbswidrig ist (vgl.z.B. BGH GRUR 92,856 - ,Kilopreise IV";
94,224 ,Teilzahlungspreis III" und die Nachweise bei
Baumbach/Hefermehl, a.a.O, Anhang 2 zu § 3 UWG, RZ 17). Es ist
jedoch glaubhaft gemacht, daß die Antragsgegnerin durch die
Verwendung der unzulässigen Preisangaben in ihren AGB bewußt und
planmäßig gegen die vorstehende Bestimmung der
Preisangabenverordnung verstößt und sich im übrigen einen
ungerechtfertigten Vorsprung vor ihren rechtstreuen Konkurrenten zu
schaffen sucht (vgl. zu dieser Voraussetzung BGH a.a.O., ,Kilopreis
IV", S. 857).
Es kann schließlich offenbleíben, ob - wofür allerdings viel
spricht - die Antragstellerin als unmittelbare Verletzte ohne
weiteres aktivlegitimiert ist. Denn auch wenn man dies verneinen
wollte, wäre der Verfügungsanspruch gegeben, weil die
Antragstellerin dann jedenfalls gem. § 13 Abs.2 Ziff.1 UWG
anspruchberechtigt wäre. Der Verstoß ist auch geeignet, im Sinne
dieser Vorschrift den Wettbwerb auf dem betroffenen Markt erheblich
zu beeinträchtigen. Diese Voraussetzung ist deswegen gegeben, weil
es sich um einen Verstoß gegen eine Vorschrift handelt, die
unmittelbar die Interessen der Verbraucher schützen soll. Óberdies
ist mit der zu beanstandenen Vorgehensweise eine nicht zu
unterschätzende Nachahmungsgefahr verbunden.
Nach alledem ist der Berufung der Erfolg zu versagen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs.1 ZPO.
Das Urteil ist gemäß § 545 Abs.2 ZPO mit seiner Verkündung
rechtskräftig.
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OLG Köln:
Urteil v. 13.12.1996
Az: 6 U 191/96
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