Bundespatentgericht:
Beschluss vom 13. Juli 2006
Aktenzeichen: 17 W (pat) 70/03

(BPatG: Beschluss v. 13.07.2006, Az.: 17 W (pat) 70/03)

Tenor

Auf die Beschwerde der Anmelderin wird der Beschluss der Prüfungsstelle für Klasse G 06 T des Deutschen Patent- und Markenamts vom 28. Mai 2003 aufgehoben und das Patent erteilt.

Der Erteilung liegen folgende Unterlagen zugrunde:

Patentansprüche 1 bis 14 und Beschreibung Seiten 2 und 3, jeweils überreicht in der mündlichen Verhandlung, Beschreibung Seiten 1, 4 bis 16 vom 6. Juli 2006, eingegangen am 10. Juli 2006, sowie 3 Blatt Zeichnungen mit 4 Figuren vom Anmeldetag.

Gründe

I.

Die vorliegende Patentanmeldung mit der Bezeichnung:

"Verfahren für die Computertomographie"

ist am 16. Mai 2001 beim Deutschen Patent- und Markenamt eingereicht worden.

Sie ist von der Prüfungsstelle für Klasse G 06 T des Deutschen Patentamts mit Beschluss vom 28. Mai 2003 zurückgewiesen worden. Zu den Gründen für die Zurückweisung ist auf den Bescheid vom 22. Oktober 2002 verwiesen worden. In dem dort in Bezug genommenen Bescheid vom 24. Januar 2002 ist ausgeführt, dass das Patentbegehren mangels einer klaren und nacharbeitbaren technischen Lehre nicht gewährbar sei.

Die Anmelderin hat Beschwerde eingelegt und stellt den Antrag, den angefochtenen Beschluss aufzuheben und das nachgesuchte Patent mit folgenden Unterlagen zu erteilen:

Patentansprüche 1 bis 14 und Beschreibung Seiten 2 und 3, jeweils überreicht in der mündlichen Verhandlung, Beschreibung Seiten 1, 4 bis 16 vom 6. Juli 2006, eingegangen am 10. Juli 2006, sowie 3 Blatt Zeichnungen mit 4 Figuren vom Anmeldetag.

Der Anspruch 1 lautet:

"Verfahren für die Computertomographie, aufweisend die Verfahrensschritte:

- zur Abtastung eines Objekts mit einem von einem Fokus ausgehenden konusförmigen Strahlenbündel und mit einem mehrere Zeilen von Detektorelementen aufweisenden Detektorsystem zum Detektieren des Strahlenbündels wird der Fokus ohne Relativbewegung zwischen Untersuchungsobjekt und Fokus in Richtung der Systemachse auf einer Fokusbahn um eine in einer z-Richtung liegenden Systemachse bewegt, wobei das Detektorsystem der empfangenen Strahlung entsprechende Messdaten liefert und wobei die Länge der Fokusbahn wenigstens gleich der Länge eines Teilumlaufintervalls ist, dessen Länge zur vollständigen Rekonstruktion eines CT-Bildes ausreicht,

- aus aus einem Teilumlaufintervall stammenden Messdaten werden mittels eines 2D-Rekonstruktionsverfahrens Rohbilder berechnet, deren Bildebenen relativ zu einer die Fokusbahn enthaltenden Mittelebene geneigt sind, und - aus mehreren Rohbildern wird ein resultierendes CT-Bild ermittelt, wobei den Messdaten, die gewonnen werden, für jede Zeile von Detektorelementen pro Position des Fokus und pro Detektorelement ein Strahl zugeordnet ist, und die Rekonstruktion eines Rohbildes auf Basis von Messdaten erfolgt, die aus den von allen Zeilen von Detektorelementen gelieferten Messdaten derart ausgewählt werden, dass nur diejenigen Messdaten zur Rekonstruktion des jeweiligen Rohbildes herangezogen werden, deren zugeordnete Strahlen ein Fehlerkriterium hinsichtlich ihres Abstandes von der geneigten Bildebene des jeweiligen Rohbildes erfüllen, und wobei als Fehlerkriterium der minimale quadratische Mittelwert des in z-Richtung gemessenen Abstandes des jeweiligen Strahles von der geneigten Bildebene des jeweiligen Rohbildes vorgesehen ist."

Hinsichtlich der weiteren Ansprüche wird auf die Akten verwiesen.

Die Anmelderin führt aus, dass Computertomographen zur Gewinnung räumlicher Bilder aktuell mit Mehrzeilendetektoren ausgestattet würden. Bei dem Einsatz von Detektoren mit mehr als 4 Zeilen weise der Conewinkel größere Werte auf, was bei Verwendung der gängigen 2D-Schichtrekonstruktionsverfahren zu erheblichen Artefakten in den rekonstruierten Bildern führe. Die ebenfalls bekannten 3D-Rekonstruktionsverfahren vom Feldkamp-Typ seien zwar hinsichtlich der Artefakte günstiger, aber so rechenintensiv, dass sie für kleinere Tomographen ungeeignet seien. Deshalb stelle sich die Aufgabe, ein Verfahren anzugeben, das eine relativ einfache und trotzdem artefaktarme Rekonstruktion ermögliche. Ein solches Verfahren sei in der überarbeiteten Fassung des Patentanspruchs 1 angegeben. Ausgehend von den in jeder Zeile des Detektors zu jedem Abtastzeitpunkt gewonnenen Messdaten würden mittels eines gängigen 2D-Rekonstruktionsverfahrens Rohbilder berechnet, deren Bildebenen gegenüber der Mittelebene geneigt seien. Für die Rekonstruktion der einzelnen Rohbilder würden nur solche Messdaten ausgewählt, die auf einem Strahlengang beruhten, der ein vorgebbares Fehlerkriterium in Bezug auf den Abstand zur Bildebene des jeweiligen Rohbildes erfüllten. Aus den derart gewonnenen 2D-Rohbildern werde ein dreidimensionales CT-Bild ermittelt. Zu dessen Ermittlung seien in den Ansprüchen 2 bis 5 verschiedene Möglichkeiten aufgezeigt. Die Anweisungen in den Ansprüchen reichten daher aus, damit der Fachmann das vorgeschlagene Verfahren nachvollziehen könne.

Das Verfahren nach dem Anspruch 1 beruhe auch auf erfinderischer Tätigkeit. Denn die entgegengehaltenen Druckschriften schlügen bei zweidimensionalen Rekonstruktionsverfahren eine wahlweise Abschattung der äußeren Zeilen des Detektors zur Vermeidung der durch den Conewinkel bedingten Artefakte vor oder lehrten verschiedene Modifikationen des dreidimensionalen Feldkamp-Verfahrens.

II.

Die Beschwerde ist zulässig und auch begründet, da das Verfahren nach dem nachgesuchten Patent nach den §§ 1 bis 5 PatG patentfähig ist.

1. Die geltende Fassung der Patentansprüche ist zulässig.

Die Merkmale des Verfahrens nach dem geltenden Anspruch 1 finden sich in den ursprünglichen Ansprüchen 1, 10 und 11 i. V. m. den Erläuterungen auf S. 11, Z. 1 - 29 der ursprünglichen Beschreibung. Auch die Fassung der übrigen Ansprüche ergibt sich aus den ursprünglich eingereichten Unterlagen.

2. Der Patentanspruch 1 vermittelt dem Fachmann, einem auf dem Gebiet der Bildverarbeitung tätigen Ingenieur oder Informatiker mit mehrjähriger Berufspraxis, eine ausreichend klare Lehre.

Das beanspruchte Verfahren für die Computertomographie geht davon aus, dass ein ein konusförmiges Strahlenbündel aussendender Fokus und ein Detektorsystem mit mehreren Zeilen um eine Systemachse (z-Achse) bewegt werden, in der das abzutastende Objekt angeordnet ist. Dabei soll in Richtung der Systemachse kein Vorschub stattfinden. Aus den von dem Detektorsystem zu verschiedenen Abtastzeitpunkten während eines für eine vollständige Rekonstruktion ausreichenden Teilumlaufs stammenden Messdaten werden zunächst einzelne (zweidimensionale) Rohbilder berechnet, deren Bildebenen in Bezug auf die Systemachse geneigt sind. Wie auf S. 3, Abs. 3 der Beschreibung erläutert, soll die Neigung der einzelnen Rohbilder sicher stellen, dass zumindest über einen großen Teil des jeweiligen Teilumlaufintervalls Strahlen vorhanden sind, die in der Bildebene verlaufen.

In Hinsicht auf die Berechnung der geneigten Rohbilder ist in der geltenden Anspruchsfassung ergänzt, dass hierzu diejenigen Messdaten heranzuziehen sind, die auf Strahlengängen beruhen, die "hinsichtlich ihres Abstandes von der geneigten Bildebene des jeweiligen Rohbildes" ein Fehlerkriterium erfüllen, dh zur Berechnung eines geneigten zweidimensionalen Rohbildes werden nicht nur Messdaten ausgewertet, die auf Strahlengängen beruhen, die exakt in der selben Ebene liegen, sondern auch von Strahlengängen, die dieser Ebene benachbart sind, soweit sie das im Anspruch genannte Fehlerkriterium erfüllen. Für den Fachmann ist absehbar, dass die zusätzliche Berücksichtigung von Messdaten, die der jeweiligen Rohbildebene benachbart sind, bei relativ geringem Rechenaufwand zu einer Qualitätsverbesserung der Rohbilder führen kann.

Hinsichtlich der darauf folgenden Bestimmung des letztlich gewünschten dreidimensionalen CT-Bildes enthält der Anspruch 1 lediglich die Anweisung, dieses aus den geneigten Rohbildern zu ermitteln. Diese Anweisung und die im konkreten Fall bekannten geometrischen Verhältnisse reichen für einen Bildverarbeitungsfachmann aus, um aus den geneigten Rohbildern ein CT-Bild zu rekonstruieren, dessen einzelne Bildebenen gleichen Abstand voneinander aufweisen. Insoweit vermittelt der Anspruch 1 eine nachvollziehbare technische Lehre.

Im Übrigen werden dem Fachmann in den Ansprüchen 2 bis 5 verschiedene konkrete Möglichkeiten aufgezeigt, wie aus den Quellpixeln der Rohbilder die Zielpixel des CT- Bildes ermittelt werden können, bspw. durch Gewichtung in Abhängigkeit vom Abstand beider Pixel.

3. Das Verfahren nach dem Patentanspruch 1 ist neu und beruht auch auf erfinderischer Tätigkeit.

Von den im Prüfungsverfahren entgegen gehaltenen Druckschriften beschäftigt sich die DE 195 02 574 C2 mit der Problematik, wie rechenintensive Verfahren bei der 3D- Rekonstruktion von CT-Bildern vermieden werden können (vgl. Sp. 1, Z. 62 - Sp. 2, Z. 21). Hierzu wird vorgeschlagen, bei Computertomographen mit Mehrzeilendetektoren für den kegelförmigen Strahl eine verstellbare Blende 10 vorzusehen, mit der wahlweise Detektorzeilen abgeschattet werden. Soll eine Bildrekonstruktion mit hoher Auflösung erfolgen, werden den vier Eingangskanälen des Bildrekonstruktionsrechners lediglich die vier innersten Zeilen des Detektors zugeführt (vgl. Fig. 2). Wie in den Figuren 3, 4 und 5 dargestellt, kann die Blende auch auf 8, 12 oder 16 Zeilen aufgeweitet werden. Entsprechend wird einem der vier Kanäle des Bildrekonstruktionsrechners die Summe der Signale von 2, 3 oder 4 Zeilen (einer Spalte) zugeführt. Dieser Druckschrift entnimmt der Fachmann sonach, dass die für zweidimensionale Bilder bekannten Rekonstruktionsalgorithmen für räumliche Rekonstruktionen mit Mehrzeilendetektoren nur soweit tauglich sind, als diese wenige Zeilen umfassen. Bei einer größeren Zahl von Zeilen ist ein Gebrauch dieser Algorithmen nur unter gleichzeitiger Verringerung der Auflösung praktikabel.

Auch die EP 0 990 892 A2 befasst sich mit der Bildrekonstruktion bei Computertomographen mit Mehrzeilendetektoren. Einleitend wird auf den von Feldkamp, Davis und Kress vorgeschlagenen FDK-Algorithmus eingegangen. Nach diesem Algorithmus werden zur dreidimensionalen Bildrekonstruktion alle Messdaten für jede Strahlenquellenposition erst einer Gewichtung und dann einer Hochpaßfilterung unterzogen. Sodann erfolgt eine räumliche Rückprojektion unter Wichtung mit einem Faktor, der vom Abstand des jeweiligen Voxels von der Strahlenquelle abhängt. Als Nachteile des FDK-Algorithmus werden erwähnt, dass er viel Rechenzeit benötigt und nur ein schmaler scheibenförmiger Bereich rekonstruiert wird (vgl. Sp. 1, Z. 26 - Sp. 2, Z. 10). Zur Vermeidung dieser Nachteile schlägt die Schrift ua ein "Rebinning" der Messdaten zu einer Anzahl von Gruppen vor, wobei jede Gruppe mehrere zur Mittelebene bzw. Rotationsebene parallele, dh nicht geneigte Ebenen umfassen soll (vgl. Anspruch 1). Eine Anregung darauf, zur Gewinnung von 3D-Bildern zunächst zweidimensionale Rohbilder zu rekonstruieren, die gegenüber der Mittelebene geneigt sind, gibt diese Druckschrift nicht, was letztlich daran liegt, dass sie einen grundsätzlich anderen Ansatz zeigt.

Die Dissertation von Henrik Turbell: "Cone-Beam Reconstruction Using Filtered Backprojection" S. 31 - 50, Februar 2001, Linköping Universität, Schweden gibt zunächst einen Überblick über bekannte Methoden zur dreidimensionalen Bildrekonstruktion. Danach soll mit der dreidimensionalen Radontransformation eine exakte Rekonstruktion möglich sein, die aber mangels eines Detektors, der einen Patienten in allen Richtungen abtasten kann, bei der Computertomographie nicht anwendbar ist (Abschnitt 3.1.2). In den Abschnitten 3.2 und 3.3 wird auf den oben erläuterten FDK-Algorithmus mit verschiedenen Abwandlungen eingegangen. Bei der im Abschnitt 3.3.3 dargestellten FDK-SLANT-Methode zeigt Figur 3.9 (a) "a set of book pages", die gegenüber der Mittelebene geneigt sind. Diese geneigten Ebenen geben jedoch ausweislich der Bildunterschrift in ihrer Schnittlinie mit der Detektorebene lediglich die Richtung für die Filterung an und definieren nicht die Bildebene eines zu rekonstruierenden zweidimensionalen Rohbildes.

Auch die US 5 708 691 befasst sich mit einer Modifikation des FDK-Algorithmus. Mit dieser Modifikation soll eine Eliminierung oder Reduzierung der Artefakte erreicht werden (vgl. Sp. 1, Z. 64 - Sp. 2, Z. 14 und Sp. 3, Z. 21f). Zu diesem Zweck wird die Verwendung von interpolierten Subvoxeln vorgeschlagen, die eine höhere Auflösung als die detektierten Voxel vorgeben.

Der weiterhin genannte Aufsatz von Kopp ua "Multislice Computed Tomography Basic Principles and Clinical Applications" in electromedica 68, 2000, Heft 2, S. 94 - 105 befasst sich mit der Spiralabtastung, bei der grundsätzlich unterschiedliche Rekonstruktionsalgorithmen zum Einsatz kommen und die deshalb keine Anregung in Hinsicht auf das vorgeschlagene Verfahren geben kann.

Es ist daher anzuerkennen, dass das Verfahren gemäß dem Patentanspruch 1 patentfähig ist.

Die Änderungen in den untergeordneten Ansprüchen und der Beschreibung betreffen redaktionelle Anpassungen oder eine ergänzende Würdigung entgegengehaltenen Druckschriften.

Bei dieser Sachlage war das Patent antragsgemäß zu erteilen.






BPatG:
Beschluss v. 13.07.2006
Az: 17 W (pat) 70/03


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