Landgericht Düsseldorf:
Urteil vom 1. März 2012
Aktenzeichen: 12 O 607/11
(LG Düsseldorf: Urteil v. 01.03.2012, Az.: 12 O 607/11)
Tenor
Die einstweilige Verfügung des Landgerichts Düsseldorf vom 21.12.2011 (Az.: 12 O 607/11) wird bestätigt.
Die Antragsgegnerin trägt auch die weiteren Kosten des Verfahrens.
Tatbestand
Die Antragstellerin ist die A.. Bei der Antragsgegnerin handelt es sich um ein Unternehmen, das Telefon- und Internetdienstleistungen anbietet.
Auf der Internetseite der Antragsgegnerin B. gibt die Antragsgegnerin für ihren telefonischen Kundenservice die Telefonnummer "C." an. Unter dieser Nummer findet sich folgender Hinweis:
"0-19 ct/Min aus dem dt. Festnetz, ggf. abweichende Mobilfunktarife".
An anderer Stelle heißt es unter der angegebenen Telefonnummer:
"Servicemenü kostenfrei, danach 0 oder 19 ct/Min. nach Tarifansage aus dem Festnetz, abweichende Mobilfunkpreise".
Unter der in Rede stehenden Nummer können Kunden die Antragsgegnerin unter anderem mit Blick auf verschiedene Themen wie Rechnung, Vertrag, Telefonbucheintrag, Anbieterwechsel, Mahnung, Bankverbindung ändern, Einzelgesprächsnachweis, Vorteilswelt, Sicherheitspaket, E-Rechnung und Umzug kontaktieren (vgl. Anlage Ast. 2, Bl. 7 f. GA).
Mit Schreiben vom 08.12.2011 mahnte die Antragstellerin die Antragsgegnerin mit Blick auf die vorstehenden Preisangaben für die Rufnummer "C." ab und forderte sie erfolglos zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung auf.
Die Kammer hat der Antragsgegnerin mit Beschluss vom 21.12.2011, der Antragsgegnerin im Parteibetrieb am 27.12.2011 zugestellt, unter Androhung der gesetzlichen Ordnungsmittel untersagt, mit einer Kundenservicetelefonnummer mit der Vorwahl "D." zu werben, ohne gleichzeitig den für die Inanspruchnahme des Dienstes zu zahlenden Preis sowohl aus dem Festnetz, als auch aus Mobilfunknetzen (hier Angabe des Höchstpreises) gut lesbar sowie deutlich sichtbar anzugeben, wenn dies geschieht wie aus Anlage Ast 2 ersichtlich.
Hiergegen hat die Antragsgegnerin Widerspruch eingelegt.
Die Antragstellerin trägt vor, dass sie bei Anruf der streitgegenständlichen Rufnummer mit ihrem Mobilfunktelefon nach dem Drücken der Taste 9 unmittelbar mit einem "Mitarbeiter unseres Serviceteams" verbunden worden sei, ohne zuvor auf die Kosten hingewiesen worden zu sein. Sie meint, die Antragsgegnerin verstoße gegen § 66a des Telekommunikationsgesetzes (TKG), die Vorgaben der Preisangabenverordnung (PAngV) und § 5a Abs. 3 Nr. 3 des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG).
Die Antragstellerin beantragt,
die einstweilige Verfügung des Landgerichts Düsseldorf vom 21.12.2011 (Az.: 12 O 607/11) zu bestätigen.
Die Antragsgegnerin beantragt,
die einstweilige Verfügung des Landgerichts Düsseldorf vom 21.12.2011 (Az.: 12 O 607/11) aufzuheben und den Antrag auf ihren Erlass zurückzuweisen.
Die Antragsgegnerin trägt vor, dass der Anruf auf der in Rede stehenden Rufnummer abhängig von der Anfrage des Kunden aus dem Festnetz kostenfrei sei oder aber mit einem Entgelt von bis zu 19 Cent/Minute berechnet werde.
Sofern der Kunde die Nummer anwähle, gelange er zunächst in ein Servicemenü. In dem Servicemenü würden ihm sodann verschiedene Themen genannt, die der Kunde auswählen könne. Für den Zeitraum zwischen Anwahl der Servicenummer und der Auswahl des jeweiligen Servicethemas bis zur vollständigen Preisansage im Falle einer Entgeltpflicht, sei das Gespräch aus dem Festnetz für den Kunden kostenfrei. Sofern sich der Kunde für ein Servicethema entschieden habe, erfolge ein Hinweis darauf, ob das nachfolgende Gespräch zu dem vom Kunden ausgewählten Thema aus dem Festnetz kostenfrei oder kostenpflichtig sei. Im Rahmen der Tarifansage werde dem Kunden im Falle der Kostenpflicht bei Anruf aus dem Festnetz der genaue Minutenpreis mitgeteilt. Erst dann, wenn der Kunde das Gespräch nach der Tarifansage fortsetze, beginne eine etwaige Entgeltpflicht.
Bei Anruf aus dem Mobilfunknetz könne ein konkreter Preis dagegen nicht benannt werden. Da der jeweilige Mobilfunkanbieter berechtigt sei, den Preis für die Nutzung von Servicenummern für "D.-Rufnummern", der auch die in Rede stehende Nummer zugehört, einseitig festzulegen und dabei nicht an Preisobergrenzen gebunden sei, seien ihr die von dem jeweiligen Mobilfunkanbieter berechnetet Preise nicht bekannt.
Die Antragsgegnerin meint, dass das Telekommunikationsgesetz für die in Rede stehende Rufnummer weder eine Preisangabe- noch eine Preisansageverpflichtung vorsehe. Insbesondere falle die streitgegenständliche Rufnummer nicht unter die Vorgaben von § 66a TKG. Die Rufnummer der Antragsgegnerin sei vielmehr aus der 0185-Gasse (Rufnummern für Nutzergruppen), für die keine Preisangabepflicht bestehe. Dies entspreche auch dem Willen des parlamentarischen Gesetzgebers, der im Rahmen der als Anlage Ag 3 (Bl. 75 GA) vorgelegten Bundestagsdrucksache 17/3197 im Rahmen einer tabellarischen Übersicht für Nutzergruppen "keine" Preisangabenverpflichtung vorsehe.
Die Preisangabenverordnung sei schon deshalb nicht anwendbar, weil das Telekommunikationsgesetz als spezialgesetzliche Regelung vorgehe.
Im Rahmen der mündlichen Verhandlung vom 22.02.2012 hat die Antragstellerin klargestellt, dass sie den geltend gemachten Unterlassungsanspruch in erster Linie auf einen Verstoß gegen § 66a TKG, in zweiter Linie auf einen Verstoß gegen die Vorschriften der Preisangabenverordnung und in dritter Linie auf einen Verstoß gegen § 5a Abs. 3 Nr. 3 UWG stützt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend auf die wechselseitig zur Akte gereichten Schriftsätze der Parteien nebst deren Anlagen Bezug genommen.
Gründe
Die einstweilige Verfügung der Kammer vom 21.12.2011 ist zu bestätigen, da die Voraussetzungen für deren Erlass - das Vorliegen eines Verfügungsgrundes und eines Verfügungsanspruchs - weiterhin glaubhaft sind (§§ 935, 936, 920 Abs. 2 ZPO).
Die Aktivlegitimation der Antragstellerin ergibt sich aus § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG (vgl. Köhler/Bornkamm-Köhler, UWG, 29. Aufl. 2011, Einleitung Rn. 2.29).
Der Antragstellerin steht gegen die Antragsgegnerin ein Anspruch auf die begehrte Unterlassung aus §§ 8 Abs. 1, 3, 4 Nr. 11 UWG i.V.m. § 66a TKG zu.
Nach § 8 Abs. 1 UWG kann im Falle von Wiederholungsgefahr auf Unterlassung in Anspruch genommen werden, wer eine nach §§ 3 oder 7 UWG unzulässige geschäftliche Handlung vornimmt. Nach §§ 3, 4 Nr. 11 UWG handelt insbesondere unlauter und damit unzulässig, wer einer gesetzlichen Vorschrift zuwider handelt, die auch dazu bestimmt ist, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln. Diese Voraussetzungen sind erfüllt.
Die Antragsgegnerin verstößt gegen § 66a TKG.
Wer gegenüber Endnutzern Premium-Dienste, Auskunftsdienste, Massenverkehrsdienste, Service-Dienste, Neuartige Dienste oder Kurzwahldienste anbietet oder dafür wirbt, hat dabei den für die Inanspruchnahme des Dienstes zu zahlenden Preis zeitabhängig je Minute oder zeitunabhängig je Inanspruchnahme einschließlich der Umsatzsteuer und sonstiger Preisbestandteile anzugeben (§ 66a Satz 1 TKG). Bei Angabe des Preises ist der Preis gut lesbar, deutlich sichtbar und in unmittelbarem Zusammenhang mit der Rufnummer anzugeben (§ 66a Satz 2 TKG). Soweit für die Inanspruchnahme eines Dienstes nach § 66a Satz 1 TKG für Anrufe aus dem Mobilfunknetz Preise gelten, die von den Preisen für Anrufe aus den Festnetzen abweichen, ist der Festpreis mit dem Hinweis auf die Möglichkeit abweichender Preise für Anrufe aus dem Mobilfunknetzen anzugeben (vgl. § 66a Satz 5 TKG). Abweichend von § 66a Satz 5 TKG bestimmt § 66a Satz 6 TKG für Service-Dienste, dass neben dem Festnetzpreis auch der Mobilfunkhöchstpreis anzugeben ist, soweit für die Inanspruchnahme des Dienstes für Anrufe aus den Mobilfunknetzen Preise gelten, die von den Preisen für Anrufe aus den Festnetzen abweichen.
Entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin findet die vorstehende Vorschrift im vorliegenden Fall Anwendung, denn die Antragsgegnerin bietet über die in Rede stehende Rufnummer "Service-Dienste" im Sinne des TKG an.
Nach § 3 Nr. 8b TKG sind "Service-Dienste" im Sinne des Telekommunikationsgesetzes Dienste, insbesondere des Rufnummernbereichs (0)180, die bundesweit zu einem einheitlichen Entgelt zu erreichen sind. Die von der Antragsgegnerin unter der Rufnummer "C." angebotenen Dienste sind Service-Dienste im vorbeschriebenen Sinne, da die Antragsgegnerin unter dieser Rufnummer - dies ist unstreitig - bundesweit die in Anlage Ast. 2 (Bl. 7 f. GA) näher bezeichneten Dienste zu einem einheitlichen Entgelt anbietet.
Der Einordnung der von der Antragsgegnerin angebotenen Dienste als "Service-Dienste" steht nicht entgegen, dass § 3 Nr. 8b TKG sich explizit nur auf den Rufnummernbereich (0)180 bezieht, die Rufnummer der Antragsgegnerin aber mit den Ziffern "D." beginnt und daher den Rufnummern für Nutzergruppen zugeordnet ist, für die grundsätzlich keine Preisangabepflicht vorgesehen ist.
Wie sich aus dem Wortlaut von § 3 Nr. 8b TKG ergibt, zählt die Vorschrift Rufnummern, hinter denen sich Service-Dienste verbergen können, nicht abschließend auf. Vielmehr bringt die Formulierung, dass "Service-Dienste" Dienste, "insbesondere" des Rufnummernbereichs (0)180 sind, zum Ausdruck, dass nach dem Wortlaut der Vorschrift auch Dienste, die unter Rufnummer mit anderen Ziffern angeboten werden, als Service-Dienste qualifiziert werden können.
Die Anwendbarkeit von § 66a TKG folgt im vorliegenden Fall jedenfalls aus § 66l TKG. Nach § 66l TKG finden die Vorschriften der §§ 66a bis 66k TKG auch dann Anwendung, wenn sie durch anderweitige Gestaltungen umgangen werden sollen. Dieses sog. "Umgehungsverbot" entspricht der Regelung des § 306a BGB. Eine Umgehung stellt es insbesondere dar, wenn Dienste entgegen ihrer bestimmungsgemäßen Nutzung aufgrund von Zuteilungsregelungen genutzt werden (BT-Drucks. 15/5213, S. 27). Dies ist hier der Fall.
Die von der Antragsgegnerin angebotenen Dienste stellen sich ihrem Inhalt nach, wie ausgeführt, als Service-Dienste dar, denen gem. § 66 TKG i.V.m. Telekommunikations-Verordnung von der Bundesnetzagentur grundsätzlich der Teilbereich (0)180 zugewiesen wird. Dass die Antragsgegnerin entgegen der vorgenannten Vorgaben Service-Dienste anstatt unter der Rufnummer (0)180 unter der Rufnummer D. anbietet, stellt sich als Umgehung der Zuteilungsregelungen dar, die nach dem Willen des Gesetzgebers durch § 66l TKG explizit verhindert werden soll (BT Drucks. 15/5213, S. 27).
Soweit die Antragsgegnerin unter Hinweis auf die als Anlage Ag 3 (Bl. 75 GA) vorgelegte Bundestagsdrucksache 17/3197 meint, die Anwendung von § 66a TKG auf den vorliegenden Fall widerspreche dem Willen des parlamentarischen Gesetzgebers, vermag dieser Standpunkt nicht zu überzeugen. Bei der als Anlage Ag 3 überreichten Tabelle handelt es sich um eine "tabellarische Übersicht von Rufnummernbereich und Preisobergrenze". Der Tabelle lässt sich lediglich entnehmen, für welche Rufnummernbereiche grundsätzlich eine/keine Preisangabepflicht besteht. Über die Frage, ob unter Anwendung von § 66l TKG für eine der dort genannten Rufnummern im Einzelfall ausnahmsweise doch eine Preisangabepflicht besteht, verhält sich die Tabelle naturgemäß nicht.
Die Antragsgegnerin verstößt gegen die in § 66a TKG für sog. Service-Dienste vorgesehenen Vorgaben.
Es kann dabei dahin stehen, ob die Antragsgegnerin, sofern sich der Kunde für ein Servicethema entschieden hat, - wie sie behauptet - einen Hinweis erteilt, ob das nachfolgende Gespräch zu dem vom Kunden ausgewählten Thema aus dem Festnetz kostenfrei oder kostenpflichtig ist und im Falle der Kostenpflicht bei Anruf aus dem Festnetz den genauen Minutenpreis mitteilt oder nicht. Eine solche Preisansage im Sinne von § 66b TKG ist für die von der Antragsgegnerin angebotenen Service-Dienste ohnehin nicht ausreichend. Die Antragsgegnerin ist gemäß § 66a Satz 1 und 2 TKG vielmehr zur Angabe eines festen Preises für Anrufe aus dem Festnetz und gemäß § 66a Satz 6 TKG zu Angabe eines Höchstpreises für Anrufe aus dem Mobilfunknetz verpflichtet. Dieser Pflicht ist die Antragsgegnerin nicht nachgekommen.
Die Antragsgegnerin kann sich mit Blick auf ihre Pflicht zur Angabe eines Höchstpreises für Anrufe aus dem Festnetz auch nicht mit Erfolg darauf berufen, dass sie bei Anruf aus dem Mobilfunknetz einen konkreten Preis nicht benennen könne, da der jeweilige Mobilfunkanbieter berechtigt sei, den Preis für die Nutzung von Servicenummern einseitig festzulegen und ihr die von dem jeweiligen Mobilfunkanbieter berechneten Preise nicht bekannt seien. In der Tat würde die Pflicht zur Angabe eines genauen Mobilfunkpreises den Anbieter der Rufnummer, der nicht zugleich der Mobilfunkanbieter ist, dazu zwingen, sich ständig Preisänderungen, die nicht seinem Einfluss unterliegen, bei den verschiedenen Mobilfunkanbietern informieren zu müssen. Aus diesem Grund ist nach § 66a Satz 6 TKG die Angabe eines konkreten Preises auch gerade nicht erforderlich (BT-Drucks. 16/12405, S. 16), sondern die Angabe eines Mobilfunkhöchstpreises ausreichend. Diese Angabe hat die Antragsgegnerin nicht gemacht.
Die Antragsgegnerin kann ferner nicht mit Erfolg einwenden, dass die Mobilfunkanbieter für die Nummern im Bereich D. nicht an einen bestimmten Höchstpreis gebunden seien. Für Service-Dienste im Nummernbereich (0)180 werden den Mobilfunkanbietern von der Bundesnetzagentur entsprechende Mobilfunkhöchstpreise vorgeschrieben (vgl. § 67 Abs. 2 TKG). Der Antragsgegnerin steht es frei, für ihre Service-Dienste bei der Bundesnetzagentur die Zuteilung einer (0)180 zu beantragen, um den Vorgaben von § 66a Satz 6 TKG zukünftig entsprechen zu können.
Bei § 66a TKG handelt es sich um eine Vorschrift, die auch dazu bestimmt ist, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln (§ 4 Nr. 11 UWG). Das Telekommunikationsgesetz verfolgt ausweislich § 1 TKG den Zweck, durch eine technologieneutrale Regulierung den Wettbewerb im Bereich der Telekommunikation und leistungsfähige Telekommunikationsinfrastrukturen zu fördern und flächendeckend angemessene und ausreichende Dienstleistungen zu gewährleisten.
Die Wiederholungsgefahr im Sinne von § 8 UWG wird durch den begangenen Verstoß indiziert. Die Antragsgegnerin hat es abgelehnt, die Wiederholungsgefahr durch Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung auszuräumen.
Schließlich liegt auch ein Verfügungsgrund vor; nach § 12 Abs. 2 UWG wird die Dringlichkeit vermutet.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.
Einer gesonderten Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit bedurfte es aufgrund des Charakters des einstweiligen Verfügungsverfahrens nicht.
LG Düsseldorf:
Urteil v. 01.03.2012
Az: 12 O 607/11
Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/5124579a9b8f/LG-Duesseldorf_Urteil_vom_1-Maerz-2012_Az_12-O-607-11