Oberlandesgericht Köln:
Urteil vom 29. August 1997
Aktenzeichen: 6 U 114/96
(OLG Köln: Urteil v. 29.08.1997, Az.: 6 U 114/96)
1. Gerichtliche (wettbewerbsrechtliche) Unterlassungsgebote sind auch nach Ànderung des § 13 II 1 UWG grundsätzlich unbegrenzt auszusprechen. Allerdings verschafft ein solcher Titel dem Kläger (Antragsteller) nicht mehr Rechte, als ihm nach dem Gesetz - insbesondere unter Berücksichtigung von § 13 II 1 UWG n.F. - zustehen.
2. Den Interessen solcher Parteien, die im Zeitpunkt des Erlasses eines derartigen (räumlich unbegrenzten) Unterlassungstitels wirtschaftlich nur regional aufeinandertreffen sowie den mit der Ànderung des § 13 II 1 UWG verfolgten gesetzgeberischen Zielen läßt sich dadurch hinreichend Rechnung tragen, daß sich die Durchsetzung der sich aus dem uneingeschränkten Titel ergebenden Rechte beschränkt auf solche Wettbewerbshandlungen des Titelschuldners, für die der Kläger (Antragsteller) - sei es als unmittelbar Verletzter, sei es gem. § 13 II 1 UWG - aktivlegitimiert wäre.
Tenor
Die Kosten der ersten Instanz des von den Parteien ü-bereinstimmend in der Hauptsache erledigt erklärten Rechtsstreits werden unter Abänderung der Kostenentscheidung des am 16. April 1996 verkündeten Urteils der 31. Zivilkammer des Landgerichts Köln - 31 O 652/95 - der Klägerin zu 60 % und der Beklagten zu 40 % auferlegt. Die Kosten der zweiten Instanz tragen die Klägerin und die Beklagte zu je 1/2.
Gründe
Nachdem die Parteien im Berufungstermin vom 11. Juli 1997 den
Rechtsstreit über ihre erstinstanzlichen Erledigungserklärungen
hinaus auch hinsichtlich des Unterlassungsbegehrens der Klägerin in
der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt haben, das
allein Gegenstand des Berufungsverfahrens war, war nur noch gemäß §
91 a Abs. 1 ZPO über die Kosten des Rechtsstreits zu entscheiden.
Diese Kosten waren in Anwendung billigen Ermessens im Sinne dieser
Vorschrift zu verteilen, wie aus dem Tenor dieses Beschlusses
ersichtlich.
Wie vom Senat mit den Parteien in der mündlichen Verhandlung vom
11. Juli 1997 erörtert, kann die Klägerin von der Beklagten
hinsichtlich der streitgegenständlichen Wettbewerbshandlung
uneingeschränkt, d.h. nicht auf bestimmte Regionen begrenzt,
Unterlassung verlangen. Die Ànderung des § 13 Abs. 2 Nr. 1 UWG
durch die UWG-Novelle 1994 führt zwar dazu, daß zukünftig
Wettbewerber bestimmte Verstöße nicht verfolgen können, weil ihnen
insoweit die Sachbefugnis und damit ein entsprechender
Unterlassungsanspruch gegen den Wettbewerber nicht zusteht, selbst
wenn dessen Handlung nach wie vor unlauter ist. Der Gesetzgeber
will damit ausweislich der amtlichen Begründung zur UWG-Novelle
1994 (abgedruckt in WRP 1994/369 f.) erreichen, daß eine als
mißbräuchlich angesehene Geltendmachung von Unterlassungsansprüchen
eingedämmt wird, um auf diese Weise mehr Freiräume für die
Wirtschaft zu schaffen (vgl. amtliche Begründung zur UWG-Novelle
1994, WRP 1994/371; BGH "Altunterwerfung I" WRP 1997/312 f., 316).
Die mit § 13 Abs. 2 UWG n.F. entsprechend diesem gesetzgeberischen
Ziel eingetretenen Einschränkungen der Verfolgbarkeit von
Unterlassungsansprüchen sind nach dem 1. August 1994 bei
gerichtlichen Unterlassungsgeboten nicht nur bei der Prüfung der
Aktivlegitimation des Unterlassungsgläubigers für den konkret
beanstandeten Verstoß zu beachten, sondern auch bei der Frage,
welchen Umfang das Unterlassungsgebot hat, das sich nicht auf
diesen Verstoß beschränkt, sondern seine wesentliche Wirkung gerade
für die Zukunft entfalten soll. Dieses gerichtliche
Unterlassungsgebot darf dem Kläger nicht mehr Rechte zusprechen,
als ihm nach dem Gesetz, damit auch unter Berücksichtigung des § 13
Abs. 2 Nr. 1 UWG n.F. zustehen. Es mag Fälle geben, bei denen dies
zu einer regionalen Begrenzung des Unterlassungsgebots führt. Bei
dem im Streitfall zu beurteilenden Vorgehen der - nur regional
tätigen - Klägerin gegen die bundesweit tätige Beklagte ist dies
nicht möglich. Abgesehen davon, daß sich die Grenzen des
Wirtschaftsraums, in dem die Interessen der Parteien eines
Wettbewerbsrechtsstreits aufeinanderstoßen, häufig sehr schwer zu
bestimmen sind, wie die zahlreichen Verfahren deutlich gemacht
haben, in denen die Voraussetzungen des § 13 Abs. 2 Nr. 1 oder Nr.
2 UWG n.F. streitig waren und wie ebenfalls die Versuche der
Beklagten im vorliegenden Verfahren zur näheren Konkretisierung
dieses Wirtschaftsraums in bezug auf die Klägerin deutlich machrn,
muß das gerichtliche Unterlassungsgebot auch der sich bei Erlaß des
Titels abzeichnenden zukünftigen wirtschaftlichen Entwicklung
beider Parteien angemessen Rechnung tragen. Auch wenn es sich bei
der Klägerin um ein derzeit im Raum Fulda regional tätiges
Unternehmen handelt, bedeutet dies nicht, daß sich ihre Tätigkeit
zukünftig auf diesen Raum beschränkt. Vielmehr sind gerade
Unternehmen wie die der Klägerin oder auch der Beklagten auf
Expansion angelegt. Es sind damit die Fälle zu bedenken, in denen
beide Parteien durch neue Filialen oder in anderer Weise ihren
Wirtschaftsraum, in dem sie derzeit aufeinanderstoßen,
überschreiten, sei es auch nur durch überregionale Werbemaßnahmen,
mit denen Kunden beider Parteien außerhalb dieses Wirtschaftsraumes
angesprochen werden. Auch hinsichtlich solcher zukünftigen
Erweiterungen hat jedoch die Klägerin gegen die Beklagte einen
entsprechenden Unterlassungsanspruch, der sich bereits aus der im
vorliegenden Verfahren beanstandeten Wettbewerbshandlung ergibt.
Andererseits soll und muß dem Schuldner zugute kommen, wenn die
Klägerin später ihr örtliches Betätigungsfeld einschränkt und damit
für bestimmte Bereiche, die heute noch zu dem beiden Parteien
gemeinsamen Wirtschaftsraum gehören, zur Verfolgung von Verstößen
der Beklagten gegen ein diesen Wirtschaftsraum umfassenden
Unterlassungstitel nicht mehr als unmittelbar Verletzte oder als
gemäß § 13 Abs. 2 Nr. 1 UWG Berechtigte aktivlegitimiert wäre.
Nach Ansicht des Senats ist bei Berücksichtigung dieser
Erwägungen den Interessen beider Parteien und dem geänderten § 13
Abs. 2 Nr. 1 UWG dadurch angemessen Rechnung zu tragen, daß das
Unterlassungsgebot zwar nicht örtlich begrenzt ausgesprochen wird,
daß jedoch die Verfolgung der sich aus diesem Titel ergebenden
Unterlassungsansprüche der Klägerin beschränkt sind auf die
Wettbewerbshandlungen der Beklagten, für die die Klägerin
aktivlegitimiert ist, sei es als unmittelbar Verletzte, sei es
gemäß § 13 Abs. 2 Nr. 1 UWG.
Mit einem derartigen Unterlassungsgebot wird die Beklagte
(ersichtlich auch nach ihrem eigenen Verständnis) nicht
unangemessen belastet und keinen Unwägbarkeiten ausgesetzt, die mit
dem von einem Unterlassungsgebot wegen der dort enthaltenen
Androhung von Ordnungsmitteln zu fordernden Bestimmtheit
unvereinbar wären. Die Beklagte ist verpflichtet, die von der
Klägerin beanstandete und im Unterlassungsgebot im einzelnen
beschriebene Handlung zu unterlassen. Will sie dennoch in dieser
Weise werben, ist es ihr Risiko zu prüfen, ob dies in einem Bereich
geschieht, in dem die Klägerin für die Verfolgung von
Unterlassungsansprüchen aus dem Titel nicht aktivlegitimiert ist
und der somit außerhalb der Reichweite des Unterlassungstitels
liegt. Daß es durch die aufgezeigte Beschränkung des
Unterlassungsgebots zu Beweisaufnahmen im Verfahren nach § 890 ZPO
kommen kann, ist unerheblich, zumal Beweisaufnahmen im
Ordnungsmittelverfahren auch sonst erforderlich sein können.
Für den Streitfall bedeutet dies, daß die Beklagte zwar nicht
schon in ihrer Abschlußerklärung vom 6. November 1995, wohl aber in
ihrer Erklärung vom 13. November 1995 und in der in der
Berufungsverhandlung vom 11. Juli 1997 zu Protokoll gegebenen
Abschlußerklärung ihre Unterlassungsverpflichtung gegenüber der
Klägerin im Einklang mit den vorstehend aufgezeigten Grenzen dieser
Verpflichtung beschrieben hat, wobei die Erklärung der Beklagten im
Berufungstermin vom 11. Juli 1997 sodann Anlaß für die
übereinstimmende Erledigung des Berufungsrechtsstreits durch die
Parteien war. Dies kann jedoch nicht dazu führen, die Kosten des
erledigten Rechtsstreits insgesamt der Klägerin aufzuerlegen. Dem
steht bereits entgegen, daß die Beklagte im Verlauf des
Rechtsstreits unterschiedliche Ansichten zu ihrer
Unterlassungsverpflichtung gegenüber der Klägerin für den
streitgegenständlichen Verstoß vertreten hat, so daß unklar war, in
welchem Umfang und mit welchem Inhalt die Beklagte ihre
Abschlußerklärung gegenüber der Klägerin versteht. Angesichts der
noch völlig ungeklärten, im vorliegenden Rechtsstreit maßgeblichen
Fragen zu § 13 Abs. 2 Nr. 1 UWG n.F. widerspräche es andererseits
gemäß § 91 a Abs. 1 ZPO billigem Ermessen, aus diesen Gründen die
Beklagte mit den gesamten Kosten des in der Hauptsache erledigten
Unterlassungsverfahrens zu belasten. Vielmehr erschien dem Senat in
Anwendung der Grundsätze des § 91 a Abs. 1 ZPO als angemessen,
beide Parteien in gleicher Höhe mit den Kosten zu belasten. Für die
erste Instanz ergab sich dabei lediglich eine andere Quotierung als
für die zweite Instanz, weil insoweit auch die Kosten für die
bereits vor dem Landgericht von den Parteien übereinstimmend für
erledigt erklärten Klageansprüche einzubeziehen waren, die
entsprechend der zutreffenden Entscheidung des Landgerichts im
angefochtenen Urteil und unter Berücksichtigung des Beschlusses des
Senates im Verfahren 6 W 55/96 vom heutigen Tage in Höhe von 20 %
der erstinstanzlichen Kosten von der Klägerin zu tragen waren.
OLG Köln:
Urteil v. 29.08.1997
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