Oberlandesgericht Hamm:
Urteil vom 18. September 2001
Aktenzeichen: 4 U 73/01
(OLG Hamm: Urteil v. 18.09.2001, Az.: 4 U 73/01)
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das am 7. März 2001 verkündete Uteil der 1. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Essen abgeändert.
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar und beschwert die Klägerin mit 20.000,00 DM.
Tatbestand
Die Beklagte betreibt in den Filialen G-Straße und I-Straße in H italienische Schnellrestaurants. Es besteht weiterhin ein Franchisebetrieb der Beklagten "C", ebenfalls in H. Die verkauften Speisen werden den Kunden in Verkaufsverpackungen übergeben, die nicht mit dem grünen Punkt gekennzeichnet sind.
Die Klägerin hat behauptet, in den Filialen der Beklagten seien bei Testbesuchen keine Rücknahmebehälter aufgestellt gewesen. Es habe auch keine deutlich sichtbaren Hinweisschilder gegeben, daß Verpackungen zurückgenommen würden. Die Klägerin hat darin einen Verstoß gegen § 6 der Verpackungsordnung gesehen und das Verhalten für wettbewerbswidrig gehalten, weil die Beklagte Entsorgungskosten spare und sich so einen unlauteren Wettbewerbsvorteil verschaffe.
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagte unter Androhung von Ordnungsmitteln zu verurteilen,
es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Wettbewerbszwecken Verkaufsverpackungen, die nicht mit dem grünen Punkt des Dualen Systems Deutschland gekennzeichnet sind, nicht zurückzunehmen und einer kontrollierten Verwertung gemäß der Verpackungsordnung zuzuführen.
Das Landgericht hat durch Versäumnisurteil vom 13. Dezember 2000 die Beklagte unter Androhung von Ordnungsmitteln verurteilt,
im geschäftlichen Verkehr zu Wettbewerbszwecken die Verkaufsverpackungen, die nicht mit dem grünen Punkt des Dualen Systems Deutschland gekennzeichnet sind, zurückzunehmen und einer kontrollierten Verwertung gemäß der Verpackungsordnung zuzuführen.
Auf den Einspruch der Beklagten hat das Landgericht durch Urteil vom 7. März 2001 dieses Versäumnisurteil aufrechterhalten.
Gegen dieses Urteil hat die Beklagte form- und fristgerecht Berufung eingelegt, mit der sie ihr Klageabweisungsbegehren aus erster Instanz weiterverfolgt.
Unter Ergänzung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vortrages rügt die Beklagte einen Verstoß gegen § 139 ZPO, weil das Landgericht den Sachverhalt nicht ordnungsgemäß aufgeklärt habe. Sie habe schon in erster Instanz behauptet, daß in ihren Betrieben Anfang Mai 2000 und am 3. Juli 2000, als die Testkäufe stattgefunden hätten, deutlich sichtbar Schilder angebracht gewesen seien, mit denen sie die Rücknahme des Verpackungsmaterials ausgewiesen habe. Ebenso seien überall Müllbehälter für die Rücknahme des Verpackungsgutes vorhanden gewesen. Wenn das Landgericht ihren Vortrag in erster Instanz dahingehend mißverstanden habe, daß sie das Vorhandensein der Schilder und der Müllbehälter erst für die Gegenwart habe behaupten wollen, hätte das Landgericht zumindest nachfragen müssen, wie der Parteivortrag der Beklagten tatsächlich zu verstehen sei, bevor es ohne Beweisaufnahme entschieden habe.
Im übrigen handele es sich bei der Verpackungsordnung um wertneutrale Normen. Der grüne Punkt habe mit sinnvollem Umweltschutz nichts zu tun. Selbst wenn man aber von wertbezogenen Normen ausgehen wolle, fehle es an einer Beeinträchtigung der durch § 1 UWG geschützten Interessen.
Die Beklagte beantragt,
unter Abänderung des angefochtenen Urteils und Aufhebung des Versäumnisurteils des Landgerichts vom 13. Dezember 2000 die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt unter Ergänzung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vortrages,
die gegnerische Berufung zurückzuweisen.
Gründe
Die Berufung der Beklagten ist begründet. Das Klagebegehren ist unbegründet.
Der Tenor des Versäumnisurteils, der durch das angefochtene Urteil aufrechterhalten worden ist, kann nicht aufrechterhalten bleiben. Denn dieser Tenor enthält in Wahrheit kein Verbot, sondern ein Gebot, mit dem der Beklagten auferlegt wird, auf eine bestimmte Weise mit dem anfallenden Abfall zu verfahren. Das ist aber ein betriebsinterner Vorgang, der der Einflußnahme der Klägerin als Verein zur Förderung gewerblicher Interessen im Sinne des § 13 Abs. 2 Ziffer 2 UWG entzogen ist (BGH WRP 2000, 1116 - Abgasemmissionen). Diese Formulierung des Urteilstenors geht letztlich auf die Formulierung des Klagebegehrens zurück, wonach es die Beklagte unterlassen soll, bestimmte Verkaufsverpackungen nicht zurückzunehmen und einer ordentlichen Verwertung zuzuführen. Ein solchermaßen formuliertes Verbot, das darauf gerichtet ist, eine bestimmte Verhaltensweise nicht an den Tag zu legen, läuft aber regelmäßig auf ein Gebot des entgegengesetzten Verhaltens hinaus. Hier könnte sich das zulässige Verbotsbegehren der Klägerin allenfalls darauf richten, Speisen zu bewerben und zu verkaufen, ohne Hinweisschilder und Rücknahmebehälter angebracht bzw. aufgestellt zu haben. Denn nur ein Verhalten, mit dem unmittelbar auf das Wettbewerbsgeschehen eingewirkt wird, kann Gegenstand eines Verbotes nach § 1 UWG sein (Köhler/Piper, UWG, 2. Auflage, § 1 Rdzif. 622 m.w.N.).
Letztlich kann die zulässige Fassung des Verbotsbegehrens aber hier dahingestellt bleiben, weil der Klägerin auch in der Sache kein Unterlassungsanspruch wegen des beanstandeten Verhaltens zusteht, und zwar schon nicht nach dem eigenen Vortrag der Klägerin, so daß es einer Beweisaufnahme nicht bedarf, ob das beanstandete Verhalten von der Beklagten tatsächlich gezeigt worden ist. Folglich kommt auch die Verfahrensrüge der Beklagten hier im Ergebnis nicht zum Tragen.
Das beanstandete Verhalten, nämlich daß die Beklagte nicht für eine kontrollierte Verwertung der Verkaufsverpackungen gemäß der Verpackungsverordnung gesorgt haben soll, entzieht sich der wettbewerbsrechtlichen Beurteilung und kann deshalb nicht als Verstoß gegen § 1 UWG gewertet werden.
Dabei kann zu Gunsten der Klägerin davon ausgegangen werden, daß es sich bei der Verpackungsverordnung unter dem Gesichtspunkt des Umweltschutzes um eine wertbezogene Verordnung handelt. Dies schließt es aber nicht aus, bei einem Verstoß im Einzelfall unter Berücksichtigung des Gesamtverhaltens des Wettbewerbers und des Schutzzweckes des § 1 UWG eine sittenwidrige Beeinträchtigung der Lauterkeit des Wettbewerbs zu verneinen (BGH WRP 2000, 170 - Giftnotruf-Box). Vielmehr ist es geboten, in die Prüfung des Gesamtverhaltens des Wettbewerbers nach seinem konkreten Anlaß, seinem Zweck und den eingesetzten Mitteln, seinen Begleitumständen und Außenwirkungen einzutreten, um unter Berücksichtigung des Schutzzweckes des § 1 UWG zu prüfen, ob eine sittenwidrige Beeinträchtigung der Lauterkeit des Wettbewerbs vorliegt. Im Hinblick auf die Zielsetzung des § 1 UWG, die Lauterkeit des Wettbewerbs zu schützen, ist der darin enthaltene Begriff der Sittenwidrigkeit wettbewerbsbezogen auszulegen. Demgemäß ist ein Marktverhalten grundsätzlich nicht schon dann wettbewerbsrechtlich unlauter, wenn es Vorteile aus einem Verstoß gegen ein Gesetz ausnutzt, das - selbst wenn es wertbezogen ist - keinen auch nur sekundären Marktbezug aufweist (BGH GRUR 2000, 1116 - Abgasemmissionen). Fällt der Gesetzesverstoß nicht mit dem Wettbewerbsverhalten selbst zusammen, sondern ist er ihm nachgelagert, so liegt kein Verstoß gegen § 1 UWG vor, wenn die verletzte Norm nicht wenigstens sekundäre wettbewerbsbezogene Schutzfunktion hat.
So ist auch der vorliegende Fall gelagert. Es handelt sich um einen dem wettbewerblichen Handeln nachfolgenden Gesetzesverstoß. Wenn der Kunde der Beklagten nicht weiß, wohin er die nutzlos gewordene Verpackung tun soll, ist das eigentliche Wettbewerbsgeschehen, nämlich die Gewinnung des Kunden, bereits vollendet. Dieses Marktverhalten, nämlich die Gewinnung des Kunden für die Speisen der Beklagten wird auch nicht durch den nachfolgenden Verstoß gegen die Verpackungsordnung geprägt. Es ist auch nicht ersichtlich, daß der Verpackungsordnung hier eine auch nur sekundäre wettbewerbsbezogene Schutzfunktion zukommt. Sinn der Verpackungsordnung ist es vielmehr für eine geordnete Entsorgung der Abfälle zu sorgen. Die Auswirkungen der Verpackungsordnung auf das Marktgeschehen sind rein tatsächlicher Art. Die Verpackungsordnung verfolgt nicht das Ziel, durch die vorgeschriebene Entsorgung der Abfälle zugleich die Marktposition der Wettbewerber zu beeinflussen.
Es ist hier auch noch nicht einmal ersichtlich, daß die Beklagte durch die fehlenden Abfallbehälter nennenswerte Investitionskosten spart. Die Beklagte wird ihre Speisen deshalb kaum billiger anbieten können. Die Klägerin hat in dieser Richtung auch nichts vortragen können, so daß noch nicht einmal ersichtlich ist, in wieweit die Beklagte durch die fehlenden Vorrichtungen sich überhaupt einen wettbewerbsmäßigen Vorsprung vor ihren Mitbewerbern verschafft (vgl. dazu Köhler/Piper, UWG, 2. Auflage, § 1 Rdzif. 661). Letztlich mahnt die Klägerin hier nur vergleichbar einer gewerbepolizeilichen Einrichtung von der Beklagten die Einhaltung von Umweltschutzvorschriften an, ohne daß ein Bezug der angemahnten Maßnahme zum Wettbewerbsgeschehen sichtbar ist. Solche Einwirkungen auf Verhaltensweisen, die dem eigentlichen Wettbewerbsgeschehen nachgelagert sind, sind nicht über § 1 UWG zu rechtfertigen (BGH WRP 2000, 1116 - Abgasemissionen).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.
Die Entscheidung für die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Ziffer 10, 711, 713 ZPO.
OLG Hamm:
Urteil v. 18.09.2001
Az: 4 U 73/01
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