Landesarbeitsgericht Hamm:
Beschluss vom 28. Januar 2008
Aktenzeichen: 13 Ta 754/07

(LAG Hamm: Beschluss v. 28.01.2008, Az.: 13 Ta 754/07)

Tenor

Die Beschwerde der Verfahrensbevollmächtigten des Betriebsrates gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Dortmund vom 09.10.2007 - 1 BV 108/07 - wird zurückgewiesen.

Die Verfahrensbevollmächtigten des Betriebsrates haben die Kosten des Beschwerdeverfahrens in Höhe einer Gebühr von 40,00 € zu tragen.

Gründe

I.

Seit Ende August 2007 setzte die Arbeitgeberin zahlreiche Mitarbeiter aus U1 für kurze Zeiträume in O1 ein, um dort Vor- und Einarbeitungsarbeiten anlässlich der Eröffnung des neuen Möbelhauses erledigen zu lassen.

Im Ausgangsverfahren hat die Arbeitgeberin um Ersetzung der Zustimmung zu einer für den 03. bis zum 08.09.2007 vorgesehenen Versetzung des Mitarbeiters K1 gebeten und zugleich beantragt, festzustellen, dass die vorläufige Durchführung dringend erforderlich war. Für die Zeit seines Einsatzes erzielte der Mitarbeiter einen Verdienst von 577,50 €.

Nach Ablauf der Maßnahme haben die Beteiligten das Verfahren für erledigt erklärt.

Auf Antrag der Verfahrensbevollmächtigten des Betriebsrates hat das Arbeitsgericht mit Beschluss vom 09.10.2007 den Wert des Gegenstandes auf 577,50 € festgesetzt (erzielter Arbeitsverdienst).

Dagegen haben die Verfahrensbevollmächtigten des Betriebsrates Beschwerde eingelegt mit dem Begehren, für den Antrag gemäß § 99 Abs. 4 BetrVG den Regelwert in Höhe von 4.000,00 € und zusätzlich 2.000,00 € für den Antrag nach § 100 BetrVG in Ansatz zu bringen.

Das Arbeitsgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen.

II.

Die gemäß § 33 RVG zulässige Beschwerde der Verfahrensbevollmächtigten des Betriebsrates ist unbegründet.

1. Die Wertfestsetzung richtet sich nach § 23 Abs. 3 S. 2 RVG. Hiernach ist der Gegenstandswert in Fällen der vorliegenden Art grundsätzlich nach billigem Ermessen zu bestimmen. Allerdings kommt diese Art der Wertfestsetzung als Auffangtatbestand erst hinter allen sonstigen Bewertungsfaktoren zum Zuge. Wo ein objektiver Wert festgestellt werden kann, kommt es in erster Linie auf ihn an. Für das arbeitsgerichtliche Beschlussverfahren folgt

hieraus, dass die wirtschaftliche Bedeutung des jeweiligen Streitgegenstandes namentlich bei personellen Einzelmaßnahmen im Vordergrund stehen muss (LAG Hamm, Beschl. v. 24.11.1994 – LAGE BRAGO § 8 Nr. 27; LAG Hamm, Beschl. v. 12.06.2001 – LAGE BRAGO § 8 Nr. 50; Beschl. v. 11.10.2006 – 10 Ta 481/06; Beschl. v. 20.11.2006 – 13 Ta 670/06; GK-ArbGG/Wenzel, § 12 Rdnr. 194, 441 ff. m. w. N.).

Geht es – wie hier – im Rahmen des § 99 BetrVG um eine Versetzung, rechtfertigt es die wirtschaftliche Bedeutung der Angelegenheit, sich an dem Streitwertrahmen des § 42 Abs. 4 GKG zu orientieren und auf die Bewertung einer entsprechenden Klage im Urteilsverfahren zurückzugreifen (zuletzt z. B. LAG Hamm, Beschl. v. 20.11.2006 – 13 Ta 670/06; LAG Hamm, Beschl. v. 11.10.2006 – 10 Ta 561/06; GK-ArbGG/ Wenzel, § 12 Rdnr. 482, jeweils m. w. N.). Denn entgegen der von den Beschwerdeführern wiedergegebenen Rechtsprechung der 10. Kammer des LAG Köln (Beschl. v. 18.05.2007 – 10 Ta 105/07) ist es, worauf bereits die 11. Kammer des LAG Köln in einem Beschluss vom 22.03.1999 (LAGE BRAGO § 8 Nr. 44a) zutreffend hingewiesen hat, nicht gerechtfertigt, die Bemühungen des Arbeitgebers, über die §§ 99 f. BetrVG den Weg zur Durchführung einer personellen Einzelmaßnahme freizumachen, im Rahmen des § 23 Abs. 3 S. 2 RVG höher zu bewerten als der sich gegebenenfalls anschließende Streit im Urteilsverfahren um den Bestand der Maßnahme.

Danach wird das wirtschaftliche Interesse an der Versetzung eines Arbeitnehmers aus Praktikabilitätsgründen regelmäßig mit einem oder zwei Bruttomonatsvergütungen zu bemessen sein (LAG Düsseldorf, Beschl. v. 11.05.1999 – LAGE BRAGO § 8 Nr. 41; LAG Hamm, Beschl. v. 11.10.2006 – 10 Ta 561/06; LAG Hamm, Beschl. v. 15.12.2005 – 13 TaBV 156/05).

Allerdings muss bei kürzeren Zeiträumen wie hier, wo es nur um eine Woche ging, entsprechend der Einsatzzeit ein geringerer Wert angenommen werden (vgl. LAG Hamm, Beschl. v. 20.06.2006 – 13 Ta 670/06).

So ergibt sich als Ausgangswert der erzielte Verdienst in Höhe von 577,50 €.

2. Weil alle streitgegenständlich gewesenen Versetzungen auf eine einheitliche unternehmerische Entscheidung zurückzuführen waren und keine Besonderheiten aufwiesen, ist es nach der Rechtsprechung des LAG Hamm (z. B. Beschl. v. 10.01.2005 – 13 TaBV 100/04; Beschl. v. 22.02.2005 – 13 TaBV 119/04; Beschl.v. 15.12.2005 – 13 TaBV 156/05) gerechtfertigt, in Anlehnung an die Staffelung der Arbeitnehmerzahlen in § 9 BetrVG den Wert jeder einzelnen Versetzung typisierend festzulegen, um auf diese Weise zu einer gleichförmigen und damit dem Gleichbehandlungsgrundsatz wahrenden Rechtsanwendung zu gelangen. Dabei sind für die personellen Einzelmaßnahmen 2 – 20 jeweils 25% des Ausgangswertes zu berücksichtigen.

Vorliegend ist die erste, am 31.08.2007 begonnene und am 06.09.2007 beendete Versetzung des Arbeitnehmers I1 (10 Ta 821/07 – 6 BV 113/07) mit dem vollem Ausgangswert in Ansatz gebracht worden. Somit errechnet sich hier für den Zustimmungsersetzungsantrag gemäß § 99 Abs. 4 BetrVG ein Gegenstandswert von 144,38 € (25% von 577,50 €).

3. Daneben ist der Antrag auf Feststellung, dass die vorläufige Durchführung der strittigen Versetzung aus sachlichen Gründen dringend erforderlich war, zusätzlich zu werten. Dieses Begehren legitimiert nämlich die vorläufige Durchführung einer personellen Maßnahme bis zum Abschluss des Verfahrens nach § 99 Abs. 4 BetrVG. Insoweit ist es wegen der lediglich vorübergehenden Bedeutung der begehrten Feststellung angemessen, 50% des Wertes eines entsprechenden Zustimmungsersetzungsverfahrens in Ansatz zu bringen (zuletzt LAG Hamm, Beschl. v. 20.11.2006 – 13 Ta 670/06).

So waren dem Wert des Zustimmungsersetzungsantrages in Höhe von 144,38 € weitere 72,19 € hinzuzurechnen.

Insgesamt ergibt sich also ein Gegenstandswert in Höhe von 216,57 €.

4. Gleichwohl kam eine Herabsetzung des erstinstanzlich bestimmten Gegenstandswertes nicht in Betracht. In Verfahren nach § 33 Abs. 3, Abs. 4 RVG gilt nämlich das Verbot der reformatio in peius, die erstinstanzliche Entscheidung darf also nicht zum Nachteil des Beschwerdeführers abgeändert werden (LAG Hamm, Beschl. v. 02.08.2005 – 13 TaBV 17/05; LAG Köln LAGE BRAGO § 10 Nr. 9; Hamburgisches OVG NVwZ-RR 1997, 503; NVwZ-RR 1998, 525; Madert in: Gerold/Schmidt/von Eicken/Madert/Müller-Rabe, RVG, 17. Aufl., § 33 Rdnr. 15).

Dafür spricht zunächst der allgemeine prozessuale Grundsatz, dass ein Rechtsmittelführer entsprechend der Regelung in § 528 S. 2 ZPO bei einer Beschwerdeentscheidung in der Sache nicht schlechter gestellt werden darf als in dem Ausgangsbeschluss, es sei denn, dies ist im Gesetz ausdrücklich anders vorgesehen (Zöller/Gummer, 26. Aufl., § 572 Rdnr. 39; GK-ArbGG/ Wenzel,. § 78 Rdnr. 96).

Eine solche Ausnahme findet sich im Bereich des Streitwertrechts nur in § 63 Abs. 3 Satz 1 GKG; danach kann die Festsetzung des für die Gerichtsgebühren maßgeblichen Streitwerts sowohl durch das Ausgangs- als auch durch das Rechtsmittelgericht von Amts wegen geändert, also auch herabgesetzt werden. Dies hat seinen Grund darin, dass im öffentlichen Interesse für die Liquidierung der an die Staatskasse zu entrichtenden Gebühren eine zutreffende Wertfestsetzung erfolgen soll.

Eine vergleichbare Regelung ist in § 33 RVG nicht enthalten. Vielmehr findet hier wegen der Gerichtskostenfreiheit des Beschlussverfahrens eine Festsetzung des Gegenstandswertes nur auf Antrag der in § 33 Abs. 2 Satz 2 RVG genannten Personen ausschließlich in deren Interesse statt. Es bleibt dann den Beteiligten, soweit sie beschwert sind, unbenommen, gegen die erstinstanzliche Entscheidung vorzugehen. Dabei kann zum Beispiel der Rechtsanwalt eine höhere Wertfestsetzung und der zur Kostentragung verpflichtete Arbeitgeber eine niedrigere Festsetzung anstreben. Vor diesem Hintergrund besteht kein Raum für eine amtswegig im öffentlichen Interesse zu erfolgende Wertbestimmung.

Der Antrag nach § 33 Abs. 1, Abs. 2 RVG ist also nicht nur als Begehren zur Einleitung des Wertfestsetzungsverfahrens zu verstehen, sondern er enthält auf die maßgebliche Sachbitte, die – wie ansonsten auch – das Ziel der Höhe nach begrenzt (vgl. Fraunholz in: Riedel/Sußbauer, RVG, 9. Aufl., § 33 Rdnr.8). Entsprechendes gilt für die gemäß § 33 Abs. 3 RVG eingelegte Beschwerde. Auf diese Art und Weise bleibt es dem jeweiligen Antragsteller – wie auch im Kostenfestsetzungsverfahren nach den §§ 103 ff. ZPO – überlassen, zu bestimmen, ob und inwieweit eine gerichtliche Entscheidung ergehen soll (vgl. § 308 Abs. 1 Satz 1 ZPO).

Nach alledem kam eine Herabsetzung des Gegenstandswertes, der erstinstanzlich festgesetzt worden ist, nicht in Betracht.

Die Entscheidung über die Auferlegung der Gebühr in Höhe von 40,00 € beruht auf § 1 S. 2 GKG in Verbindung mit Nr. 8614 der Anlage 1 zum GKG (vgl. LAG Hamm, Beschluss vom 19.03.2007 – 10 Ta 97/07; Beschluss vom 23.04.2007 – 13 Ta 130/07).

Dr. Müller






LAG Hamm:
Beschluss v. 28.01.2008
Az: 13 Ta 754/07


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