Bundesgerichtshof:
Urteil vom 20. September 2004
Aktenzeichen: II ZR 334/02
(BGH: Urteil v. 20.09.2004, Az.: II ZR 334/02)
Tenor
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 8. Zivilsenats des Thüringer Oberlandesgerichts in Jena vom 19. November 2002 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen.
Tatbestand
Der Kläger ist Mitglied der beklagten landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaft (LPG) in Liquidation. Auf einer von der Beklagten und einer anderen LPG abgehaltenen gemeinsamen Vollversammlung am 20. Dezember 1990 war beschlossen worden, die beiden LPG'en zusammenzuschließen und sie auf die Streithelferin der Beklagten, die A. mbH & Co. KG, und deren persönlich haftende Gesellschafterin zu übertragen. Mit Urteil vom 7. November 1997 stellte der Landwirtschaftssenat des Bundesgerichtshofs fest, daß diese Umwandlung unwirksam war und die Beteiligten LPG'en als "unerkannte" Liquidationsgesellschaften fortbestehen (BGHZ 137, 134). Daraufhin schlossen die Liquidatoren der Beklagten mit der Streithelferin am 10. März 1999 einen notariell beurkundeten Unternehmenskaufvertrag, mit dem das gesamte Vermögen der Beklagten mit Wirkung zum 1. Januar 1991 auf die Streithelferin übertragen wurde. Die Streithelferin verpflichtete sich in dem Vertrag, sämtliche Verbindlichkeiten der Beklagten zu übernehmen, den Mitgliedern der Beklagten Kommanditbeteiligungen zu gewähren und 40 Arbeitsplätze für die Dauer von zehn Jahren zu erhalten. Im übrigen enthält der Vertrag in Abschnitt B IV § 5 die folgende Bestimmung:
"Der Vertrag soll von der Generalversammlung der LPG bestätigt werden. Die Liquidatoren sind verpflichtet, unverzüglich eine Generalversammlung einzuberufen ... Erfolgt eine solche Generalversammlung nicht bis zum 30. Juni 1999, so gilt die Genehmigung als erteilt."
Die Liquidatoren luden die Mitglieder der Beklagten -ob alle Mitglieder, ist streitig -schriftlich zu einer Vollversammlung am 24. März 1999 ein. Als Tagesordnungspunkt kündigten sie u.a. die Beschlußfassung über den Unternehmenskaufvertrag an. In der Vollversammlung wurde mit 212 Ja-Stimmen und 7 Nein-Stimmen der Beschluß gefaßt, den Unternehmenskaufvertrag zu bestätigen und zu genehmigen. Der Kläger übergab dem Protokollführer einen schriftlichen Widerspruch gegen diesen Beschluß.
Mit seiner Klage hat der Kläger beantragt, den Beschluß für nichtig zu erklären, hilfsweise festzustellen, daß der Beschluß nichtig ist, äußerst hilfsweise festzustellen, daß der Beschluß unwirksam ist. Beide Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Kläger seine Klageanträge weiter.
Gründe
Die Revision ist begründet.
I. Zutreffend hat das Berufungsgericht angenommen, daß die Klage zulässig ist. Insbesondere fehlt ihr nicht das Rechtsschutzbedürfnis.
Die Revisionserwiderung hält insoweit die gegenteilige Auffassung des Landgerichts für zutreffend, die Wirksamkeit des Vertrages, den die Vollversammlung genehmigt habe, sei von dieser Genehmigung nicht abhängig gewesen, deshalb sei der angefochtene Beschluß im Falle seiner Unwirksamkeit so zu behandeln, als sei er gar nicht gefaßt worden, und folglich fehle der Anfechtungsund Nichtigkeitsklage das Rechtsschutzbedürfnis. Das Berufungsgericht geht demgegenüber davon aus, daß der bloße Vortrag des Klägers, er sei durch den Unternehmenskaufvertrag in seinen Rechten verletzt worden, ein Rechtsschutzbedürfnis für die Klage begründe. Dem ist im Ergebnis zu folgen.
Wie der Senat bereits mehrfach entschieden hat, ist die gesellschaftsrechtliche Anfechtungsund Nichtigkeitsklage als Instrument zur Kontrolle der Gesetzund Rechtmäßigkeit des Organhandelns einer Kapitalgesellschaft ausgestaltet und in die Hände der Gesellschafter gelegt, so daß sich das Rechtsschutzbedürfnis für eine solche Klage bereits daraus ergibt, daß ihre Erhebung der Herbeiführung eines Gesetz und Satzung entsprechenden Rechtszustandes dient (BGHZ 43, 261, 265 f.; 70, 117, 118; 107, 296, 308). Inwieweit davon Ausnahmen zu machen sind, wenn sich der angefochtene Beschluß aus besonderen Gründen auf das Verhalten der Organe nicht auswirken kann (dazu BGHZ 21, 354, 356 und Sen.Urt. v. 17. September 1964 -II ZR 136/62, WM 1964, 1188, 1191), braucht im vorliegenden Fall nicht entschieden zu werden. Dieser Ausnahmefall liegt hier nicht vor.
II. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts ist die Klage -nach dem für das Revisionsverfahren als richtig zu unterstellenden Sachvortrag des Klägers -auch begründet.
1. Der Beschluß der Vollversammlung vom 24. März 1999 ist in entsprechender Anwendung der §§ 241 ff. AktG (vgl. BGHZ 70, 384, 387; 126, 335, 338) nichtig.
a) Allerdings bedurfte die Entscheidung, das Vermögen der LPG nicht in Geld umzusetzen, sondern gegen Übernahme der Verbindlichkeiten und Einräumung von Kommanditbeteiligungen zugunsten der bisherigen Mitglieder der LPG zu veräußern, entgegen der Auffassung der Revision nicht der Zustimmung sämtlicher Mitglieder der LPG. Sie konnte vielmehr von der Vollversammlung durch Mehrheitsbeschluß getroffen werden. Ob dafür analog § 16 Abs. 2 GenG eine Mehrheit von mindestens der abgegebenen Stimmen erforderlich war, kann offen bleiben. Diese Mehrheit ist hier erreicht worden.
aa) Im Recht der eingetragenen Genossenschaften, auf das § 42 LwAnpG verweist, gilt zwar der Grundsatz, daß bei einer Liquidation das Vermögen der Genossenschaft nach Beendigung der laufenden Geschäfte und Erfüllung der Verbindlichkeiten "in Geld" umzusetzen und dieses Geld unter den Genossen zu verteilen ist, § 88 Satz 1, § 91 Abs. 1 Satz 1 GenG. Davon kann aber abgewichen werden. So ist es zulässig, im Rahmen der Liquidation das Unternehmen der Genossenschaft an eine andere Gesellschaft zu veräußern und dabei als Gegenleistung keinen Kaufpreis in Geld zu vereinbaren, sondern eine Beteiligung der Genossen an der als Käuferin auftretenden Gesellschaft nach dem Verhältnis der Anteile an der Genossenschaft. Streitig ist lediglich die Frage, ob von dem Gebot der Versilberung des Gesellschaftsvermögens nur mit Zustimmung sämtlicher Genossen abgewichen werden kann (so Müller, GenG 2. Aufl. § 88 Rdn. 4; ebenso für die LPG OLG Dresden, Beschl. v. 5. Juli 2001 -WLw 1387/00, NL-BzAR 2001, 451, 457 f. unter Hinweis auf die Leitbilder der §§ 88, 91 GenG, § 42 LwAnpG) oder ob dafür ein Mehrheitsbeschluß der Generalversammlung genügt (so Beuthien, GenG 13. Aufl. § 88 Rdn. 4; Schaffland in: Lang/Weidmüller/Metz/Schaffland, GenG 33. Aufl. § 88 Rdn. 3; Röhrich in: Hettrich/Pöhlmann/Gräser/Röhrich, GenG 2. Aufl. § 88 Rdn. 5). Die gleiche Frage stellt sich auch bei der Liquidation einer Aktiengesellschaft nach § 268 Abs. 1, § 271 Abs. 1 AktG (für Mehrheitsbeschluß RGZ 62, 56, 58; 124, 279, 300; Wiedemann in: Großkomm.z.AktG 3. Aufl. § 268 Anm. 5; Kraft in: Kölner Komm.z.AktG 2. Aufl. § 268 Rdn. 7; dagegen Schlegelberger/ Quassowski, AktG 3. Aufl. 1939, § 209 Rdn. 7 -außer bei Verschmelzung; Hüffer in: Münch.Komm.z.AktG 2. Aufl. § 268 Rdn. 19 f. unter Bezug auf § 23 Abs. 5 AktG) und bei der Liquidation einer GmbH nach §§ 70, 72 GmbHG (für Mehrheitsbeschluß Hachenburg/Hohner, GmbHG 8. Aufl. § 70 Rdn. 18, § 72 Rdn. 17; dagegen Scholz/K. Schmidt, GmbHG 9. Aufl. § 70 Rdn. 14; Lutter/ Hommelhoff, GmbHG 16. Aufl. § 70 Rdn. 11 f.; Schulze-Osterloh in: Baumbach/ Hueck, GmbHG 17. Aufl. § 72 Rdn. 11; Meyer-Landrut, GmbHG § 72 Rdn. 9).
Die Frage braucht im vorliegenden Fall nicht grundsätzlich entschieden zu werden. Jedenfalls bei der Abwicklung einer LPG bedarf es nicht der Zustimmung sämtlicher Mitglieder, wenn statt der Versilberung des LPG-Vermögens das Unternehmen auf eine andere Gesellschaft gegen Gewährung von Anteilsrechten übertragen werden soll. Diese Auffassung hat bereits der Landwirtschaftssenat des Bundesgerichtshofs in seinem Beschluß vom 8. Mai 1998 vertreten (BLw 39/97, ZIP 1998, 1207, 1208; a.A. OLG Dresden, Beschl.
v. 5. Juli 2001 -WLw 1387/00, NL-BzAR 2001, 451). Der erkennende Senat schließt sich dem an.
Maßgeblich dafür ist die Zielsetzung des Landwirtschaftsanpassungsgesetzes. Nach §§ 1, 3 LwAnpG sollen mit diesem Gesetz die Voraussetzungen dafür geschaffen werden, daß leistungsund wettbewerbsfähige Landwirtschaftsbetriebe auf der Grundlage von Privateigentum wiederhergestellt werden. Dazu konnte die LPG gem. § 4 LwAnpG ihr Vermögen teilen und die Teile unter Auflösung ohne Abwicklung auf andere, von ihr dadurch gegründete neue Rechtsträger gegen Gewährung von Anteilen oder Mitgliedschaftsrechten an die Mitglieder der LPG übertragen. Sie konnte sich auch gem. §§ 23 ff. LwAnpG durch Formwechsel in eine eingetragene Genossenschaft, eine Personengesellschaft oder eine Kapitalgesellschaft umwandeln gegen Beteiligung ihrer Mitglieder an dem Unternehmen nach den für die neue Rechtsform geltenden Vorschriften. Schließlich konnte sie gem. § 41 LwAnpG ihre Auflösung beschließen -ab dem 1. Januar 1992 war sie gem. § 69 Abs. 3 Satz 1 LwAnpG von Gesetzes wegen aufgelöst. Für diese Maßnahmen war gem. § 7 Abs. 2, § 25 Abs. 2 LwAnpG jeweils ein Beschluß der Vollversammlung mit einer Mehrheit von 2/3 der abgegebenen Stimmen und der abgegebenen Stimmen der Grundstückseigentümer und sonstiger Inventareinbringer, die Mitglieder der LPG waren, erforderlich.
Aus diesen Regelungen ergibt sich, daß der Zweck des Gesetzes nicht darin besteht, die landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften durch Versilberung ihres Vermögens zu zerschlagen. Sie sollten vielmehr unter Weiterbeteiligung ihrer Mitglieder in leistungsfähige landwirtschaftliche Betriebe mit einer dafür passenden Rechtsform überführt werden auf der Grundlage einer gerechten Vermögensverteilung und einer freien unternehmerischen Entscheidung (Wenzel, AgrarR 2000, 349, 350; Bayer, ZGR 1998, Sonderheft 14, S. 22, 31 ff.; Arlt/Schramm, Landwirtschaftsanpassungsgesetz 1990, S. 7 ff.). Diese Zielsetzung rechtfertigt es, auch noch im Rahmen der Abwicklung das Interesse der Mehrheit an dem Fortbestand des Betriebes nicht hinter dem Interesse einzelner Mitglieder an einer Auszahlung ihres Abfindungsguthabens in Geld zurücktreten zu lassen, sondern beide Interessen gleichermaßen angemessen zu berücksichtigen.
Für den Ausgleich dieses Interessenwiderstreits hat der Gesetzgeber in dem Landwirtschaftsanpassungsgesetz Regelungen getroffen. So hatte jedes LPG-Mitglied gem. § 36 LwAnpG die Möglichkeit, aus Anlaß einer Umwandlung gegen angemessene Barabfindung aus der neuen Gesellschaft auszuscheiden (Schweizer, Das Recht der landwirtschaftlichen Betriebe nach dem Landwirtschaftsanpassungsgesetz 1994, Rdn. 279 ff.). Für das Abwicklungsstadium ist in § 42 Abs. 2 LwAnpG ein Vorkaufsrecht und ein Recht zur Übernahme einzelner Gegenstände zum Schätzwert vorgesehen. Damit hat jedes LPG-Mitglied die Möglichkeit, unabhängig von den Abwicklungsregelungen im übrigen Grundstücke und Inventargegenstände zu erwerben und damit einen eigenen landwirtschaftlichen Betrieb zu begründen oder wieder einzurichten.
Im vorliegenden Fall haben die Beklagte und die Streithelferin das Vorkaufsund Übernahmerecht der LPG-Mitglieder in dem Unternehmenskaufvertrag berücksichtigt. So enthält Abschnitt B IV § 3 des Vertrages einen Hinweis auf das Vorkaufsrecht der LPG-Mitglieder. Weiter heißt es dort: "Sollten Mitglieder einzelne Gegenstände aufgrund des Vorkaufsrechts erwerben und der Käufer gleichwohl an dem Vertrag im übrigen festhalten, so steht dem Käufer der Verkaufserlös aus dem mit dem Vorkaufsberechtigten zustande gekommenen Vertrag zu". Diese Regelung erfaßt nicht nur das Vorkaufsrecht selbst, sondern auch das Recht, einzelne Gegenstände -zum Schätzpreis -zu erwerben.
Bei dieser Gesetzesund Vertragslage bedarf es keines weitergehenden Schutzes von LPG-Mitgliedern vor einer mehrheitlich beschlossenen Unternehmensübertragung gegen Anteilsrechte. Kein Mitglied war gezwungen, nur mittelbar als Kommanditist der Streithelferin an deren landwirtschaftlichem Unternehmen teilzunehmen. Vielmehr konnte sich jedes Mitglied durch Erwerb der notwendigen Grundstücke und Inventargegenstände in die Lage versetzen, einen eigenen Hof zu bewirtschaften. Damit ist auch dem Grundsatz der unternehmerischen Freiheit in ausreichender Weise Rechnung getragen.
bb) Entgegen der Auffassung der Revision ist der Beschluß auch nicht wegen Verstoßes gegen § 90 Abs. 1 GenG nichtig. Nach dieser Vorschrift, die auch auf die Liquidation einer LPG anwendbar ist (Senat, BGHZ 141, 372, 376), darf das Vermögen der Gesellschaft nicht vor Tilgung oder Deckung der Schulden und nicht vor Ablauf eines Jahres bzw. der in § 42 Abs. 1 Satz 3 LwAnpG genannten kürzeren Fristen seit dem Tag, an welchem die Aufforderung der Gläubiger zur Meldung bei der Genossenschaft erfolgt ist, an die Mitglieder verteilt werden. Diese Vorschrift steht einer Vermögensübertragung gegen Gewährung von Anteilsrechten nicht entgegen. Sie dient allein dem Schutz der Gläubiger, und dessen bedarf es bei der vorliegenden Art der Abwicklung nicht. Die Gläubiger sind ausreichend dadurch geschützt, daß die in dem Unternehmenskaufvertrag vereinbarte Schuldübernahme nach § 415 BGB nur mit ihrer Zustimmung wirksam wird. Erteilen sie diese Zustimmung oder werden ihre Forderungen erfüllt, ist der Zweck des § 90 GenG erreicht. Andernfalls muß der Unternehmenskaufvertrag rückgängig gemacht werden.
b) Der Beschluß ist aber in entsprechender Anwendung des § 241 Nr. 1 AktG nichtig, weil die Einladung zu der Vollversammlung fehlerhaft war.
Nach dem für das Revisionsverfahren als richtig zu unterstellenden Vortrag des Klägers haben die Liquidatoren nicht sämtliche Mitglieder der Beklagten, sondern nur diejenigen, deren Anschrift ihnen bekannt war, schriftlich eingeladen. Das war entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts nicht ausreichend.
Allerdings enthielt das Statut der Beklagten keine Regelungen für die Einberufung einer Vollversammlung. Auch in dem Gesetz über die LPG (LPGG) vom 2. Juli 1982 (GVBl. der DDR I Nr. 25, S. 443) und dem vom Ministerrat der DDR beschlossenen "Musterstatut der LPG Pflanzenproduktion" (GVBl. der DDR 1997, Sonderdruck 937, Anlage 1, S. 11) war die Form der Einberufung nicht geregelt. In dem Musterstatut hieß es lediglich, daß der Vorstand für die Einberufung, die ordnungsgemäße Vorbereitung und die Durchführung der Vollversammlung verantwortlich sei (Nr. 65 Abs. 1 und 62 Abs. 2 Musterstatut; dazu Sen.Urt. v. 20. Juni 1994 -II ZR 103/93, ZIP 1994, 1523, 1524). Darunter kann aber bei interessengerechter Auslegung nur zu verstehen sein, daß grundsätzlich sämtliche Mitglieder der LPG zu der Vollversammlung eingeladen werden mußten. Das folgt auch aus dem LPG-rechtlichen Grundprinzip der Gleichberechtigung aller Mitglieder (BGH, Beschl. v. 9. Juni 1993 -BLw 34/93, WM 1993, 1760, 1762).
Nachdem das Musterstatut mit dem Außerkrafttreten des LPGG gemäß § 69 LwAnpG zum 1. Januar 1992 seine Rechtsgrundlage verloren hat (Wenzel aaO S. 353), ergibt sich die gleiche Mindestanforderung an die Einladung zu der Vollversammlung aus den allgemeinen Grundsätzen des Verbandsrechts (vgl. Senat, BGHZ 59, 369, 373). So ist eine Einladung zu der Gesellschafterversammlung einer GmbH nur wirksam, wenn die Einladungsschreiben an sämtliche Gesellschafter -zumindest unter der letzten bekannten Anschrift abgeschickt werden (Hachenburg/Hüffer, GmbHG 8. Aufl. § 51 Rdn. 6 ff.; Scholz/K. Schmidt, GmbHG 9. Aufl. § 51 Rdn. 10 f.; Zöllner in: Baumbach/ Hueck, GmbHG 17. Aufl. § 51 Rdn. 3 ff.). Bei der Aktiengesellschaft muß die Einberufung der Hauptversammlung gem. § 121 Abs. 3 AktG in den Gesellschaftsblättern bekannt gemacht werden, es sei denn, sämtliche Aktionäre können gem. § 121 Abs. 4 AktG schriftlich eingeladen werden (Hoffmann-Becking, ZIP 1995, 1, 6; Kubis in: Münch.Komm.z.AktG § 121 Rdn. 48; einschränkend Lutter, AG 1994, 429, 437 f.). In der eingetragenen Genossenschaft kann, wie sich aus § 6 Nr. 4 GenG ergibt, die Generalversammlung nur entweder durch unmittelbare Benachrichtigung sämtlicher Genossen oder durch Bekanntmachung in einem öffentlichen Blatt einberufen werden (Beuthien aaO § 6 Rdn. 11). Auch in einem Verein müssen grundsätzlich alle Mitglieder zu der Mitgliederversammlung eingeladen werden, und zwar entweder persönlich durch Einladungsschreiben an die letzte bekannte Adresse oder -bei entsprechender Satzungsbestimmung nach § 58 Nr. 4 BGB -durch Bekanntmachung in einem öffentlichen Blatt (BGHZ 59, 369, 371 ff.; BayObLG, Beschl. v. 10. Juli 1996 -3Z BR 78/96, NJW-RR 1997, 289, 290; Reichert, Handbuch des Vereinsund Verbandsrechts, 9. Aufl. Rdn. 833). Daraus folgt auch für die Vollversammlung einer LPG in Liquidation, daß entweder sämtliche Mitglieder unmittelbar eingeladen werden müssen oder die Einladung in öffentlichen Blättern bekannt gemacht werden muß. Nur so ist gewährleistet, daß es bei der Einladung nicht zu Unregelmäßigkeiten kommen kann. Als öffentliche Blätter sind dabei in entsprechender Anwendung des Art. 2 Abs. 6 des Gesetzes zur Änderung des Genossenschaftsgesetzes v. 20. Dezember 1933 (RGBl. I 1089) diejenigen Blätter anzusehen, in denen das zuständige Registergericht die Eintragungen in das Genossenschaftsregister veröffentlicht; sofern das der Bundesanzeiger ist, hat das Registergericht auf Antrag der Liquidatoren ein oder mehrere andere Blätter zu bestimmen (Beuthien aaO § 6 Rdn. 11).
Danach war die Einladung zu der Vollversammlung am 24. März 1999 nicht ordnungsgemäß. Da die Liquidatoren nicht sämtliche Mitglieder der LPG eingeladen hatten, hätten sie -zumindest neben der schriftlichen Einladung der ihnen bekannten Mitglieder -die Einladung auch durch Einrücken in ein öffentliches Blatt bekannt machen müssen.
2. Der Beschluß ist darüber hinaus nach §§ 51, 87 Abs. 1 GenG, § 42 Abs. 1 Satz 1 LwAnpG anfechtbar.
a) Als Anfechtungsgrund analog § 243 Abs. 2 AktG kommt allerdings nicht die in dem Unternehmenskaufvertrag enthaltene Garantie von 40 Arbeitsplätzen für die Dauer von 10 Jahren in Betracht. Denn diese Garantie bezieht sich nach dem Wortlaut des Vertrages nur allgemein auf die Erhaltung von Arbeitsplätzen und nicht auf die Weiterbeschäftigung gerade von (ehemaligen) Mitgliedern der LPG. Damit mag sich diese Bestimmung zwar zugunsten einiger LPG-Mitglieder ausgewirkt haben. Rechtlich gesehen wurden dadurch aber keine Sondervorteile i.S. des § 243 Abs. 2 AktG gewährt.
b) Der Beschluß ist aber anfechtbar, weil das Redeund Auskunftsrecht des Klägers verletzt worden ist.
Nach dem Vortrag des Klägers, der für das Revisionsverfahren als richtig zu unterstellen ist, hat ihm der Versammlungsleiter in der Vollversammlung der Beklagten vom 24. März 1999 das Wort entzogen, als er zu dem Tagesordnungspunkt "Information über den Unternehmenskaufvertrag vom 10. März 1999" zwölf Fragen stellen wollte. Die darin liegende Beschränkung des Redeund Auskunftsrechts ist -wie das Berufungsgericht nicht verkannt hat -grundsätzlich ein Anfechtungsgrund. Das ist für die Anfechtung nach § 51 GenG unstreitig (Beuthien aaO § 51 Rdn. 21; Metz in: Lang/Weidmüller/Metz/Schaffland aaO § 51 Rdn. 61, 68; Gräser in: Hettrich/Pöhlmann/Gräser/Röhrich aaO § 51 Rdn. 9), gilt in gleicher Weise aber auch im Rahmen der Verweisung in § 42 LwAnpG für die Anfechtung eines Beschlusses der Vollversammlung einer LPG. Denn auch im Recht der LPG war anerkannt, daß die Mitglieder Gelegenheit erhalten mußten, sich zu grundsätzlichen Fragen zu äußern und Auskünfte zu verlangen (Arlt/Krauß aaO S. 32).
Das Berufungsgericht meint aber, diese Rechtsverletzung scheide als Anfechtungsgrund aus, weil sie für die Beschlußfassung nicht kausal gewesen sei. Das begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
Nach der neueren Rechtsprechung des Senats zur aktienrechtlichen Beschlußanfechtung kommt es für die Anfechtbarkeit nach § 243 AktG nicht darauf an, ob der Entzug des Rederechts und die Vorenthaltung der begehrten Informationen für das Abstimmungsergebnis ursächlich geworden ist. Vielmehr scheidet eine Anfechtbarkeit nur dann aus, wenn die Gesellschaft darlegen und beweisen kann, daß dieser Verfahrenfehler bei einer wertenden Betrachtung schlechthin nicht relevant geworden sein kann (BGHZ 149, 158, 164 f.; ebenso Zöllner in: Kölner Komm.z.AktG § 243 Rdn. 81 ff., 124, 136 f.; K. Schmidt in: Großkomm.z.AktG 4. Aufl. § 243 Rdn. 21 ff.; Hüffer in: Münch.Komm.z.AktG 2.
Aufl. § 243 Rdn. 27 ff., 36 ff.). Das ist jedenfalls dann zu verneinen, wenn dem Aktionär ohne Grund das Wort entzogen worden ist. Relevanz ist weiter anzunehmen, wenn Fragen nicht beantwortet werden, die in einem nicht nur ganz unbedeutenden Zusammenhang mit dem Beschlußgegenstand stehen, und die begehrten Informationen damit zu dessen sachgemäßer Beurteilung erforderlich sind (§ 131 Abs. 1 Satz 1 AktG).
So liegt der Fall hier. Dem Kläger ist nach seinem Vortrag schlechthin die Redemöglichkeit in der Vollversammlung vorenthalten worden. Zudem sind ihm die gewünschten Informationen nicht erteilt worden. Er wollte im wesentlichen Auskunft erhalten zu der Frage, wie hoch der Wert der zu übertragenden Vermögensgegenstände war und wie dieser Wert ermittelt worden ist. Das war eine für die Beurteilung des Vertrages bedeutsame Frage. Ihre Relevanz kann nicht -wie es das Berufungsgericht getan hat -mit der Begründung verneint werden, die Wertverhältnisse hätten keine Rolle gespielt, weil die Mitglieder der Beklagten aufgrund ihrer Beteiligungen als Kommanditisten der Käuferin an dem Vermögen weiter Anteil behalten sollten. Für die Frage, ob überhaupt das Vermögen in der vorgeschlagenen Weise übertragen werden sollte, war von Bedeutung zu wissen, um welche Werte es dabei ging. Ebenso waren die Werte bedeutsam für die Entscheidung der LPG-Mitglieder, ob sie von ihrem Recht, einzelne Vermögensgegenstände zum Schätzpreis zu übernehmen, Gebrauch machen wollten.
3.
Die Sache ist daher an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, damit die erforderlichen Feststellungen getroffen werden können.
Röhricht Goette Kraemer Strohn Caliebe
BGH:
Urteil v. 20.09.2004
Az: II ZR 334/02
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