Bundespatentgericht:
Beschluss vom 7. Oktober 2003
Aktenzeichen: 33 W (pat) 177/03

(BPatG: Beschluss v. 07.10.2003, Az.: 33 W (pat) 177/03)

Tenor

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I Beim Deutschen Patent- und Markenamt ist am 17. Mai 2001 die Wortmarke NAVYTEC für folgende Waren zur Eintragung in das Register angemeldet worden:

Klasse 1: Chemische Erzeugnisse für gewerbliche Zwecke; Kunststoffe im Rohzustand, insbesondere zur Herstellung von Isoliermaterial für den Marineschiffsbau;

Klasse 17: Isoliermaterial aus Kunststoffen für den Marineschiffsbau;

Klasse 19: Baumaterialien (nicht aus Metall).

Die Markenstelle für Klasse 1 hat die Anmeldung durch Beschluss vom 29. Oktober 2002, bestätigt durch Erinnerungsbeschluss vom 6. Mai 2003 gemäß § 8 Abs 2 Nr 1 iVm § 37 Abs 1 MarkenG, zurückgewiesen.

Zur Begründung hat sie ausgeführt, dass die hier vorliegende Marke von den angesprochenen Verkehrskreisen im Sinne von "Technik für den Bereich der Marine" aufgefasst werde. Die Verwendung des entsprechenden deutschen Begriffes "Marinetechnik" sei bereits gebräuchlich. Auch wenn die Wortzusammensetzung als solche nicht nachweisbar sei, werde sie von den hier angesprochenen Fachkreisen ohne weiteres verstanden.

Mit ihrer Beschwerde gegen diese Entscheidung beantragen die Anmelderinnen, die angefochtenen Beschlüsse aufzuheben.

Sie regen die Zulassung der Rechtsbeschwerde sowie die Vorlage zum Europäischen Gerichtshof an.

Sie tragen vor, dass dem derzeit nicht nachweisbaren Gesamtbegriff "NAVYTEC" wegen der ungewöhnlichen Struktur und dem Zurücktreten der Einzelbestandteile für die beanspruchten Produkte kein eindeutiger oder beschreibender Bedeutungsgehalt entnommen werden könne. Selbst bei getrennter Betrachtung der Bestandteile "NAVY" und "TEC" habe die Wortkombination mehrere möglichen Bedeutungen und sei damit interpretationsbedürftig. "NAVY" habe im Deutschen die Bedeutungen "Gesamtheit der Seeschiffe eines Staates" oder werde als abgekürzte Form der Farbe "marineblau" verstanden. "TEC" stehe für die umgangssprachliche Bezeichnung des englischen Begriffes "detective"; "technical" dagegen werde mit "TECH" abgekürzt.

Auch in der Übersetzung "Marinetechnik" sei kein Hinweis enthalten, in welchem Zusammenhang die jeweiligen Waren, die einerseits unverarbeitete Rohstoffe, andererseits bereits verarbeitete Baumaterialien und Isoliermaterial darstellten, zu den verschiedenen möglichen "technischen Verfahren" stünden.

Die Anmelderinnen verweisen im übrigen darauf, dass der identischen Marke als Gemeinschaftsmarke, sowie in den USA und Kanada Schutz gewährt worden sei.

Sie regen an, die Rechtsbeschwerde zu folgender Frage zuzulassen:

"Inwieweit kann die Indizwirkung von Voreintragungen einer dem englischen Sprachraum zuzuordnenden Wortmarke in einem oder mehreren auf absolute Eintragungshindernisse prüfenden englischsprachigen Land bei der Beurteilung der Eintragungsfähigkeit übergangen werden, ohne dass nachgewiesen wird, dass die angemeldete Wortmarke bereits Eingang in die deutsche Sprache gefunden hat".

Um eine einheitliche Rechtsprechung in der Europäischen Union und eine einheitliche Auslegung der europäischen Markenrechtslinie zu erreichen, regen sie weiterhin an, gemäß Art 234 EG folgende Frage dem EuGH zur Vorentscheidung vorzulegen:

"Inwieweit kann die Indizwirkung von Voreintragungen einer dem englischen Sprachraum zuzuordnenden Wortmarke in einem oder mehreren auf absolute Eintragungshindernisse prüfenden englischsprachigen Land bei der Beurteilung der Eintragungsfähigkeit übergangen werden, ohne dass nachgewiesen wird, dass die angemeldete Wortmarke bereits Eingang in die deutsche Sprache gefunden hat, insbesondere wenn die entsprechende Marke bereits mit Wirkung für andere englischsprachige EU-Mitgliedsstaaten eingetragen wurde".

Der Senat hat den Anmelderinnen mit der Ladung zum Termin vom 7. Oktober 2003 Ermittlungsunterlagen zugesandt und auf Bedenken hinsichtlich der Erfolgsaussichten hingewiesen.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II Die Beschwerde ist nicht begründet.

Nach Auffassung des Senats fehlt der als Marke angemeldeten Bezeichnung "NAVYTEC" hinsichtlich der beanspruchten Waren jedenfalls jegliche Unterscheidungskraft, so dass sie bereits wegen des absoluten Schutzhindernisses nach § 8 Abs 2 Nr 1 MarkenG von der Eintragung ausgeschlossen ist. Die Markenstelle hat die Anmeldung daher im Ergebnis zu Recht gemäß § 37 Abs 1 MarkenG zurückgewiesen.

Bei der Beurteilung der Unterscheidungskraft als der einer Marke innewohnenden konkreten Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel für die von der Marke erfassten Waren eines Unternehmens gegenüber solchen anderer Unternehmen aufgefasst zu werden, ist grundsätzlich ein großzügiger Maßstab anzulegen, dh jede auch noch so geringe Unterscheidungskraft reicht aus, um dieses Schutzhindernis zu überwinden (stRspr vgl BGH WRP 2001, 1082 - marktfrisch; GRUR 2002, 540 - OMEPRAZOK). Dies gilt insbesondere deshalb, weil der Verkehr ein als Marke verwendetes Zeichen in aller Regel so aufnimmt, wie es ihm entgegentritt und er es keiner analysierenden Betrachtungsweise unterzieht. Kann demnach einer Wortmarke kein für die beanspruchten Waren im Vordergrund stehender beschreibender Begriffsinhalt zugeordnet werden und handelt es sich auch sonst nicht um ein gebräuchliches Wort der deutschen oder einer bekannten Fremdsprache, das vom Verkehr - etwa auch wegen einer entsprechenden Verwendung in der Werbung - stets nur als solches und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden wird, so gibt es keinen tatsächlichen Anhalt dafür, dass ihr die vorerwähnte Unterscheidungseignung und damit jegliche Unterscheidungskraft fehlt (stRspr BGH aaO - marktfrisch; BGH GRUR 1999, 1089 - YES).

Die angemeldete Bezeichnung ist aus den beiden englischsprachigen Bestandteilen "NAVY" und "TEC" zusammengesetzt. "NAVY" als englischer Ausdruck für "(Kriegs-)Marine" ist im Zusammenhang mit den militärischen Aktivitäten der USA und Großbritannien der letzten Jahre auch dem allgemeinen Publikum geläufig, umso mehr den hier im wesentlichen angesprochenen Fachkreisen. Im Zusammenhang mit den hier angemeldeten Waren, verschiedenen Baumaterialien und Kunststoffen, steht dieser Bedeutungsinhalt so im Vordergrund, dass andere Bedeutungen wie "marineblau" nicht in Betracht kommen.

Das zweite Zeichenelement "TEC" ist eine im Englischen geläufige und weit verbreitete Abkürzung für "technical, technic, technology" (vgl Abkürzungen und Kurzwörter aus Technik und Naturwissenschaften, 1974, S 663; De Sola, Abbrevations Dictionary, 1983 S 791; Angloamerikanische Abkürzungen in Wissenschaft und Technik, 1978, S 1989; Webbsters New International Dictionary 1986, S 2347; so auch BPatG 29 W (pat) 121/95 - ART TEC; BPatG 30 W (pat) 129/01 - CLIPTEC; BPatG 32 W (pat) 46/95 - ECOTEC; BPatG 33 W (pat) 49/00 - FireTec; BPatG 30 W (pat) 140/01 - MAGNET-TEC; HABM, R1121/00-1 - POWERTEC). Es ist als Fremdwort auch bereits in den deutschen Sprachkreis eingegangen, zB in Begriffen wie "High Tec", wenn hier auch die Abkürzung "TECH (wobei sich in der Aussprache auch kein Unterschied gegenüber "TEC" ergibt) größere Verbreitung hat.

Zwar können die fremdsprachigen Markenbestandteile nicht unmittelbar ihrer deutschen Übersetzung gleichgestellt werden, die angesprochenen inländischen Fachkreise werden jedoch die fremdsprachlichen Ausdrücke im Zusammenhang mit den angemeldeten Waren ohne weiteres im Sinne von "Marinetechnik" verstehen. Dies gilt insbesondere deshalb, weil der Begriff "Marinetechnik" im Deutschen weitaus verbreitet ist, wie sich aus der vom Senat durchgeführten und den Anmelderinnen übersandten Internetrecherche ergibt. So unterhält beispielsweise die Schiffbautechnische Gesellschaft e.V. einen "Fachausschuss für Marinetechnik", der der "systematischen und kontinuierlichen Behandlung technisch/wissenschaftlicher und wirtschaftlicher Fragen der Marinetechnik mit dem Ziel ihrer Förderung in Deutschland" dient (www.stgonline.org). Es existieren Messen für Schiffbau und Marinetechnik (www.hannover.ihk.de), Ingenieurbüros für Marinetechnik (www.digitalmall.de) sowie Firmen, die speziell mit ihren Produkten für Marinetechnik werben (vgl beispielsweise www.elacnautik.de; www.gleichauf.net). Weiterhin sind im Rahmen der Internetrecherche ein "Navy Technology Center" in Washington (chemdivwww.nrl.navy.mil) sowie ua ein "Navy Informations Technology Magazine (www.chips.navy.mil) nachweisbar.

Auch wenn der von den Anmelderinnen begehrte Gesamtbegriff "NAVYTEC" in dieser Form nicht existiert, werden die angesprochenen Verkehrskreise in Bezug auf die streitgegenständlichen Waren, die sämtlich für den Bereich der Marinetechnik bestimmt sein können, den beschreibenden Gehalt erkennen und die begehrte Marke damit nicht als Betriebskennzeichen ansehen.

Die Anmelderinnen können sich zur Frage der Schutzfähigkeit nicht auf eingetragene Drittzeichen berufen. Von ausländischen Behörden nach Maßgabe der dortigen Gesetze vorgenommenen Handlungen kann keine Rechtsverbindlichkeit für die Prüfung in Deutschland zukommen. Auch im Bereich der harmonisierten Markenrechte innerhalb der Europäischen Union sind unterschiedliche Betrachtungen hinsichtlich der Schutzfähigkeit von Marken möglich. Dementsprechend verneint auch das Gericht erster Instanz der Europäischen Gemeinschaften in ständiger Rechtsprechung (vgl zB GRUR Int 2002, 531, 534 - Mag Lite-Taschenlampen) bei der Prüfung der Schutzfähigkeit von Gemeinschaftsmarken eine Bindungswirkung bezüglich der Voreintragungen in Mitgliedsländern der Europäischen Union. Diese Grundsätze sind vom Europäischen Gerichtshof grundsätzlich bestätigt worden (vgl EuGH MarkenR 2002, 391, 394 - Companyline).

Der Senat sieht keine Veranlassung, die Rechtsbeschwerde gemäß § 83 Abs 2 Nr 1 oder 2 MarkenG zuzulassen bzw das Verfahren dem Europäischen Gerichtshof gemäß Art 234 EG zur Vorabentscheidung vorzulegen. Im vorliegenden Fall hatte das Gericht lediglich über Tatsachen, nicht über Rechtsfragen zu entscheiden. Bei der Beurteilung der streitgegenständlichen Marke hat der Senat dabei die nach ständiger Rechtsprechung bestehende Indizwirkung ausländischer Voreintragungen (BGH GRUR 2001, 1046 - GENESCAN) zugrundegelegt.

Winkler Baumgärtner Dr. Hock Cl






BPatG:
Beschluss v. 07.10.2003
Az: 33 W (pat) 177/03


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