Oberlandesgericht Hamm:
Urteil vom 21. Dezember 2010
Aktenzeichen: I-4 U 142/10
(OLG Hamm: Urteil v. 21.12.2010, Az.: I-4 U 142/10)
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das am 16. Juni 2010 verkündete Urteil der 13. Zivilkammer - Kammer für Handelssachen - des Landgerichts Bochum wird zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt die Kosten der Berufung.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
I.
Die Parteien vertreiben im Internet auf der Aktionsplattform F Kfz-Hifigeräte und Zubehör.
Anfang März 2010 bot der Widerbeklagte das Produkt "S 75 Blende + Adapterkabel -neu" bei F zu einem Preis von 16,66 € im Sofort-Kaufen-Format" (Anlagen B 6 bis B 11) als inhaltlich gleichen, also identischen Artikel 6 Mal an. Insgesamt 12 Angebote des Widerbeklagten gab es am 18. März 2010 von dem Produkt "W H 2-D-Q-86c-K C T" bei F. Jeweils 6 Mal bot er dort am 29. März 2010 die Produkte "K S-Type bis 02 Blende + Adapterkabel neu" (Anlagen B 16 bis B 21) und "K S-Type ab 02 Radioblende + Adapterkabel neu" (Anlagen B 22 bis B 27) sowie "G H Q1 F1 ab 2010 Blendeneu" an.
Die Widerklägerin mahnte den Widerbeklagten mit Anwaltsschriftsatz vom 5. März 2010 (Bl.7 ff.) ab, weil dieser mit den Angeboten des Rover-Zubehörs gegen den F-Grundsatz, gleichzeitig nicht mehr als drei gleichartige Artikel einzustellen, verstoßen habe. Sie warf ihm vor, sich dadurch in unlauterer Weise Wettbewerbsvorteile gegenüber den Wettbewerbern, die sich an die Grundsätze hielten, verschafft zu haben. Die Widerklägerin forderte den Widerbeklagten auf, sich zur Unterlassung dieses Verhaltens in der Zukunft zu verpflichten.
Bei F gibt es verschiedene Grundsätze zum Einstellen von Artikeln, die die Nutzung der Webseite regeln und die alle Nutzer zu beachten haben. Einer der Grundsätze lautet:
"Es ist verboten, als Verkäufer gleichzeitig mehr als 3 Angebote mit identischen Artikeln anzubieten. Das gilt auch für das Anbieten von mehr als 3 Angeboten mit identischen Artikeln unter verschiedenen Mitgliedsnamen."
Dabei werden unter identischen Artikeln alle Artikel verstanden, "die inhaltlich gleich sind, also z.B. eine identische Produkt- oder ISBN-Nummer haben. Dabei sind Unterschiede in Preis und Artikelbezeichnung sowie Artikelbeschreibung unerheblich".
Der Widerbeklagte hat am 8. März 2010 negative Feststellungsklage erhoben, mit er festgestellt haben wollte, dass er zu der mit der Abmahnung geltend gemachten Unterlassung nicht verpflichtet sei. Er hat auf die Ausnahmen von dem betreffenden Grundsatz in Bezug auf Angebote in der Kategorie "Kfz-Services & Reparaturen" und Auktionen mit einem Startpreis von einem Euro hingewiesen. Außerdem hat er gemeint, dass allein F darüber entscheiden könne, ob ein Verstoß gegen die Grundsätze vorliege und ob dieser mit den von F seinen Nutzern angedrohten Konsequenzen verfolgt werden sollte. Einen Wettbewerbsverstoß stelle ein solcher Verstoß dagegen nicht dar. Denn F-Grundsätze seien keine gesetzlichen Regelungen.
Die Widerklägerin hat Klageabweisung beantragt und Widerklage erhoben. Mit dieser hat sie unter Androhung der gesetzlichen Ordnungsmittel Unterlassung des beanstandeten Verhaltens und Erstattung von anwaltlichen Abmahnkosten in Höhe von 411,30 € auf der Basis eines Streitwerts von 5.000,-- € nebst Zinsen begehrt.
Dem Widerbeklagten soll mit der Widerklage untersagt werden, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs
auf dem Online-Marktplatz F bei dem Angebot von Produkten aus dem Sortiment Kfz-Hifi und Zubehör unter Verstoß gegen den F-Grundsatz zum Einstellen von mehreren identischen Artikeln gleichzeitig mehr als drei Angebote mit identischen Artikeln auf dem Online-Marktplatz F zu unterhalten, es sei denn, es handele sich um Angebote in der Kategorie "KfZ-Services & Reparaturen" oder Auktionen mit einem Startpreis von 1 Euro.
Die Widerklägerin hat gemeint, ihr stehe als Mitbewerberin des Widerbeklagten der geltend gemachte Unterlassungsanspruch zu. Der Widerbeklagte habe bei den verschiedenen Produkten mehr als drei identische Artikel bei F angeboten. Diese Angebote unterfielen sämtlich auch nicht den von F vorgesehenen Ausnahmetatbeständen. Die Widerklägerin hat gemeint, der Widerbeklagte habe sie gezielt behindert, weil seine mit Methode erfolgende Einstellpraxis bei F dazu führe, dass in der Suchergebnis-Liste die Produkte sehr viel häufiger dargestellt würden als das mit den zulässigen dreimaligen Angeboten möglich sei. Die von F bezweckte Begrenzung identischer Angebote zum Zwecke der Übersichtlichkeit werde durch das Verhalten des Widerbeklagten unterlaufen. Dieser tauche damit öfter auf und finde dabei die größere Gelegenheit zu einem Vertragsabschluss als sie, die Widerklägerin, mit ihren weitgehend ähnlichen Produkten. Jedenfalls stelle die Einstellpraxis des Widerbeklagten eine allgemeine Marktbehinderung dar, die wegen Verstoßes gegen die Generalklausel des § 3 UWG unlauter sei. Sie sei unter Berücksichtigung ihrer Auswirkungen auf die Marktstruktur auch wettbewerbswidrig. Das Verhalten lasse gleichartige Maßnahmen von Mitbewerbern erwarten und bringe die Gefahr einer rechtswidrigen Veränderung der Marktstruktur mit sich, die zu einer dauerhaften Verschlechterung der wettbewerblichen Strukturen führen könne.
Der Widerbeklagte hat unter Berufung auf seine Ausführungen zur Feststellungsklage die Abweisung der Widerklage begehrt. Nach seiner Meinung wird nicht gegen Marktverhaltensregelungen verstoßen, sondern gegen Regeln, die ein Auktionshaus selbst aufgestellt habe.
In der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht haben die Parteien den Rechtsstreit in Bezug auf die Klage für erledigt erklärt und wechselseitige Kostenanträge gestellt.
Das Landgericht hat sodann die Widerklage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, der unstreitige Verstoß gegen die F-Grundsätze, wonach ein Anbieter nicht mehr als drei identische Angebote einstellen dürfe, stelle keinen Wettbewerbsverstoß dar. Die Nichtbeachtung der ausschließlich im Verhältnis zwischen dem Widerbeklagten und F vereinbarten Grundsätze stelle keine gezielte Behinderung im Sinne des § 4 Nr. 10 UWG dar. Auch eine allgemeine Marktbehinderung liege entgegen der Auffassung der Widerklägerin nicht vor. Diese könne somit auch die geltend gemachten Anwaltskosten nicht erstattet verlangen. Da die Feststellungsklage des Widerbeklagten zunächst zulässig und begründet gewesen sei, müsse die Widerklägerin auch insoweit die Kosten tragen.
Die Widerklägerin greift das Urteil mit der Berufung an. Sie verfolgt ihre erstinstanzlich im Rahmen der Widerklage gestellten Anträge weiter. Sie verweist darauf, dass das von ihr als Verletzungshandlung gerügte Verhalten des Widerbeklagten unstreitig sei. Damit sei auch unstreitig, dass dieser planmäßig und systematisch gegen den F-Grundsatz zum Einstellen von mehreren identischen Artikeln verstoßen habe, der für alle Anbieter auf dem Online-Marktplatz gelte. Da auf der Suchergebnis-Liste sämtliche F-Angebote einschließlich der Shop-Artikel angezeigt würden, führe die Einstellpraxis des Widerbeklagten dazu, dass dieser wesentlich häufiger mit seinen Artikeln erscheine als vertragstreue Mitbewerber wie sie. Es erhöhe sich damit für ihn die Wahrscheinlichkeit, dass seine Angebote angeklickt würden. Durch dieses Verhalten würden nicht nur die Interessen der Mitbewerber spürbar beeinträchtigt, sondern auch die Interessen der Verbraucher. Für diese werde die von F beabsichtigte übersichtliche Angebotsstruktur konterkariert. Im Ergebnis führe die Einstellpraxis des Widerbeklagten zu einer rechtswidrigen Verzerrung der Angebotsstruktur bei F. Das Verhalten ist nach der Meinung der Widerklägerin auch wettbewerbswidrig, weil der verletzte F-Grundsatz nicht nur zur Regelung des privatrechtlichen Verhältnisses von F zu den Anbietern diene, sondern einen allgemein gültigen Rahmen für den Handel auf dem Online-Marktplatz vorgebe. Die dort tätigen Händler erwarteten, dass die Rahmenbedingungen von allen Vertragspartnern von F eingehalten würden. Mit gelegentlichen Verstößen werde gerechnet, aber nicht mit einem planmäßigen und systematischen Nichtbeachten der Regeln. Die Widerklägerin wiederholt sodann noch einmal, wieso hier eine gezielte Behinderung im Sinne des § 4 Nr. 10 UWG oder allgemeine Marktbehinderung, auf jeden Fall aber eine unlautere geschäftliche Handlung im Sinne des § 3 Abs. 1 UWG vorliegen soll. Die beanstandete Einstellpraxis entspreche in ihrem Unrechtsgehalt den in den Beispielsfällen erfassten Verhaltensweisen.
Die Widerklägerin beantragt:
1. Unter Aufhebung des am 16.06.2010 verkündeten Urteils des Landgerichtes Bochum zum Aktenzeichen I-13 O 37/10
a) wird dem Berufungsbeklagten untersagt, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs auf dem Online-Marktplatz F bei dem Angebot von Produkten aus dem Sortiment Kfz-Hifi und Zubehör unter Verstoß gegen den F-Grundsatz zum Einstellen von mehreren identischen Artikeln (Identische Artikel sind alle Artikel, die inhaltlich gleich sind, also z.B. eine identische Produkt- oder ISDN-Nummer haben. Dabei sind Unterschiede in Preis und Artikelbezeichnung sowie Artikelbeschreibung unerheblich.) gleichzeitig mehr als drei Angebote mit identischen Artikeln auf dem Online-Marktplatz F zu unterhalten, es sei denn, es handelt sich um Angebote in Kategorie "Kfz-Services & Reparaturen" oder Auktionen mit einem Startpreis von 1 Euro (auch wenn diese "Sofortkaufen" als kostenpflichtige Zusatzoption beinhalten.
b) wird dem Berufungsbeklagten für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen die vorstehende Unterlassungsverpflichtung ein Ordnungsgeld bis zu 250.000,00 Euro, ersatzweise Ordnungshaft oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten angedroht, wobei die Ordnungshaft insgesamt 2 Jahre nicht übersteigen darf,
c) wird der Berufungsbeklagte verurteilt, an die Berufungsklägerin einen Betrag von 411,30 Euro nebst Zinsen hieraus in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 20.03.2010 zu zahlen.
2. Die Kosten des Verfahrens werden dem Berufungsbeklagten auferlegt.
Der Widerbeklagte beantragt:
Die Berufung wird zurückgewiesen.
Der Widerbeklagte verteidigt unter Bezugnahme auf die Entscheidungsgründe das angefochtene Urteil.
II.
Die Berufung ist unbegründet. Der Widerklägerin stehen die geltend gemachten Ansprüche nicht zu, weil in der Verletzung der Vertragspflichten des Widerbeklagten gegenüber F kein Wettbewerbsverstoß zu sehen ist.
1) Der Antrag ist ungeachtet der Einbeziehung unnötiger Definitionen und Einschränkungen bestimmt genug im Sinne des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Es ist klar, welche Verhaltensweisen dem Widerbeklagten verboten werden sollen. Nicht Gegenstand des Antrages ist ein planmäßiger und systematischer Verstoß gegen die F-Grundsätze. Das Verbot soll schon bei einem einzigen Verstoß greifen.
2) Ein Unterlassungsanspruch der Widerklägerin ergibt sich nicht aus §§ 8 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 1, 3 Abs. 1, 4 Nr. 11 UWG 2008 in Verbindung mit den F-Grundsätzen zur Einstellung von identischen Angeboten. § 4 Nr. 11 UWG ist im vorliegenden Fall gerade nicht anwendbar. Die F-Grundsätze gelten auf vertraglicher Grundlage zwischen dem Betreiber der Internetplattform und den dortigen Anbietern. Sie gelten nicht für sonstige Internetangebote außerhalb der Auktionsplattform F. Verträge sind auch keine gesetzlichen Vorschriften im Sinne des § 4 Nr. 11 UWG. Ebenso wie Verbands- und Vereinssatzungen haben sie nicht den Rang einer gesetzlichen Vorschrift. Dass sie möglicherweise das Marktverhalten der Vertragsparteien bzw. Mitglieder regeln, ist dabei nicht von Bedeutung (Köhler/Bornkamm, UWG, 28. Auflage, § 4 Rdn. 11.29).
3) Die gerügten Verstöße gegen vertragliche Vorschriften können auch dann nicht unter Zuhilfenahme des Vorsprungsgedankens über § 3 Abs. 1 UWG 2008 als unlauter angesehen werden, wenn sie für einen größeren Kreis von Vertragspartnern gelten und das Marktverhalten unter diesen umfassend regeln sollen. Selbst bei anderen gesetzlichen Vorschriften, die keine Marktverhaltensregeln sind, wird das verneint (vgl. BGH GRUR 2010, 654 Rdn. 25 -Zweckbetrieb). Es ist auch nicht von einem den Beispielsfällen vergleichbaren Unlauterkeitsgehalt des Verhaltens des Widerbeklagten auszugehen. Mangelnde Vertragstreue führt nicht automatisch zu einem Unlauterkeitsverdikt. Das gilt auch bei einem hier vorliegenden Verstoß gegen ein vertragliches Werbeverbot, obwohl der Widerbeklagte als Verletzer ohne weiteres in den Wettbewerb auf der Auktionsplattform F eingreifen mag, wie die Widerklägerin ausführlich vorträgt. Er konterkariert jedenfalls das, was F für die Übersichtlichkeit der Angebote auf ihrer Plattform geregelt hat. Werbeverbote oder Beschränkungen von Angeboten regeln zwar das Marktverhalten der Vertragsparteien. Es bleibt aber immer noch dabei, dass nur der Kreis der Vertragspartner betroffen ist. Der Vertragspartner F kann die vertraglich vereinbarten Sanktionen treffen, um einem solchen Verhalten Einhalt zu bieten. Die Vertragspartner können auch nicht den gesamten Markt in einer Weise regeln wie der Gesetz- oder Verordnungsgeber. Dass sich der Verstoß auf den gesamten Markt des Verkaufs der betroffenen Artikel auswirkt, ist weder vorgetragen noch erkennbar. Da aber gerade deshalb ein solcher Verstoß mit einem Gesetzesverstoß im Sinne des § 4 Nr. 11 UWG nicht vergleichbar ist, fehlt es auch bei einem solchen Verstoß gegen ein vertragliches Werbeverbot an einem ebenso unlauterem Verhalten (Harte/Henning/von Jagow, UWG, 2. Auflage, § 4 Rdn. 144, 147).
4) Auch der von § 3 Abs. 1 UWG umfasste ungeschriebene Unlauterkeitstatbestand der allgemeinen Marktbehinderung (vgl. Köhler/Bornkamm, a.a.O. § 4 Rdn. 12.1, 12.3) scheidet hier aus. Es liegt kein so bedenkliches Verhalten vor, dass dadurch oder in Zusammenhang mit den zu erwartenden gleichartigen Maßnahmen von Mitbewerbern die ernstliche Gefahr begründet wird, dass der Wettbewerb hinsichtlich der hier angebotenen Waren in nicht unerheblichen Maße eingeschränkt wird und dadurch Mitbewerber ganz vom Markt verdrängt werden können. Das würde selbst dann gelten, wenn der Widerbeklagte nicht nur wiederholt sondern auch systematisch gehandelt hat, auch wenn ein solches Verhalten nicht zum Gegenstand des Antrages gemacht worden ist. Allein die Tatsache, dass der Widerbeklagte in der Suchliste erheblich öfter mit seinen teils gleichen Produkten auftaucht als die Konkurrenz, wirkt sich für die anderen Anbieter bei F nicht derart bedrohlich aus. Es ist nicht einmal sicher, ob die Verbraucher öfter beim Widerbeklagten kaufen, nur weil immer wieder die gleichen Angebote auftauchen. Es droht eher, dass die Übersicht verloren geht. Wenn das aber zu sehr droht, kann F eingreifen. Zu einer ernsthaften Behinderung der Marktchancen der Mitbewerber kommt es aber dadurch nicht. Auch eine spürbare Beeinträchtigung der Verbraucher ist nicht erkennbar. Es kommt hinzu, dass -wie oben schon ausgeführt worden ist- gerade auch nicht der gesamte Markt betroffen ist.
5) Ein Anspruch der Widerklägerin gegen den Widerbeklagten ergibt sich schließlich auch nicht aus §§ 8, 3, 4 Nr. 10 UWG wegen gezielter Behinderung von Mitbewerbern. Dieser weit gefasste Beispielstatbestand erfasst zwar alle Erscheinungsformen der individuellen Mitbewerberbehinderung, wie sie schon von der Rechtsprechung zu § 1 UWG a.F. entwickelt worden waren. Der neue Begriff der "gezielten" Behinderung stellt aber klar, dass eine Behinderung als notwendige Folge des Wettbewerbs nicht ausreicht. Es ist vielmehr erforderlich, dass eine behindernde Maßnahme ihrer Art nach darauf gerichtet sein muss, den Mitbewerber an seiner wettbewerblichen Entfaltung zu hindern. Bei einem Kundenfang oder jedenfalls einer Umleitung von Kundenströmen müsste demnach im Vordergrund stehen, mögliche Kunden vom Wettbewerber abzulenken. Wird nur beabsichtigt, Kunden zu sich hin zu lenken, und wird der Mitbewerber dann zwangsläufig durch einen Zugriff des Widerbeklagten behindert, weil dieser durch einen solchen Vertragsverstoß in einem größeren Umfeld bei der Auflistung der Angebote zum Zuge kommt, ist das bloße Folge des Leistungswettbewerbs und reicht für eine gezielte Behinderung nicht aus. Die erforderliche Interessenabwägung unter besonderer Berücksichtigung der Wettbewerbsfreiheit ergibt im vorliegenden Fall, dass durch die Vertragsverstöße die Grenze zur Wettbewerbswidrigkeit noch nicht überschritten wird. Sicherlich hat der Widerbeklagte gerade davon profitieren wollen, durch die unstreitigen vermehrten Angebote möglichst oft in der Suchliste bei F aufzutauchen. Es mag auch unstreitig sein, dass sich das wirtschaftlich positiv für ihn auswirken kann. Er mag sich erhofft haben, vermehrt Kunden auf der Plattform F in irgendeiner Form auf sich aufmerksam machen und zu sich hinleiten zu können. In diesem Verhalten liegt aber gerade noch kein gezieltes Ablenken der Kunden von der Widerklägerin und den zahlreichen anderen Wettbewerbern. Der Widerbeklagte wollte und konnte sich nicht gezielt um Kunden bemühen, die schon mit einem Wettbewerber wie der Widerklägerin in Kontakt standen. Er drängte sich somit bildlich nicht zwischen die Widerklägerin und ihre Kunden. Wenn sich der Vertragsverstoß wirtschaftlich zu Lasten der Widerklägerin auswirken würde, geschähe das nur zufällig.
6) Da sich aus den vorstehenden Ausführungen zugleich ergibt, dass die Abmahnung unberechtigt war, hat die Widerklägerin auch keinen Ersatzanspruch aus § 12 Abs. 1 S. 2 UWG.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision, die sich aus § 543 Abs. 2 ZPO ergeben, liegen hier nicht vor.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.
OLG Hamm:
Urteil v. 21.12.2010
Az: I-4 U 142/10
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