Bundespatentgericht:
Beschluss vom 22. Juni 2006
Aktenzeichen: 8 W (pat) 34/05
(BPatG: Beschluss v. 22.06.2006, Az.: 8 W (pat) 34/05)
Tenor
Auf die Beschwerde des Anmelders wird der Beschluss der Prüfungsstelle für Klasse B 23 Q des Patentamts vom 10. Juni 2005 aufgehoben und das Patent 101 37 887 wie folgt erteilt:
Bezeichnung: Spannvorrichtung Anmeldetag: 2. August 2001 Der Erteilung liegen folgende Unterlagen zu Grunde:
Patentansprüche 1 bis 10, Beschreibung, Seiten 1 bis 18, jeweils überreicht in der mündlichen Verhandlung und 1 Seite Zeichnungen, Figuren 1 bis 3, gemäß Offenlegungsschrift.
Gründe
I Die Patentanmeldung 101 37 887.4-14 mit der Bezeichnung "Spannvorrichtung" ist am 2. August 2001 beim Patentamt eingegangen und nach mehreren negativ gehaltenen Bescheiden und einem von dem Anmelder nicht wahr genommenen Anhörungstermin von der Prüfungsstelle für Klasse B 23 Q mit Beschluss vom 10. Juni 2005 zurückgewiesen worden, weil sein Gegenstand angesichts des Standes der Technik nach der DE 35 28 337 C2 und dem Fachbuch: K. Schreyer: Werkstückspanner (Vorrichtungen), Seite 102, 103, 114, 115, 3. Auflage, 1969, Springer-Verlag, nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe.
Gegen den Zurückweisungsbeschluss hat der Anmelder am 13. August 2005 Beschwerde eingelegt.
Der Anmelder hat in der mündlichen Verhandlung am 22. Juni 2006 die Auffassung vertreten, es habe einer erfinderischen Tätigkeit bedurft, um zum Anmeldungsgegenstand nach dem Patentanspruch 1 zu gelangen. Er hat vorgetragen, dass insbesondere die kennzeichnenden Merkmale des Patentanspruchs 1 aus dem Stand der Technik nicht nahe gelegt seien, da in dem Fachbuch "Werkstückspanner" nur handbetätigte Vorrichtungen gezeigt sind, deren Kurvenbahnen nicht direkt mit einem Kolben zusammenwirken und schon deshalb geometrisch völlig anders aufgebaut seien als der Anmeldegegenstand, bei dem durch die Kurvengestaltung eine möglichst große Einlegefreiheit für das Werkstück geschaffen werden soll.
Der Anmelder beantragt, den Beschluss der Prüfungsstelle für Klasse B 23 Q des Patentamts vom 10. Juni 2005 aufzuheben und das Patent mit folgenden Unterlagen zu erteilen:
Patentansprüche 1 bis 10 und Beschreibung, Seiten 1 bis 18, überreicht in der mündlichen Verhandlung sowieeine Seite Zeichnungen, Figuren 1 bis 3, gemäß Offenlegungsschrift.
Der in der mündlichen Verhandlung überreichte Patentanspruch 1 lautet:
Spannvorrichtung zum Spannen von Werkstücken (2), mit einem Spannelement (5), welches zwischen einer Grundstellung und einer Spannstellung verstellbar ist, einem druckbeaufschlagten Kolben (10), welcher dafür vorgesehen ist, das Spannelement (5) zu verstellen, einem Auflageelement (7), auf welches das Werkstück (2) auflegbar ist und welches in der Spannstellung des Spannelementes (5) demselben unmittelbar gegenüberliegt, und einem Grundkörper (3), in welchem der druckbeaufschlagte Kolben (10) untergebracht ist, an welchem das Spannelement (5) gelagert ist und an welchem das Auflageelement (7) angeordnet ist, wobei das Spannelement (5) um eine horizontale Achse (6) drehbar gelagert ist und bei seiner Bewegung zwischen der Grundstellung und der Spannstellung mittels einer Kurvenbahn (11) derart geführt ist, dass in der Grundstellung eine Einlegefreiheit für die Werkstücke (2) gegeben ist, dadurch gekennzeichnet, dass sich die Kurvenbahn (11) an der dem Kolben zugewandten Seite des Spannelements (5) befindet und direkt mit einer Stirnseite des druckbeaufschlagten Kolbens (10) zusammenwirkt, und dass das Spannelement (5) mittels wenigstens eines gegen die Kraft des druckbeaufschlagten Kolbens (10) wirkenden Federelementes (17) in seine Grundstellung schwenkbar ist.
Hinsichtlich der Unteransprüche 2 bis 10 wird auf die Akten Bezug genommen.
Es ist Aufgabe der vorliegenden Erfindung, eine Spannvorrichtung zum Spannen von Werkstücken zu schaffen, mit der völlig unterschiedlich geformte Werkstücke einfach, sicher und exakt gespannt werden können, wobei in der Grundstellung des Spannelements eine Einlegefreiheit für das Werkstück gegeben sein soll. Die Spannvorrichtung soll eine möglichst einfache Funktion aufweisen, so dass sie auch bei der spanenden Bearbeitung von Werkstücken eingesetzt werden kann.
Im Prüfungsverfahren waren auch noch folgende Druckschriften in Betracht gezogen worden:
US 5 752 693 A DE 33 34 401 C2 DE 197 57 947 A1 DE 30 31 368 A1 DE 29 09 464 C2 DE 34 38 972 A1 DE 24 02 054 C2 DE 32 01 891 A1 DE 42 42 292 A1.
II Die Beschwerde ist frist- und formgerecht eingelegt und auch im Übrigen zulässig.
Sie ist in der Sache auch begründet, denn der Anmeldungsgegenstand stellt eine patentfähige Erfindung im Sinne des PatG § 1 bis § 5 dar.
1. Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 sowie der Inhalt der weiteren Patentansprüche 2 bis 10 ist in den ursprünglichen Unterlagen als zum Anmeldungsgegenstand gehörend offenbart.
Der geltende Anspruch 1 enthält Merkmale, die in den ursprünglich eingereichten Ansprüchen 1, 2 und 8 offenbart sind. Die Ergänzung, dass die Kurvenbahn direkt mit einer Stirnseite des druckbeaufschlagten Kolbens zusammenwirkt ergibt sich aus der ursprünglichen Beschreibung auf Seite 9 und 10 in Verbindung mit den Figuren.
Die geltenden Ansprüche 2 bis 10 entsprechen den ursprünglichen Ansprüchen 3 bis 7 und 9 bis 12.
Die geltenden Patentansprüche sind also ursprünglich offenbart und somit zulässig.
3. Die unstrittig gewerblich anwendbare Spannvorrichtung zum Spannen von Werkstücken nach Patentanspruch 1 hat als neu zu gelten, da - wie auch die Prüfungsstelle für Klasse B 23 Q zugesteht - keine der entgegengehaltenen Druckschriften ein Spannvorrichtung zum Spannen von Werkstücken mit allen im Anspruch 1 angegebenen Merkmalen offenbart.
4. Der Gegenstand nach Patentanspruch 1 beruht auch auf einer erfinderischen Tätigkeit.
Der Patentgegenstand geht aus von einem Stand der Technik, wie er durch die DE 35 28 337 C2 bekannt ist. Die DE 35 28 337 C2 zeigt eine Spannvorrichtung zum Spannen von Werkstücken (3), mit einem Spannelement (5), welches zwischen einer Grundstellung und einer Spannstellung verstellbar ist, einem druckbeaufschlagten Kolben (6), welcher dafür vorgesehen ist, das Spannelement (5) zu verstellen, einem Auflageelement (2), auf welches das Werkstück (3) auflegbar ist und welches in der Spannstellung des Spannelementes (5) demselben unmittelbar gegenüberliegt, und einem Grundkörper (1), in welchem der druckbeaufschlagte Kolben (6) untergebracht ist, an welchem das Spannelement (5) gelagert ist und an welchem das Auflageelement (2) angeordnet ist, wobei das Spannelement (5) um eine horizontale Achse (17) drehbar gelagert ist und bei seiner Bewegung zwischen der Grundstellung und der Spannstellung mittels einer Kurvenbahn (11) derart geführt ist, dass in der Grundstellung eine Einlegefreiheit für die Werkstücke (3) gegeben ist.
Die kennzeichnenden Merkmale des Patentgegenstandes zeigt diese Schrift nicht, denn die Kurvenbahn der DE 35 28 337 C2 befindet sich in einem Schlitz innerhalb des Spannelements und wirkt nicht direkt mit dem druckbeaufschlagten Kolben zusammen sondern indirekt über den Rollennocken 8 und die Stange 9. Auch ist das Spannelement nicht mittels eines Federelements in seine Grundstellung verschwenkbar, wie es beim Anmeldungsgegenstand der Fall ist, sondern der Kolben der bekannten Spannvorrichtung wird in beiden Richtungen durch ein Druckmittel beaufschlagt.
Auch aus dem Fachbuch "Werkstückspanner" auf den Seite 102 und 103 erhält der Fachmann keine Anregungen hierfür. Denn nur in dem Ausführungsbeispiel nach Bild 320 auf Seite 103 befindet sich die Kurvenbahn auf einem Spannelement. Jedoch wird hier das mit einer Kurvenbahn versehene Spannelement mittels eines Handhebels geschwenkt und so das Werkstück durch das Spannelement selbst eingespannt.
Bei dem Ausführungsbeispiel nach Bild 323 ist die Kurvenbahn auf einer Scheibe ausgebildet, die drehbar auf dem Spannelement befestigt ist und mittels eines Handhebels geschwenkt werden kann. In keinem dieser Fälle wirkt die Kurvenbahn direkt mit einer Stirnfläche eines druckbeaufschlagten Kolbens zusammen.
Auch wird weder auf den Seiten 102, bzw. 103 noch auf den Seiten 114 oder 115 ein gegen die Kraft eines druckbeaufschlagten Kolbens wirkendes Federelement gezeigt, das ein Spannelement in seine Grundstellung schwenkt, wenn der Kolben drucklos ist.
Somit kann diese Schrift einen Fachmann, einen Diplomingenieur (FH) der Fachrichtung Maschinenbau mit Kenntnissen in der Werkzeugmittelkonstruktion nicht dazu anregen, eine Spannvorrichtung zum Spannen von Werkstücken derart auszubilden, dass sich die Kurvenbahn an der dem Kolben zugewandten Seite des Spannelements befindet und direkt mit einer Stirnseite des druckbeaufschlagten Kolbens zusammenwirkt, und dass das Spannelement mittels wenigstens eines gegen die Kraft des druckbeaufschlagten Kolbens wirkenden Federelementes in seine Grundstellung schwenkbar ist.
Die US 5 752 693 A zeigt einen völlig anderen Aufbau. Hier ist das Spannelement verschiebbar und nur um einen geringen Winkel schwenkbar. Es weist zwar auch eine als "ramp" bezeichnete Kurvenbahn zur Führung des Spannelements auf. Jedoch befindet sich die Kurvenbahn nicht an der dem Kolben zugewandten Seite des Spannelements und wirkt gemäß den Ausführungen in Spalte 4, Zeilen 47 ff. auch nicht direkt mit einer Stirnseite des druckbeaufschlagten Kolbens zusammen, wie es beim Anmeldungsgegenstand der Fall ist, sondern die Kurvenbahn ist an einer dem Kolben abgewandten Seite am Spannelement angeordnet und sie wirkt mit einer Kante des Gehäuses 14 zusammen.
Somit konnte auch die US 5 752 693 A den Fachmann nicht dazu anregen, die Spannvorrichtung entsprechend den im Patentanspruch 1 aufgeführten Merkmalen zu gestalten.
Die übrigen im Verfahren befindlichen Druckschriften haben einen völlig unterschiedlichen Aufbau und liegen fern ab vom Anmeldungsgegenstand. Insbesondere zeigt auch keine dieser Druckschriften das Merkmal, wonach sich eine Kurvenbahn an der dem Kolben zugewandten Seite des Spannelements befindet und direkt mit einer Stirnseite eines druckbeaufschlagten Kolbens zusammenwirkt.
Aus der DE 30 31 368 A1, der DE 29 09 464 C2, der DE 33 34 401 C2 und der DE 34 38 972 A1 sind Schwenkspanner bekannt, die um eine vertikal stehende Achse schwenken. Daher können diese Druckschriften keine Anregungen zur Gestaltung von Spannvorrichtungen zum Spannen von Werkstücken mit einem, um eine horizontale Achse drehbar gelagertem Spannelement geben.
Aus der DE 24 02 054 C2 ist eine Vorrichtung zum Festspannen von Werkstücken auf einer Aufspannplatte bekannt, welche einen in der Höhe verstellbaren Spannpratzen aufweist. Die DE 24 02 054 C2 weist weder eine Kurvenbahn an einer Seite des Spannelements noch ein, gegen die Kraft des druckbeaufschlagten Kolbens wirkendes Federelement zum Schwenken des Spannelements in seine Grundstellung auf.
Aus der DE 32 01 891 A1 ist eine hydraulische Spannvorrichtung bekannt, die mehrere an ein hydraulisches Steuersystem angeschlossene Spannkolben (24, 25) aufweist, die Werkstücke mit komplexer Form spannen können. Auch diese Druckschrift weist weder eine Kurvenbahn an einer Seite des Spannelements noch ein Federelement zum Schwenken des Spannelements in seine Grundstellung auf.
Die DE 42 42 292 A1 beschreibt eine selbsttätige hydraulische Spannvorrichtung für einen Riemenspanner und liegt daher fernab vom Anmeldungsgegenstand, bei dem es um eine Spannvorrichtung zum Spannen von Werkstücken geht.
Die DE 197 57 947 A1 beschreibt eine Spannvorrichtung mit einem Spannelement das gegenüber einem Grundkörper schwenkbar gelagert ist, bei welcher am Kopfstück auswechselbare Anschlussplatten zur Befestigung der Vorrichtung an einem Vorrichtungsträger angeordnet sind. Die Stellmechanik, mit der das Spannelement betätigt wird, ist nicht weiter ausgebildet, so dass auch diese Druckschrift die Merkmale des Patentanspruchs 1 nicht nahe legen kann.
Nachdem, wie vorstehend begründet, keine der zum Stand der Technik angeführten Druckschriften das Merkmal zeigt, dass sich die Kurvenbahn an der dem Kolben zugewandten Seite des Spannelements befindet und direkt mit einer Stirnseite des druckbeaufschlagten Kolbens zusammenwirkt, konnte folglich keine dieser Druckschriften weder für sich noch in Verbindung mit anderen Druckschriften den Fachmann zum Anmeldungsgegenstand nach Patentanspruch 1 führen.
Nach alledem ist der Gegenstand nach Patentanspruch 1 patentfähig und dieser Anspruch somit gewährbar.
Mit diesem zusammen sind die auf vorteilhafte Ausgestaltungen und Weiterbildungen der Spannvorrichtung zum Spannen von Werkstücken gerichteten Ansprüche 2 bis 10 gewährbar.
BPatG:
Beschluss v. 22.06.2006
Az: 8 W (pat) 34/05
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