Kammergericht:
Beschluss vom 14. März 2006
Aktenzeichen: 5 W 51/06

(KG: Beschluss v. 14.03.2006, Az.: 5 W 51/06)

Tenor

1. Auf die sofortige Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss der Zivilkammer 16 des Landgerichts Berlin vom 9. Februar 2006 - 16 O 83/06 - geändert:

Der Antragsgegnerin wird bei Vermeidung eines vom Gericht für jeden Fall der künftigen Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 EUR, ersatzweise Ordnungshaft, oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu vollziehen an ihrem Geschäftsführer,

untersagt, im geschäftlichen Verkehr Anzeigen zu veröffentlichen, in denen das Mittel "C.." mit dem Hinweis auf dessen schlankmachende bzw. gewichtsreduzierende Wirkung angepriesen wird, wenn dies geschieht wie durch das Inserat:

"In nur 4 Wochen nahm ich 16 Kilo ab, obwohl ich nach Herzenslust a߀dank €C..®€, welches die Fette abbaut und die Zuckeraufnahme blockiert.",

(gemäß "Berliner Abendblatt" vom 11. Januar 2006, Seite 5).

2. Die Kosten des Verfahrens beider Rechtszüge hat die Antragsgegnerin

zu tragen.

3. Der Beschwerdewert wird auf 20.000,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I. Die gemäß §§ 567ff. ZPO statthafte, form- und fristgerecht eingelegte und auch im Übrigen zulässige sofortige Beschwerde des Antragstellers ist begründet. Entgegen der Auffassung des Landgerichts steht dem Antragsteller ein im Wege der einstweiligen Verfügung sicherbarer Anspruch gegen die Antragsgegnerin zu, es zu unterlassen, Werbeanzeigen mit dem in der Entscheidungsformel wiedergegebenen Inhalt abzudrucken. Die beanstandete Werbung ist offensichtlich irreführend und damit grob wettbewerbswidrig. Die Antragsgegnerin ist daher als Presseunternehmen verpflichtet, den Abdruck solcher Werbung zu unterlassen, wobei dahingestellt bleiben kann, ob es sich bei dem beworbenen Schlankheitsmittel um ein Arzneimittel, ein Medizinprodukt oder ein Lebensmittel handelt.

1. Der Antragsteller ist nach § 8 Abs.3 Nr.2 und Nr.3 UWG klagebefugt. Dies ergibt sich aus seinem glaubhaft gemachten Vortrag in der Antragsschrift und entspricht auch der ständigen obergerichtlichen Rechtsprechung (vgl. nur BGH GRUR 2004, 72 - Coenzym Q 10 € m.w.N.).

2. Maßgebend für die Einstufung von Schlankheitsmitteln als Arzneimittel (§ 2 AMG), Medizinprodukte (§ 3 MPG) oder Lebensmittel (§ 2 LFGB) ist ihre an objektive Merkmale anknüpfende bestimmungsgemäße Hauptwirkung, wie sie sich für einen durchschnittlich informierten, verständigen und der Situation, in der er mit der Werbeaussage konfrontiert wird, entsprechend aufmerksamen Durchschnittsverbraucher darstellt. Soll diese Wirkung in einem Eingriff in den Stoffwechselprozess liegen, ist von einem Arzneimittel (jedenfalls kraft Präsentation) auszugehen. Besteht sie - wie bei Quell- oder Sättigungsmitteln € in einer vorwiegend mechanischen/ physikalischen Wirkung, handelt es sich um ein Medizinprodukt. Soll der Verbraucher das Mittel als Nahrung € als Ersatz für kalorienreiche Ernährung oder an deren Stelle zur Sättigung € zu sich nehmen, ist von einem Lebensmittel auszugehen (vgl. zu Vorstehendem BGH GRUR 2004, 793 € Sportlernahrung II; Senat, MD 2003, 288 € Fettverbrennung; KG - 25.ZS. - KGR 2000, 390 € Jogun; Gröning, Heilmittelwerberecht, § 1 Rdn.255ff.; Meyer/ Reinhart WRP 2005, 1437ff., jew. m.w.N.).

Abgesehen von der allgemeinen Regelung in §§ 3, 5 UWG ergibt sich das Verbot irreführender Werbung für Schlankheitsmittel, die als Arzneimittel oder Medizinprodukte einzustufen sind (§ 1 Abs.1 oder Abs.1a HWG), aus §§ 3, 4 Nr.11 UWG in Verbindung mit § 3 HWG. Nach § 3 Satz 1 HWG ist eine irreführende Werbung unzulässig. Eine Irreführung liegt insbesondere dann vor, wenn den Mitteln Wirkungen beigelegt werden, die sie nicht haben (§ 3 Satz 2 Nr.1 HWG), oder wenn fälschlich der Eindruck erweckt wird, dass ein Erfolg mit Sicherheit erwartet werden kann

(§ 3 Satz 2 Nr.2 a) HWG). Für Lebensmittel folgt das Irreführungsverbot aus § 11 Abs.1 LFGB. Danach ist es u.a. verboten, für Lebensmittel mit irreführenden Aussagen zu werben, insbesondere ihnen Wirkungen beizulegen, die ihnen nach den Erkenntnissen der Wissenschaft nicht zukommen (§ 11 Abs.1 Satz 2 Nr.2 LFGB). Zudem enthält § 6 Abs.1 NKV ein Verbot der Schlankheitswerbung für Lebensmittel, sofern diese konkret irreführend ist (vgl. zur gebotenen einschränkenden Auslegung der Vorschrift Senat MD 2005, 750/752 € Glyx-Diät).

3. Vorliegend lässt die angegriffene Werbeanzeige die behauptete Wirkungsweise des beworbenen Produkts "C.." nicht eindeutig erkennen. Die Werbeaussage, der darin enthaltene Fruchtextrakt "Garcinia" baue Fett ab (wirke fettlösend) und blockiere (reduziere bzw. verhindere) die Zuckeraufnahme, wird zwar in erster Linie im Sinne eines Eingriffs in die normalerweise bei einer Nahrungsaufnahme stattfindenden Stoffwechselvorgänge zu verstehen sein, sodass von einem Arzneimittel auszugehen wäre. In Betracht kommt aber auch eine lediglich physikalische Wirkung dergestalt, dass in der Nahrung enthaltenes Fett und Zucker durch den Wirkstoff gebunden bzw. gelöst werden, sodass sie sich im Körper anlagern, sondern wieder ausgeschieden werden (vgl. OLG Hamburg GRUR-RR 2004, 88 € Chitosan). In diesem Fall wäre von einem Medizinprodukt auszugehen. Eine Einstufung als Lebensmittel erscheint dagegen fernliegend. Denn das Produkt soll nicht als Nahrung, sondern zusätzlich zur üblichen Ernährung eingenommen werden. Nach alledem findet gemäß § 1 Abs.1 oder Abs.1a HWG das Irreführungsverbot des § 3 HWG Anwendung.

4. Die beanstandete Werbeaussage enthält die Behauptung, es sei möglich, lediglich durch Einnahme des Produkts "C.." und ohne Änderung der Essgewohnheiten innerhalb von vier Wochen 16 Kilogramm abzunehmen. Damit wird dem Produkt eine Wirkung beigelegt, die es nach allgemeiner Lebenserfahrung nicht haben kann. Denn es ist nach allgemein gesicherter naturwissenschaftlicher Kenntnis schlicht ausgeschlossen, eine Abnahme des Körpergewichts zu bewirken, ohne dass der Organismus weniger Energie aufnimmt als er verbraucht. Dies kann durch eine Diät und/oder körperliche Betätigung erfolgen. Eine "Wundermittel", dass eine Gewichtsreduzierung durch bloße Einnahme ohne Änderung der bisherigen Ess- und Lebensgewohnheiten erlaubte, gibt es jedoch nicht. Die Werbung ist daher ohne Weiteres irreführend im Sinne von

§ 3 Satz 1 und 2 Nr.1 HWG und § 5 UWG.

5. Die Antragsgegnerin ist für diesen Wettbewerbsverstoß als Störerin verantwortlich.

a) In der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist anerkannt, dass Verleger von Zeitungen oder Zeitschriften bei der Entgegennahme von Anzeigenaufträgen grundsätzlich zur Prüfung verpflichtet sind, ob die Veröffentlichung von Anzeigen gegen gesetzliche Vorschriften verstößt. Um die tägliche Arbeit von Presseunternehmen nicht über Gebühr zu erschweren und die Verantwortlichen nicht zu überfordern, obliegen ihnen allerdings keine umfassenden Prüfungspflichten; vielmehr haftet das Presseunternehmen für die Veröffentlichung wettbewerbswidriger Anzeigen nur im Fall grober, unschwer zu erkennender Verstöße. Dabei ist der am Grundsatz der Zumutbarkeit orientierte Umfang der Prüfungspflicht auch daran zu orientieren, ob es sich lediglich um eine Kleinanzeige oder um ein umfangreiches und deshalb entsprechend teures Inserat handelt (vgl. BGH GRUR 2001, 529/531 - Herz-Kreislauf-Studie; GRUR 2004,693/695 € Schöner Wetten, jew. m.w.N.).

b) Vorliegend hatte die Antragsgegnerin schon aufgrund der Größe der verfahrensgegenständlichen Werbeanzeige hinreichenden Anlass, diese jedenfalls auf grobe und unschwer zu erkennende Wettbewerbsverstöße hin zu überprüfen. Ein solcher Verstoß ist auch gegeben, denn die Wahrheitswidrigkeit der Werbeaussage musste sich den zuständigen Mitarbeitern der Antragsgegnerin bei verständiger Würdigung ohne Weiteres aufdrängen. Besondere ernährungswissenschaftliche Erkenntnisse waren dazu nicht erforderlich. Ebensowenig bedurfte es heilmittel- oder lebensmittelwerberechtlicher Kenntnisse; die Kenntnis des Bestehens eines allgemeinen Irreführungsverbots, die bei einem Presseunternehmen vorauszusetzen ist, reichte insoweit aus.

II. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs.1 ZPO. Die Entscheidung über die Wertfestsetzung ergibt sich aus § 3 ZPO.






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Beschluss v. 14.03.2006
Az: 5 W 51/06


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