Bundespatentgericht:
Beschluss vom 13. September 2006
Aktenzeichen: 32 W (pat) 214/04

(BPatG: Beschluss v. 13.09.2006, Az.: 32 W (pat) 214/04)

Tenor

1. Auf die Beschwerde der Anmelderin wird der Beschluss der Markenstelle für Klasse 41 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 29. September 2004 insoweit aufgehoben, als die angemeldete Marke für die Dienstleistung "Betrieb eines Callcenters, nämlich Auskunftserteilung" zurückgewiesen wurde.

2. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

Gründe

I.

Die Wortmarke ALL-U-BUY ist am 24. Februar 2004 für Waren in Klasse 9 sowie Dienstleistungen in den Klassen 35, 38, 39, 41 und 42 angemeldet worden. Nach Beanstandung durch die Markenstelle für Klasse 41 hat die Anmelderin ein neugefasstes Verzeichnis der Waren und Dienstleistungen vorgelegt, das am 27. August 2004 beim Deutschen Patent- und Markenamt eingegangen ist. Dieses trägt teilweise den Anregungen und Vorschlägen der Markenstelle Rechnung, teilweise beharrt die Anmelderin aber auf von ihr gewählten Formulierungen.

Mit Beschluss der Markenstelle - Beamtin des gehobenen Dienstes - vom 29. September 2004 ist die Anmeldung teilweise zurückgewiesen worden, nämlich für

"Dienstleistungen eines Einzelhandels, nämlich eines Kiosks und eines Supermarktes; Betrieb eines Callcenters, nämlich Auskunftserteilung; Betrieb einer Hotline, nämlich telefonische Beratung und Beratung mittels Intranet und Internet, insbesondere für die Bedienung, Pflege und Benutzung von Computerdatenbanken und Computersoftware".

Insoweit handele es sich um ungenaue, markenrechtlich nicht klassifizierbare Angaben. Das Anmeldeerfordernis der Bestimmtheit des Verzeichnisses der Waren und Dienstleistungen sei nicht erfüllt.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Beschwerde der Anmelderin. Eine - zunächst angekündigte - Begründung ist nicht zu den Gerichtsakten gelangt.

Wegen sonstiger Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.

II.

Die Beschwerde der Anmelderin ist, da sie vor dem 31. Dezember 2004 eingelegt wurde, ohne vorherige Erinnerung statthaft und auch sonst zulässig (§ 66, § 165 Abs. 4 a. F. MarkenG). In der Sache hat sie teilweise, nach Maßgabe der Beschlussformel, Erfolg; im Übrigen ist sie als unbegründet zurückzuweisen.

1.a) Die im Verzeichnis enthaltene Angabe "Dienstleistungen eines Einzelhandels, nämlich eines Kiosks und eines Supermarktes" ist in dieser Fassung nicht eintragungsfähig. Die lange Zeit rechtlich umstrittene Frage, ob und ggf. in welchem Umfang für Einzelhandelsdienstleistungen Markenschutz erlangt werden kann, hat durch das auf Vorlage des Bundespatentgerichts (GRUR 2003, 152) ergangene "Praktiker"-Urteil des Europäischen Gerichtshofs (GRUR 2005, 764) eine Klärung erfahren (vgl. auch den nachfolgenden Beschluss BPatG GRUR 2006, 63 - Einzelhandelsdienstleistungen II). Danach (EuGH - Praktiker, a. a. O., Nrn. 49, 50) ist es für die Zwecke der Eintragung einer Marke für Dienstleistungen, die im Rahmen des Einzelhandels erbracht werden - zu denen allerdings der bloße Verkauf bzw. Vertrieb von Waren, auch seitens eines Handelsunternehmens, nicht zählt (vgl. Kirschneck in Ströbele/Hacker, MarkenG, 8. Aufl., § 32 Rdn. 65) - nicht notwendig, die Dienstleistung(en) zu konkretisieren, jedoch müssen die Waren bzw. Warenarten, auf die sich die Dienstleistungen beziehen, konkret angegeben werden. Letzterem Erfordernis trägt die geltende Fassung des Dienstleistungsverzeichnisses, soweit es um besagte Einzelhandelsdienstleistungen in Klasse 35 geht, nicht Rechnung. Die Anmelderin hat es in der Beschwerdeinstanz versäumt, die Fassung des Verzeichnisses den Anforderungen des "Praktiker"-Urteils (EuGH a. a. O.) anzupassen (wozu sie, auch ohne entsprechenden Hinweis des Senats, im Sinne einer Obliegenheit gehalten war).

b) Weiterhin nicht eintragungsfähig ist die Angabe "Betrieb einer Hotline, nämlich telefonische Beratung und Beratung mittels Intranet und Internet, insbesondere für die Bedienung, Pflege und Benutzung von Computerdatenbanken und Computersoftware". Insoweit werden zwar die Medien, mittels derer die Beratungsdienstleistungen durchgeführt werden (Telefon, Intranet, Internet) angeführt, nicht aber sämtliche Sachgebiete, auf welche sich die Beratungstätigkeiten gegenständlich erstrecken sollen. Da der letzte, mit "insbesondere" eingeleitete Halbsatz lediglich einen Schwerpunkt in Klasse 38 angibt, bleibt letztlich offen, auf welchen weiteren Gebieten Beratungsdienstleistungen angeboten werden. Da derartige Dienstleistungen vom Gegenstand her keineswegs auf Computer beschränkt sein müssen, sondern zahlreiche andere Sachgebiete betreffen können (z. B. Bauberatung, Unternehmensberatung, Finanzberatung usw.; vgl. die alphabetische Liste von Dienstleistungen, Klassifikation von Nizza, 8. Ausg., gültig ab 1. Januar 2002, S. 166), welche jeweils unterschiedlichen Klassen zuzuordnen sind, ist die geltende Fassung des Dienstleistungsverzeichnisses auch in diesem Punkt zu unbestimmt und lässt - wie die Markenstelle zutreffend ausgeführt hat - keine abschließende Klassifikation zu.

c) Im vorgenannten Umfang entsprach und entspricht die Anmeldung (mangels Klarstellung im Beschwerdeverfahren) daher nicht den Anforderungen des § 32 Abs. 3, § 65 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG i. V. m. §§ 19, 20 MV, so dass die Beschwerde gegen den die Eintragung in diesem Umfang versagenden Beschluss der Markenstelle zurückzuweisen ist.

2. Eine andere Beurteilung ist für die Dienstleistung "Betrieb eines Callcenters, nämlich Auskunftserteilung" geboten, weil bei dieser - anders als bei Beratungsdienstleistungen - nicht der Inhalt im Vordergrund steht, sondern das Medium der Dienstleistungserbringung (Telefon im Rahmen eines Callcenters). Während eine Beratung auf den jeweiligen Gegenstand bezogene Fachkenntnisse erfordert, z. B. die eines Ingenieurs auf dem Bausektor, eines Bankers auf finanziellem Gebiet, eines EDV-Fachmanns bei Computern usw., gilt dies für die Auskunftserteilung durch Telefonisten im Callcenter nicht in gleicher Weise; hier werden lediglich vorliegende Informationen (z. B. aus Preislisten von Firmen, Datenbanken usw.) weitergegeben. Im Grunde wird die Dienstleistung "Betrieb eines Callcenters" nur mittelbar gegenüber dem Anrufer erbracht, der Informationen nachfragt, in erster Linie aber gegenüber dem beauftragenden Unternehmen, welches durch die Einschaltung eines (externen) Callcenters sich einen eigenen Telefonauskunftsdienst erspart. Je nachdem in welcher Branche die Unternehmen, die sich der Dienstleistung des Callcenters bedienen, tätig sind, wird sich der Inhalt der Auskünfte ändern, ohne dass insoweit eine jeweils unterschiedliche Klassifikation geboten wäre. Bereits die Angabe "Betrieb eines Callcenters" ermöglicht die klassenmäßige Zuordnung; eines Zusatzes ("nämlich Auskunftserteilung") hätte es gar nicht bedurft. Ob für Auskunftsdienstleistungen unabhängig von Callcentern eine andere Beurteilung angebracht ist, kann im vorliegenden Fall dahingestellt bleiben.

Der Beschwerde war mithin (nur) im vorgenannten Umfang stattzugeben.






BPatG:
Beschluss v. 13.09.2006
Az: 32 W (pat) 214/04


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