Bundesgerichtshof:
Beschluss vom 4. April 2005
Aktenzeichen: AnwZ (B) 19/04
(BGH: Beschluss v. 04.04.2005, Az.: AnwZ (B) 19/04)
Tenor
Die sofortige Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluß des zweiten Senats des Niedersächsischen Anwaltsgerichtshofs vom 11. Februar 2004 wird zurückgewiesen.
Der Antragsteller hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen und der Antragsgegnerin die ihr im Beschwerdeverfahren entstandenen notwendigen außergerichtlichen Auslagen zu erstatten.
Der Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 14.000 Euro festgesetzt.
Gründe
I.
Der Antragsteller ist seit 1999 Fachanwalt für Familienrecht und seit 2002 auch Fachanwalt für Arbeitsrecht. Schon 1998 war ihm die Befugnis verliehen worden, die Fachanwaltsbezeichnung für Strafrecht zu führen. Diese Befugnis hat die Antragsgegnerin 2002 widerrufen, nachdem der Antragsteller im Hinblick auf den angestrebten Fachanwalt für Arbeitsrecht auf das Führen dieser Bezeichnung verzichtet hatte. In der Folge hat der Antragsteller beantragt, ihm die Befugnis, die Fachanwaltsbezeichnung für Strafrecht zu führen, erneut zu erteilen. Die Antragsgegnerin hat dies mit Bescheid vom 23. Juli 2003 unter Hinweis auf § 43 c Abs. 1 Satz 3 BRAO, der das Führen der Fachanwaltsbezeichnung auf zwei Rechtsgebiete beschränkt, abgelehnt. Den dagegen gerichteten Antrag auf gerichtliche Entscheidung hat der Anwaltsgerichtshof zurückgewiesen. Hiergegen wendet sich der Antragsteller mit seiner vom Anwaltsgerichtshof zugelassenen sofortigen Beschwerde. Der Antragsteller hält die Beschränkung in § 43 c Abs. 1 Satz 3 BRAO für verfassungswidrig, weil sie gegen Art 12 Abs. 1 GG verstoße.
II.
Die zugelassene Beschwerde ist zulässig (§ 223 Abs. 3 BRAO), hat jedoch keinen Erfolg.
Nach § 43 c Abs. 1 Satz 3 BRAO darf die Befugnis, eine Fachanwaltsbezeichnung zu führen, nur für zwei Rechtsgebiete verliehen werden. (Eine Beschränkung auf höchstens zwei Fachgebiete findet sich schon in den von einer Kommission der DAV im Februar 1930 erlassenen Richtlinien für die Einführung erster Fachanwaltschaften, -Beschlüsse des gemischten Ausschusses vom 8. Februar 1930 IV.-AnwBl. 1930, 50) Da der Antragsteller bereits zwei Fachanwaltsbezeichnungen führt, stand der Verleihung einer weiteren Fachanwaltsbezeichnung die Regelung des § 43 c Abs. 1 Satz 3 BRAO entgegen.
Die Bestimmung des § 43 c Abs. 1 Satz 3 BRAO ist entgegen der Auffassung des Antragstellers nicht verfassungswidrig:
Mit der Einrichtung der Fachanwaltschaft, die nunmehr in § 43 c BRAO und in der von der Satzungsversammlung aufgrund der Ermächtigung des § 59 b Abs. 2 Nr. 2 a BRAO erlassenen Fachanwaltsordnung ihre Rechtsgrundlage gefunden hat, steht der Anwaltschaft ein Mittel zur Verfügung, besondere in einem formalisierten Verfahren nachgewiesene Kenntnisse und Erfahrungen auf einem bestimmten Gebiet der Öffentlichkeit kundzutun. Dem in dieser Weise qualifizierten Rechtsanwalt, dem die Fachanwaltsbezeichnung verliehen worden ist, steht damit eine zulässige Werbemöglichkeit zur Verfügung, um neue Mandanten auf sich aufmerksam zu machen. Tatsächlich wird die Fachanwaltsbezeichnung von der rechtsuchenden Bevölkerung auch als Qualifikationsmerkmal verstanden; Fachanwälte verfügen nach empirischen Untersuchungen gegenüber den anderen Anwälten im Durchschnitt über höhere Umsätze und Einkommen (Nachweise bei Henssler/Prütting-Henssler, BRAO 2. Aufl. § 43 Rdn. 10; Hartung/Holl-Holl, Anwaltliche Berufsordnung 2. Aufl. Einführung FAO Rdn. 49 f.). Da die Regelung des § 43 c Abs. 1 Satz 3 BRAO den Rechtsanwalt -trotz formaler Erfüllung der Kriterien für die Verleihung einer weiteren Fachanwaltsbezeichnung -daran hindert, das rechtsuchende Publikum auf diese Qualifikation hinzuweisen, greift sie in das Recht des Anwalts, die Öffentlichkeit in der von ihm gewünschten Weise werbend über die von ihm ausgeübte Tätigkeit zu unterrichten, und damit in die durch Art. 12 Abs. 1 GG gewährleistete Berufsausübungsfreiheit ein. Denn zu der Freiheit der Berufsausübung gehört nicht nur die berufliche Praxis selbst, sondern auch jede Tätigkeit, die mit der Berufsausübung zusammenhängt und dieser dient. Sie umfaßt daher auch die Außendarstellung von selbständig Berufstätigen einschließlich der Werbung für die Inanspruchnahme ihrer Dienste (vgl. BVerfGE 85, 248, 256; 94, 372, 389; BVerfG WRP 2000, 720, 721 = NJW 2000, 3195).
Als Berufsausübungsregelung ist sie deshalb nur dann mit Art. 12 Abs. 1 GG vereinbar, wenn sie durch ausreichende Gründe des Gemeinwohls gerechtfertigt ist und im übrigen dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entspricht (BVerfGE 106, 216, 219; Senatsbeschlüsse vom 18. Februar 2005 -AnwZ(B) 3/03; vom 16.10.2000 -AnwZ(B) 65/99 = NJW 2001, 1138, 1139 = BRAK-Mitt. 2001, 41 f.).
Die Einschränkung der Werbefreiheit durch die Regelung des § 43 c Abs. 1 Satz 3 BRAO ist durch Gründe des Gemeinwohls gerechtfertigt, hierfür geeignet und auch erforderlich.
Mit der Beschränkung auf zwei Fachgebiete soll nach den Gesetzesmaterialien bei dem geforderten hohen Niveau der Kenntnisse eines Fachanwalts die Glaubwürdigkeit eines solchen Fachhinweises gewahrt werden (Bericht der Abgeordneten Eylmann, Kleinert (Hannover) und Wiefelspütz, BT-Drucks. 11/8307 S. 16, 19). Daß damit gerade der Anwalt betroffen ist, der die für den Erwerb einer weiteren Fachanwaltsbezeichnung geforderten formalen Kriterien erfüllt und die auf dem weiteren Fachgebiet vorausgesetzten Kenntnisse nachgewiesen hat, bedarf allerdings näherer Begründung:
Da die Fachanwaltsbezeichnung die besondere Qualifikation des Rechtsanwalts für das Fachgebiet ausweisen soll, kann dies von dem rechtsuchenden Publikum nur dahin verstanden werden, daß der Fachanwalt über einen vertieften Wissenstand auf seinem Fachgebiet nicht nur zum Zeitpunkt des Erwerbs der Fachanwaltsbezeichnung, sondern auch bei seiner späteren Tätigkeit verfügt. Dem entsprechen die Regelungen des § 43 c Abs. 4 Satz 2 BRAO und des § 15 FAO, nach denen der Fachanwalt zur Fortbildung verpflichtet ist und ein Verstoß gegen die Fortbildungspflicht zum Widerruf der Fachanwaltsbezeichnung führen kann. Die erforderliche Qualitätssicherung kann aber nicht allein durch die in § 15 FAO vorgesehene 10stündige Fortbildungsveranstaltung im Jahr (bzw. eine wissenschaftliche Publikation) erreicht werden. Sie setzt vielmehr eine verstärkte Tätigkeit auf dem Fachgebiet und den damit verbundenen Erfahrungsgewinn voraus. Es kann deshalb nicht darauf ankommen, daß ein Rechtsanwalt die formalen Voraussetzungen für den Erwerb von auch mehr als zwei Fachgebieten erfüllt, entscheidend ist vielmehr eine dauerhafte intensive Befassung mit den Spezialgebieten auch nach der Verleihung der Fachanwaltsbezeichnung. Eine solche intensive Betätigung erscheint aber angesichts des Umfangs und der Komplexität des modernen Rechts nur im begrenzten Umfang möglich. Letztlich folgt schon aus der Natur der Spezialisierung, daß sie nur für einige Tätigkeitsfelder zu leisten ist, die zudem bei den jeweiligen Fachanwaltschaften weit bemessen sind. Mit der Beschränkung der Fachanwaltsbezeichnung auf zwei Fachgebiete wird bezweckt, daß der Rechtsanwalt auf diesen Gebieten vertieft tätig wird und damit die Qualitätsvorstellungen der Öffentlichkeit erfüllt. Die Regelung dient daher der wahrheitsgemäßen Information der Rechtsuchenden, dem Vertrauensverhältnis zwischen Anwalt und Mandant und damit der Funktionsfähigkeit der Rechtspflege (Henssler/Prütting-Henssler, aaO § 43 c Rdn. 14; Jährig, Fachanwaltschaften S. 71; vgl. auch Senatsbeschlüsse vom 16.10.2000 -AnwZ(B) 65/99 = BRAK-Mitt. 2001, 41 und 26.5.1997 -AnwZ(B) 67/96 = NJW 1997, 2522, jeweils zu Tätigkeitsschwerpunkten). Auch im Schrifttum wird die Regelung im Gegensatz zu der zahlenmäßigen Festlegung der Tätigkeitsschwerpunkte nach § 7 Abs. 1 BORA nicht angegriffen oder problematisiert (vgl. Feuerich/Weyland, BRAO 6. Aufl. Rdn. 32; Henssler/Prütting-Henssler, aaO Rdn.14; Jessnitzer/Blumberg BRAO 9. Aufl. § 43 c Rdn. 13; Hartung/Holl-Holl aaO BRAO § 43 c Rdn. 12; Jährig, aaO S. 70 f. jeweils zu § 43 c). Die Bedenken, die gegen die Verfassungsmäßigkeit der zahlenmäßigen Begrenzung der Tätigkeitsschwerpunkte in § 7 Abs. 1 Satz 2 BORA teilweise erhoben worden sind (Kleine-Cosack, BRAO 4. Aufl. Anh. I 1 Rdn. 3, 4; Hartung/Holl-Römermann, aaO BerufsO 2. Aufl. § 7 Rdn. 45 f.; dagegen für Verfassungsmäßigkeit von § 7 BORA Henssler/Prütting-Eylmann, aaO § 7 BORA Rdn. 2; Feuerich/Weyland, aaO § 7 BORA Rdn. 4), sind für die Frage der Verfassungsmäßigkeit der Beschränkung nach § 43 c Abs. 1 Satz 3 BRAO schon deshalb nicht erheblich, weil die Fallgestaltungen nicht vergleichbar sind. Die Voraussetzungen für die Angabe von Tätigkeitsschwerpunkten nach § 7 BORA beruhen wesentlich auf einer Selbsteinschätzung der Anwälte, während die Qualifikation als Fachanwalt in einem formalisierten Verfahren überprüft wird. Im übrigen haben bisher weder der Senat noch das Bundesverfassungsgericht die Begrenzung der Tätigkeitsschwerpunkte beanstandet (vgl. BVerfG Beschl. v. 6.7.2001 -1 BvR 1063/00 = BRAK-Mitt. 2001, 225; Beschl. v. 25.4.2001 -1 BvR 494/00 = Anw.Bl. 2001, 510; BGH Beschl. v. 26.5.1997 -AnwZ/B 67/96, NJW 1997, 2522, 2523 noch zur Rechtslage vor Erlaß der BORA).
Die gesetzliche Beschränkung zur Führung von Fachanwaltsbezeichnungen auf zwei Fachgebiete ist auch zur Erreichung des verfolgten Zwecks geeignet. Unerheblich ist, daß andere Mittel denkbar wären, mit denen eine Qualitätssicherung erreicht werden könnte, insofern hat der Gesetzgeber Gestaltungsfreiheit. Es reicht aus, daß sich die vom Gesetzgeber gewählte Möglichkeit als geeignet zur Erreichung des gesetzgeberischen Ziels darstellt (Dreier, Grundgesetz, 2. Aufl. Art. 12 Rdn. 118).
Die Bestimmung des § 43 c Abs. 1 Satz 3 BRAO ist auch im übrigen verhältnismäßig. Betroffen ist nur die Außendarstellung des Rechtsanwalts. Der Rechtsanwalt, der über Fachkenntnisse auf weiteren Gebieten verfügt, ist nichtgehindert, auch auf diesen Gebieten tätig zu werden. Ihm ist auch nicht verwehrt, auf andere Weise im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben für eine solche Tätigkeit zu werben.
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BGH:
Beschluss v. 04.04.2005
Az: AnwZ (B) 19/04
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