Bundespatentgericht:
Beschluss vom 23. Mai 2006
Aktenzeichen: 33 W (pat) 69/05
(BPatG: Beschluss v. 23.05.2006, Az.: 33 W (pat) 69/05)
Tenor
Auf die Beschwerde der Markeninhaberin wird der Beschluss der Markenstelle für Klasse 36 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 26. April 2005 aufgehoben.
Gründe
I Das Deutsche Patent- und Markenamt hat den Schutz der für die Dienstleistungen 36 Assurances; affaires financires; affaires monetaires; affaires immobilires; affaires bancairesinternational registrierten Marke 795 757 R durch Beschluss der Markenstelle für Klasse 36 IR vom 26. April 2005 gemäß §§ 8 Abs. 2 Nr. 1 und 2, 113 i. V. m. § 107, 113 und 37 Abs. 1 MarkenG für Deutschland versagt.
Zur Begründung hat die Markenstelle ausgeführt, dass der Großbuchstabe "R" isoliert betrachtet als Abkürzung mit verschiedenerlei Bedeutung diene. Im Zusammenhang mit den hier relevanten Dienstleistungen bleibe jedoch der größte Teil der von Wörterbüchern angebotenen Bedeutungen der Abkürzung "R" ersichtlich ohne Belang. Im Kontext mit den vorliegenden Dienstleistungsverzeichnis werde der Verkehr nur "Rabatt", "Rupie", "Reserve" und "Risiko" sowie "Rate" und "repartiert" ernsthaft als mögliche Bedeutungen der fraglichen Abkürzung in Betracht ziehen. Von einer Mehrdeutigkeit könne dabei keine Rede sein, weil auch diese sechs Bedeutungen nicht jeweils gleichzeitig, sondern bei den jeweiligen Dienstleistungen einzeln und allein einschlägig seien. So werde das "R" im Zusammenhang mit Währungsgeschäften in der Regel die indische Währungseinheit "Rupie" bezeichnen, im Zusammenhang beispielsweise mit der Gewährung eines Darlehens die "Rate".
Gegen diese Entscheidung richtet sich die Beschwerde der Markeninhaberin. Diese beantragt, den angefochtenen Beschluss aufzuheben.
Sie trägt vor, dass der Buchstabe "R" im hier relevanten Dienstleistungsbereich Verwendung als Abkürzung für eine Vielzahl von völlig unterschiedlichen Bezeichnungen in Betracht kommt. Unzutreffend sei die im Bescheid vorgenommene Differenzierung der Abkürzung je nach konkreter Anwendung. Auf Grund dieser Mehrdeutigkeit sei der Buchstabe "R" nicht geeignet, die Dienstleistungen der Marke in ihrer Allgemeinheit aber auch einzelne Dienstleistungen in ihren relevanten Bereichen konkret zu beschreiben. Hinzu komme, dass eine tatsächliche Verwendung des Buchstabens "R" als Abkürzung in den relevanten Dienstleistungsbereichen in keiner Weise nachgewiesen sei. Die Markeninhaberin verweist weiter auf die identische französische Marke, für die die Telle-Quelle-Klausel des Art. 6 quinquies lit. A. PVÜ gelte.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II Die Beschwerde ist begründet. Der Senat hält die beanspruchte Marke für unterscheidungskräftig und freihaltebedürftig. Ihrer Eintragung stehen keine absoluten Schutzhindernisse gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 und 2 MarkenG entgegen.
1. Unterscheidungskraft im Sinne der genannten Bestimmung ist die einer Marke innewohnende (konkrete) Eignung, die Waren und Dienstleistungen, für welche die Eintragung (Schutzausdehnung) beantragt wird, als von einem bestimmten Unternehmen stammend zu kennzeichnen und diese Waren und Dienstleistungen von denjenigen anderer Unternehmen zu unterscheiden (vgl. EuGH GRUR 2004, 428 - Henkel; GRUR 2004, 1027 - Das Prinzip der Bequemlichkeit). Keine Unterscheidungskraft besitzen nach der Rechtsprechung vor allem solche Marken, denen die angesprochenen Verkehrskreise für die fraglichen Dienstleistungen lediglich einen im Vordergrund stehenden sachbezogenen Begriffsinhalt zuordnen (EuGH GRUR 2004, 674 - Postkantoor; ähnlich BGH MarkenR 2005, 145 - BerlinCard).
Nach gefestigter Rechtsprechung können auch Einzelbuchstaben nach der ausdrücklichen Bestimmung der insoweit mit Art. 2 MarkenRL übereinstimmenden Vorschrift des § 3 Abs. 1 MarkenG grundsätzlich als Marke schutzfähig sein. Diese Regelung schließt auch Einzelbuchstaben in die abstrakte Markenfähigkeit ein (vgl. BGH WRP 2003, 517 - Buchstabe Z). Eine Verneinung der konkreten Unterscheidungskraft setzt danach auch bei einer aus einem Einzelbuchstaben bestehenden Marke tatsächliche Feststellungen voraus, aus denen sich ergibt, dass der Verkehr den Buchstaben für bestimmte Dienstleistungen nicht als Herkunftsbezeichnung versteht (vgl. BGH GRUR 2001, 161 - Buchstabe K).
Der hier begehrte Buchstabe "R" kommt - wie die Markenstelle zutreffend festgestellt hat - als Abkürzung mit verschiedenen Bedeutungen in Betracht. Im Zusammenhang mit den hier einschlägigen Dienstleistungen auf dem Gebiet des Versicherungs-, Finanz- und Immobilienwesens ergibt sich dabei eine Vielzahl von Bedeutungen wie beispielsweise "Rabatt", "Rate", "real", "Recht", "Reduce", "Rente", "Rechenwerk", "Rechnung", "Regelung", "Richtlinie" (vgl. insoweit Handbuch der internationalen Dokumentation und Information 1978, S. 1622 ff.; Wennrich, International Dictionary of Abbreviations and Acronyms, Band 2 1992, S. 235; Koblischke, Lexikon der Abkürzungen 1994, S. 385 ff., Duden, Wörterbuch der Abkürzungen 1999, S. 260). Auf Grund der engen Ähnlichkeit der insoweit begehrten Dienstleistungen kann nicht festgestellt werden, dass die jeweils bestehenden Bedeutungsgehalte nur im Zusammenhang mit einer konkreten Dienstleistung aus dem Verzeichnis ernsthaft in Betracht kommen. Vielmehr verhält es sich so, dass diese Abkürzungen zumeist für sämtliche begehrten Dienstleistungen als Abkürzung auf dem jeweiligen Dienstleistungsgebiet Verwendung finden können. So kann beispielsweise der Begriff "Rabatt" sowohl bei Bankgeschäften aber auch Immobiliengeschäften von dienstleistungsrelevanter Bedeutung sein. Gleiches gilt für Begriffe wie "Rate" oder auch "Rente".
Insgesamt kann der Wortmarke - zumal in Alleinstellung und ohne erläuternde Zusätze - daher kein im Vordergrund stehender beschreibender Begriffsinhalt zugeordnet werden, so dass die angesprochenen Verkehrskreise, hier teils Fachkreise, teils das allgemeine Publikum die verwendete Bezeichnung als Betriebskennzeichen ansehen werden.
2. Nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG sind von der Eintragung weiter solche Marken ausgeschlossen, die ausschließlich aus Angaben bestehen, die im Verkehr u. a. zur Bezeichnung der Art, der Beschaffenheit, der Bestimmung oder der Bezeichnung sonstiger Merkmale der in Frage stehenden Dienstleistungen dienen können. Dabei ist davon auszugehen, dass ein Eintragungshindernis auch dann besteht, wenn eine Benutzung als Sachangabe bisher noch nicht erfolgt ist, eine solche jedoch nach den Umständen erfolgen wird (vgl. BGH Mitt. 2001, 366 - Test it; 1202 - Gute Zeiten - Schlechte Zeiten).
Zu diesen Angaben oder Umständen gehört die angemeldete Bezeichnung nicht. Eine Verwendung der Bezeichnung als beschreibende Angabe im Zusammenhang mit dem Dienstleistungsverzeichnis ist derzeit nicht nachweisbar. Von einem auf gegenwärtiger Benutzung als Sachangabe beruhenden Freihaltebedürfnis kann deshalb nicht ausgegangen werden. Ebenso wenig liegen hinreichende Anhaltspunkte dafür vor, dass im Zusammenhang mit diesem Dienstleistungsverzeichnis in Zukunft eine Verwendung der angemeldeten Bezeichnung als Sachangabe erfolgen wird. Verbietungsrechte der Markeninhaberin können sich auf diesem Dienstleistungsgebiet allerdings nur auf kennzeichnende Verwendungen von "R" in Alleinstellung nicht jedoch auf beschreibende Verwendungen dieses Buchstabens als Abkürzung erstrecken.
BPatG:
Beschluss v. 23.05.2006
Az: 33 W (pat) 69/05
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