Bundespatentgericht:
Beschluss vom 5. Februar 2003
Aktenzeichen: 29 W (pat) 68/01

(BPatG: Beschluss v. 05.02.2003, Az.: 29 W (pat) 68/01)

Tenor

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I Angemeldet zur farbigen Eintragung in das Markenregister ist als sonstige Markenformsiehe Abb. 1 am Endefür "Verschließbare Beutel aus Kunststoff".

Der Anmeldung ist folgende Beschreibung beigefügt:

"Markenschutz wird beansprucht für zwei im Bereich des Verschlusses eines Beutels aus Kunststoff angeordnete blaue Streifen. Die Streifen verlaufen auf beiden Seiten des Verschlussbandes eines verschließbaren, insbesondere wiederverschließbaren, Beutels aus Kunststoff, jeweils parallel zu dem Verschlussband."

Die Markenstelle für Klasse 16 des Deutschen Patent- und Markenamts hat die Anmeldung mit Beschluss vom 18. Dezember 2000 wegen fehlender Unterscheidungskraft zurückgewiesen. Es handele sich um einen Kunststoffbeutel von handelsüblicher Form und Aufmachung. Die blauen Streifen entlang des Druckverschlusses dienten dem schnelleren Auffinden des Verschlusses und der Unterscheidbarkeit der Beutel untereinander. Die maßgeblichen Verkehrskreise würden die Streifen daher nicht als Herkunftshinweis auffassen.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Anmelderin unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Bundespatentgerichts zur Schutzfähigkeit von sonstigen Markenformen (BPatGE 38, 262 - Herrenschuh mit rotem Querstreifen, BPatGE 40, 71 - Jeanstasche, BPatGE 40, 76 - Zick-Zack-Linie). Die beanspruchten Waren seien nicht für Endverbraucher sondern für Hersteller bestimmt, die ihre Begleitprodukte, wie z.B. Gebrauchsanleitungen und Garantiescheine, in den beanspruchten Kunststoffbeutel verpacken und ihren Produkten beifügen. Für die Beurteilung der Unterscheidungskraft komme es daher nur auf die Auffassung dieser Fachkreise an.

Die Anmelderin beantragt, den angefochtenen Beschluss aufzuheben.

II Die zulässige Beschwerde hat keinen Erfolg. Das angemeldete Zeichen ist nicht schutzfähig, da ihm die konkrete Unterscheidungskraft gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG fehlt.

1. Das Zeichen ist markenfähig gemäß § 3 Abs. 1 MarkenG, denn es ist als Positionierungsmarke abstrakt geeignet, Waren oder Dienstleistungen eines Unternehmens von denen anderer Unternehmen zu unterscheiden. Die Anmelderin beansprucht den Markenschutz für zwei in einer bestimmten Position und Farbe auf der Ware angebrachten Streifen. Eine solche Aufmachung besitzt als sog. Positionierungsmarke Unterscheidungseignung, wenn die Aufmachung auf einem bestimmten Warenteil, in stets gleichbleibender Platzierung, in gleichbleibender Größe und in einem bestimmten farblichen Kontrast zur Ware auftritt (BPatG Mitt. 2000, 114 - Positionierungsmarke - m.w.N.). Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt. Die beanspruchten Streifen sind am oberen Teil des Kunststoffbeutels beidseitig entlang des Druckverschlusses angeordnet, sie sind etwa fadendick und und heben sich auf Grund der blauen Farbe vom transparenten Kunststoff sichtbar ab.

Bei den entlang des Druckverschlusses angeordneten beiden Streifen handelt es sich auch nicht um wesentliche funktionelle Merkmale, die für die Erreichung einer technischen Wirkung im Sinne des § 3 Abs. 2 Ziff. 2 MarkenG erforderlich sind (EuGH GRUR 2002, 804 - Philips/Remington). Die Kunststoffbeutel werden durch Betätigen des Druckverschlusses verschlossen, dem damit eine ausschließlich technische Funktion zukommt. Für die Betätigung des Verschlusses sind die beiden Streifen insoweit unerheblich als sie den Blick zu diesen lenken, jedoch nicht die Stelle bezeichnen, an der der Druck ausgeübt werden muss.

2. Ein Positionierungszeichen ist wie jedes andere markenfähige Zeichen nur dann als Marke schutzfähig, wenn es für die angemeldeten Waren oder Dienstleistungen konkrete Unterscheidungskraft besitzt (§ 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG).

Unterscheidungskraft im Sinne der genannten Vorschrift ist die einer Marke innewohnende Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel für die angemeldeten Waren und Dienstleistungen eines Unternehmens gegenüber solchen anderer Unternehmen aufgefasst zu werden. Hierbei ist grundsätzlich von einem großzügigen Maßstab auszugehen. Jede noch so geringe Unterscheidungskraft reicht aus, um das Schutzhindernis zu überwinden. Entsprechend den von der Rechtsprechung zur Schutzfähigkeit von Wortmarken entwickelten Grundsätzen ist auch bei einer sonstigen Markenform regelmäßig zu prüfen, ob das angemeldete Zeichen einen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalt verkörpert oder ob es aus sonstigen Gründen nur als solches und nicht als Herkunftshinweis verstanden wird (BGH GRUR 2001, 56 - Likörflasche - m.w.N.). Nach diesen Grundsätzen fehlt der angemeldeten Marke die erforderliche Unterscheidungskraft.

2.1. Maßgeblich für die Beurteilung der Unterscheidungskraft ist die Verkehrsauffassung des Durchschnittsverbrauchers. Als Gebrauchsartikel des täglichen Bedarfs richten sich die beanspruchten Waren an die Allgemeinheit der Verbraucher, die als durchschnittlich informiert, aufmerksam und verständig anzusehen sind (BGH GRUR 2002, 985 - FRÜHSTÜCKS-DRINK II - m.w.N.).

Die Anmelderin hat zwar vorgetragen, dass die beanspruchten Kunststoffbeutel ausschließlich für Hersteller bestimmt sind, die darin ihre Begleitprodukte wie Gebrauchsanweisungen und Garantiescheine verpacken, um sie ihren eigenen Produkten beizufügen.

Eine Beschränkung der maßgeblichen Verkehrskreise auf diese gewerblichen Abnehmer kommt aber nicht in Betracht. Bei den beanspruchten Kunststoffbeuteln handelt es sich nicht um eine Ware, die ihrer Art nach ausschließlich von gewerblichen Abnehmern zur Verpackung ihrer Begleitprodukte erworben werden kann (BPatG 28 W (pat) 50/01 - Kaffeeglas). Nach den Ermittlungen des Senats - wie in der mündlichen Verhandlung mit der Beschwerdeführerin erörtert - bieten zahlreiche Versandhändler Druckverschlussbeutel als Verpackungsmaterial für den gesamten gewerblichen und beruflichen Bedarf an, z.B. BÜRO4YOU oppermann, Ausgabe 2000, S. 215; büroplus - Ihr Fach-Discounter, Ausgabe 2002, S. 82; office discount, Ausgabe Sommer 2002, S. 251; OTTO - Büro & Technik Profi, Ausgabe 4/1999, S. 132; Printus - Ihr Fachbetrieb für den Bürobedarf, Ausgabe 2002, S. 258; SETON - Der Katalog für Sicherheit und Kennzeichnung, Ausgabe Herbst/Winter 00/01, S. 201; VIKING Direkt - Ihr Büroartikel-Einkaufsführer Ausgabe 2001, S. 192. Darüber hinaus sind Druckverschlussbeutel auch im Haushalt gebräuchlich und können unmittelbar vom Endverbraucher im Einzelhandel erworben werden.

Besondere Kennzeichnungsgewohnheiten, die es rechtfertigen könnten auf die Verkehrsauffassung der gewerblichen Abnehmer und Einzelhändler abzustellen, sind auf dem maßgeblichen Warengebiet ebenfalls nicht ersichtlich. Insbesondere lässt sich nicht feststellen, dass die gewerblichen Abnehmer oder Zwischenhändler ein Interesse daran haben könnten, die Kunststoffbeutel ohne herkunftshinweisende Kennzeichen zu erwerben, um sie bei der Verpackung ihrer Begleitprodukte oder für den Weiterverkauf mit ihrem eigenen Kennzeichen zu versehen. Dementsprechend ist auch nicht davon auszugehen, dass die Endverbraucher die Kunststoffbeutel erst zur Kenntnis nehmen, wenn sie mit einem Kennzeichen der gewerblichen Abnehmer oder Einzelhändler versehen sind (BGH GRUR 1999, 495 - Etiketten).

2.2. Wird für die bestimmte Aufmachung einer Ware Markenschutz begehrt, so kommt es für die Frage der Unterscheidungskraft ebenso wie bei den anderen Markenformen darauf an, ob der Verkehr die Positionierung des Zeichens als Herkunftshinweis erfasst. Der Verkehr wird häufig dann einen Hinweis auf die betriebliche Herkunft erkennen, wenn sich die Aufmachung nicht nur in den für die Art der Ware typischen Merkmalen erschöpft, sondern darüber hinausgehende charakteristische Elemente aufweist (BGH WRP 2001, 261 - Gabelstapler m.w.N.). Dabei ist zunächst von dem für die Beurteilung von Wortmarken entwickelten Grundsatz auszugehen, dass der angesprochene Verbraucher ein Zeichen in seiner Gesamtheit aufnimmt ohne es einer analysierenden Betrachtungsweise zu unterziehen (BGH GRUR 2001, 162 - RATIONAL SOFTWARE CORPORATION). Besteht die konkrete Aufmachung aus einer Kombination von Gestaltungsmerkmalen und Produktbezeichnungen mit Herstellerangaben und handelt es sich um Waren des täglichen Bedarfs, die in einer Vielzahl ähnlicher Erscheinungsformen und Gestaltungen angeboten werden, so wird sich der Verkehr vorrangig an Produktbezeichnung und Herstellerangabe und nicht an dem einzelnen Gestaltungselement orientieren (BGH GRUR 2001, 443 - Viennetta). Ob dieser unter dem wettbewerbsrechtlichen Gesichtspunkt der Herkunftstäuschung entwickelte Grundsatz auch uneingeschränkt für die Prüfung absoluter Schutzhindernisse gilt, kann dahingestellt bleiben, weil die angemeldete Aufmachung weder Produktbezeichnungen noch Herstellerangaben enthält. Bei einer Aufmachung, die - wie im vorliegenden Fall - ausschließlich aus mehreren Gestaltungsmerkmalen besteht, wird angenommen, dass der Verkehr regelmäßig nicht die Form der Ware von ihrer sonstigen Gestaltung abstrahiert und daher die Gestaltungselemente nicht in gleicher Weise wie Wort- und Bildmarken als Herkunftshinweis erfasst (BGH Urt. v. 5.12.2002 - I ZR 91/00 - Abschlussstück). Für diese Auffassung sprechen im Übrigen auch die Ausführungen des Generalanwalts des Europäischen Gerichtshofs, wonach bei der Prüfung der Unterscheidungskraft einer Marke, die in der Form der beanspruchten Ware besteht, vorauszusetzen ist, dass der durchschnittliche Verbraucher beim Erfassen eines solchen Zeichens keine zusätzlichen analysierenden oder vergleichenden Ermittlungen vornimmt (EuGH C-218/01 - Waschmittelflasche - Schlussanträge vom 14. Januar 2003).

Zu prüfen ist daher, ob der Verkehr auf Grund der Kennzeichnungsgewohnheiten auf dem hier maßgeblichen Warengebiet in den beanspruchten Gestaltungselementen einen Herkunftshinweis erkennt. Nach den Ermittlungen des Senats lassen sich auf dem hier maßgeblichen Gebiet des Büro- und Verpackungsmaterials keine Anhaltspunkte feststellen, dass das Publikum sich an die kennzeichnende Funktion farbiger Streifen gewöhnt hat oder aber zumindest in Ansätzen eine derartige Hinführung besteht (BPatGE 40, 17 - Honigglas).

In den einschlägigen Katalogen für Bürobedarf und Verpackungsmaterial werden verschiedene Ausführungen der beanspruchten Druckverschlussbeutel angeboten. Es finden sich durchsichtige Modelle ohne jegliche farbliche Aufmachung und Modelle, die an der Oberkante des Beutels einen roten, rosa, blauen oder schwarzen Streifen aufweisen. Produktbeschreibung und Präsentation im Katalog erfolgen jeweils ohne Herstellerangaben und ohne Erwähnung der farbigen Streifen. Farbige und farblose Varianten werden teilweise nebeneinander abgebildet, ohne dass für den Abnehmer erkennbar ist, welches konkrete Modell tatsächlich angeboten wird.

Darüber hinaus ist festzustellen, dass im Bereich des Büro- und Verpackungsmaterials farbige Streifen und Kennzeichnungen üblicherweise als Ordnungsmerkmal bzw. als dekorative Elemente eingesetzt und auch so beworben werden. So finden sich in den genannten Katalogen bei den Produktbeschreibungen Hinweise wie z.B. SETON - Der Katalog für Sicherheit und Kennzeichnung, Ausgabe Herbst/Winter 00/01, S. 359: "Die Farbkante außen ermöglicht eine Sortierung nach Projekten, Abteilungen o. Ä. (Schnellheft-Folien-Systeme); Farbkanten ermöglichen übersichtliches Sortieren (Prospekthefter)"; S. 360: "Farbkante zur übersichtlichen Trennung und Codierung Ihrer Unterlagen und Projekte (Klarsichttaschen mit Farbkante); VIKING Direkt - Ihr Büroartikel-Einkaufsführer; Ausgabe 2001, S. 54: "Stabiles Ordnungssystem in attraktiven Farbkombinationen. Sie haben die Wahl zwischen 3 bzw. 4 verschiedenen, modernen Farben (Ablagesysteme)"; büroplus - Ihr Fach-Discounter, Ausgabe 2002, S. 127: "Ein edles Detail für Ihr Büro! Silbergraue Klemmschiene mit colorierten Streifen."

Auch die konkrete Anordnung der beiden blauen Streifen charakterisiert die angemeldete Aufmachung in ihrer Gesamtheit nicht in einer Weise, die herkunftshinweisend wirken könnte. Angesichts der Üblichkeit dieser beschriebenen Aufmachungen von Kunststoffbeuteln mit farbigen Streifen an der Oberkante als Ordnungsmerkmal auf dem beanspruchten Warengebiet geht der Senat davon aus, dass der durchschnittliche Verbraucher allein in der Platzierung zweier farbiger Streifen entlang des Druckverschlusses keinen Hinweis auf ein bestimmtes Unternehmen erkennt.

Der Verkehr könnte die konkrete Anordnung der beiden blauen Streifen allenfalls dann als herkunftshinweisend erfassen, wenn es bei den beanspruchten Kunststoffbeuteln keine anderen Möglichkeiten gäbe einen Herkunftshinweis anzubringen (BGH GRUR 1999, 495 - Etiketten). Für eine solche Annahme hat der Senat aber keine Anhaltspunkte gefunden.

Grabrucker Pagenberg Fink Cl Abb. 1 http://agora/bpatg2/docs/17530.3.gif






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