Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg:
Beschluss vom 31. Oktober 2006
Aktenzeichen: 3 S 1748/05
(VGH Baden-Württemberg: Beschluss v. 31.10.2006, Az.: 3 S 1748/05)
Tenor
Die Erinnerung der Antragsteller gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle vom 20. Juni 2006 - 3 S 1748/05 - wird zurückgewiesen.
Die Antragsteller tragen die Kosten des Erinnerungsverfahrens als Gesamtschuldner.
Gründe
Die gemäß §§ 165, 151 VwGO statthafte und auch sonst zulässige Erinnerung gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle vom 20.06.2005 ist nicht begründet.
Mit ihrem Kostenfestsetzungsantrag vom 15.05.2006 haben die Antragsteller neben einer gemäß Nr. 1008 der Anlage 1 zu § 2 Abs. 2 RVG (künftig: Vergütungsverzeichnis) erhöhten Verfahrensgebühr, der Auslagenpauschale nach Nr. 7002 des Vergütungsverzeichnisses und der Umsatzsteuer eine Terminsgebühr geltend gemacht, als deren Entstehungsgrund sie Teil 3, Vorbemerkung 3 Abs. 3 des Vergütungsverzeichnisses angegeben haben. Im Kostenfestsetzungsverfahren haben sie insoweit näher ausgeführt, ihr Prozessbevollmächtigter, der das Verfahren nach § 47 Abs. 6 VwGO bereits am 11.11.2005 für erledigt erklärt hatte, habe am 17.11.2005 ein Telefonat mit dem Prozessbevollmächtigten der Antragsgegnerin geführt, das auf die Erledigung des Verfahrens gerichtet gewesen sei. Insoweit sei der Ansatz einer Terminsgebühr mit Blick auf Teil 3, Vorbemerkung 3 Abs. 3 des Vergütungsverzeichnisses gerechtfertigt. Die Antragsgegnerin hat die grundsätzliche Anwendbarkeit des Gebührentatbestandes für das hiesige Verfahren nicht in Frage gestellt, aber ausgeführt, das besagte Telefonat sei nicht auf die Erledigung des Verfahrens gerichtet gewesen, denn das Verfahren nach § 47 Abs. 6 VwGO sei seitens der Antragsteller bereits am 11.11.2005 - und damit bereits sechs Tage früher - für erledigt erklärt worden. Der Urkundsbeamte hat den Ansatz der Terminsgebühr in seinem Beschluss vom 20.06.2006 nicht für zulässig gehalten. Dagegen richtet sich die am 30.06.2006 eingelegte Erinnerung der Antragsteller.
Die Erinnerung bleibt ohne Erfolg. Dem Prozessbevollmächtigten der Antragsteller steht eine Terminsgebühr für das Verfahren nach § 47 Abs. 6 VwGO nicht zu.
Ein solcher Anspruch ergibt sich zunächst nicht aus Nr. 3104 des Vergütungsverzeichnisses. Diese Vorschrift ist ersichtlich nur insoweit einschlägig, als sie den Satz der Gebühr nach § 13 RVG mit 1,2 bezeichnet. Soweit die Norm auch einen Gebührentatbestand enthält (€Die Gebühr entsteht auch€€), ist dieser im vorliegenden Fall nicht einschlägig. In Übereinstimmung mit der bisherigen Rechtslage trägt dieser Gebührentatbestand dem Anliegen Rechnung, dass der Prozessbevollmächtigte, der in einem Verwaltungsprozess im Hinblick auf den Grundsatz der Mündlichkeit erwarten kann, in der mündlichen Verhandlung seine Terminsgebühr zu verdienen, keinen Gebührennachteil erleiden soll, wenn entweder übereinstimmend auf eine mündliche Verhandlung verzichtet (§ 101 Abs. 2 VwGO) oder ohne den Willen der Beteiligten eine Entscheidung durch Gerichtsbescheid oder gemäß § 130 a VwGO getroffen wird (vgl. Müller-Rabe, in: Gerold/Schmidt/v. Eicken/Madert/Müller-Rabe, RVG, 16. Aufl. 2004, VV 3104 RdNr. 14; Keller, in: Riedel/Sußbauer, RVG, 9. Aufl. 2005, VV Teil 3 Abschnitt 1 RdNr. 45). In diesen Fällen wird die Terminsgebühr erst durch den Erlass der Entscheidung ausgelöst (vgl. Müller-Rabe, a.a.O., RdNr. 17). Ungeachtet dessen, dass der Fall der Entscheidung nach einer beidseitigen schriftlichen Erledigungserklärung den übrigen dort aufgeführten Fällen nicht gleichgestellt ist und sich insoweit auch eine Rechtsanalogie verbietet (OLG Karlsruhe, Beschluss vom 29.09.2006 - 16 WF 115/06 -, juris), ist der Tatbestand aus Nr. 3104 des Vergütungsverzeichnisses im vorliegenden Fall jedenfalls auch deshalb nicht einschlägig, weil es allgemeiner, vom Senat geteilter Meinung entspricht, dass dieser Gebührentatbestand nur dann eingreift, wenn eine Entscheidung ergeht, die an sich aufgrund einer mündlichen Verhandlung zu ergehen hätte (vgl. Müller-Rabe, a.a.O, RdNr. 20 m.w.N.). Dies ist in Verfahren nach § 47 Abs. 6 VwGO nicht der Fall.
Aber auch Teil 3, Vorbemerkung 3 Abs. 3 des Vergütungsverzeichnisses rechtfertigt den Ansatz der Terminsgebühr im vorliegenden Verfahren nicht. Allerdings ist den Antragstellern im Ansatz darin beizupflichten, dass ein auf die Erledigung des Verfahrens gerichtetes Telefonat den genannten Gebührentatbestand auch dann noch auslösen kann, wenn - wie es hier der Fall war - die Erledigung des Rechtsstreits in der Hauptsache bereits erklärt wurde und nur noch der Prozessgegner zu einer entsprechenden Erklärung bewegt werden soll (Müller-Rabe, a.a.O., Vorb. 3 VV RdNr. 92; vgl. auch für den Fall der Anregung der Klagerücknahme: OLG Koblenz, Beschluss vom 29.04.2005 - 14 W 257/05 -, NJW 2005, 2162 <2163>). Dessen ungeachtet liegen die Voraussetzungen des Teils 3, Vorbemerkung 3 Abs. 3 des Vergütungsverzeichnisses hier nicht vor, da - wie der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle zu Recht ausgeführt hat - dieser Gebührentatbestand dann nicht zum Tragen kommen kann, wenn für das betreffende Verfahren eine mündliche Verhandlung weder vorgeschrieben ist noch eine solche in dem betreffenden Fall ausnahmsweise anberaumt wurde.
Die Richtigkeit eines solchen Verständnisses von Teil 3, Vorbemerkung 3 Abs. 3 des Vergütungsverzeichnisses ergibt sich neben den an einen €Termin€ anknüpfenden Wortlaut aus Sinn und Zweck dieses Gebührentatbestandes, seinem systematischen Zusammenhang und aus seiner Entstehungsgeschichte. Die Neuordnung des anwaltlichen Gebührenrechts durch das am 01.07.2004 in Kraft getretene Rechtsanwaltsvergütungsgesetz hat für den hier betroffenen Anwendungsbereich der Terminsgebühr - ungeachtet der inhaltlichen Übernahme einiger Bestimmungen der Bundesgebührenordnung für Rechtsanwälte - zu Änderungen der Rechtslage gegenüber der Verhandlungs- und Erörterungsgebühr nach § 31 Abs. 1 Nrn. 1 und 4 BRAGO geführt. Die Terminsgebühr entsteht nach Absatz 3 der Vorbemerkung 3 des Vergütungsverzeichnisses für die Vertretung in einem Verhandlungs-, Erörterungs- oder Beweisaufnahmetermin oder die Wahrnehmung eines von einem gerichtlich bestellten Sachverständigen anberaumten Termins. Es kommt damit nicht mehr - wie bei der Verhandlungs- und Erörterungsgebühr - darauf an, ob in dem Termin Anträge gestellt werden oder ob die Sache erörtert wird (vgl. BT-Drucks. 15/1971 S. 209). Anders als nach früherem Recht ist ihr Anwendungsbereich auch auf die Mitwirkung an Besprechungen ohne Beteiligung des Gerichts erstreckt worden, die - hierauf heben die Antragsteller ab - auf die Vermeidung oder Erledigung des Verfahrens gerichtet sind, wobei dies allerdings für Besprechungen (nur) mit dem Auftraggeber nicht gilt. Der Gesetzgeber hat mit dieser Ausweitung des Anwendungsbereichs fördern und honorieren wollen, dass der Anwalt nach seiner Bestellung zum Verfahrens- oder Prozessbevollmächtigten in jeder Phase des Verfahrens zu einer möglichst frühen, der Sach- und Rechtslage entsprechenden Beendigung des Verfahrens beitragen soll. Ihm soll nach neuem Recht eine nach früherem Recht geübte Praxis, einen gerichtlichen Verhandlungstermin anzustreben, in dem ein ausgehandelter Vergleich nach "Erörterung der Sach- und Rechtslage" protokolliert wird, um eine Verhandlungs- bzw. Erörterungsgebühr auszulösen, erspart bleiben (vgl. BT-Drucks. a.a.O.). Konnte daher nach früherem Recht eine außerhalb eines gerichtlichen Termins geführte Auseinandersetzung und Verhandlung der Parteien vor einem Vergleichsabschluss eine Erörterungsgebühr nicht auslösen (vgl. BGH, Beschluss vom 30.03.2004 - VI ZB 81/03 -, NJW 2004, 2311), ist dies durch Absatz 3 der Vorbemerkung 3 des Vergütungsverzeichnisses bewusst abweichend geregelt worden.
Der mit der Rechtsänderung verfolgte Zweck der gebührenrechtlichen Honorierung möglichst frühzeitiger Einigungsversuche auch ohne Zutun des Gerichts liegt aber (nur) in der Gleichstellung des Bemühens um außergerichtliche Einigung mit den Fällen der streitigen Erörterung vor Gericht. Hierfür spricht auch der systematische Zusammenhang mit den übrigen in Teil 3, Vorbemerkung 3 Abs. 3 genannten Fällen, die eine Terminsgebühr nur entstehen lassen, wenn eine Vertretung in einem Verhandlungs-, Erörterungs- oder Beweisaufnahmetermin stattgefunden hat oder ein von einem gerichtlichen Sachverständigen anberaumter Termin wahrgenommen wurde. Auch Nr. 3104 des Vergütungsverzeichnisses knüpft - wie bereits ausgeführt - an Verfahren, die durch mündliche Verhandlung entschieden werden, an. Die Terminsgebühr nach Teil 3, Absatz 3 der Vorbemerkung 3 des Vergütungsverzeichnisses kann daher unter Berücksichtigung der systematischen und teleologischen Auslegung des Tatbestandes nur in solchen Fällen anfallen, in denen die Terminsgebühr bei einer vergleichenden Betrachtung auch im Falle der (regulären) Durchführung des Verfahrens entstanden wäre. Im Verfahren nach § 47 Abs. 6 VwGO, das regelmäßig ohne eine Verhandlung oder Erörterung aufgrund einer Rechtsfolgenabschätzung durch Beschluss entschieden wird, ist dies nicht der Fall. Anderes mag gelten, wenn in einem Verfahren nach § 47 Abs. 6 VwGO ausnahmsweise eine mündliche Verhandlung anberaumt wurde und danach eine auf eine Einigung angelegte Besprechung ohne Beteiligung des Gerichts stattgefunden hat.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Das Verfahren ist nach § 66 Abs. 8 Satz 1 GKG gebührenfrei.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar.
VGH Baden-Württemberg:
Beschluss v. 31.10.2006
Az: 3 S 1748/05
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