Bundespatentgericht:
Beschluss vom 24. Juli 2001
Aktenzeichen: 33 W (pat) 156/00
(BPatG: Beschluss v. 24.07.2001, Az.: 33 W (pat) 156/00)
Tenor
1. Auf die Beschwerde der aus der Marke 1 056 140 Widersprechenden wird der Beschluß der Markenstelle für Klasse 18 des Patentamts vom 19. Mai 2000 aufgehoben, soweit der Widerspruch aus der Marke 1 056 140 zurückgewiesen worden ist.
2. Die Löschung der Marke 397 23 806 wird wegen des Widerspruchs aus der Marke 1 056 140 angeordnet.
3. Die Entscheidung über die Widersprüche aus den Marken 2 036 450 und 1 065 901 bleibt dahingestellt.
Gründe
I.
In das Markenregister ist am 17. Dezember 1997 für die Waren Parfum, Mittel zur Körper- und Schönheitspflege; Brillen und Sonnenbrillen; Schmuckwaren und Uhren; Taschen, Koffer, Rucksäcke, Geldbörsen, Regenschirme, Gürtel; Damen-, Herren- und Kinderbekleidung, Socken, Mützen, Handschuhe, Schuhwaren, Regencapsdie Marke 397 23 806 siehe Abb. 1 am Endeeingetragen worden.
Widerspruch erhoben hat die Inhaberin der rangälteren, seit 1983 ua für die Waren Parfümerien, Seifen, Mittel zur Körper- und Schönheitspflege, ....; Brillen und deren Teile; Uhren, Schmuck; Lederwaren sowie Lederimitationswaren (jeweils soweit in Klasse 18 enthalten), Gürtel aus textilen Materialien oder Kunststoffen, Koffer und Taschen, Regen- und Sonnenschirme; ... Bekleidungsstücke für Damen, Herren und Kinder, insbesondere Anzüge, Mäntel, Jacken, Hosen, Hemden, Regenmäntel, Über- und Unterbekleidungsstücke, Socken, Strümpfe, Trikots, Pullover, Strickhemden; Schuhe und Kopfbedeckungen, Krawatten, Handschuhe, Gürtel..
eingetragene Marke 1 056 140 BOSS Weitere Widersprüche sind aus den Marken 2 036 450 (BOSS HUGO BOSS) und 1 065 901 (BOSS) eingelegt worden.
Die Markenstelle für Klasse 18 des Deutschen Patent- und Markenamts hat mit Beschluß eine Verwechslungsgefahr verneint und die Widersprüche zurückgewiesen. Zur Begründung ist ausgeführt, auch bei Anlegung strengster Maßstäbe und der Annahme einer erhöhten Kennzeichnungskraft der Marken 1 056 140 und 2 036 450 sei der Markenabstand in klanglicher Hinsicht ausreichend. Zwar werde das Markenelement "The Rucksack Company" als eine rein beschreibende Angabe außer acht gelassen, so daß sich alleine BOSS und VOSS gegenüberstünden, wegen der deutlichen Klangunterschiede am Wortanfang sowie des griffigen Sinngehalts der Widerspruchsmarke BOSS (Chef) könne es zu Verwechslungen im rechtserheblichen Ausmaß nicht kommen. Auch optisch seien die Marken deutlich unterschiedlich.
Die Widersprechenden haben Beschwerde eingelegt, die von der Widersprechenden 1 insbesondere mit der gesteigerten Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke BOSS für den Bereich Bekleidung begründet ist. Sie ist der Ansicht, der sich daraus ergebende erweiterte Schutzumfang erstrecke sich wegen der Klangnähe der Marken BOSS und VOSS auch auf weiter entfernte Waren.
Die Widersprechende 1 beantragt, den Beschluß der Markenstelle aufzuheben und (sinngemäß) die Löschung der jüngeren Marke anzuordnen.
Der Inhaber der angegriffenen Marke hat sich zu den Widersprüchen weder im Verfahren vor der Markenstelle noch im Beschwerdeverfahren geäußert.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II.
Die Beschwerde der Widersprechenden 1 ist zulässig (§ 66 Abs 1 Satz 1, Abs 2 MarkenG) und hat, soweit aus der Marke 1 056 140 Widerspruch eingelegt worden ist, auch Erfolg. Zwischen den Marken besteht Verwechslungsgefahr iSv § 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG, so daß die Löschung der jüngeren Marke anzuordnen war (§§ 42 Abs 2 Nr 1, 43 Abs 2 Satz 1 MarkenG). Infolge dessen war eine Entscheidung über die Widersprüche 2 036 450 und 1 065 901 nicht veranlaßt.
Die Beurteilung der Verwechslungsgefahr erfolgt durch Gewichtung der zueinander in Wechselwirkung stehenden Faktoren, nämlich der Ähnlichkeit der Marken, der Ähnlichkeit der damit gekennzeichneten Waren, sowie der Kennzeichnungskraft der älteren Marke (stRspr zB EuGH MarkenR 1999, 20 - Canon; BGH MarkenR 2001, 204 - EVIAN/REVIAN).
Nach der hier maßgeblichen Registerlage können sich die Marken ganz überwiegend auf identischen Waren begegnen. Die Waren der jüngeren Marke sind entweder wortgleich im Warenverzeichnis der Widerspruchsmarke enthalten, oder sie werden von den weiten Oberbegriffen der Widerspruchswaren umfaßt (zB Regencaps - gemeint sind wohl Regencapes - von den Bekleidungsstücken), oder aber sie weichen nur geringfügig von diesen Warenbegriffen ab (zB Schuhwaren - Schuhe). Es handelt sich jeweils um Verbrauchsgüter des täglichen Lebens, so daß als Maßstab für die Verwechslungsgefahr der durchschnittlich informierte, aufmerksame und verständige Durchschnittsverbraucher anzusetzen ist (vgl BGH MarkenR 2000, 140 - ATTACHÉ/TISSERAND).
Derart übereinstimmende Waren verlangen einen deutlichen Abstand der Marken, der im vorliegenden Fall auch bei einem nur durchschnittlichen Schutzumfang der Widerspruchsmarke nicht eingehalten ist.
Daß eine Verwechslungsgefahr beim Vergleich der Marken in ihrer Gesamtheit nicht zu befürchten ist, steht außer Streit. Bei Gegenüberstellung von Marken ist aber jeweils auf deren Gesamteindruck abzustellen. Dieser kann im Einzelfall durch nur einen Bestandteil der Marke derart geprägt sein, daß der Rest - der eine untergeordnete kennzeichnende Wirkung hat - an Bedeutung verliert und in den Hintergrund tritt (stRspr zB BGH MarkenR 2000, 20 - RAUSCH/ELFI RAUCH). Dies trifft hier für den Bestandteil "The Rucksack Company" zumindest bei den Waren zu, bei denen der Verkehr die Herkunft von einer "Rucksack Gesellschaft" für möglich hält, denn dort ist dieser Markenbestandteil beschreibender Natur (also bei Taschen, Koffer, Rucksäcke). Des weiteren besteht ganz allgemein die Neigung, längere Kennzeichnungen in einer die Merkbarkeit und Aussprechbarkeit erleichternden Weise zu verkürzen (vgl BGH MarkenR 1999, 57 - Lions mwN). Insbesondere dann, wenn der eine Markenteil kurz und prägnant ist und den Anforderungen an eine kennzeichnende Funktion genügt, es sich bei dem anderen Markenteil aber um eine längere, fremdsprachige Wortfolge mit nicht eindeutiger Aussprache handelt, wird der Verkehr sich in erster Linie an dem kurzen Markenteil orientieren. Sieht er zudem in der längeren Wortfolge einen Hinweis auf den Hersteller und liegt auf dem betreffenden Warengebiet der kennzeichnende Schwerpunkt einer Marke regelmäßig nicht auf dem Firmennamen, so wird das ein weiterer Grund für die Vernachlässigung dieses Markenteils sein. Davon ist hier auszugehen. Daß für die beanspruchten Waren der Klassen 3, 9, 14 und 25 der Hinweis auf den Hersteller stets (mit-) wahrgenommen werde, wurde vom Markeninhaber weder behauptet noch dargetan. THE RUCKSACK COMPANY ist als Hinweis auf eine Gesellschaft, die Rucksäcke herstellt, im übrigen allgemein gefaßt und nur schwer individualisierbar. In der graphischen Gestaltung tritt dieser Markenteil durch die geringe Schriftgröße und die abgesetzte Zeile deutlich zurück. Zudem wird sich der Verbraucher über die Aussprache von Rucksack nicht sicher sein (wie das deutsche Wort oder wie das englische "raksäk"€), womit er eine Benennung dieses Markenteils eher vermeiden wird. Letztlich wird sich ein beachtlicher Teil des Verkehrs mit dem oft als eigentliche Produktbezeichnung gesehenen Bestandteil VOSS begnügen (vgl zum Zurücktreten der Herstellerangabe BGH MarkenR 1999, 161 LORA DI RECOARO). Stehen sich aber BOSS und VOSS gegenüber, reichen die klanglichen Unterschiede bei der (nahezu vollständigen) Warenidentität nicht mehr aus. Bei den Anfangskonsonanten b und dem v (das entspr den Worten Volt, Volant wie w, ebenso gut aber wie f in Vogel gesprochen werden kann) handelt es sich um Lippen- bzw Lippenzahnlaute. Diese sind klangschwach und treten - auch wenn sie sich an den regelmäßig stärker beachteten Wortanfängen befinden - gegenüber den folgenden harten, knappen und klangstarken Lauten oss deutlich zurück. Diese in der deutschen Sprache eher seltene Wortendung (zB Ross, Tross) bestimmt beide Vergleichszeichen in ihrem Gesamtklangbild derart, daß mit Verwechslungen im rechtserheblichen Umfang zu rechnen ist. Angesichts der Vielzahl der verwechslungsfördernden Übereinstimmungen kann der Bedeutungsinhalt der Widerspruchsmarke iSv "Chef" eine Verwechslungsgefahr nicht mehr verhindern (vgl BGH GRUR 1992, 130 - Bally). Da die Verwechslungsgefahr im rechtlich beachtlichem Ausmaß schon bei durchschnittlicher Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke vorliegt, kommt es für die Entscheidung nicht darauf an, ob zumindest bei einem Teil der Waren der Widersprechenden ein erhöhter Schutzumfang zu bejahen ist.
Die Beschwerde der Widersprechenden 1 aus der Marke 1 056 140 hat deshalb Erfolg.
Eine Kostenentscheidung war nicht veranlaßt (§ 71 Abs 1 Satz 2 MarkenG).
Winkler Richterin am AG Dr. Hock ist wegen Urlaubs verhindert zu unterschreiben Winkler Schwarz-Angeleprö
Abb. 1 http://agora/bpatgkollision/docs/33W(pat)156-00.1.3.gif
BPatG:
Beschluss v. 24.07.2001
Az: 33 W (pat) 156/00
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