Bundespatentgericht:
Beschluss vom 20. Oktober 2004
Aktenzeichen: 26 W (pat) 168/02
(BPatG: Beschluss v. 20.10.2004, Az.: 26 W (pat) 168/02)
Tenor
Die Beschwerde der Widersprechenden wird zurückgewiesen.
Der Kostenantrag der Markeninhaberin wird zurückgewiesen.
Gründe
I.
Gegen die für die Dienstleistungen
"Transport und Verteilung von elektrischem Strom"
unter der Nummer 399 68 213 eingetragene Marke Albstromist Widerspruch erhoben worden aus der IR-Marke 706 292 ALSTOM, die u.a. für die Dienstleistungen
"transport et distribution d'energie, transport et distribution d'eau et d'electricite"
Schutz genießt.
Die Markenstelle für Klasse 39 hat diesen Widerspruch zurückgewiesen. Die Frage der Ähnlichkeit der beiderseitigen Dienstleistungen habe dahingestellt bleiben können, denn die beiden Kennzeichnungen hielten den erforderlichen Abstand sogar bei Anlegung strengster Maßstäbe ein. Zwar wiesen sie gewisse klangliche Übereinstimmungen auf, sie unterschieden sich aber durch die vorhandenen Abweichungen prägnant voneinander. Bei der angegriffenen Marke trete den angesprochenen Verkehrskreisen ein aus den Wörtern "Alb" und "strom" gebildeter Gesamtbegriff entgegen, der durch die Bildhaftigkeit seiner Aussage einprägsam wirke und sich deutlich von der fremdsprachig wirkenden Widerspruchsmarke unterscheide. Das jüngere Zeichen werde also maßgeblich durch seinen Sinngehalt geprägt, der vom Verkehr auch ohne weiteres erkannt werde. Dieser leicht fassbare Sinngehalt wirke einer Verwechslungsgefahr entgegen, da sich der Verkehr daran orientiere und die Unterschiede zwischen den Marken dadurch wesentlich schneller und besser erkenne, so daß es erst gar nicht zu Verwechslungen komme. Dies wirke sich auch optisch aus, denn die angesprochenen Verbraucher würden den dargestellten Sinngehalt auch schriftbildlich sofort erkennen und ihre Erinnerung daran festmachen. Zwar sei der Unterschied zwischen den Vergleichszeichen konsonantischer Art, dennoch dominiere er den Gesamteindruck.
Hiergegen wendet sich die Widersprechende mit der Beschwerde, mit der sie die Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und die Feststellung der zeichenrechtlichen Verwechslungsgefahr beantragt. Entgegen der Auffassung der Markenstelle seien die Vergleichszeichen in hohem Maße miteinander verwechselbar. Die einander gegenüberstehenden Dienstleistungen seien identisch. Damit müßten die Marken einen großen Abstand voneinander einhalten. Dieser aber liege nicht vor. Beide Marken seien zweisilbig und in phonetischer Hinsicht nahezu identisch. Sie kämen sich auch im Schriftbild sehr nahe. Der zusätzliche Buchstabe "b" in der ersten Silbe der Marke "Albstrom" sei schwach und werde beim Sprechen häufig verschluckt. Der einzige Unterschied in den jeweils zweiten Wortsilben bestehe in dem zusätzlichen Konsonanten "r" in der zweiten Silbe der angegriffenen Marke. Diese geringen Unterschiede könnten nicht für eine Unterscheidung ausreichen. Auch der angebliche Sinngehalt der angegriffenen Marke ermögliche keine problemlose Unterscheidung. "Strom" könne "Atomstrom" oder auch "Solarstrom" sein; werde er aus Kohle oder Wasserkraft gewonnen, ergäben auch Kurzfassungen wie "Kohlestrom" oder "Wasserkraftstrom" möglicherweise einen Sinn. Bei der Bezeichnung "Albstrom" aber sei die Situation völlig anders. Zum einen sei der Begriff "Alb" wohl nur im Südwesten Deutschlands ein Begriff. Zum anderen sei nicht einmal ansatzweise ersichtlich, welche Beziehung zwischen einer "hoch gelegenen Wiese" und "Strom" bestehen solle. Damit enthalte diese Bezeichnung keine vernünftige Aussage. Dies werde auch durch die Tatsache belegt, daß sie eingetragen wurde. Das Publikum werde sich damit verhören, um so mehr als die phonetischen Unterschiede minimal seien. Anders als im angefochtenen Beschluß ausgeführt wirke die Widerspruchsmarke ALSTOM auch nicht fremdsprachig. Natürlich handle es sich bei dieser Marke um eine Phantasiebezeichnung, aber sie enthalte keine typisch englisch-, französisch- oder sonst fremdsprachigen Elemente. Die beschwerdeführende Widersprechende weist auf das Verfahren 26 W (pat) 66/01 (Alstom/Altstrom) hin, in dem die Inhaberin der jüngeren Marke zu einem Schutzverzicht bewegt werden konnte.
Die Beschwerdegegnerin beantragt sinngemäß die Zurückweisung der Beschwerde und Kostenauferlegung zu Lasten der Beschwerdeführerin. Die übereinstimmenden Dienstleistungen stellten allenfalls einen Teilbereich des von der Beschwerdeführerin umfassten Wirkungsbereichs dar. Bereits aufgrund der unterschiedlichen Firmengröße und der unterschiedlich erzeugten Stromarten könne es faktisch nicht zu Kollisionen kommen. Zudem bestehe ein eindeutiger phonetischer Unterschied zwischen den Vergleichswörtern. Abzustellen sei auf einen verständigen Durchschnittsleser oder -hörer. Ein informierter Durchschnittsverbraucher aber werde die Zeichenwörter nicht verwechseln.
II.
Die zulässige Beschwerde ist nicht begründet. Mit der Markenstelle hält der Senat eine markenrechtliche Verwechslungsgefahr im Sinne von § 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG für nicht gegeben.
Die Frage der Verwechslungsgefahr ist unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls zu beurteilen (EuGH GRUR 1998, 387, 389 - Sabèl/Puma). Dabei besteht eine Wechselwirkung zwischen den in Betracht kommenden Faktoren, insbesondere der Ähnlichkeit der Marken und der Ähnlichkeit der damit gekennzeichneten Waren bzw Dienstleistungen sowie der Kennzeichnungskraft der prioritätsälteren Marke. Ein geringerer Grad der Ähnlichkeit der Waren bzw Dienstleistungen kann durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Marken ausgeglichen werden und umgekehrt (EuGH GRUR 1998, 922, 923 - Canon; BGH GRUR 2000, 506, 508 - ATTACHÉ/TISSERAND). Im vorliegenden Fall können die beiderseitigen Dienstleistungen gleich sein. Die Kennzeichnungskraft der älteren Marke kann mangels anderer Anhaltspunkte für die im vorliegenden Fall maßgeblichen Dienstleistungen mindestens als durchschnittlich angenommen werden. Trotz der damit strengen Anforderungen, die an den von der jüngeren Marke einzuhaltenden Abstand zu stellen sind, unterscheiden sich die Vergleichszeichen in jeder Hinsicht deutlich.
Die Zeichenwörter weisen bei formaler Betrachtung zwar durchaus Gemeinsamkeiten und Übereinstimmungen auf. Sie sind zweisilbig und die Vokalfolge ist gleich (A - o). Auch die Wortanfänge (Al-) und die Wortendungen (-om) stimmen überein. Dennoch führen die Unterschiede in den Konsonanten dazu, daß sich die Vergleichswörter in klanglicher Hinsicht hinreichend unterscheiden. Die jüngere Marke enthält zusätzlich die Konsonanten b und r. Gerade diese verleihen ihr im Gegensatz zu der Widerspruchsmarke einen eigenständigen Klangcharakter und Sinngehalt. Insoweit unterscheidet sich der vorliegende Fall von dem durch die Widersprechende zitierten Verfahren 26 W (pat) 66/01. "strom" ist ein Hinweis auf die Ware, mit der sich die beanspruchte Dienstleistung befasst, "Alb" bedeutet soviel wie Gebirge. Die gängigsten Bezeichnungen in Deutschland sind insoweit die Schwäbische und die Fränkische Alb (Duden, Rechtschreibung, 20. Aufl, S 98). Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin hat der Begriff "Alb" eigentlich auch nichts mit dem "Alptraum" oder kurz dem "Alp" zu tun, denn diese "schlechten Träume" werden - jedenfalls nach bislang gängiger Rechtschreibung - nicht mit dem weichen Konsonanten "b", sondern dem harten "p" geschrieben. Entsprechendes gilt auch für die "Alp" oder "Alpe", ein Gebiet, das erhöht in den Bergen liegt und wegen seines Grasbewuchses zur sommerlichen Tierhaltung dient. Damit sind beide Wortteile der jüngeren Marke mit einem Sinngehalt erfüllt. Diese Marke weist also darauf hin, daß die zugrundeliegenden Dienstleistungen Strom auf oder für die Alb verteilen, wobei offen bleibt, welche geographische Angabe (schwäbisch oder fränkisch) genau gemeint ist. Da diese Sinngehalte allgemein bekannt und so geläufig sind, daß der angesprochene Verkehr sie ohne weiteres Nachdenken sofort erfassen wird, dienen sie zu einer sicheren Unterscheidung und einer besseren Merkfähigkeit der beiden Zeichen. Dagegen ist in der Widerspruchsmarke kein Sinngehalt enthalten, der die Merkfähigkeit erhöhen könnte. Überdies wird die Widerspruchsmarke bei unbefangener Betrachtungsweise buchstabengetreu, d.h. "ALSTOM", nicht aber wie "ALSCHTOM" gesprochen werden. Diese Aussprache hat ihre Parallelen in Wörtern und Begriffen wie "Aster" oder "Rostock", wo die Konsonantenfolge "st" vor einem nachfolgenden Vokal ebenfalls buchstabengetreu gesprochen wird. Die angegriffene Marke wird dagegen wohl regelmäßig in der Wortmitte mit "sch" gesprochen und erfährt sowohl dadurch als auch den zusätzlichen Konsonanten in der Wortmitte eine sprachliche Zäsur und Gliederung, die der Widerspruchsmarke nicht zukommt. Hinzu kommt, daß der europäische Durchschnittsverbraucher aufgeklärt, aufmerksam und informiert ist (vgl zB Ströbele/Hacker, MarkenG, 7. Aufl § 9 Rn 156 mwN) und die zugrundeliegenden Dienstleistungen gerade in Zeiten gestiegenen Umweltbewusstseins und flexiblerer Preisgestaltung sorgfältig auswählt. Die Vergleichswörter sind außerdem recht kurz, was zusätzlich dazu führt, daß die vorhandenen Abweichungen deutlicher wahrgenommen werden als bei längeren Wörtern.
Wegen der auf sorgfältige Auswahl bedachten Grundhaltung der aufgeklärten Durchschnittsverbraucher werden diese die Zeichen auch genauer betrachten. Eine schriftbildliche Verwechslungsgefahr ist damit wegen der unterschiedlichen Schreibweisen und - bei Kleinschreibung - Ober- und Unterlängen nicht zu befürchten. Anhaltspunkte für sonstige Verwechslungsgefahren liegen nicht vor.
Besondere Gründe, einer der Beteiligten die Kosten des Beschwerdeverfahrens gemäß § 71 Abs 1 MarkenG aus Billigkeitsgründen aufzuerlegen, sind nicht gegeben. Das Markengesetz geht davon aus, daß grundsätzlich jeder Beteiligte die ihm entstandenen Kosten selbst zu tragen hat. Für ein Abweichen von diesem Grundsatz bedarf es stets besonderer Umstände. Diese sind insbesondere dann gegeben, wenn ein Verhalten vorliegt, das mit der prozessualen Sorgfalt nicht zu vereinbaren ist. Davon ist auszugehen, wenn ein Verfahrensbeteiligter in einer nach anerkannten Beurteilungsgesichtspunkten aussichtslosen oder zumindest kaum Aussicht auf Erfolg versprechenden Situation sein Interesse an dem Erhalt oder dem Erlöschen des Markenschutzes durchzusetzen versucht (Ströbele/Hacker, MarkenG, 7. Aufl, § 71 Rdnr 23 ff). Die vorliegend zu beurteilende Sachlage ist aber wegen der - auch - bestehenden Übereinstimmungen jedenfalls nicht so eindeutig, daß das Verlangen einer Überprüfung durch die Rechtsmittelinstanz als Verstoß gegen die prozessuale Sorgfalt anzusehen wäre.
Albert Kraft Eder Ju
BPatG:
Beschluss v. 20.10.2004
Az: 26 W (pat) 168/02
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