Bundesgerichtshof:
Urteil vom 15. Februar 2000
Aktenzeichen: X ZR 53/98
(BGH: Urteil v. 15.02.2000, Az.: X ZR 53/98)
Tenor
Die Berufung gegen das am 10. November 1997 verkündete Urteil des 4. Senats (Nichtigkeitssenats) des Bundespatentgerichts wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.
Von Rechts wegen.
Tatbestand
Die Beklagte ist Inhaberin des am 5. März 1986 angemeldeten deutschen Patents 36 07 268 (Streitpatents), das eine schubgesicherte Steckmuffenverbindung betrifft und sechs Patentansprüche umfaßt. Wegen der erteilten Fassung der Patentansprüche wird auf die Streitpatentschrift Bezug genommen.
Mit der Behauptung, die Lehre des Streitpatents beruhe nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit, hat die Klägerin Nichtigkeitsklage mit dem Ziel erhoben, das Streitpatent für nichtig zu erklären.
Die Beklagte hat Patentanspruch 1 des Streitpatents eingeschränkt in folgenden Umfang verteidigt:
"Schubgesicherte Steckmuffenverbindung, insbesondere für im Schleudergußverfahren hergestellte Muffenrohre (1), bei der das Spitzende (3) des einen Rohres mit radialem Spiel in das Muffenende (2) des anderen Rohres einschiebbar ist, in dem ein Dichtring (8) und ein von diesem getrennt ausgebildeter Klemmring (14) angeordnet sind, der aus einer Vielzahl von in Umfangsrichtung mit gegenseitigem Abstand angeordneten Klemmsegmenten (15) besteht, die eine ballig ausgebildete äußere Mantelfläche (17) aufweisen, in Umfangrichtung jeweils durch eine anvulkanisierte Zwischenschicht (16) aus Gummi oder dergleichen miteinander verbunden sind und auf ihrer Innenfläche (18) jeweils eine Zahnung
(19) aufweisen, die bei Auftreten von axialen Kräften durch Zusammenwirken der balligen Mantelfläche (17) mit einer sich konisch zum Ende verjüngenden Innenfläche (18) der Rohrmuffe radial gegen das Spitzende (3) drücken, dadur ch ge kenn zei chnet, daß an dem Klemmring (14) ein am Muffenstirnende festlegbares, ihn tragendes Halteteil (20) aus Elastomer so angeformt ist, daß beim Einschieben des Spitzendes (3) des einen Rohres in das Muffenende (2) des anderen Rohres unter Aufweitung des Klemmrings (14) die Klemmsegmente (15) einerseits mit ihrer balligen Außenseite (17) in Anlage an der konischen Innenfläche (18) der Rohrmuffe und andererseits mit ihrer Verzahnung (19) in Anlage an der Außenseite des eingeführten Spitzendes (3) verbleiben."
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen, soweit sie sich gegen das Patent im verteidigten Umfang richtet.
Das Bundespatentgericht hat das Streitpatent dadurch teilweise für nichtig erklärt, daß es Patentanspruch 1 und ihm folgend die Patentansprüche 2 bis 6 in der verteidigten Fassung aufrechterhalten hat.
Dagegen richtet sich die Berufung der Klägerin, mit der sie die volle Nichtigerklärung des Streitpatents erstrebt. Sie stützt ihr Rechtsmittel weiter auf mangelnde Ausführbarkeit und fehlende technische Brauchbarkeit des Streitpatents. Die Beklagte bittet um Zurückweisung des Rechtsmittels.
Prof. Dr.-Ing. D. W., hat als gerichtlicher Sachverständiger ein schriftliches Gutachten erstattet, das er in der mündlichen Verhandlung erläutert, vertieft und ergänzt hat.
Gründe
Die Berufung hat keinen Erfolg.
I. Gegen die Zulässigkeit der eingeschränkten Verteidigung des Streitpatents und des neu gefaßten Patentanspruchs 1 bestehen keine Bedenken, wie das Bundespatentgericht zutreffend ausgeführt hat.
II. 1. Das Streitpatent betrifft eine schubgesicherte Steckmuffenverbindung, insbesondere für im Schleudergußverfahren hergestellte Muffenrohre. Rohre mit Steckmuffenverbindungen werden überwiegend erdverlegt. Da die Verlegung häufig unter erschwerten Bedingungen erfolgt, werden an die Steckmuffenverbindungen hohe Anforderungen gestellt. Die Steckmuffen sollen zwei Rohre so verbinden, daß das Austreten von Medien aus dem Rohrsystem und das Eindringen von Medien (wie Grundwasser) in den Rohrstrang verhindert werden, ein einfaches Montieren ohne Beschädigung der Dichtungen durch Ineinanderschieben möglich ist, ein gewisser Winkelversatz der zu verbindenden Rohre zulässig ist, im Einzelfall auch Axialkräfte aufgenommen werden können, der dichtende Elastomerteil gegen axiales Verschieben bei Montage und Druckunterschieden gesichert ist und die Dichtwirkung dauerhaft erhalten bleibt.
Die Streitpatentschrift schildert einleitend die Nachteile bekannter Steckmuffenverbindungen, wie sie aus der deutschen Patentschrift 20 34 325 bekannt sind (Sp. 1, Z. 20 bis 52). Um beim Einführen des Spitzendes in das Muffenende eine Relativverschiebung des Spitzendes in bezug auf die Klemmring-Dichtring-Einheit zu ermöglichen, ist nach diesem Vorschlag im Muffeninneren eine rückwärtige Schulter vorgesehen, an der der Dichtring zur Anlage gelangt und die die beim Verschieben auftretenden axialen Kräfte im Sinne einer Kompression des Dichtrings aufnimmt. Bei einer abgewandelten Ausführung ist eine mittlere Schulter vorgesehen, an der sich der Klemmring abstützt. In beiden Fällen ist nach dem Einschieben des Spitzendes in das Muffenende zwischen der balligen Mantelfläche der Klemmsegmente und der sich konisch zum Ende verjüngenden Innenfläche der Rohrmuffe ein relativ großer Abstand vorhanden. Deshalb muß die Klemmring-Dichtring-Einheit bei der ersten Druckbeaufschlagung der miteinander verbundenen Rohre eine entsprechende axiale Wegstrecke zurücklegen, ehe der Klemmring mit seinen Klemmsegmenten in die eigentliche Klemmlage gelangt, in der sie durch die konische Innenfläche der Rohrmuffe in radialer Richtung beaufschlagten Klemmsegmente mit ihrer Zahnung das Spitzende des Rohres fest erfassen und so den Schubsicherungsverbund der Rohre gewährleisten. Bei dieser Lösung sieht die Streitpatentschrift als nachteilig an, daß infolge des plötzlichen Axialdrucks ein mit einer Rohrverlagerung einhergehender, nicht unwesentlicher Auszug aus der Muffe auftritt.
2.
Durch die Lehre des Streitpatents soll die bekannte schubgesicherte Steckmuffenverbindung so weiter ausgestaltet werden, daß auf relativ einfache Weise eine einwandfreie Positionierung des Klemmrings mit seinen Klemmsegmenten in bezug auf die konische Innenfläche der Muffe bzw. die Außenfläche des Rohrspitzendes sichergestellt ist (Sp. 1, Z. 53 bis 59).
3.
Nach Patentanspruch 1 in der verteidigten Fassung soll folgender Gegenstand geschützt sein:
(1)
Schubgesicherte Steckmuffenverbindung, insbesondere für im Schleudergußverfahren hergestellte Muffenrohre (1),
(2)
bei der das Spitzende (3) des einen Rohres mit radialem Spiel in das Muffenende (2) des anderen Rohres einschiebbar ist,
(3)
in dem ein Dichtring (8) und ein von diesem getrennt ausgebildeter Klemmring (14) angeordnet sind,
(4)
der aus einer Vielzahl von in Umfangsrichtung mit gegenseitigem Abstand angeordneten Klemmsegmenten (15) besteht.
(5)
die eine ballig ausgebildete äußere Mantelfläche (17) aufweisen,
(6)
in Umfangrichtung jeweils durch eine anvulkanisierte Zwischenschicht (16) aus Gummi oder dergleichen miteinander verbunden sind
(7)
und auf ihrer Innenfläche (18) jeweils eine Zahnung (19) aufweisen,
(8)
die bei Auftreten von axialen Kräften durch Zusammenwirken der balligen Mantelfläche (17) mit einer sich konisch zum Ende verjüngenden Innenfläche (18) der Rohrmuffe radial gegen das Spitzende (3) drückt;
(9)
an den Klemmring (14) ist ein am Muffenstirnende festlegbares, ihn tragendes Halteteil (20) aus Elastomer so angeformt,
(10) daß beim Einschieben des Spitzendes (3) des einen Rohres in das Muffenende (2) des anderen Rohres unter Aufweitung des Klemmrings (14) die Klemmsegmente (15) einerseits mit ihrer balligen Außenseite (17) in Anlage an der konischen Innenfläche (18) der Rohrmuffe und andererseits mit ihrer Verzahnung (19) in Anlage an der Außenseite des eingeführten Spitzendes (3) verbleiben.
Die so ausgestaltete Steckmuffenverbindung zeichnet sich nach der Erläuterung der Streitpatentschrift (Sp. 1, Z. 60 bis Sp. 2, Z. 9) vor allem dadurch aus, daß ein Halteteil (20) aus Elastomer für den Klemmring (14) vorgesehen ist, das an den Klemmring (14) angeformt ist. Dieses Halteteil hält den Klemmring in einer dem Muffenstirnende angenäherten Lage. Beim Einschieben des einen Rohres in die Rohrmuffe des anderen Rohres wird der Klemmring in Abhängigkeit vom Außendurchmesser des Spitzendes aufgeweitet und mehr oder weniger axial verschoben. Dabei liegen die Klemmsegmente des Klemmrings mit ihrer äußeren balligen Mantelfläche an der sich konisch verjüngenden Innenfläche der Rohrmuffe und mit ihrer Zahnung an der Außenseite des in die Rohrmuffe eingeführten Spitzendes (in wirksamer Berührung) an. Nach dem Einschieben des Spitzendes befindet sich der Klemmring unmittelbar in der eigentlichen Klemmlage. Bei der ersten Druckbeaufschlagung dringt die Zahnung in das Spitzende des Rohres in die geforderte Verriegelungsposition. Der gerichtliche Sachverständige hat dazu überzeugend ausgeführt, im technischen Sinne finde kein Auszug des eingeschobenen Rohres aus der Muffe des anderen Rohres statt, wenn ein Elastomer gewählt werde, das alle geforderten Toleranzgrenzen erfülle. Physikalisch sei ein Auszug allenfalls im µ-Bereich denkbar. Der Klemmring bleibe in der durch das Halteteil bewirkten Klemmlage sitzen und erfülle ohne jede spürbare Verzögerung die von ihm geforderte Klemmfunktion.
III. 1. Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 in der verteidigten Fassung ist neu. Keine der Entgegenhaltungen zeigt eine Steckmuffenverbindung mit allen in diesem Patentanspruch angegebenen Merkmalen. Die Klägerin stellt dies auch nicht in Abrede.
Entgegen der Auffassung der Klägerin bestehen auch keine Bedenken wegen fehlender Ausführbarkeit und mangelnder technischer Brauchbarkeit des Streitpatents. Der gerichtliche Sachverständige hat zu diesem als sachdienlich zugelassenen weiteren Nichtigkeitsgrund dargelegt, die erfindungsgemäße Steckmuffenverbindung sei in der Streitpatentschrift so deutlich und vollständig offenbart, daß ein Fachmann sie ausführen könne. Sie sei auch technisch brauchbar. In der Praxis könne es allenfalls dann zu Problemen kommen, wenn das Spitzende des einzuschiebenden Rohres in einer Schieflage in die Muffe des anderen Rohres eingeführt werde oder wenn es um große Rohrdurchmesser gehe. Diese Schwierigkeiten sagten aber über die Ausführbarkeit und Brauchbarkeit der Erfindung nichts aus. Gerade der Umstand, daß Verbesserungen erst fünf Jahre nach dem Prioritätstag des Streitpatents in nachveröffentlichten Druckschriften vorgeschlagen worden seien, spreche dafür, daß die erfindungsgemäße Dichtung in der Praxis funktioniere.
2. Der Senat ist aufgrund der schriftlichen und mündlichen Darlegungen der Parteien sowie aufgrund des schriftlichen Gutachtens des gerichtlichen Sachverständigen und dessen Erläuterungen in der mündlichen Verhandlung nicht davon überzeugt, daß der Gegenstand von Patentanspruch 1 des Streitpatents in der verteidigten Fassung dem Fachmann, einem Diplom-Ingenieur mit Fachhochschulabschluß auf dem Gebiet des allgemeinen Maschinen- und Anlagenbaus mit mehrjähriger Berufserfahrung auf dem Fachgebiet der Rohrleitungstechnik, durch den Stand der Technik in Verbindung mit dem allgemeinen Fachwissen und Fachkönnen nahegelegt war.
a) Die deutsche Patentschrift 20 34 325, von der die Streitpatentschrift ausgeht, betrifft eine Zug- und Schubsicherung für Steckmuffenverbindungen, bei denen das glatte Ende des einen Rohres über seine ganze Eingriffslänge mit erheblichem radialen Spiel in das Muffenende des anderen Rohres mit sich konisch zum Ende verjüngender Innenfläche einschiebbar ist. Die Rohrmuffe weist einen Dichtring (7) auf, der sich an einer rückwärtigen Schulter (5) im Inneren der Rohrmuffe abstützt, und einen getrennt davon ausgebildeten Klemmring (8, 22), der zum Muffenstirnende hin vor dem Dichtring angeordnet ist. Der Klemmring besteht aus einer Vielzahl von in Umfangsrichtung mit gegenseitigem Abstand angeordneten Klemmsegmenten, die eine ballig ausgebildete äußere Mantelfläche (Klemmfläche 11) und auf ihrer Innenfläche eine Zahnung
(10) aufweisen. Die Klemmsegmente sind in Umfangsrichtung durch anvulkanisierte Zwischenabschnitte (15) aus elastischem Material miteinander verbunden. Beim Einschieben des Spitzendes des einen Rohres in das Muffenende des anderen Rohres wird der Klemmring zunächst gegen den Dichtring oder gegen den Anschlag (zusätzliche Schulter 20 a, Fig. 4) in der Rohrmuffe geschoben, weitet sich auf und läßt das Spitzende des Rohres durchtreten. Durch Herausziehen des Rohres oder bei der sich in Betrieb befindlichen Rohrleitung durch den Innendruck wird der Dichtring in der Rohrmuffe in axialer Richtung zum Muffenstirnende hin verschoben oder verformt. Hierdurch wird der Klemmring ebenfalls verschoben, so daß seine Klemmsegmente mit ihrer balligen Mantelfläche an einer sich konisch verjüngenden Innenfläche (6) der Rohrmuffe zur Anlage gelangen, von ihr von außen gegen das Spitzende des Rohres gedrückt werden und sich mit dem Spitzende verzahnen.
Im Gegensatz zum Streitpatent wird bei der deutschen Patentschrift 20 34 325 eine Klemmkraft erst bei sich durch einen Innendruck axial verschiebendem Dichtring oder ohne Innendruck bei einer gewissen axialen Ausziehbewegung des glatten Spitzendes aus der Muffe erzeugt. Nach dem Einschieben des Spitzendes in die Rohrmuffe weist die äußere Mantelfläche der Klemmsegmente einen relativ großen Abstand zu der sich konisch zum Muffenstirnende hin verjüngenden Innenfläche der Rohrmuffe auf. Um die eigentliche Klemmlage zu erreichen, muß der Klemmring daher zunächst in axialer Richtung zum Muffenstirnende der Rohrmuffe hin verschoben werden und dabei eine dem Abstand zwischen den Klemmsegmenten und der Innenfläche der Rohrmuffe entsprechende axiale Wegstrecke zurücklegen. Erst dann können die Klemmsegmente des Klemmrings durch die sich konisch verjüngende Innenfläche der Rohrmuffe von außen gegen das Spitzende des Rohres gedrückt werden und sich mit dem Spitzende verzahnen. Die Verriegelungsposition erreicht der Klemmring somit -anders als beim Streitpatent - erst nach einer axialen Rückzugbewegung. Ein Halteteil, das den Klemmring beim Einschieben des Rohres in die Muffe des anderen Rohres in der Nähe der Stirnseite hält und bewirkt, daß die Klemmsegmente in der hierbei geschaffenen Klemmlage verbleiben, ist nicht vorgesehen.
Die Patentschrift 20 34 325 zeigt damit einen anderen Weg zum Erhalt einer zuverlässigen Klemmwirkung auf. Eine Anregung, eine mit einer Rohrverlagerung einhergehende unerwünschte, nicht unwesentliche Auszugbewegung des Spitzendes aus der Muffe durch ein Halteteil zu verhindern, mit dem bereits zum Zeitpunkt der ersten Innendruckbeaufschlagung die Klemmlage erreicht ist, enthält diese Druckschrift nicht.
b) Eine Anregung zu der mit dem Streitpatent beanspruchten Lösung ergibt sich auch nicht aus der US-Patentschrift 3 384 392.
Diese Druckschrift beschreibt eine lösbare strömungsdichte Verriegelungskupplung (30) für beliebige Rohrenden. In die beiden Enden der Kupplung (30) sind einteilige Dichtungen (10) eingeschoben, in die Klemmsegmente
(60) eingefügt sind. Die äußere Fläche der Klemmsegmente verläuft parallel zur Mittelachse der Kupplung; auf ihrer Innenfläche ist eine Zahnung (62) vorgesehen. Die Dichtung ist über ein Verbindungsstück (58) mit einem Ringflansch (56) verbunden, der außerhalb der Verriegelungskupplung angeordnet ist. Zur Herstellung einer Rohrverbindung wird das Spitzende eines Rohres in die Kupplung eingeschoben, und zwar so weit, bis der Ringflansch (56) außen an der Stirnseite der Kupplung anliegt (vgl. Fig. 5 links). Sodann wird das Rohr zusammen mit der Dichtung wieder ein Stück aus der Kupplung herausgezogen, so daß die Dichtung innen an der konischen Anschlagschulter der Kupplung zur Anlage gelangt und die Klemmsegmente gegen das Rohr drückt, so daß deren Zähne das Rohr halten. Zum Lösen der Verbindung wird das Rohr zusammen mit der Dichtung in die Kupplung eingeschoben, so daß der radiale Druck auf die Klemmsegmente nachläßt. Die Dichtung wird mit der Hand am Ringflansch in dieser eingeschobenen Position gehalten und das Rohr kann sodann aus der Kupplung herausgezogen werden.
Auch diese Druckschrift verzichtet auf eine dem erfindungsgemäßen Halteteil vergleichbare Ausgestaltung. Nach den überzeugenden Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen hat der Ringflansch (56), der an den Dichtungsring angeformt ist, nicht die Funktion des Halteteils (20) nach der Lehre des Streitpatents. Er hält nicht den Dichtring und schon gar nicht die Klemmsegmente in der Nähe der Stirnseite der Kupplung fest, sondern verhindert lediglich, daß der Dichtring beim Einführen des Rohres zu weit in die Kupplung geschoben wird. Deshalb liegt der Ringflansch in der Betriebsstellung (vgl. Fig. 5 rechts) nicht an der Stirnseite der Kupplung an.
c) Eine Anregung in Richtung des Patentanspruchs 1 in der verteidigten Fassung ergab sich auch nicht aus der deutschen Offenlegungsschrift 22 57 821. Diese Druckschrift betrifft eine schubgesicherte Muffenverbindung für Rohre und Rohrelemente, bei der Dichtung und Klemmelemente -wie beim Streitpatent - getrennt sind. Allerdings schlägt die Offenlegungsschrift, wie der gerichtliche Sachverständige dargelegt hat, eine vollständig andere Lösung vor, indem sie eine Verriegelung des in die Muffe eingeschobenen Rohres nach Art eines Bajonettverschlusses vorsieht. Die Erfindung besteht darin (S. 3 der Druckschrift), daß vor dem Dichtring über den Umfang der Muffe verteilt, mehrere sich zum Muffeneingang hin verengende Ausnehmungen angeordnet sind, die in Umfangrichtung zum Innendurchmesser des Muffeneingangs hin auslaufen. In diesen Ausnehmungen sind sich in axialer Richtung erstreckende Keilstücke (7) angeordnet, die eine etwa in Umfangrichtung des Spitzendes verlaufende Zahnung tragen. Die Nase der Keilstücke können mit einem radial nach außen gerichteten flanschartigen Ansatz (7c) versehen sein, der zur Muffenstirnseite parallel liegt. Nach Einschieben des Spritzrohres in die Muffe lassen sich die Keilstücke durch leichte Hammerschläge in Umfangrichtung der Muffe festsetzen (festkeilen), wobei deren Zahnung in der Oberfläche des Spitzendes zum Eingriff kommt und eine sofortige Sicherung gegen Schub bewirkt.
Auf diese Weise wird zwar das auch dem Streitpatent zugrundeliegende Problem gelöst; die in der Offenlegungsschrift offenbarte Lösung unterscheidet sich nach den überzeugenden Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen aber erheblich sowohl in ihrer konstruktiven Ausführung als auch in ihrer Wirkweise von der des Streitpatents. Während die Schubsicherung bei der Offenlegungsschrift durch Einschlagen von Keilen in Umfangsrichtung gewährleistet wird, erfolgt diese beim Streitpatent durch die Anordnung eines Klemmrings, der durch ein Halteteil in der Nähe der Muffenstirnseite festgehalten wird. Die Nase mit dem flanschartigen Ansatz (7c), der zur Muffenstirnseite parallel verläuft, dient lediglich dazu, beim Einschlagen des Keilstücks zu führen und damit ein Verdrehen der Zähne zu verhindern.
d) Eine Anregung, mit einem Halteteil aus Elastomer den Klemmring in der Klemmlage festzuhalten, ergibt sich auch nicht aus der deutschen Offenlegungsschrift 29 22 285, die sich mit einer Rohrverbindung zum löslichen Anschließen eines Rohres an einen Durchlaß mit einem Spannfutter befaßt. In der Muffe sind ein Dichtring (18) und getrennt hiervon eine Spannhülse (23) mit einem Ringflansch (26) und Spannzungen (22) eingeschoben. Die Spannzungen tragen an ihrer Innenseite jeweils einen Zahn (21). Ihre zur konischen Innenwand der Muffe gerichtete Klemmfläche ist ballig ausgestaltet (vgl. Fig. 1). Zur Herstellung einer Rohrverbindung wird ein Rohrende durch die Spannhülse und durch den Dichtring bis zu einem Rohranschlag (16) in die Muffe eingeschoben. Dabei weiten sich die Spannzungen auf. Bei Beaufschlagung schiebt sich die Spannhülse samt Rohr etwas aus der Muffe heraus, wobei die Klemmflächen der Spannzungen in den konischen Bereich der Muffe gelangen und sodann über die Zähne das Rohr verklemmen. Bei dieser axialen Verschiebung entfernt sich der Ringflansch der Spannhülse von der Stirnseite der Muffe. Den hierdurch gebildeten Spalt vor Verunreinigungen zu schützen, sieht die Offenlegungsschrift als zu lösende Aufgabe.
Anders als beim Streitpatent ist auch bei dieser Entgegenhaltung eine axiale Bewegung der Spannhülse mit den Spannzungen erforderlich, um die erstrebte Klemmwirkung zu erreichen. Die Druckschrift nimmt damit bewußt eine axiale Verschiebung in Kauf, die zu vermeiden Gegenstand des Streitpatents ist.
e) Die übrigen Druckschriften liegen weiter ab. Sie betreffen verschiedene Arten der Abdichtung von Steckmuffenverbindungen, bei denen ein separater Klemmring nicht vorgesehen ist, so daß sich das dem Streitpatent zugrundeliegende technische Problem nicht stellt.
f) Entgegen der Auffassung der Klägerin führt auch die Gesamtschau der genannten Druckschriften in Verbindung mit dem allgemeinen fachmännischen Wissen und Können nicht zum Gegenstand des Patentanspruchs 1 des Streitpatents in der verteidigten Fassung. Dabei kann die bajonettartige Verriegelung nach der deutschen Offenlegungsschrift 22 57 821 außer Betracht bleiben; wie der gerichtliche Sachverständige ausgeführt hat, führt sie den Fachmann eher von der Lösung des Streitpatents weg. Die Patentschriften 20 34 325 und 3 384 392 sowie die deutsche Offenlegungsschrift 29 22 285 akzeptieren eine gewisse axiale Verschiebung des Dicht- und Klemmelements oder setzen eine solche voraus. Sie zeigen aber keinen Weg auf, diese Bewegung, die vom Streitpatent als nachteilig beschrieben ist, zu vermeiden. Zwar sind aus diesen Druckschriften alle Elemente vom Prinzip her bekannt, mit denen die Lehre des Streitpatents eine Schubsicherung auch ohne axiale Verschiebung gewährleistet. Sowohl die US-amerikanische Patentschrift 3 384 392 als auch die deutsche Offenlegungsschrift 29 22 285 sehen einen die Stirnseite der Muffe überragenden Ringflansch vor, mit dessen Hilfe die axiale Bewegung des Dichtungs- und Klemmelements beschränkt wird. Die Druckschriften 20 34 325 und 29 22 285 schlagen auch eine Trennung von Klemmelement und Dichtung vor. Keine dieser Schriften zeigt aber auf, einen Ringflansch als Halteteil zu verwenden, um die Klemmelemente so in der Nähe der Muffenstirnseite festzuhalten, daß das Spitzende eines Rohres zwar durch den Klemmring in die Muffe eingeschoben werden kann, daß aber eine Auszugbewegung zur Verriegelung nicht erforderlich ist, weil die Klemmwirkung unmittelbar und bereits vor Beaufschlagung eintritt.
IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 110 Abs. 3 PatG i.V.m. § 97 ZPO.
BGH:
Urteil v. 15.02.2000
Az: X ZR 53/98
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