Bundespatentgericht:
Beschluss vom 18. März 2009
Aktenzeichen: 20 W (pat) 349/04

(BPatG: Beschluss v. 18.03.2009, Az.: 20 W (pat) 349/04)

Tenor

Das 199 34 670 Patent wird widerrufen.

Gründe

I.

Auf die am 23. Juli 1999 eingereichte Patentanmeldung, für die die innere Priorität vom 26. Mai 1999 mit dem Aktenzeichen 199 23 920.7 in Anspruch genommen ist, hat das Deutsche Patentund Markenamt das Patent mit der Bezeichnung "Objektdetektionssystem" erteilt. Das erteilte Patent umfasst 13 Patentansprüche. Die Patenterteilung wurde am 8. Juli 2004 im Patentblatt veröffentlicht.

Der Patentanspruch 1 hat folgenden Wortlaut:

"Objektdetektionssystem, insbesondere für ein Kraftfahrzeug (2, 10), wobei das Objektdetektionssystem aus einer Kombination von wenigstens drei Objektdetektoren (12, 13, 14, 15) besteht, die jeweils einen anderen Detektionsbereich (3, 4, 5, 16, 17) und eine andere Detektionsreichweite aufweisen, wobei die Detektionsbereiche (3, 4, 5, 16, 17) maßgeblich in Fahrtrichtung vor dem Kraftfahrzeug (2, 10) liegen, wobei sich die in Fahrtrichtung liegenden Detektionsbereiche (3, 4, 5, 16) überschneiden, dadurch gekennzeichnet, daß die von den Objektdetektoren (12, 13, 14, 15) aus den sich überschneidenden Detektionsbereichen gelieferten Messwerte zu gesonderten Auswertungen genutzt werden."

Bezüglich des Wortlauts der Patentansprüche 2 bis 13 wird auf die Patentschrift verwiesen.

Gegen das Patent hat die Einsprechende am 8. Oktober 2004 Einspruch erhoben und macht geltend, dass der Gegenstand des Patentanspruchs 1 nicht neu sei, § 21 Abs. 1 Nr. 1 PatG. Im Übrigen seien die Gegenstände der Patentansprüche 2 bis 13 dem Fachmann durch den Stand der Technik nahegelegt. Sie begründet dies mit folgendem Stand der Technik:

D21 Martin Kunert et al., in: Society of Automotive Engineers, Inc.: "Radarbased near distance sensing device for automotive applications", veröffentlicht in 1998, D22 Technical Report: "Intelligent Cruise ControI Field Operational Test", in:

Final Report, Volume I: DOT HS 808 849, Copyright vom Mai 1998, und D23 WO 95/14939 A1.

Ergänzend verweist die Einsprechende auf die im Prüfungsverfahren genannten Druckschriften:

D1 DE4235619C2 D2 DE4209536C2 D3 DE19755963A1 D4 DE19724496A1 D5 DE19713826A1 D6 DE19622777A1 D7 DE19530065A1 D8 DE19518978A1 D9 DE4424878A1 D10 DE4330476A1 D11 DE4110132A1 D12 DE 689 19 831 T2 D13 GB2309555A D14 US 5,872,536 A D15 US 5,529,138 A D16 EP0859241A1 D17 EP0355490B1 D18 WO 98/15845 A1 D19 WO 98/15435 A1 D20 JP 08156723A (WPIDS-u. JAPIO-Abstracts)

Wegen der Einzelheiten des Vorbringens der Einsprechenden wird auf den Inhalt der Akten verwiesen.

In der mündlichen Verhandlung vom 18. März 2009 hat die Nebenintervenientin den Beitritt zum Verfahren als Nebenintervenientin auf Seiten der Einsprechenden erklärt und hat dazu wie folgt -insoweit von der Patentinhaberin unbestritten -vorgetragen: Innerhalb des Konzerns der Einsprechenden habe das angegriffene Patent ursprünglich auf dem Interessengebiet des ehemaligen S...-Teilbetriebs "S..." gelegen. Dieser Betrieb sei in die "S1... AG" eingebracht worden, deren Firma später abgeändert worden sei zu "V... AG". Diese AG sei auf die Nebenintervenientin, das ist die C... GmbH, verschmolzen worden.

Als zusätzlichen Stand der Technik hat die Nebenintervenientin eine Entgegenhaltung aus dem europäischen Parallelverfahren, nämlich die D24 EP 0 554 468 A2.

genannt sowie folgende deutsche Druckschriften:

DE 197 23 963 A1, DE 197 13 884 A1, DE 197 04 427 A1 und DE 296 09 922 U1.

Außerdem hat die Nebenintervenientin folgende Abhandlungen vorgelegt:

D25 Handmann, U. et al: "Fusion of Different Sensors and Algorithms for Segmentation", in: IV'98, IEEE International Conference on Intelligent Vehicles 1998, Seiten 499 -504, und D26 Handmann, U. et al: "An Image Processing System for Driver Assistance", in: IV'98, IEEE International Conference on Intelligent Vehicles, 1998, Volume 2, Seiten 481 -486.

Die Einsprechende und die Nebenintervenientin beantragen, das Patent zu widerrufen.

Die Patentinhaberin beantragt, das Patent 199 34 670 mit den folgenden Unterlagen aufrechtzuerhalten: Patentanspruch 1 überreicht in der mündlichen Verhandlung, Ansprüche 2 bis 13, Beschreibung und Zeichnungen Figuren 1 bis 5 jeweils wie Patentschrift, hilfsweise: Patentanspruch 1 gem. Hilfsantrag 1, überreicht in der mündlichen Verhandlung, weiter hilfsweise: Patentanspruch 1 gem. Hilfsantrag 2, überreicht in der mündlichen Verhandlung, sowie für beide Hilfsanträge jeweils Ansprüche 2 bis 13, Beschreibung und Zeichnungen Figuren 1 bis 5 jeweils wie Patentschrift.

Der Patentanspruch 1 gemäß Hauptantrag lautet (mit eingefügten Gliederungszeichen M1 bis M3):

M1 Objektdetektionssystem, insbesondere für ein Kraftfahrzeug (2, 10), wobei M2 das Objektdetektionssystem aus einer Kombination vonwenigstens drei Objektdetektoren (12, 13, 14, 15) besteht, M2.1 die jeweils einen anderen Detektionsbereich (3, 4, 5, 16, 17) und M2.2 eine andere Detektionsreichweite aufweisen, wobei M2.1.1 die Detektionsbereiche (3, 4, 5, 16, 17) maßgeblich in Fahrtrichtung vor dem Kraftfahrzeug (2, 10) liegen, wobei M2.1.2 sich die in Fahrtrichtung liegenden Detektionsbereiche (3, 4, 5, 16) überschneiden, dadurch gekennzeichnet, dass M3 die von den Objektdetektoren (12, 13, 14, 15) aus den sich überschneidenden Detektionsbereichen gelieferten Messwerte zu gesonderten Auswertungen genutzt werden.

Der Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1 umfasst im Oberbegriff die Merkmale M1 bis M3 des Patentanspruchs 1 gemäß Hauptantrag, die kennzeichnenden Merkmale (Gliederungszeichen M4.1 bis M4.3) definieren die gesonderten Auswertungen aus Merkmal M3. Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1 lautet somit:

M1 Objektdetektionssystem, insbesondere für ein Kraftfahrzeug (2, 10), wobei M2 das Objektdetektionssystem aus einer Kombination vonwenigstens drei Objektdetektoren (12, 13, 14, 15) besteht, M2.1 die jeweils einen anderen Detektionsbereich (3, 4, 5, 16, 17) und M2.2 eine andere Detektionsreichweite aufweisen, wobei M2.1.1 die Detektionsbereiche (3, 4, 5, 16, 17) maßgeblich in Fahrtrichtung vor dem Kraftfahrzeug (2, 10) liegen, wobei M2.1.2 sich die in Fahrtrichtung liegenden Detektionsbereiche (3, 4, 5, 16) überschneiden, M3 die von den Objektdetektoren (12, 13, 14, 15) aus densich überschneidenden Detektionsbereichen gelieferten Messwerte zu gesonderten Auswertungen genutzt werden, dadurch gekennzeichnet, dass M4.1 die gesonderten Auswertungen ein gemeinsames Tracking der detektierten Objekte im Überschneidungsbereichund M4.2 eine Funktionsüberwachung der Objektdetektoren und M4.3 eine Plausibilisierung der Messdaten sind.

Der Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag 2 umfasst im Oberbegriff die Merkmale M1 bis M4.3 des Patentanspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 1, die kennzeichnenden Merkmale (Gliederungszeichen M5 bis M6.3) definieren einen der gemäß Oberbegriff beanspruchten Objektdetektoren und dessen Verwendung. Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag 2 lautet somit:

M1 Objektdetektionssystem, insbesondere für ein Kraftfahrzeug (2, 10), wobei M2 das Objektdetektionssystem aus einer Kombination von wenigstens drei Objektdetektoren (12, 13, 14, 15) besteht, M2.1 die jeweils einen anderen Detektionsbereich (3, 4, 5, 16, 17) und M2.2 eine andere Detektionsreichweite aufweisen, wobei M2.1.1 die Detektionsbereiche (3, 4, 5, 16, 17) maßgeblich in Fahrtrichtung vor dem Kraftfahrzeug (2, 10) liegen, wobei M2.1.2 sich die in Fahrtrichtung liegenden Detektionsbereiche (3, 4, 5, 16) überschneiden, M3 die von den Objektdetektoren (12, 13, 14, 15) aus den sich überschneidenden Detektionsbereichen gelieferten Messwerte zu gesonderten Auswertungen genutzt werden, indem M4.1 die gesonderten Auswertungen ein gemeinsames Tracking der detektierten Objekte im Überschneidungsbereich und M4.2 eine Funktionsüberwachung der Objektdetektoren und M4.3 eine Plausibilisierung der Messdaten sind, dadurch gekennzeichnet, dass M5 einer der Objektdetektoren M5.1 eine stereoskopische Kamera und/oder M5.2 eine CMOS-Kamera ist und M6.1 zusätzlich zur Erkennung von Verkehrsschildern, M6.2 für eine adaptive Lichtverteilung und M6.3 eine Leuchtweitenregelung der Scheinwerfer eingesetzt wird.

Die Patentinhaberin führt aus, dass die von den Objektdetektoren des erfindungsgemäßen Objektdetektionssystems aus den insbesondere sich überschneidenden Detektionsbereichen gelieferten Messwerte zu gesonderten Auswertungen genutzt werden, und verweist dazu insbesondere auf die Abschnitte [0028] und [0037] aus der Beschreibung der Patentschrift. Unter gesonderten Auswertungen im Sinne des Streitpatents verstehe der Fachmann zusätzliche, speziell auf die aus den sich überschneidenden Detektionsbereichen stammenden Messwerte zugeschnittene Auswertungen und nicht eine einfache summarische Behandlung der von den jeweiligen Detektionsbereichen gelieferten Messwerte. Die erfindungsgemäßen -gesonderten -Auswertungen eröffnen dem Fachmann effektive und zusätzliche Nutzungsmöglichkeiten des Objektdetektionssystems, bspw. ein gemeinsames Tracking der detektierten Objekte im Überschneidungsbereich und eine Funktionsüberwachung der Objektdetektoren und eine Plausibilisierung der Messdaten. Besonders vorteilhaft sei dabei der Einsatz einer stereoskopischen Kamera und/oder einer CMOS-Kamera; dies ermögliche zusätzlich die Erkennung von Verkehrsschildern, eine adaptive Lichtverteilung und eine Leuchtweitenregelung der Scheinwerfer. Die solcherart beanspruchte Erfindung sei an dem für den Zeitrang der Anmeldung maßgeblichen Tag aus dem durch zahlreiche Druckschriften belegten Stand der Technik nicht als bekannt entnehmbar gewesen und habe dem Fachmann auch nicht nahe gelegen. Weder aus den im Prüfungsverfahren berücksichtigten Druckschriften noch aus den von der Einsprechenden und der Nebenintervenientin vorgelegten Druckschriften seien dem Patentgegenstand entsprechende gesonderte Auswertungen als bekannt entnehmbar gewesen. Im Übrigen bestreitet die Patentinhaberin eine Vorveröffentlichung der Druckschrift D21, nachdem dieser nur ein Copyright-Vermerk und kein eindeutiges Veröffentlichungsdatum entnehmbar sei. Zu den in den Patentansprüchen 1 nach Hauptantrag und den Hilfsanträgen 1 und 2 aufgenommenen Merkmalen verweist die Patentinhaberin auf die Beschreibung der Patentschrift und auf die entsprechenden Abschnitte der Offenlegungsschrift; aus den in Bezug genommenen Beschreibungsabschnitten könne der Fachmann die in Rede stehenden Merkmale als zur Erfindung gehörend entnehmen.

Die Patentinhaberin hält einen Beitritt der C... GmbH zum Verfahren als Nebenintervenientin auf der Seite der Einsprechenden für unzulässig und hat außerdem zu bedenken gegeben, dass von der möglichen Zulässigkeit einer Nebenintervention im Nichtigkeitsverfahren nicht ohne weiteres auf die Zulässigkeit einer Nebenintervention im Einspruchsverfahren geschlossen werden könne.

Die Einsprechende und die Nebenintervenientin vertreten die Auffassung, dass insbesondere die Merkmale im Oberbegriff des Patentanspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 2 für den Fachmann bereits aus der Druckschrift D13 herleitbar seien. Ausgehend von der Druckschrift D13 seien die Merkmale im Kennzeichen des Patentanspruchs 1 nach Hilfsantrag 2 dem Fachmann durch sein Fachwissen nahe gelegt, letzteres ebenfalls belegt durch den Stand der Technik, bspw. durch die in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Druckschriften DE 197 13 884 A1 und DE 296 09 922 U1 oder auch durch die Abhandlung D26. Im Übrigen sind sie der Auffassung, dass insbesondere die Patentansprüche 1 gemäß den Hilfsanträgen Merkmale enthalten, die in dieser Allgemeinheit durch die ursprüngliche Offenbarung nicht gedeckt seien.

II.

1.

Der Beitritt der C... GmbH zum vorliegenden Einspruchsverfahren als Nebenintervenientin auf Seiten der Einsprechenden ist nach § 66 ZPO i. V. m. § 99 Abs. 1 PatG zuzulassen. Zur Begründung bezieht sich der Senat vollinhaltlich auf seine Ausführungen zum Beitritt der Nebenintervenientin zu dem parallelen Einspruchsverfahren 20 W (pat) 323/04, an dem dieselben Parteien beteiligt waren wie im vorliegenden Verfahren und in dem sich die Nebenintervenientin -wie vorliegend -darauf berufen hatte, nicht zuletzt wegen der Übernahme eines von der Einsprechenden ausgegründeten Auto-Unternehmens ein eigenes Interesse an dem Ausgang des Verfahrens zu haben.

2.

Der zulässige Einspruch führt zum Widerruf des Patents, da der Gegenstand des Patentanspruchs 1 nach Hauptantrag und die Gegenstände der Patentansprüche 1 nach dem 1. und 2. Hilfsantrag nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhen.

Als Fachmann ist ein Diplomingenieur der Fachrichtung Elektrotechnik oder ein Diplomphysiker anzusehen, mit Kenntnissen auf dem Gebiet der Objektdetektionssysteme und mit Erfahrung in der Entwicklung und der Fertigung solcher Systeme und deren Einsatz im Kraftfahrzeugbereich.

Zum Hauptantrag und zum Hilfsantrag 1 Die Gegenstände der Patentansprüche 1 gemäß Hauptantrag und gemäß dem Hilfsantrag 1 umfassen jeweils den Gegenstand des enger gefassten Patentanspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 2. Nachdem letzterer -wie die nachfolgenden Ausführungen zum Hilfsantrag 2 zeigen -nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht, sind auch die Gegenstände der Patentansprüche 1 nach Hauptantrag und nach Hilfsantrag 1 nicht patentfähig.

Zum Hilfsantrag 2 Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 2 ist dem Fachmann durch das Objektdetektionssystem gemäß der Entgegenhaltung D13, i. V. m. dem durch die Druckschriften DE 197 13 884 A1 und DE 296 09 922 U1 belegten Fachwissen und Fachkönnen nahe gelegt.

Aus der Druckschrift D13, vgl. die Figuren 1 bis 3 und die Zusammenfassung ist ein Objektdetektionssystem, insbesondere für ein Kraftfahrzeug 20 als bekannt entnehmbar (Merkmal M1). Das Objektdetektionssystem besteht aus wenigstens drei Objektdetektoren, nämlich einem Doppler-Radar 16 (mit zugeordneter Antenne 16A) und vier Ultraschall-Sensoren 17A bis 17D, und außerdem weist das Objektdetektionssystem ein Funksystem 18 auf zur Erkennung von Ampelsignalen als Verkehrszeichen (vgl. D13, Seite 6, Zeilen 3 bis 5, Seite 7, Zeilen 1 bis 4, Seite 7, Zeilen 16 bis 18, Seite 12, Zeile 23 bis Seite 13, Zeile 5, i. V. m. den Fig. 1 bis 3 -Merkmal M2). Der Objektdetektor Doppler-Radar 16 weist einen anderen Detektionsbereich 26A und eine andere Detektionsreichweite auf als die Ultraschall-Sensoren oder -Detektoren 17A bis 17D mit den ihnen zugeordneten Detektionsbereichen 27A bis 27D, und auch die Ultraschall-Sensoren 17A bis 17D weisen untereinander jeweils andere Detektionsbereiche und andere Detektionsreichweiten 27A bis 27D auf (Seite 7, Zeilen 1 bis 3 und Zeilen 16 bis 19, Seite 8, Zeilen 7 bis 10, i. V. m. den Fig. 2 und 3 -Merkmale M2.1 und M2.2). Die Detektionsbereiche 26A resp. 27A bis 27D der jeweiligen Objektdetektoren liegen maßgeblich in Fahrtrichtung vor dem Fahrzeug und überschneiden sich (Seite 6, Zeilen 3 bis 5, Seite 8, Zeilen 3 bis 13, i. V. m. Fig. 2 und 3 -Merkmale M2.1.1 und M2.1.2).

Bei dem aus D13 als bekannt entnehmbaren Objektdetektionssystem werden die aus den sich überschneidenden Detektionsbereichen gelieferten Messwerte auch zu gesonderten Auswertungen genutzt, solches folgt bereits aus der Verschiedenheit der Objektdetektoren Doppler-Radar 16 und Ultraschall-Sensoren 17A bis 17D und einmal mehr für das Funksystem 18, vgl. Seite 8, Zeilen 14 bis 18 und weiter Seite 9, Zeilen 1 bis 10, Seite 12, Zeile 23 bis Seite 13, Zeile 11, gilt aber ebenso für die Gruppe der Ultraschall-Sensoren selbst, vgl. Seite 8, Zeilen 17 bis 23 -Merkmal M3. Für die Gruppe der Ultraschall-Sensoren beinhalten die gesonderten Auswertungen ein gemeinsames Tracking der detektierten Objekte, hier von Fußgängern, die sich vor dem Fahrzeug bewegen, jeweils abhängig von den gewählten Überschneidungsbereichen, Seite 8, Zeilen 20 bis 23 -Merkmal M4.1. Bzgl. der Überschneidungsbereiche der Objektdetektoren Doppler-Radar 16 und Ultraschall-Sensoren 17A bis 17D gilt, dass die gesonderten Auswertungen einerseits eine Plausibilisierung der Messdaten beinhalten, indem das Ultraschallsystem benutzt wird, um das Radarsystem zu verbessern, zu ergänzen und zu sichern (Seite 9, Zeilen 8 bis 10, "augment, complement, back up" -Merkmal M4.2), was letztlich auch eine Funktionsüberwachung der Objektdektoren, hier: des Doppler-Radars, erlaubt (Seite 9, Zeilen 8 bis 10, "...if necessary override the radar.." -Merkmal M4.3).

Das aus der Druckschrift D13 als bekannt entnehmbare Objektdetektionssystem stellt zwar auf ein Doppler-Radar und Ultraschall-Sensoren als Objektdetektoren ab, darüber hinaus zeigt die D13 dem Fachmann aber auch andere Möglichkeiten für Objektdetektoren auf, so z. B. Lichtdetektoren anstelle der vorgenannten Radarund Ultraschall-Detektoren, und das oben schon angesprochene Funksystem zum Detektieren von Verkehrszeichen, hier: Ampelsignalen, Seite 12, Zeile 23 bis Seite 13, Zeile 13, und Seite 14, Zeilen 5 bis 18. Die in der D13 genannten Alternativen sind dem Fachmann hinreichend Anlass, auch weitere, ihm aus seinem Fachwissen heraus bekannte Objektdetektoren in seine Überlegungen einzubeziehen. Vor allem zur Erkennung von Verkehrsschildern -Verkehrszeichen -bietet sich dem Fachmann zusätzlich der Einsatz eines optischen -(räumliche) Bilder verarbeitenden -Objektdetektors in Form einer stereoskopischen Kamera und/oder einer CMOS-Kamera an. Eine solche Wahl, insbesondere als Alternative zu dem aus D13 als bekannt entnehmbaren Funksystem, ist dem Fachmann auch aus dem Stand der Technik nach der Gebrauchsmusterschrift DE 296 09 922 U1 geläufig, vgl. die Seiten 2 und 3 und die dort beschriebenen Varianten 1 und 2 eines Erkennungssystems für Verkehrsschilder und weiter Seite 4, den Text der Ansprüche 1 bis 3 -Merkmale M5, M5.1 und M6.1. Die mit Merkmal M5.2 des Patentanspruchs 1 nach Hilfsantrag 2 ohnehin nur alternativ geforderte CMOS-Kamera bringt der Fachmann ohne weiteres als fachnotorisches Austauschmittel in Anschlag. Dieses Fachwissen wird überdies ebenfalls durch den Stand der Technik nach der Offenlegungsschrift DE 197 13 884 A1 belegt, vgl. dort Spalte 3, Zeilen 21 bis 23. Unter den dort genannten Videosensor subsumiert der Fachmann auch CMOS-Sensoren, resp. eine CMOS-Kamera. Auch der mit den Merkmalen M6.2 und M6.3 beanspruchte zusätzliche Einsatz der stereoskopischen Kamera und/oder CMOS-Kamera für eine adaptive Lichtverteilung und eine Leuchtweitenregelung der Scheinwerfer kann eine Patentfähigkeit des Gegenstands des Patentanspruchs 1 nach Hilfsantrag 2 nicht begründen; ein solcher Einsatz bietet sich dem Fachmann aufgrund seines Fachwissens an, auch diesbzgl. sei auf die Offenlegungsschrift DE 197 13 884 A1 verwiesen, vgl. die Zusammenfassung.

Die Patentinhaberin meint, dass gemäß der Erfindung des Streitpatents die aus den sich überschneidenden Detektionsbereichen stammenden Messwerte zu gesonderten Auswertungen genutzt würden, und dass diese gesonderten Auswertungen ein gemeinsames Tracking der detektierten Objekte im Überschneidungsbereich und eine Funktionsüberwachung und eine Plausibilisierung der Messdaten seien (Merkmale M3, M4.1 bis M4.3 des Patentanspruchs 1). Eine solcherart gesonderte Auswertung sei aus dem Stand der Technik nicht als bekannt entnehmbar gewesen, auch sei keine Veranlassung für den Fachmann ersichtlich gewesen, eine solche gesonderte Auswertung bei den bekannten Objekdetektionssystemen vorzusehen. Hinsichtlich dieses von der Patentinhaberin zugrundegelegten Sinngehalts des Patentanspruchs 1 ist das Verständnis des einschlägigen Fachmannns bzgl. des Patentanspruchs 1 im Lichte der Beschreibung, insbesondere der von der Patentinhaberin genannten Abschnitte [0028] und [0037] der Patentschrift, maßgeblich (BGH in GRUR 2007, 859-862 -Informationsübermittlungsverfahren). Der Fachmann entnimmt dem Patentanspruch 1 in Verbindung mit den Abschnitten [0028] und [0037] der Patentschrift die Forderung, Messwerte aus den genannten Detektionsbereichen zunächst in Abhängigkeit von den Bereichen selbst und bezogen auf die verschieden Detektoren auszuwerten. Bereits die von den Detektionsbereichen abhängige Auswertung erfordert eine gesonderte Auswertung für die verschiedenen Bereiche und damit insbesondere eine gesonderte Auswertung auch für die Messwerte, die sich in den sich überschneidenden Detektionsbereichen ergeben haben. Ein solches Vorgehen findet der Fachmann auch bei den bekannten Objektdetektionssystemen vor, wie vorstehend zu dem aus der Druckschrift D13 als bekannt entnehmbaren Objektdetektionssystem ausgeführt.

Auch die weitere Spezifizierung der gesonderten Auswertungen dahingehend, dass diese ein gemeinsames Tracking der detektierten Objekte im Überschneidungsbereich und eine Funktionsüberwachung und eine Plausibilisierung der Messdaten sind, und deren Anwendung auf eine stereoskopische Kamera und/oder eine CMOS-Kamera, die zusätzlich zur Erkennung von Verkehrsschildern, für eine adaptive Lichtverteilung und eine Leuchtweitenregelung der Scheinwerfer eingesetzt wird, kann die Patentfähigkeit des beanspruchten Gegenstands nicht stützen, auch nicht unter Berücksichtigung der von der Patentinhaberin genannten Beschreibungsteile. Vielmehr lag es im Rahmen fachmännischen Überlegens, wie ebenfalls vorstehend dargelegt, die geforderten Konzepte einer gesonderten Auswertung und deren beispielhafte Anwendung auf eine Kamera in der lediglich als Ziel beanspruchten Allgemeinheit ins Auge zu fassen (BPatG in MittdtschPatAnw 1999, 67-68 -Elektronische Hochgeschwindigkeitskamera).

3.

Nachdem sich die Patentansprüche 1 nach Hauptantrag wie auch nach den Hilfsanträgen 1 und 2 als nicht rechtsbeständig erwiesen haben, ist das Patent zu widerrufen (BPatG in GRUR 2008, 626 -639 -Durchbruchsspannung, m. w. N.; vorausgehend: BGH in GRUR 2007, 862 -Informationsübermittlungsverfahren II; BGH in GRUR 1997, 120 -elektrisches Speicherheizgerät; BGHZ 105, 381 -Verschlussvorrichtung für Gießpfannen).

4.

Bei dieser Sachlage kann die Frage, inwieweit die Hinzunahme neuer Merkmale in den Anspruchsfassungen gemäß den Hilfsanträgen 1 und 2 durch die ursprüngliche Offenbarung gedeckt ist, dahingestellt bleiben. Ebenso kann dahinstehen, ob die Entgegenhaltung D21 dem Stand der Technik zuzurechnen ist.

Dr. Mayer Dr. Hartung Werner Gottstein Pr






BPatG:
Beschluss v. 18.03.2009
Az: 20 W (pat) 349/04


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