Bundespatentgericht:
Beschluss vom 26. Mai 2004
Aktenzeichen: 29 W (pat) 135/02

(BPatG: Beschluss v. 26.05.2004, Az.: 29 W (pat) 135/02)

Tenor

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

Die Wortmarkestudio livesoll für die Waren und Dienstleistungen Publikationen im Internet und anderen elektronischen Medien, Rundfunk- und Fernsehsendungen; Druckereierzeugnisse; Telekommunikationin das Markenregister eingetragen werden.

Die Markenstelle für Klasse 38 des Deutschen Patent- und Markenamts hat die Anmeldung mit Beschluss vom 15. Mai 2002 als nicht unterscheidungskräftige Angabe zurückgewiesen. Die angemeldete Bezeichnung "studio live" bezeichne in verkürzter Form Liveaufnahmen bzw. -sendungen in oder aus einem Studio, vorwiegend im Sinne einer Produktionsstätte für Rundfunk- oder Fernsehsendungen, CDs usw. und werde im inländischen Verkehr in diesem Sinne bereits gebraucht. "Studio Live" sei dem Verkehr ohne weiteres im Sinne von "Studio-Live-Aufnahmen" verständlich. Diese Bedeutung beschreibe die Erbringungsart der beanspruchten "Publikationen im Internet und anderen elektronischen Medien". Bei verschiedenen Nachrichtendiensten könnten aktuelle Informationen per "Telekommunikation" abgerufen werden, die live aus einem Studio stammen könnten. Hinsichtlich der "Druckereierzeugnisse" ergebe sich ein hinreichender Sachbezug dadurch, dass sich diese thematisch mit Aufnahmen in der Technik "studio live" befassten.

Mit ihrer hiergegen gerichteten Beschwerde trägt die Anmelderin vor, dass die von der Markenstelle angeführten zwei Internet-Fundstellen nicht ausreichten, um die allgemeine Bekanntheit eines Begriffs bei den angesprochenen Verkehrskreisen und deren Verständnis der angemeldeten Wortfolge im Sinne von "Studio-Live-Aufnahmen" zu belegen. Der Begriff sei lexikalisch nicht nachweisbar. Des weiteren habe "Studio" verschiedene Bedeutungen, die sich jeweils auf einen Raum bezögen, und das Adjektiv "live" sei in Bezug auf ein Studio fantasievoll. Dies gelte selbst für "Rundfunk- und Fernsehsendungen" und erst recht für die übrigen Waren und Dienstleistungen, bei denen ein beschreibender Gehalt der Wortfolge "studio live" fehle. Außerdem sei in den hier beanspruchten Klassen eine Reihe ähnlich gebildeter Marken eingetragen worden.

Die Anmelderin beantragt, den angefochtenen Beschluss aufzuheben.

Der Senat hat der Anmelderin umfangreiches Recherchematerial zu "studio live" übersandt, zu dem sie sich aber nicht geäußert hat.

II.

Die zulässige Beschwerde ist unbegründet, denn der Beschluß der Markenstelle ist rechtmäßig. Der Wortfolge "studio live" fehlt für die beanspruchten Waren und Dienstleistungen die Unterscheidungskraft nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG.

Unterscheidungskraft im Sinne dieser Vorschrift ist die einer Marke innewohnende konkrete Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel für die von der Marke erfassten Waren oder Dienstleistungen eines Unternehmens gegenüber solchen anderer Unternehmen aufgefasst zu werden (st. Rspr.; vgl. BGH GRUR 2003, 1050 - Cityservice; BGH GRUR 2001, 1153, 1154 - antiKALK). Kann einem Zeichen ein für die in Frage stehenden Waren und Dienstleistungen im Vordergrund stehender beschreibender Begriffsinhalt zugeordnet werden oder handelt es sich auch sonst um eine verständliche Wortfolge der deutschen oder einer geläufigen Fremdsprache, die vom Verkehr - etwa auch wegen einer entsprechenden Verwendung in der Werbung - stets nur als solche und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden wird, so fehlt ihm die Unterscheidungskraft (BGH GRUR 2001, 1153 - antiKALK; BGH WRP 2001, 1082, 1083 - marktfrisch; BGH GRUR 2001, 1043 - Gute Zeiten - Schlechte Zeiten; BGH GRUR 2001 1042 - REICH UND SCHOEN; BGH BlfPMZ 2001, 398 - LOOK). Nach diesen Grundsätzen verfügt die Wortfolge nicht über die erforderliche Unterscheidungskraft.

Das angemeldete Zeichen besteht aus den englischen Wörtern "studio" und "live", wobei das Wort "studio" im Englischen und im Deutschen dieselbe Bedeutung hat, nämlich "Arbeitsraum für Künstler wie z.B. Fotografen oder Maler" und "Aufnahme-/Senderaum" (vgl. PONS Collins Großwörterbuch, Deutsch/Englisch Englisch/ Deutsch 1999; Wahrig, Deutsches Wörterbuch, 7. Aufl. 2000). "Live" bedeutet im deutschen Sprachgebrauch im Bereich der Medien, insbesondere in Wortverbindungen wie Livesendung, Liveübertragung, Liveshow etc. den Hinweis auf eine Direktübertragung oder -sendung (Wahrig a.a.O.). Wie die Markenstelle zutreffend festgestellt hat, bedeutet das Zeichen "studio live" in seiner maßgeblichen Gesamtheit für die angesprochenen breiten Verkehrskreise daher den - schlagwortartig verkürzten - Hinweis auf Liveaufnahmen bzw. -sendungen aus einem Studio. Aus der Internet-Recherche des Senats ergibt sich, dass die (schlagwortartige) Bezeichnung "studio live" im Internet bereits beschreibend im Sinne von Studio-Live-Aufnahmen, Studio-Live-Sendung oder Studio-Live-Auftritt benutzt wird (vgl. u.a. www.mariahcareyfan.com; www.okbremen.de; www.0711hiphop.com; static.hronline.de; www.amazon.de; www.subwaynet.de). Unter www.bandnet.de wird vom 1.Preis des "Bandnet-Award 2002" berichtet, der aus einem "kompletten Studio-Live-Recording" bestand, in der Musiker die Möglichkeit hatten, live vor Publikum zu spielen und gleichzeitig ihre Darbietung auf einer CD einzuspielen. Da die zu beurteilende Marke ausschließlich im Hinblick auf die Waren und Dienstleistungen zu beurteilen ist, für die sie Schutz begehrt, spielt es keine Rolle, dass das Wort "studio" noch weitere Bedeutungen haben kann, wie dies von der Anmelderin geltend gemacht wurde, z.B. Übungsraum für Tänzer oder abgeschlossene Einzimmerwohnung. Nach der neueren Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs ist ein Zeichen nämlich bereits dann nicht schutzfähig, wenn es in einer seiner möglichen Bedeutungen Merkmale der beanspruchten Waren oder Dienstleistungen beschreibt (vgl. EuGH, MarkenR 2004, 450 ff - DOUBLEMINT).

Die Unterscheidungskraft fehlt auch für "Publikationen im Internet und anderen elektronischen Medien". Welches Medium (Radio, Fernsehen, Internet o.ä.) letzten Endes zur Verbreitung der Inhalte herangezogen wird, ist insoweit unerheblich, zumal es mittlerweile üblich ist, Inhalte im Internet per Video- bzw. Audio-Streaming live aus einem Studio zu verbreiten. In diesem Sinn beschreibt das Zeichen auch die Dienstleistung "Telekommunikation". Zu denken ist neben dem Angebot im Internet in diesem Zusammenhang insbesondere an die neue UMTS-Telekommunikationstechnik, die es gestattet, Inhalte aus einem Studio als Direktsendung und damit "studio live" per Telekommunikation auf entsprechende UMTS-Mobiltelefone zu übertragen.

Für die Ware "Druckereierzeugnisse" der Klasse 16 weist die angemeldete Marke ebenfalls nicht die notwendige Unterscheidungskraft auf, da sie eine inhaltliche Beschreibung enthält (vgl. BGH GRUR 2001, 1043 - Gute Zeiten - Schlechte Zeiten). Entgegen der Auffassung der Anmelderin kann nicht auf die geringeren Anforderungen an Werktitel abgestellt werden. Für den Titelschutz genügt es, dass der Titel eines Werks geeignet ist, es von anderen Werken zu unterscheiden. Um als Herkunftshinweis und damit als Marke zu dienen, muss der Titel darüber hinaus noch geeignet sein, ein Werk als aus einem bestimmten Geschäftsbetrieb stammend zu kennzeichnen (vgl. BGH GRUR 1988, 211, 212 "Wie hammas denn€"). Dies ist hier nicht der Fall. Vielmehr weist die Bezeichnung "studio live" bei einem Druckereierzeugnis darauf hin, dass es sich thematisch mit der Aufnahmetechnik bei Studio-Live-Aufnahmen befasst oder es bezeichnet ein Musikmagazin, in dem über Tonträger mit Studio- bzw. Liveaufnahmen von Musikern berichtet wird.

Dass die konkret angemeldete Wortzusammensetzung lexikalisch nicht nachweisbar ist, spielt dabei entgegen der Auffassung der Anmelderin keine Rolle, weil das Verständnis einer neuen Wortverbindung nicht davon abhängt, dass sie in einem Wörterbuch verzeichnet ist (vgl. EuGH MarkenR 2004, 111 - BIOMILD; BGH WRP 2002, 982, 984 - FRÜHSTÜCKS-DRINK I). Maßgeblich ist allein, ob sie das Publikum - wie im vorliegenden Fall - als sachbeschreibenden Hinweis versteht. Auch auf bestehende Voreintragungen von Marken mit möglicherweise rein beschreibendem Gehalt kann sich die Anmelderin nicht mit Erfolg berufen. Abgesehen davon, dass es sich bei den von ihr aufgeführten um andere Kombinationen handelt, begründeten eventuell rechtsfehlerhaft vorgenommene Eintragungen weder nach dem Gleichheitssatz noch nach anderen Rechtsgrundsätzen einen Anspruch auf eine gleiche rechtliche Beurteilung der Schutzfähigkeit (BGH GRUR 1997, 527 ff - Autofelge).

Grabrucker Baumgärtner Fink Pü






BPatG:
Beschluss v. 26.05.2004
Az: 29 W (pat) 135/02


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