Finanzgericht Berlin-Brandenburg:
Beschluss vom 30. August 2011
Aktenzeichen: 7 V 7182/11

(FG Berlin-Brandenburg: Beschluss v. 30.08.2011, Az.: 7 V 7182/11)

Tenor

Die Vollziehung der Umsatzsteuerbescheide 2000 und 2001 vom 20.02.2006 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 16.08.2010 wird mit Wirkung vom Fälligkeitstag bis zum Ablauf eines Monats nach Ergehen einer Entscheidung in dem Verfahren 7 K 7273/10 oder dessen sonstiger Erledigung in Höhe von 310,83 € für die Umsatzsteuer 2000 und in Höhe von 399,81 € für die Umsatzsteuer 2001 ausgesetzt.

Im Übrigen wird der Antrag zurückgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens werden der Antragstellerin zu 85 % und dem Antragsgegner zu 15 % auferlegt.

Die Beschwerde zum Bundesfinanzhof wird zugelassen.

Tatbestand

I. Die Antragstellerin ist diplomierte Grafikdesignerin und erzielte jedenfalls seit 1996 Umsätze aus einer selbständigen Designertätigkeit. Der Schwerpunkt ihrer Tätigkeit lag in den Streitjahren in der Konzeption von Ausstellungen, insbesondere für Museen und andere Kulturinstitutionen. Daneben machte sie auch Entwürfe für Druckwerke, insbesondere im Zusammenhang mit den von ihr konzipierten Ausstellungen. Bei den von der Antragstellerin konzipierten Ausstellungen überwachte sie in der Regel auch den Aufbau. Wegen der weiteren Einzelheiten nimmt das Gericht auf die Darstellung der Antragstellerin im Schriftsatz vom 12.11.2010 im Verfahren 7 K 7273/10 (Bl. 17 bis 22 der dortigen Gerichtsakte) sowie die diesem Schriftsatz als Anlagen beigefügten schriftlichen Unterlagen (Bl. 38 bis 74 der Gerichtsakte 7 K 7273/10) Bezug.

Die Antragstellerin wies in ihren Rechnungen € abgesehen von unbedeutenden Ausnahmen € entweder keine Umsatzsteuer oder Umsatzsteuer zum Steuersatz von 7 % aus. Davon ausgehend erklärte sie auch in ihren am 01.07.2003 beim Finanzamt C€ eingegangenen Umsatzsteuererklärungen für die Streitjahre ganz überwiegend Umsätze zum ermäßigten Steuersatz.

Am 18.10.2003 bis 22.02.2004 führte das Finanzamt D€ im Auftrag des Finanzamts C€ bei der Antragstellerin eine Umsatzsteuer-Sonderprüfung für den Zeitraum Oktober 2002 bis August 2003 durch. Im Verlaufe dieser Prüfung gelangte die Prüferin zu der Auffassung, dass die von der Antragstellerin erzielten Umsätze dem Regelsteuersatz zu unterwerfen seien.

Daran anknüpfend erließ das Finanzamt C€ am 25.05.2004 erstmalige Umsatzsteuerbescheide 2000 und 2001, mit denen es die von der Antragstellerin erklärten Umsätze dem vollen Steuersatz unterwarf.

Dagegen legte die Antragstellerin am 28.05.2004 Einspruch ein. Während des Einspruchsverfahrens führte das Finanzamt D€ im Auftrag des Finanzamts C€ vom 28.09.2004 bis 10.01.2005 eine weitere Umsatzsteuer-Sonderprüfung, nunmehr für den Zeitraum vom 01.01.2000 bis 30.09.2002, bei der Antragstellerin durch. Wiederum gelangte die Prüferin zu der Auffassung, dass sämtliche von der Antragstellerin erzielten Umsätze dem Regelsteuersatz unterlägen. Ferner ermittelte sie weitere, bisher nicht erklärte Umsätze.

Davon ausgehend erließ das Finanzamt C€am 20.02.2006 nach § 164 Abs. 2 Abgabenordnung € AO € geänderte Umsatzsteuerbescheide 2000 und 2001, mit denen es die Umsatzsteuer auf 2.359,61 € für 2000 und auf 3.189,44 € für 2001 festsetzte.

Im Rahmen der weiteren Bearbeitung des Einspruchsverfahrens gelangte der Beklagte zu der Auffassung, dass die Antragstellerin, soweit sie Flyer, Plakate oder Eintrittskarten entworfen habe, die in keinem Zusammenhang mit Ausstellungen oder sonstigen Werkverträgen stünden, Umsätze zum ermäßigten Steuersatz in Höhe von 1.200,- DM in 2000 und 7.544,- DM in 2001 erzielt habe. Im Übrigen sah er die Einsprüche als unbegründet an. Davon ausgehend setzte er mit Einspruchsentscheidung vom 16.08.2010 die Umsatzsteuer 2000 auf 2.312,06 € und die Umsatzsteuer 2001 auf 2.890,33 € fest und wies die Einsprüche im Übrigen als unbegründet zurück.

Darauf hat die Antragstellerin am 16.09.2010 Klage erhoben, die unter dem Aktenzeichen 7 K 7273/10 beim erkennenden Senat anhängig ist. Einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung lehnte der Antragsgegner mit Verfügung vom 03.12.2010 ab, worauf die Antragstellerin am 17.06.2011 bei Gericht einen Antrag nach § 69 Abs. 3 Finanzgerichtsordnung € FGO € gestellt hat.

Die Antragstellerin macht geltend, die von ihr konzipierten Ausstellungen und von ihr entworfene Druckwerke genössen nach § 2 Abs. 1 Nr. 1, 4 und 5 Urheberrechtsgesetz € UrhG € urheberrechtlichen Schutz. Ihren Auftraggebern habe sie ausdrücklich oder konkludent Verwertungsrechte nach §§ 16 bis 19 a UrhG eingeräumt. Denn ihre Auftraggeber hätten jeweils die von ihr geschaffenen Werke einer unbestimmten Öffentlichkeit, nämlich den Ausstellungsbesuchern, den Lesern der Flyer und Broschüren, den Betrachtern der Plakate und den Käufern der Kataloge zur Verfügung stellen wollen. Sie habe nicht nur das Recht eingeräumt, die jeweils geschaffenen Werke selbst zu nutzen, sondern auch die uneingeschränkte Nutzung durch Dritte erlaubt.

Die Antragstellerin beantragt, die Vollziehung der Umsatzsteuerbescheide 2000 und 2001 vom 20.02.2006 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 16.08.2010 auszusetzen.

Der Antragsgegner beantragt, den Antrag zurückzuweisen.

Er hält den Antrag für unzulässig, weil es nach der Abgabe des Steuerkontos an den Vertreter des Antragsgegners dessen Sache sei, die Vollziehung auszusetzen.

Jedenfalls sei der Antrag unbegründet, da die Antragstellerin ihren Auftraggebern nicht das Recht zur Verwertung ihrer Werke nach dem Urheberrechtsgesetz eingeräumt habe. Nach den vorliegenden Unterlagen habe der wirtschaftliche Wille beider Vertragsparteien nicht in der Übertragung von urheberrechtlichen Nutzungsrechten, sondern in dem einwandfreien Ablauf und der Präsentation der Ausstellung/Gesamtkonzeption gelegen. Jedenfalls sei die Übertragung von urheberrechtlichen Nutzungsrechten nicht der Schwerpunkt des umsatzsteuerbaren Vorgangs gewesen. Daran fehle es im Streitfall, da die Antragstellerin auftragsgemäß Leistungen erbracht habe, die im Wesentlichen in planerischen und handwerklichen Umsetzungen bestanden hätten.

Dem Gericht haben die Gerichtsakte des Verfahrens 7 K 7273/10 sowie zwei Bände Umsatzsteuerakten und ein Band Umsatzsteuer-Sonderprüfungsakten vorgelegen, die vom Vertreter des Antragsgegners unter der Steuernummer € geführt werden.

Gründe

II. Der Antrag ist zulässig.

Insbesondere hat die Antragstellerin sich gegen den richtigen Antragsgegner gewandt. Denn sie hat sich zu Recht gegen den Beklagten im Hauptsacheverfahren 7 K 7273/10 gewandt. Das Finanzamt A€ hat die dort angefochtene Einspruchsentscheidung erlassen, so dass die Antragstellerin die Klage zu Recht gegen dieses Finanzamt gerichtet hat (§ 63 Abs. 2 Nr. 1 FGO). Ein nach Klageerhebung erfolgter Zuständigkeitswechsel im Rahmen der Verwaltungszuständigkeit führt nicht dazu, dass die Steuerpflichtige einen Antrag nach § 69 Abs. 3 FGO gegen das nunmehr im Verwaltungsverfahren zuständige Finanzamt richten müsste (Bundesfinanzhof € BFH €, Beschlüsse vom 25.04.1985 IV S 10/84, BFH/NV 1986, 665; vom 25.01.2005 I S 8/04, BFH/NV 2005, 1109). Vielmehr kann oder muss der Antrag gegen den Beklagten des Hauptsacheverfahrens gerichtet werden.

Der Antrag ist nur teilweise begründet.

Es bestehen nur im tenorierten Umfang im Sinne des § 69 Abs. 3 und 2 FGO ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Bescheide. Ernstliche Zweifel in diesem Sinne sind anzunehmen, wenn bei summarischer Prüfung des angefochtenen Verwaltungsakts im Aussetzungsverfahren neben den für die Rechtmäßigkeit sprechenden Gründen gewichtige, gegen sie sprechende Umstände zu Tage treten, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung der entscheidungserheblichen Rechtsfragen bewirken oder Unklarheiten in der Beurteilung der Tatfragen aufwerfen (vgl. die ständige Rechtsprechung des BFH seit dem Beschluss vom 10.02.1967 III B 9/66, Sammlung der Entscheidungen des BFH € BFHE € 87, 447, Bundesteuerblatt € BStBl. € III 1967, 182; aus jüngerer Zeit: BFH, Beschluss vom 12.04.2011 XI B 27/11, BFH/NV 2011, 1374).

Im Streitfall kommt in Betracht, dass die Antragstellerin entsprechend dem tenorierten Umfang weitere Leistungen gegenüber ihren Auftraggebern erbracht hat, die dem ermäßigten Steuersatz nach § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchstabe c Umsatzsteuergesetz € UStG - unterlagen. Danach ermäßigt sich die Steuer auf 7 vom Hundert der Bemessungsgrundlage für Umsätze aus der Einräumung, Übertragung und Wahrnehmung von Rechten, die sich aus dem Urheberrechtsgesetz ergeben. Diese Vorschrift geht zurück auf Anhang H der 6. Richtlinie des Rates vom 17.05.1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG - 6. EG Richtlinie €. Danach können die Mitgliedstaaten u. a. bezogen auf Werke bzw. Darbietungen von Schriftstellern, Komponisten und ausübenden Künstlern sowie deren Urheberrechte die Anwendung eines ermäßigten Umsatzsteuersatzes anordnen. Es ist zwar nicht frei von Zweifeln, ob § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchstabe c UStG in vollem Umfang von dieser Richtlinienvorschrift gedeckt ist, jedoch kann sich die Antragstellerin auf das für sie günstigere nationale Recht berufen (vgl. z. B. BFH, Urteil vom 25.11.2004 V R 25/04, V R 26/04, BFHE 208, 479, BStBl. II 2005, 419 unter II. 5. c).

Zu den vom Urheberrechtsgesetz geschützten Werken gehören nach § 2 Abs. 1 Nr. 4 UrhG die Werke der bildenden Künste einschließlich der Werke der angewandten Kunst und der Entwürfe solcher Werke. Dabei muss es sich nach § 2 Abs. 2 UrhG um persönliche, geistige Schöpfungen handeln. Es ist anerkannt, dass auch Werke der Gebrauchsgrafik Urheberrechtsschutz genießen können, wenn sie eine gewissen Gestaltungshöhe erreichen (Bullinger in Wandtke/Bullinger, Urheberrecht, 3. Auflage 2009, § 2 Rz. 102).

Danach können die von der Antragstellerin entworfenen Ausstellungspräsentationen, Broschüren, Umschläge usw. Urheberrechtsschutz genießen. Dem scheint auch der Antragsgegner dem Grunde nach zuzustimmen, da er für einen Teil der von der Antragstellerin erzielten Umsätze den ermäßigten Steuersatz nach § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchstabe c UStG gewährt hat. Ferner hat die Antragstellerin mit Schriftsatz vom 07.03.2006 Referenzen eines Teils ihrer Auftraggeber eingereicht, in denen u. a. die Kreativität und die schöpferische Ausdruckskraft ihrer Arbeiten hervorgehoben werden. Schließlich hat sich die Antragstellerin mit intellektuell anspruchsvollen historischen und politischen Themen beschäftigt, die nahelegen, dass sich ihre Werke von alltäglicher Gebrauchsgrafik abheben. Jedenfalls hat der Antragsgegner dem Vortrag der Antragstellerin, dass ihre Werke grundsätzlich Urheberrechtsschutz genießen, nicht oder jedenfalls nicht substantiiert widersprochen.

Der Antragstellerin als Urheberin stehen grundsätzlich die nach §§ 15 ff. UrhG näher beschriebenen Verwertungsrechte zu. Die Einräumung von solchen Verwertungsrechten als Nutzungsrechten vom Urheberrecht (§ 31 UrhG) an Dritte ist nach § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchstabe c UStG umsatzsteuerlich begünstigt. Diese Übertragung von Nutzungsrechten kann auch konkludent erfolgen (Wandtke/Grunert in Wandtke/Bullinger, Urheberrecht, 3. Auflage 2009, vor §§ 31 ff. RdNr. 45).

Im Streitfall kommt am ehesten in Betracht, dass die Antragstellerin, soweit es die von ihr konzipierten Ausstellungen anbelangt, ihren Auftraggebern das Ausstellungsrecht nach § 18 UrhG zur Nutzung überlassen hat. Das Vervielfältigungsrecht gemäß § 16 UrhG ist nicht berührt, da die Ausstellungen nicht in vielfachen Kopien an verschiedenen Orten gezeigt wurden. Vielmehr wurde ausgehend von den Entwürfen der Antragstellerin lediglich ein Exemplar, gewissermaßen das Original, erstellt. Auch das Verbreitungsrecht im Sinne des § 17 UrhG ist nicht berührt, weil die Ausstellungen nicht Dritten zum Ankauf angeboten wurden. Es handelt sich auch nicht um eine Vermietung, da der jeweilige Ausstellungsbetreiber die Verfügungsmacht an den Ausstellungsstücken behält. Allerdings bedurfte es zur Zurschaustellung der von der Antragstellerin konzipierten Ausstellungen des Ausstellungsrechtes im Sinne des § 18 UrhG. Dieses war jedoch nach § 44 Abs. 2 UrhG mit dem Eigentum an den Ausstellungsobjekten verbunden. Daher hat die Antragstellerin ihren Auftraggebern mit der Überlassung der Ausstellung auch das Ausstellungsrecht überlassen.

Umsatzsteuerlich wurden dadurch keine Umsätze im Sinne des § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchstabe c UStG bewirkt. Denn nach ständiger Rechtsprechung des BFH setzt die Steuerermäßigung nach § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchstabe c UStG voraus, dass der Rechtsinhaber dem Leistungsempfänger nach dem wirtschaftlichen Gehalt des Umsatzes das Recht zur Verwertung des Werks gemäß den Bestimmungen des Urheberrechtsgesetzes einräumt und nicht nur die bestimmungsgemäße Benutzung gestattet. Die Einräumung oder Übertragung der urheberrechtlichen Nutzungsrechte muss Hauptbestandteil der einheitlichen Gesamtleistung sein. Ob das der Fall ist, bestimmt sich im Wesentlichen nach dem Inhalt der Vereinbarungen und im Zusammenhang damit, wofür die Gegenleistung erbracht wird. Deshalb reicht es nicht aus, wenn im Rahmen eines Umsatzes auch Rechte nach dem Urheberrechtsgesetz übertragen werden, wenn dies nicht der Schwerpunkt des umsatzsteuerbaren Vorgangs ist (BFH, Urteile vom 27.09.2001 V R 14/01, BFHE 196, 357, BStBl. II 2001, 114; vom 25.11.2004 V R 4/04, BFHE 208, 470, BStBl. II 2005, 415; vom 21.10.2009 V R 8/08, BFH/NV 2010 476).

Im Streitfall liegt der Schwerpunkt der Leistungen der Antragstellerin darin, dass sie ausgehend von den thematischen Vorgaben der Auftraggeber, vielfach unter Benutzung der vorhandenen oder vorgesehenen Ausstellungstücke und unter Berücksichtigung der räumlichen Gegebenheiten, eine Ausstellung konzipiert und den Auftraggebern darauf Zugriff verschafft. Dabei ist es unerheblich, ob und ggf. inwieweit die Antragstellerin selbst die dafür erforderlichen Materialien beschafft oder ob dies die Auftraggeber tun. Im letztgenannten Fall handelt es sich um einen Fall der Materialgestellung oder €beistellung (zur Begrifflichkeit vergleiche Herbert in Hartmann/Metzenmacher, UStG, E § 3 Abs. 4 Tz. 13). Unter diesen Umständen liegt der Schwerpunkt der Dienstleistung der Antragstellerin in der Gestaltung der Ausstellung nach den Vorgaben ihrer Auftraggeber. Demgegenüber stellt sich das nach § 44 Abs. 2 UrhG mit dem Eigentum regelmäßig verbundene Ausstellungsrecht als Nebenleistung dar. Die Situation der Antragstellerin ist vergleichbar einem Architekten, der einem Bauherrn Baupläne überlässt. Denn auch Architekten können Urheberrechte an den von ihnen geschaffenen Bauwerken erwerben (vgl. Bullinger in Wandtke/Bullinger, Urheberrecht, 3. Auflagen 2009, § 2 Rz. 108 ff.). Gleichwohl wird € soweit ersichtlich € nicht vertreten, dass Architekten im Rahmen der Bauplanung Leistungen i. S. des § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. c UStG erbringen.

Abweichendes gilt, soweit die Antragstellerin Entwürfe für Druckwerke erstellt hat, also für Kataloge, Broschüren, Plakate oder Einladungen. Die entsprechenden Aufträge zielten € ohne dass dies besonders in einer Vereinbarung zum Ausdruck gebracht werden musste € darauf hin, die entsprechenden Entwürfe durch Drucklegung und anschließenden Vertrieb oder anschließenden Versand im Sinne der §§ 16, 17 UrhG zu vervielfältigen und zu verbreiten. Daher hat die Antragstellerin ihren Auftraggebern entsprechende Nutzungsrechte konkludent eingeräumt. Diese Nutzungsrechte sind auch € wie sich aus § 44 Abs. 1 UrhG ergibt € nicht bloßer Annex zum Eigentumsrecht. Dementsprechend sieht auch der BFH die Einräumung des Verbreitungsrechts als wesentlichen Gegenstand der Leistungsbeziehung an, wenn der Erwerber einer Software diese zwar selbst nutzt, jedoch auch an Dritte weiter vertreibt (BFH, Urteil vom 25.11.2004 V R 4/04, BFHE 208, 470, BStBl. II 2005, 415). Auch der Antragsgegner hat der Antragstellerin bereits für einige Entwürfe für Druckwerke die Besteuerung nach dem ermäßigten Steuersatz eingeräumt.

Es begegnet ernstlichen Zweifeln, dass der Antragsgegner zu Recht darauf abgestellt hat, ob die Entwurfsleistungen im Zusammenhang mit Ausstellungsprojekten bestanden, für die die Antragstellerin die Ausstellungskonzeption übernommen hatte. Es erscheint zweifelhaft, dass allein dieser Umstand dazu führt, dass es sich bei den Entwurfsleistungen für Druckwerke um Teile einer einheitlichen Leistung zusammen mit der Konzeption der Ausstellung handelt.

Nach ständiger Rechtsprechung des BFH im Anschluss an die Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union ist jeder Umsatz in der Regel als eigene, selbstständige Leistung zu betrachten. Allerdings darf eine wirtschaftlich einheitliche Dienstleistung im Interesse eines funktionierenden Mehrwertsteuersystems nicht künstlich aufgespalten werden. Deshalb ist das Wesen des fraglichen Umsatzes zu ermitteln, um festzustellen, ob der Steuerpflichtige dem Verbraucher mehrere selbständige Leistungen oder eine einheitliche Leistung erbringt, wobei auf die Sicht des Durchschnittsverbrauchers abzustellen ist. Eine einheitliche Leistung liegt danach insbesondere dann vor, wenn ein oder mehrere Teile die Hauptleistung, ein oder mehrere andere Teile dagegen Nebenleistung sind, die das steuerliche Schicksal der Hauptleistung teilen. Eine Leistung ist als Nebenleistung zu einer Hauptleistung anzusehen, wenn sie für den Leistungsempfänger keinen eigenen Zweck erfüllt, sondern das Mittel darstellt, um die Hauptleistung des Leistenden unter optimalen Bedingungen in Anspruch zu nehmen. Das gleiche gilt, wenn der Steuerpflichtige für den Verbraucher zwei oder mehr Handlungen vornimmt oder Elemente liefert, die so eng miteinander verbunden sind, dass sie objektiv eine einzige untrennbare wirtschaftliche Leistung bilden, deren Aufspaltung wirklichkeitsfremd wäre (BFH, Urteile vom 21.10.2009 V R 8/08, BFH/NV 2010, 476; vom 02.03.2011 XI R 25/09, Der Betrieb € DB € 2011, 1556 m. w. N.). Die Vereinbarung eines Gesamtpreises und das Vorliegen einer einheitlichen Vertragsgrundlage haben zwar keine entscheidende Bedeutung, sprechen jedoch für das Vorliegen einer einheitlichen Leistung (BFH, Urteil vom 02.03.2011 XI R 25/09, DB 2011, 1556).

Im Streitfall war der wirtschaftliche Schwerpunkt der Leistungen der Antragstellerin im Zusammenhang mit der Konzeption von Ausstellungen die Umsetzung thematischer Aussagen in bildhafte Darstellungen. In diesem Zusammenhang kommt zwar dem Verkauf von Katalogen unterstützende Funktion zu, weil sie das Verständnis der Ausstellung vertiefen, doch werden Ausstellungskataloge durchaus auch außerhalb der Ausstellungen gekauft und gelesen. Daher dienten die Entwürfe für die Kataloge nicht nur dazu, es dem Auftraggeber zu ermöglichen die Entwurfsleistung für die Ausstellung unter optimalen Bedingungen in Anspruch zu nehmen. Gleiches gilt für die Zurschaustellung von Plakaten und die Versendung von Einladungen. Diese sollen Publikum für die Ausstellungen mobilisieren, was jedoch etwas anderes als die bildhafte Umsetzung von inhaltlichen Aussagen darstellt. Es erscheint auch nicht zwingend, dass die Ausstellung und die Druckwerke aus der gleichen künstlerischen Hand kommen. Schließlich beruhen die Druckentwürfe nach Aktenlage nicht auf einheitlichen Vertragsgrundlagen zusammen mit den Aufträgen für die Ausstellungskonzeptionen. Es wurde auch kein Gesamtpreis ausgewiesen. Dadurch unterscheidet sich der Streitfall von dem, der dem Urteil des BFH vom 17.4.2008 V R 39/05 (BFH/NV 2008, 1712) zugrunde lag. Daher handelt es sich auch nicht aus der Sicht des Durchschnittsverbrauchers um einheitliche Leistungen zusammen mit den Ausstellungskonzeptionen.

Ausgehend davon geht das Gericht für Zwecke der Aussetzung der Vollziehung vom ermäßigten Steuersatz für folgende Umsätze aus (Nummerierung entsprechend den Anlagen zur Einspruchsentscheidung):

2000 Nr. 5 1.000,- DMNr. 101.284,- DMNr. 112.100,- DMSumme:8.384,- DM ./. 1,16 = 7.227,59 DM entspricht Umsatzsteuerminderung von 1.156,41 DM8.384,- DM ./.1,07 = 7.835,51 DM entspricht Umsatzsteuererhöhung von 548,89 DMSaldo:Umsatzsteuerminderung von 607,93 DM = 310,83 €2001 Nr. 3 1.500,- DMNr. 5 1.284,- DMNr. 10 5.000,- DMNr. 12 1.000,- DMNr. 14 2.000,- DMSumme:10.784,- DM./. 1,16= 9.296,55 DM entspricht Umsatzsteuerminderung von 1.487,45 DM10.784,- DM ./.1,07= 10.078,50 DM entspricht Umsatzsteuererhöhung von 705,50 DMSaldo:Umsatzsteuerminderung von 781,95 DM = 399,81 €Die Kostenentscheidung folgt aus § 136 Abs. 1 FGO.

Das Gericht hat die Beschwerde gemäß § 128 Abs. 3 FGO i. V. m. §§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zugelassen, da es zwar einerseits davon ausgeht, dass die für die Entscheidung maßgeblichen Rechtsfragen durch die höchstrichterliche Rechtsprechung geklärt sind, jedoch andererseits berücksichtigt, dass es bisher keinerlei veröffentlichte Rechtsprechung zur Umsatzsteuerung von Grafikdesignern gibt.






FG Berlin-Brandenburg:
Beschluss v. 30.08.2011
Az: 7 V 7182/11


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