Bundespatentgericht:
Beschluss vom 10. April 2008
Aktenzeichen: 6 W (pat) 306/05
(BPatG: Beschluss v. 10.04.2008, Az.: 6 W (pat) 306/05)
Tenor
Das Patent 195 80 719 wird mit folgenden Unterlagen beschränkt aufrechterhalten:
- Patentansprüche 1 bis 6 sowie - Beschreibung S. 1 bis 3b, jeweils eingereicht in der mündlichen Verhandlung,
- Beschreibung im Übrigen wie Patentschrift Absätze 19 bis 83,
- Zeichnungen Fig. 1 bis 6 gemäß Patentschrift.
Gründe
I.
Gegen das am 4. November 2004 veröffentlichte Patent 195 80 719 mit der Bezeichnung "Einteiliger Deckel für einen Kupplungsmechanismus und Kupplungsmechanismus mit einem solchen Deckel" ist am 4. Februar 2005 Einspruch erhoben worden. Der Einspruch ist mit Gründen versehen und auf die Behauptung gestützt, der Gegenstand des erteilten Anspruchs 1 sei nicht neu, beruhe zumindest aber nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.
In der Einspruchsbegründung verweist die Einsprechende neben der bereits im Prüfungsverfahren vor dem Deutschen Patent- und Markenamt berücksichtigten Druckschrift US 46 55 334 noch auf zwei eigene Zeichnungen mit den Nummern 37 3482 078 001 (D1) und 32 3482 081 001 (D2).
Die Einsprechende beantragt, das angegriffene Patent zu widerrufen.
Die Patentinhaberin beantragt, das angegriffene Patent mit folgenden Unterlagen beschränkt aufrecht zu erhalten:
- neue Patentansprüche 1 bis 6,
- neue Beschreibung S. 1 bis 3b, jeweils eingereicht in der mündlichen Verhandlung,
- Beschreibung im Übrigen wie Patentschrift Absätze 19 bis 83,
- Zeichnungen Fig. 1 bis 6 gemäß Patentschrift.
Sie ist der Auffassung, dass der Gegenstand des geltenden Anspruchs 1 sowohl neu als auch erfinderisch sei.
Der geltende Anspruch 1 lautet:
"Einteiliger Deckel, insbesondere für Kraftfahrzeuge, der an seinem Außenumfang eine Aufeinanderfolge von radialen Anschlussflächen (7) für die Anbringung an einer Druckplatte (4) und von Befestigungsbereichen (8) für die Anbringung an einer Schwungscheibe (1) aufweist, wobei jeder Befestigungsbereich (8) einen axial ausgerichteten Verstrebungsbereich (81, 82) gegenüber einer radialen Auflagefläche (91) umfasst, die eine Mehrzahl von Durchgangslöchern (92) für Befestigungsorgane (10) aufweist, wobei jeder Verstrebungsbereich (81, 82) eine Aufeinanderfolge von inneren Versteifungsrippen (82) und äußeren Versteifungsrippen (81) enthält, und wobei die radialen Anschlussflächen (7) umfangsmäßig durch innere Versteifungsrippen (82) begrenzt sind, die eine Anschlussfläche (7) mit den benachbarten äußeren Versteifungsrippen (81) verbinden, dadurch gekennzeichnet, dass die inneren Versteifungsrippen (82) in axialer Richtung von ihrem freien Ende zur radialen Auflagefläche (91) der Verstrebungsbereiche (81, 82) geneigt sind, und dass die Durchgangslöcher (92) einer radialen Auflagefläche (91) voneinander durch die geneigten inneren Versteifungsrippen (82) derart abgegrenzt sind, dass der Boden der inneren Versteifungsrippen (82) so weit radial nach innen versetzt ist, dass die Außenseite der inneren Versteifungsrippen (82) im Bereich der radialen Auflagefläche (91) radial innerhalb der Durchgangslöcher (92) liegt."
Wegen der auf den Anspruch 1 rückbezogenen Unteransprüche 2 bis 5 und des nebengeordneten Anspruchs 6 sowie wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Akteninhalt verwiesen.
Im Prüfungsverfahren vor dem Deutschen Patent- und Markenamt sind noch folgende Druckschriften berücksichtigt worden:
DE 691 00 418 T2 GB 21 97 918 A US 45 93 803 US 43 62 230 US 40 69 905.
II.
1. Das Bundespatentgericht ist für die Entscheidung über den vorliegenden Einspruch nach § 147 Abs. 3 PatG in der bis zum 30. Juni 2006 geltenden Fassung zuständig geworden, weil der Einspruch im in dieser Vorschrift genannten Zeitraum beim Deutschen Patent- und Markenamt eingegangen ist. Gegen die Zuständigkeit des Bundespatentgerichts für das Einspruchsverfahren nach dieser Vorschrift bestehen weder unter dem Aspekt der Rechtsweggarantie (Art. 19 Abs. 4 GG) noch unter dem Gesichtspunkt des Gleichheitssatzes (Art. 3 Abs. 1 GG) verfassungsrechtliche Bedenken (vgl. BGH GRUR 2007, 859, 861 f. - Informationsübermittlungsverfahren I).
Das Bundespatentgericht ist auch nach der ab 1. Juli 2006 in Kraft getretenen Fassung des § 147 Abs. 3 PatG gemäß dem Grundsatz der perpetuatio fori, der u. a. in § 261 Abs. 3 Nr. 2 ZPO seine gesetzliche Ausprägung gefunden hat, zuständig geblieben (vgl. hierzu auch BPatG GRUR 2007, 499 - Rundsteckverbinder; BPatG GRUR 2007, 907 - Gehäuse/perpetuatio fori; BGH GRUR 2007, 862 f. - Informationsübermittlungsverfahren II).
2. Der frist- und formgerecht erhobene Einspruch ist ausreichend substantiiert und auch im Übrigen zulässig.
Dies ist seitens der Patentinhaberin nicht bestritten worden.
3. Der Gegenstand des angefochtenen Patents stellt eine patentfähige Erfindung im Sinne der §§ 1 bis 5 PatG dar.
a. Die geltenden Ansprüche sind zulässig.
Der geltende Anspruch 1 ergibt sich aus dem erteilten Anspruch 1 i. V. m. den Abs. [0060] und [0061] der Patentschrift sowie den Fig. 1, 3 und 4 bzw. dem ursprünglichen Anspruch 1 i. V. m. S. 10, letzter Abs. bis S. 11, Abs. 2 der ursprünglichen Beschreibung sowie den Fig. 1, 3 und 4.
Die geltenden Ansprüche 2 bis 6 ergeben sich aus den erteilten bzw. ursprünglichen Ansprüchen 2 bis 6.
Die Zulässigkeit der Ansprüche ist im Übrigen seitens der Einsprechenden nicht bestritten worden.
b. Der zweifelsfrei gewerblich anwendbare Deckel nach dem geltenden Anspruch 1 ist neu, da keine der genannten Druckschriften sämtliche im Anspruch 1 enthaltenen Merkmale zeigt.
Gemäß dem kennzeichnenden Teil des geltenden Anspruchs 1 sollen u. a. die Durchgangslöcher (92) einer radialen Auflagefläche (91) voneinander durch die geneigten inneren Versteifungsrippen (82) derart abgegrenzt sein, dass der Boden der inneren Versteifungsrippen (82) so weit radial nach innen versetzt ist, dass die Außenseite der inneren Versteifungsrippen (82) im Bereich der radialen Auflagefläche (91) radial innerhalb der Durchgangslöcher (92) liegt.
Eine derartige Ausgestaltung ist im nachgewiesenen Stand der Technik nicht verwirklicht.
In der US 46 55 334 ist zwischen den Durchgangslöchern 36 eine durchgehende Fläche vorgesehen und der Boden der inneren Versteifungsrippen 41 verläuft radial außerhalb der Durchgangslöcher 36 (vgl. Figuren 2 und 5). Die Durchgangslöcher sind somit nicht durch die inneren Versteifungsrippen voneinander abgegrenzt und der Boden der inneren Versteifungsrippen ist auch nicht so weit radial nach innen versetzt, dass die Außenseite der inneren Versteifungsrippen im Bereich der radialen Auflagefläche radial innerhalb der Durchgangslöcher liegt.
Gleiches gilt für die in den beiden von der Einsprechenden eingereichten Zeichnungen dargestellten Deckel. Wie sich insbes. den jeweiligen Draufsichten auf den Deckel in der linken Zeichnungshälfte entnehmen lässt, ist dort ebenfalls zwischen den Durchgangslöchern eine durchgehende Fläche vorgesehen und die Außenseite der inneren Versteifungsrippen verläuft allenfalls durch die Durchgangslöcher, nicht aber radial innerhalb dieser. Somit ist auch dort die nunmehr beanspruchte Ausgestaltung, wonach die Durchgangslöcher einer radialen Auflagefläche voneinander durch die geneigten inneren Versteifungsrippen derart abgegrenzt sind, dass der Boden der inneren Versteifungsrippen so weit radial nach innen versetzt ist, dass die Außenseite der inneren Versteifungsrippen im Bereich der radialen Auflagefläche radial innerhalb der Durchgangslöcher liegt, nicht verwirklicht.
Die Neuheit gegenüber den im Prüfungsverfahren berücksichtigten, seitens der Einsprechenden aber nicht mehr aufgegriffenen Entgegenhaltungen ist ebenfalls gegeben, wie eine kursorische Überprüfung durch den Senat ergeben hat.
c. Der Deckel gemäß dem geltenden Anspruch 1 beruht auf einer erfinderischen Tätigkeit.
Wie bereits beim Neuheitsvergleich ausgeführt, ist zumindest das Merkmal des kennzeichnenden Teils des geltenden Anspruchs 1, wonachdie Durchgangslöcher einer radialen Auflagefläche voneinander durch die geneigten inneren Versteifungsrippen derart abgegrenzt sind, dass der Boden der inneren Versteifungsrippen so weit radial nach innen versetzt ist, dass die Außenseite der inneren Versteifungsrippen im Bereich der radialen Auflagefläche radial innerhalb der Durchgangslöcher liegt, im bekannt gewordenen Stand der Technik nicht verwirklicht. Somit kann selbst eine Zusammenschau den Fachmann nicht zu einem Deckel der nunmehr beanspruchten Ausgestaltung anregen.
Der geltende Anspruch 1 ist somit gewährbar.
e. Gleiches gilt auch für den nebengeordneten Anspruch 6. Denn wenn der Deckel als solcher die Voraussetzungen für eine Patentierung erfüllt, gilt dies in gleichem Maße auch für einen Kupplungsmechanismus, welcher einen derartigen Deckel verwendet.
Der nebengeordnete Anspruch 6 ist somit ebenfalls gewährbar.
f. Zusammen mit dem Anspruch 1 sind auch die auf ihn rückbezogenen Unteransprüche 2 bis 5 gewährbar, da sie nicht platt selbstverständliche Ausgestaltungen des erfindungsgemäßen Deckel betreffen.
Lischke Guth Schneider Ganzenmüller Cl
BPatG:
Beschluss v. 10.04.2008
Az: 6 W (pat) 306/05
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