Bundespatentgericht:
Beschluss vom 11. Februar 2003
Aktenzeichen: 21 W (pat) 29/02
(BPatG: Beschluss v. 11.02.2003, Az.: 21 W (pat) 29/02)
Tenor
Auf die Beschwerde der Anmelderin wird der Beschluss der Prüfungsstelle für Klasse A 61 B des Deutschen Patent- und Markenamts vom 7. Juni 1999 aufgehoben, soweit er die Trennanmeldung 197 58 703.8-35 betrifft, und die Sache aufgrund des in der mündlichen Verhandlung überreichten Anspruchs 1 an das Deutsche Patent- und Markenamt zur weiteren Prüfung zurückverwiesen.
Gründe
I.
Die vorliegende, ein "Handstück für ein multifunktionales endoskopisches Operationsgerät sowie ein derartiges Operationsgerät" betreffende Patentanmeldung ist durch Ausscheidung aus der Stammanmeldung P 197 00 270.6 hervorgegangen. Anmeldetag ist der 7. Januar 1997. Die Offenlegung der Stammanmeldung erfolgte am 16. Juli 1998.
Die Prüfungsstelle für Klasse A 61 B hat mit Beschluss vom 7. Juni 1999 die Stammanmeldung aus den Gründen des Erstbescheids vom 16. Oktober 1998 zurückgewiesen, in welchem die Anmeldung unter Hinweis auf die Vielzahl von unterschiedliche Gegenstände betreffenden, nebengeordneten Patentansprüchen als uneinheitlich und der Gegenstand des Patentanspruchs 1 als durch den Stand der Technik neuheitsschädlich vorweggenommen bezeichnet worden war.
Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der Anmelderin, die in der mündlichen Verhandlung am 10. Mai 2001 die Ausscheidung der Gegenstände der ursprünglichen Ansprüche 13-38 erklärt und dazu neue Patentansprüche 1-38 und Beschreibungsseiten 1-19 sowie vier Blatt Zeichnungen (Figuren 1-9) vorgelegt hat, welche Grundlage des vorliegenden Verfahrens sind.
Der geltende in der mündlichen Verhandlung am 11. Februar 2003 eingereichte Anspruch 1 lautet:
"Multifunktionales endoskopisches Operationsgerät mit - einem Ultraschallgenerator der Ultraschall zum Schneiden von Gewebe erzeugt.
- einem HF-Generator, der Hochfrequenz zum zusätzlichen Schneiden und/oder Koagulieren von Gewebe erzeugt, und - einem Handstück, das wenigstens einen Kanal für eine Spül- und/oder Absaugfunktion aufweist, und - das über ein Anschlussmittel mit Anschlussleitungen wie elektrischen Leitungen, Flüssigkeitszu- und Abflussleitungen etc verbunden ist.
dadurch gekennzeichnet, dass vor dem Ultraschallgenerator mindestens eine Kompensationsspule angeordnet ist, die hochfrequente Signalanteile mit über 500 kHz unterdrückt, und dass die spannungsführenden Kabel und den Kern der Kompensationsspule gewickelt sind und sich deren Magnetfelde im Kern kompensieren."
Dem Anmeldungsgegenstand liegt die Aufgabe zugrunde, ein Operationsgerät anzugeben, das trotz gleichzeitiger Integration von Ultraschallfunktion und Hochfrequenzanwendung in einem Handstück ausreichend lange funktionstüchtig ist (vgl. S. 4 Z. 3-7 der Beschreibung vorliegender Ausscheidungsanmeldung).
Die Anmelderin hält den Gegenstand des Patentanspruchs 1 für neu und erfinderisch. Sie führt dazu aus, dass aus der im Prüfungsverfahren entgegengehaltenen EP 06 24 344 A2, im Folgenden (1) genannt, ein gattungsbildendes multifunktionales Operationsgerät bekannt sei, dem ebenso wie den weiteren entgegengehaltenen Druckschriften WO 94 22 378 A1, im Folgenden (2) genannt, und WO 93 15 850 A1, im Folgenden (3) genannt, keine Anregungen im Hinblick auf die erfindungsgemäße Weiterbildung nach den kennzeichnenden Merkmalen des geltenden Patentanspruchs 1 zu entnehmen seien. Durch die neu formulierten Ansprüche 1 bis 30 sei zudem die im Prüfungsverfahren gerügte Uneinheitlichkeit der Patentanmeldung beseitigt.
Die Anmelderin stellt den Antrag:
den angefochtenen Beschluss aufzuheben und die Sache aufgrund des in der mündlichen Verhandlung überreichten Anspruchs 1 zur weiteren Prüfung an das Deutsche Patent- und Markenamt zurückzuverweisen.
II.
Die Beschwerde der Anmelderin ist zulässig und begründet. Das im Beschwerdeverfahren geänderte Patentbegehren hat eine neue Sachlage ergeben, gegenüber der einerseits die den angefochtenen Beschluss tragenden Gründe nicht mehr durchgreifen und die andererseits vom Deutschen Patent- und Markenamt noch nicht ausreichend geprüft werden konnte (PatG § 79 Abs. 3, Satz 1 Nr. 3).
Der Patentanspruch 1 ist formal zulässig. Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 ist in den am Anmeldetag eingereichten Patentansprüchen 34 bis 37 und der am Anmeldetag eingereichten Beschreibung S. 12 und 17, jeweils letzter Absatz sowie in den Patentansprüchen 34 bis 37 und Beschreibungsseiten 12 und 17, jeweils letzter Absatz, der Ausscheidungsanmeldung offenbart.
Der dem Zurückweisungsbeschluss zugrundeliegende Mangel der Uneinheitlichkeit ist durch die in der mündlichen Verhandlung überreichten Patentansprüche 2 bis 30, die sich sämtlich dem Patentanspruch 1 unterordnen, ausgeräumt.
Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 ist gegenüber dem bisher im Verfahren befindlichen Stand der Technik gemäß den Druckschriften (1) bis (3) neu, denn keiner der entgegengehaltenen Druckschriften ist ein multifunktionales endoskopisches Operationsgerät zu entnehmen, das von dem Ultraschallgenerator eine Kompensationsspule aufweist, die hochfrequente Signalanteile über 500 kHz unterdrückt, wobei die spannungsführenden Kabel um den Kern der Kompensationsspule gewickelt sind und sich deren Magnetfelder im Kern kompensieren.
Das multifunktionale endoskopische Operationsgerät nach dem Anspruch 1 beruht gegenüber dem bisher bekannt gewordenen Stand der Technik auch auf einer erfinderischen Tätigkeit.
Aus der Druckschrift (1) ist ein gattungsgemäßes multifunktionales endoskopisches Operationsgerät bekannt, mit - einem Ultraschallgenerator 14, der Ultraschall zum Schneiden von Gewebe erzeugt (vgl. Fig. 1 und Sp. 1, Z. 5-11).
- einem HF-Generator 11, der Hochfrequenz zum zusätzlichen Schneiden und/oder Koagulieren von Gewerbe erzeugt (vgl. Fig. 1 und Sp. 4, Z. 32-44), und - einem Handstück 1, das wenigstens einen Kanal 5,6 für eine Spül- und/oder Absaugfunktion aufweist (vgl. Fig. 1 und Sp. 4, Z. 10-20), unddas über ein Anschlussmittel 16,17,22 mit Anschlussleitungen, wie elektrischen Leitungen 22, Flüssigkeitszu- und -abflussleitungen 16,17, etc. verbunden ist (vgl Fig. 1 und Sp. 4 Z. 10-20 sowie Z. 44-46).
Die genaue schaltungstechnische Ausgestaltung des Ultraschallgenerators wird in der Druckschrift (1) nicht dargelegt und es finden sich in (1) auch keine Hinweise, vor dem Ultraschallgenerator eine Kompensationsspule vorzusehen, um damit hochfrequente Signalanteile zu unterdrücken.
Die Druckschrift (2) beschreibt ebenfalls ein multifunktionales endoskopisches Operationsgerät mit einem Ultraschallgenerator 53, mit einem HF-Generator 57 und mit einem Handstück 10, das mindestens einen Spül- und/oder -Absaugkanal aufweist und über ein Anschlussmittel 47,60,59 mit Anschlussleitungen, wie elektrischen Leitungen 49, Flüssigkeitszu- 44,46 und -abflussleitungen 43 verbunden ist (vgl. Fig. 1, 3 und 5 in Verbindung mit S. 5, Z. 20-26, S. 8 Z. 1-13 und S. 9, Z. 3-21). Auch in dieser Druckschrift (2) sind keine schaltungstechnischen Details des Ultraschallgenerators beschrieben und es finden sich auch keine Anregungen, hochfrequente Signalanteile vor dem Ultraschallgenerator mittels einer Kompensationsspule zu unterdrücken.
Der Druckschrift (3) ist weiter ein multifunktionales endoskopisches Operationsgerät mit einem Ultraschallgenerator (vgl. Fig. 1 mit zugehöriger Beschreibung), einer Quelle für Hochfrequenz zum Schneiden und/oder Koagulieren von Gewebe (vgl S. 11, Z. 25-27) und einem Handstück (vgl. S. 11 Z. 7) zu entnehmen. Das Handstück weist dabei einen Kanal für eine Spülfunktion 125,127 und einen für eine Absaugfunktion 128 auf (vgl. S. 12, Z. 20-28) und ist über Anschlussmittel 118 mit Anschlussleitungen 120, wie elektrischen Leitungen, Flüssigkeitszu- und -abflussleitungen verbunden (vgl. S. 11, Z. 32 bis S. 12, Z. 9 und S. 12, Z. 20-28). Am Ausgang des Ultraschallgenerators ist in (3) eine Spule 4 sowie ein Transformer T zur Anpassung der unterschiedlichen Impedanzen von Piezokristallen auf der einen Seite und Ultraschallgenerator auf der anderen Seite angeordnet (vgl. Fig. 1A und S. 6, Z. 27-31).
Über den genauen Aufbau der Spule 4 bzw. des Transformers T werden in (3) keine weiteren Angaben gemacht. Demnach sind auch dieser Druckschrift keine Anregungen zu entnehmen, zur Unterdrückung von hochfrequenten Signalanteilen über 500 kHz die spannungsführenden Kabel so um den Kern einer Kompensationsspule zu wickeln, dass sich deren Magnetfelder im Kern kompensieren.
Auch der von der Anmelderin in der Beschreibungseinleitung gewürdigten US 53 91 144 sind nach Prüfung durch den Senat im Hinblick auf die erfindungsgemäße Weiterbildung keine Anregungen zu entnehmen. Somit ist das kennzeichnende Merkmal, wonach "vor dem Ultraschallgenerator mindestens eine Kompensationsspule angeordnet ist, die hochfrequente Signalanteile mit über 500 kHz unterdrückt, wobei die spannungsführenden Kabel um den Kern der Kompensationsspule so gewickelt sind, dass sich deren Magnetfeld im Kern kompensiert", auch bei einer Zusammenschau sämtlicher im Verfahren befindlicher Druckschriften nicht nahegelegt.
Damit lässt sich mit den bisher im Verfahren befindlichen Druckschriften die Zurückweisung der Anmeldung nicht begründen.
Da sich die bisherige Prüfung der Anmeldung nur auf die zwischenzeitlich behobene Uneinheitlichkeit bezog und nicht auszuschließen ist, dass bei einer Recherche bezüglich der Merkmale des geltenden Anspruchs 1 noch relevanter Stand der Technik ermittelt wird, war antragsgemäß Zurückverweisung der Sache an das Deutsche Patent- und Markenamt zu beschließen.
Angesichts der Notwendigkeit einer weiteren Prüfung wurde seitens des Senats von einer Prüfung und Überarbeitung der Unteransprüche sowie der übrigen Unterlagen abgesehen.
Dr. Winterfeldt Klosterhuber Dr. Franz Dr. Strößer Hu
BPatG:
Beschluss v. 11.02.2003
Az: 21 W (pat) 29/02
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