Bundespatentgericht:
Beschluss vom 22. November 2000
Aktenzeichen: 7 W (pat) 36/99
(BPatG: Beschluss v. 22.11.2000, Az.: 7 W (pat) 36/99)
Tenor
Auf die Beschwerde der Einsprechenden wird der Beschluß der Patentabteilung 14 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 15. März 1999 dahingehend abgeändert, daß Patentanspruch 1 ersetzt wird durch den am 22. November 2000 überreichten Patentanspruch 1.
Die weitergehende Beschwerde wird zurückgewiesen.
Gründe
I Die Beschwerde der Einsprechenden ist gegen den Beschluß der Patentabteilung 14 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 15. März 1999 gerichtet, mit dem das am 24. Januar 1990 beim Deutschen Patent- und Markenamt angemeldete und am 10. November 1994 veröffentlichte Patent 40 01 938 beschränkt aufrechterhalten worden ist.
Die Einsprechende hat in der mündlichen Verhandlung geltend gemacht, der Patentgegenstand nach Patentanspruch 1 sei nicht ausführbar und selbst in einer klargestellten Fassung beruhe er gegenüber dem Stand der Technik nach den Entgegenhaltungen D3 (deutsche Offenlegungsschrift 33 38 418) und D5 (deutsche Offenlegungsschrift 30 15 830) nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit. Sie stellt daher den Antrag, den angefochtenen Beschluß aufzuheben und das Patent zu widerrufen.
Die Patentinhaberin legt in der mündlichen Verhandlung einen neuen Patentanspruch 1 vor und beantragt, den Beschluß der Patentabteilung 14 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 15. März 1999 dahingehend abzuändern, daß das Patent beschränkt aufrechterhalten wird mit dem am 22. November 2000 überreichten Patentanspruch 1, im übrigen gemäß Patentschrift.
Sie ist der Auffassung, der neue Patentanspruch 1 beruhe gegenüber dem insgesamt aufgezeigten Stand der Technik auf einer erfinderischen Tätigkeit.
Der geltende Patentanspruch 1 lautet:
"Lineareinheit mit einem Zylinder, einem in einer Bohrung des Zylinders laufenden, druckmittelbetätigten Kolben, einem mit dem Kolben verbundenen und durch Köpfe des Zylinders geführten Betätigungsorgan, und mit in die Köpfe eingesetzten Ventilen zum Zu- bzw. Abführen von Druckmittel in die Bohrung auf beiden Seiten des Kolbens, wobei die Ventile mittels Schwenkverschraubungen in die Köpfe eingesetzt sind und mindestens ein Druckmittelanschluß von der Schwenkverschraubung abgeht, und die Schwenkverschraubung weiterhin einen unteren Drehanschluß zum Verbinden mit dem Kopf aufweist, dadurch gekennzeichnet,
- daß die Schwenkverschraubung jeweils einen Ringraum um einen einen Teil der Schwenkverschraubung bildenden Sitz des Ventils enthält,
- daß das Ventil weiterhin ein separates Patronenteil aufweist, mit einem Verschlußorgan in Gestalt eines beweglichen Magnetankers, der mittels einer Magnetspule in Achsrichtung gegen die Kraft einer Feder gegen den Sitz der Schwenkverschraubung anstellbar ist, und - daß das Patronenteil über einen oberen Drehanschluß auf die Schwenkverschraubung geschraubt ist,
- wobei die Schwenkverschraubung relativ zu dem Patronenteil um die Längsachse des Ventils drehbar ist."
Dem Patentanspruch 1 nachgeordnet und auf ihn rückbezogen sind weitere Patentansprüche 2 bis 9.
Die Einsprechende sieht in dem neuen Anspruch 1 eine unzulässige Erweiterung, weil nunmehr die relative Verdrehbarkeit nicht mehr gegenüber dem ganzen Ventil, sondern nur noch gegenüber dem Patronenteil des Ventils beansprucht sei (letztes Merkmal des Anspruchs 1). Im übrigen erachtet sie auch den Gegenstand des neuen Anspruchs 1 gegenüber den Entgegenhaltungen D3 und D5 nicht auf erfinderischer Tätigkeit beruhend und hält an ihrem og Antrag fest.
Die ansonsten im Beschwerdeverfahren und im Verfahren vor dem Deutschen Patent- und Markenamt genannten Druckschriften zum Stand der Technik haben in der mündlichen Verhandlung keine Rolle mehr gespielt.
Für weitere Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.
II Die frist- und formgerecht eingelegte Beschwerde ist zulässig. Sie ist insoweit erfolgreich, als sie zu einer weiteren Beschränkung des Patentgegenstandes geführt hat.
Der Patentgegenstand stellt in der Fassung des geltenden Patentanspruchs 1 eine patentfähige Erfindung iSd § 1 bis § 5 PatG dar.
1. Die geltenden Patentansprüche sind zulässig.
Die Oberbegriffsmerkmale und das letzte Merkmal im kennzeichnenden Teil des Anspruchs 1 gehen aus dem erteilten Anspruch 1, die übrigen Merkmale aus der Patentbeschreibung (Sp4 Z23 bis 29; Sp3 Z51 bis 53 u Sp4 Z7 bis 10; Sp4 Z67 bis Sp5 Z3) iVm Figur 1 der Patentschrift hervor. Die Patentansprüche 2 bis 9 entsprechen den erteilten Ansprüchen gleicher Numerierung. Die Merkmale aller Ansprüche sind auch ursprünglich offenbart.
Der Senat sieht auch keine unzulässige Erweiterung des Patents. Das letzte Merkmal des erteilten Anspruchs 1, wonach die Schwenkverschraubung relativ zu einem Ventil, . . . . ., um dessen Längsachse drehbar ist, lautet in der geltenden Anspruchsfassung nun: "wobei die Schwenkverschraubung relativ zu dem Patronenteil um die Längsachse des Ventils drehbar ist". Anhand eines in der mündlichen Verhandlung vorgeführten Musters ihres Patentgegenstandes hat die Patentinhaberin erläutert, daß die an den Zylinderköpfen befestigte Schwenkverschraubung von der Art ist, die der Fachwelt geläufig und beispielsweise aus Figur 3 der D3 dem Wesen nach entnehmbar ist. Das am Zylinderkopf mittels eines unteren Drehanschlusses befestigbare gerade Rohrteil der Schwenkverschraubung, um das das schwenkbare, einen Druckmittelanschluß enthaltende Teil der Schwenkverschraubung um 360¡ verdrehbar ist, umfaßt in patentgemäßer Weise den Sitz des Ventils. Durch Anschrauben des die Betätigungsmittel des Ventils enthaltenden Patronenteils am oberen Drehanschluß des geraden Rohrteils der Schwenkverschraubung wird erst das Zusammenwirken von Ventilverschlußorgan und Ventilsitz ermöglicht. Ein Verschwenken des schwenkbaren Teils der Schwenkverschraubung relativ zum Patronenteil bedeutet damit immer zugleich ein Verschwenken relativ zum Ventil. Insoweit wird durch diese Änderung kein erweiterter Sachverhalt geschaffen.
2. Die aufgrund der unvollständigen Darstellung der Schwenkverschraubung in der Zeichnung der Patentschrift entstandenen Bedenken der Einsprechenden, wonach bei einer ggf einstückigen Schwenkverschraubung eine Verdrehung der Schwenkverschraubung relativ zum Ventil, dessen Sitz in der Schwenkverschraubung selbst ausgebildet ist, unmöglich und der Patentgegenstand daher nicht ausführbar sei, sind durch Vorstehendes ebenfalls ausgeräumt. Abgesehen von der Zeichnung, die offensichtlich keine Details vermitteln wollte - es sind zB keinerlei Verbindungsarten wie Gewinde etc dargestellt -, liefert auch die Beschreibung gemäß Patentschrift keinen Anhalt dafür, die Schwenkverschraubung anders als die der Fachwelt geläufige Winkelverschraubung, im wesentlichen bestehend aus einem endseitig verschraubbaren Rohrteil und einen um das Rohrteil schwenkbar aufgesetzten Rohrabzweig, aufzufassen.
3. Die Lineareinheit gemäß Patentanspruch 1 ist gegenüber dem aufgezeigten Stand der Technik unstreitig neu.
Bei keiner der als bekannt nachgewiesenen Lineareinheiten ist das das bewegliche Verschlußorgan aufweisende Patronenteil eines aus separatem Patronenteil und Schwenkverschraubung gebildeten Ventils über einen oberen Drehanschluß auf die Schwenkverschraubung geschraubt.
4. Die zweifellos gewerblich anwendbare Lineareinheit nach dem geltenden Anspruch 1 beruht auch auf einer erfinderischen Tätigkeit.
Als hier zuständiger Fachmann ist ein Maschinenbau-Ingenieur anzusehen, der mit der Entwicklung von pneumatischen und hydraulischen Linearantrieben seit mehreren Jahren befaßt ist.
Dem Patentgegenstand liegt gemäß Patentschrift die Aufgabe zugrunde, eine gattungsgemäße Lineareinheit dahingehend weiterzubilden. daß sowohl bei der Bestückung der Zylinderköpfe der Lineareinheit mit Ventilen wie auch beim Verlegen der Anschlußverbindungen eine größere Freiheit besteht, so daß insgesamt flexible und kompakte Lineareinheiten zur Verfügung gestellt werden können, wie sie bei Handhabungssystemen benötigt werden (Sp2 Z48 bis Z56).
Zur Lösung dieser Aufgabe ist gemäß dem kennzeichnendem Teil des Anspruchs 1 im Kern vorgeschlagen, den Sitz des Magnetventils als Teil der Schwenkverschraubung auszubilden und das separate Patronenteil, enthaltend das als Magnetanker ausgebildete Verschlußorgan, die Magnetspule und die Ventilfeder, über einen oberen Drehanschluß auf die Schwenkverschraubung aufzuschrauben, wobei die Schwenkverschraubung bzw - wie der Fachmann mitliest - der verschwenkbare Teil derselben um die Längsachse des Ventils drehbar ist.
Die Entgegenhaltung D3, die in der Patentschrift bereits als Stand der Technik gewürdigt ist, beschreibt eine Lineareinheit, die die wesentlichen Merkmale des Oberbegriffs des Anspruchs 1 des angefochtenen Patents aufweist (Fig 4 iVm S18 le Abs bis S20 Abs1). Zur Druckmittelversorgung der bekannten Lineareinheit sind 3/2-Wege-Magnetventile in Gestalt von Ventilkartuschen, die auch als Ventilpatronen bezeichnet werden können, vorgesehen. Diese Kartuschen (5) umfassen ua ein als beweglichen Anker gestaltetes Ventilglied (116), eine Magnetspule (108) und eine das Ventilglied gegen einen, in einem unteren Deckel der Kartusche angeordneten Ventilsitz drückende Feder (123). Die vormontierte Kartusche wird in den im Zylinderkopf eingeschraubten, feststehenden Teil der Schwenkverschraubung, hier ua als Ventilkörper (S13 le Abs) oder Anschlußverbindungseinheit (S19 le Abs) bezeichnet, von dessen offener Stirnseite her eingepreßt. Der um den feststehenden Teil verschwenkbare Teil (Schwenkteil 103) der Schwenkverschraubung ist relativ zum Ventil um die Ventilachse verdrehbar und in der gewünschten Stellung durch weiteres Eindrehen des nicht schwenkbaren Teils der Schwenkverschraubung mittels eines Flansches (134) im Schwenkbereich von 360¡ beliebig festlegbar. Mit dieser Anordnung soll eine Druckmittelversorgung von Arbeitszylindern (Lineareinheiten) geschaffen werden, die einen hohen Grad an Miniaturisierung und ein hohes Maß an Flexibilität der Lage der Druckmittelanschlüsse erlaubt (S19 le Abs bis S20 Abs1).
Die Lineareinheit nach dem geltenden Anspruch 1 des angefochtenen Patents unterscheidet sich von dem aus D3 bekannten Gegenstand im wesentlichen dadurch, daß in der Schwenkverschraubung nicht mehr das gesamte Ventil untergebracht ist, sondern nur noch dessen Sitz, und daß der übrige Teil des Ventils, das Patronenteil, über einen oberen Drehanschluß auf die Schwenkverschraubung, gemeint ist hier wiederum der im Zylinderkopf über einen unteren Drehanschluß eingeschraubte Teil derselben, aufgeschraubt ist. Nach den Ausführungen in der Patentschrift wird hierdurch eine größere Freiheit bei der Bestückung der Zylinderköpfe der Lineareinheit mit unterschiedlichen Ventilen, gemeint sind die Patronenteile, unter Verwendung einer als Adapter dienenden, den Ventilsitz integriert enthaltenden Schwenkverschraubung erreicht (Sp2 Z50 bis Z53, Z66 bis Sp3 Z10).
Anregungen in diese Richtung der Lehre des Patents vermag dem Fachmann auch nicht die Entgegenhaltung D5 zu vermitteln. Bei den daraus bekannten Schwenkverschraubungen, mit hier allerdings nicht magnetischen sondern druckgesteuerten Ventilen zur Druckmittelbeaufschlagung einer Lineareinheit, sind die Ventile (35) - vergleichbar der Anordnung nach D3 - vollständig innerhalb des zylindrischen Befestigungsteils (4) der Schwenkverschraubung (4,22) angeordnet (S9 Abs1 bis S10 Abs5 iVm Fig2), so daß auch hier keinerlei Flexibilität hinsichtlich der Verwendung unterschiedlicher Ventile in Verbindung mit einer Schwenkverschraubung iSd angefochtenen Patents gegeben ist.
Nicht näher zum Patentgegenstand nach dem geltenden Anspruch 1 führt auch die zusätzliche Berücksichtigung der übrigen im Verfahren aufgezeigten, in der mündlichen Verhandlung jedoch nicht mehr aufgegriffenen Entgegenhaltungen.
5. Die Patentfähigkeit der Ansprüche 2 bis 9 wird von der des Patentanspruchs 1 mitgetragen.
Dr. Schnegg Eberhard Dr. Pösentrup Frühauf Ff
BPatG:
Beschluss v. 22.11.2000
Az: 7 W (pat) 36/99
Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/53f770b8bb4b/BPatG_Beschluss_vom_22-November-2000_Az_7-W-pat-36-99