Bundespatentgericht:
Beschluss vom 6. Dezember 2005
Aktenzeichen: 14 W (pat) 01/04
(BPatG: Beschluss v. 06.12.2005, Az.: 14 W (pat) 01/04)
Tenor
Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben und das Patent erteilt.
Bezeichnung: Verfahren zur Schädlingsbekämpfung mit Ameisensäureestern Anmeldetag: 21. Mai 2002 Der Erteilung liegen folgende Unterlagen zu Grunde:
Patentansprüche 1 bis 7, eingegangen am 10. November 2005, Beschreibung Seiten 1 bis 6, eingegangen am 23. Mai 2002.
Gründe
I Die Prüfungsstelle für Klasse A01N des Deutschen Patent- und Markenamts hat mit Beschluss vom 31. Oktober 2003 die am 21. Mai 2002 mit der Bezeichnung
"Verfahren zur Schädlingsbekämpfung mit Ameisensäureestern"
eingereichte Patentanmeldung 102 22 827.2 - 41 gemäß PatG § 48 zurückgewiesen.
Zur Begründung ihres Zurückweisungsbeschlusses hat die Prüfungsstelle im Wesentlichen ausgeführt, dass das beanspruchte Verfahren zur Schädlingsbekämpfung mit Ameisensäureestern, gegenüber den Druckschriften
(1) Perkow, W.: Die Insektizide, 2. Aufl, Dr. Alfred Hüthig Verlag Heidelberg 1968, S 484
(2) Römpps Chemie-Lexikon, 7. Aufl, Franckh'sche Verlagshandlung Stuttgart 1972, Bd I, S 145
(3) Büchel, K.H.: Pflanzenschutz und Schädlingsbekämpfung, Georg Thieme Verlag Stuttgart 1977, S 197 - 199 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe. Insbesondere seien bei großvolumiger Begasung aufwändige Abdichtarbeiten an Gebäuden erforderlich, zu deren Vermeidung es nahe liege, eine entsprechende Formulierung mit Lösungsmittel oder mit einem Trägerstoff auszuprobieren.
Gegen diesen Beschluss hat die Anmelderin Beschwerde eingelegt. Sie verfolgt ihr Patentbegehren mit den im Tenor genannten Unterlagen weiter.
Der Patentanspruch 1 lautet:
"1. Verfahren zum Abtöten von Schädlingen durch Verwendung eines Ameisensäureesters, dadurch gekennzeichnet, dass der oder die Ameisensäureester mit einem Lösungs- und/oder Emulsionsmittel gemischt oder auf einem Trägerstoff aufgebracht, zur Schädlingsbekämpfung ausgebracht wird/werden."
Die Ansprüche 2 bis 7 sind auf Weiterbildungen des Verfahrens nach Anspruch 1 gerichtet. Zum Wortlaut dieser Unteransprüche wird auf den Akteninhalt verwiesen.
Die Anmelderin hat zur Begründung ihrer Beschwerde vorgetragen, dass die von der Prüfungsstelle getroffene Feststellung, es sei naheliegend für den Fachmann die Ameisensäureester in entsprechender Formulierung mit Lösungsmittel oder auf einem Trägerstoff ausgebracht, auszuprobieren, wenn der Aufwand die Flüssigkeiten als Gas zu verwenden zu hoch sei, einer typischen expost Betrachtung entspreche. Es sei ferner zu beachten, dass der hier tätige Fachmann kein Hochschulingenieur oder Chemiker sei, seine Qualifikation vielmehr der eines Meisters gleichzusetzen sei, die nicht in einem Lehrberuf, sondern durch Fortbildung erworben werden könne.
Sie beantragt sinngemäß, den angefochtenen Beschluss aufzuheben und das Patent mit den im Beschlusstenor aufgeführten Unterlagen zu erteilen.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akten verwiesen.
II 1. Die Beschwerde ist zulässig und auch begründet.
2. Bezüglich ausreichender Offenbarung des Verfahrens nach den geltenden Ansprüchen 1 bis 7 bestehen keine Bedenken. Es sind die ursprünglich eingereichten Ansprüche.
3. Die Neuheit des Verfahrens nach Anspruch ist gegeben.
Die Entgegenhaltungen (1) und (2) beschreiben die physikalischen Eigenschaften von Ameisensäureestern und deren Verwendung zur Begasung von schädlingsbefallenen Lebensmitteln, Gegenständen oder Räumen. Druckschrift (3) ist eine Abhandlung über Formulierungshilfsmittel für Pflanzenschutz- und Schädlingsbekämpfungsmittel.
4. Das Verfahren nach Anspruch 1 beruht auch auf einer erfinderischen Tätigkeit.
Der Anmeldung liegt sinngemäß die Aufgabe zu Grunde, ein Verfahren anzugeben, welches Schädlinge in oder an Gebäuden oder in Vorräten abtöten und dabei möglichst großvolumige Begasungen und aufwändige Abdichtarbeiten vermeiden soll (S 1 Abs 3 der ursprünglichen Beschreibung).
Gelöst wird diese Aufgabe durch die im geltenden Anspruch 1 angegebenen Verfahrensmaßnahmen.
Zu dieser Lösung kann der entgegengehaltene Stand der Technik den Fachmann, hier ein mit den nach den Vorschriften der Gefahrstoffverordnung erforderlichen Sachkundenachweisen versehener "Geprüfter Schädlingsbekämpfer" nicht anregen.
Gemäß Entgegenhaltung (1) ist zwar bekannt, dass Ameisensäuremethyl- und Äthylester begrenzt in Wasser und anderen Lösungsmitteln löslich sind, es aber üblich ist, die Wirkstoffe gasförmig auszubringen. So wird insbesondere auf die Verwendung zur Schädlingsbekämpfung bei trockenen Lebensmitteln, Getreide oder Bekleidung hingewiesen, und es werden die Möglichkeiten zur Inertisierung der Dämpfe, die im Luftgemisch in bestimmten Grenzen entzündlich und explosiv sind, besprochen. Ferner wird die Giftwirkung auf Warmblütler bei verschiedenen Konzentrationen in der Atemluft erörtert (S 484). Der Entgegenhaltung (1) lassen sich indessen keine Hinweise auf die beanspruchten Verfahrensmaßnahmen entnehmen, vielmehr führen die Anwendungsgebiete, wie zB zur Schädlingsbekämpfung in trockenen Lebensmitteln, und auch die diskutierten Vorsichtsmaßnahmen zu einer Inertisierung der Dämpfe von einer Ausbringung der Ester mit einem Lösungs- und/oder Emulsionsmittel oder aufgebracht auf einen Trägerstoff weg.
Hinweise darauf liefert auch die Druckschrift (2) nicht. Sie beschreibt lediglich die physikalischen Eigenschaften des Ameisensäureäthylesters und des Ameisensäuremethylesters, die als leicht flüchtige, entzündliche und rasch verdunstende Flüssigkeiten charakterisiert, ein Atemgift sind (S 145 li Sp Abs 2 und 4). Der Fachmann wird somit auch durch die Zusammenschau von (1) und (2) nicht zu dem beanspruchten Verfahren angeregt.
Auch die Entgegenhaltung (3) trägt zur Lösung der hier gestellten Aufgabe nichts bei. Zwar wird dort angemerkt, dass es durch geeignete Auswahl der Formulierungshilfsmittel, wie Lösungs- und/oder Emulsionsmittel oder Trägerstoffe, und durch die richtige Art der Aufbereitung häufig gelingt, ungünstige Eigenschaften, die ein Wirkstoff von Haus aus mitbringt, bis zu einem gewissen Grad auszugleichen. Es werden aber gleichzeitig die Anforderungen an die Lagerstabilität der Formulierungen bei höherer Temperatur erwähnt. Dabei können ungeeignete Formulierungshilfsmittel eine Zersetzung des Wirkstoffs hervorrufen oder sogar als Reaktionspartner für einen Wirkstoff dienen (S 197 li Sp letzt Abs). Der Fachmann, der aus (2) die Ameisensäureester als leicht flüchtige, entzündliche und rasch verdunstende Flüssigkeiten kennt, wird angesichts dieser Eigenschaften keine Vorteile von dem anspruchsgemäßen Verfahren unter Verwendung der beanspruchten Formulierungshilfsmittel erwarten und daher die Lehre dieser Entgegenhaltung nicht heranziehen und mit den übrigen Entgegenhaltungen (1) und (2) kombinieren.
Nachdem der Gegenstand des geltenden Anspruchs 1 neu ist und auch auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht, ist dieser Anspruch somit gewährbar.
5. Das Gleiche gilt für die auf den Anspruch 1 rückbezogenen Ansprüche 2 bis 7, die jeweils weitere, über Selbstverständlichkeiten hinausgehende Ausführungsformen betreffen.
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BPatG:
Beschluss v. 06.12.2005
Az: 14 W (pat) 01/04
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