Oberlandesgericht Hamm:
Urteil vom 19. November 2010
Aktenzeichen: I-11 U 11/10

(OLG Hamm: Urteil v. 19.11.2010, Az.: I-11 U 11/10)

Tenor

Auf die Berufung des beklagten Landes wird das am 17.11.2009 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 8. Zivilkammer des Landgerichts Dortmund abgeändert.

Das beklagte Land bleibt verurteilt, an den Kläger 3.325,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 10.03.2009 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz tragen der Kläger zu 40 % und das beklagte Land zu 60 %. Die Kosten des Rechtsstreits zweiter Instanz tra-gen der Kläger zu 13 % und das beklagte Land zu 87 %.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

(§ 540 Abs. 1 Satz 1 ZPO)

I.

Der Kläger begehrt vom beklagten Land Schadensersatz aus Amtshaftung wegen menschenunwürdiger Unterbringung.

Auf den Inhalt der tatsächlichen Feststellungen und der rechtlichen Erwägungen im angefochtenen Urteil wird Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO).

Im Berufungsverfahren haben sich folgende Ergänzungen ergeben:

Das beklagte Land rügt, das Landgericht habe verkannt, dass zwischen der unterstellten Feststellung der Verletzung des Art. 1 Abs. 1 GG und der Zuerkennung einer Geldentschädigung kein Junktim bestehe. Selbst bei Annahme einer menschenunwürdigen Unterbringung des Klägers fehle jeder Anhaltspunkt dafür, dass diese beim Kläger zu körperlichen oder psychischen Schäden geführt habe, was bei der Zubilligung einer Geldentschädigung zu berücksichtigen sei. Der Umstand, dass sich der Kläger nicht gegen seine Unterbringung zur Wehr gesetzt habe, rechtfertige den Schluss, dass er sie selbst nicht als menschenunwürdig empfunden habe. Ein Verschulden sei angesichts der in der Vergangenheit rechtzeitig und in ausreichendem Umfang begonnenen erheblichen Anstrengungen zur Schaffung weiterer Haftplätze zu verneinen. Entschädigungsansprüche des Klägers seien ohnehin nach § 839 Abs. 3 BGB wegen Versäumung bestehender Rechtsmittel ausgeschlossen. Dabei sei darauf abzustellen, wie das mit dem Rechtsmittel befasste Gericht entschieden hätte. Rechtsmittel wären - auch bei Überbelegung - keineswegs aussichtslos gewesen, vielmehr wäre dann, wenn dem Antrag auf gerichtliche Entscheidung stattgegeben worden wäre, eine Verlegung des Klägers erfolgt. Die Unzumutbarkeit der Rechtsmitteleinlegung sei auch nicht darin begründet, dass im Falle der Überbelegung die auf ein Rechtsmittel erfolgende Unterbringung des Gefangenen nur unter Verstoß gegen die Menschenwürde eines anderen Gefangenen möglich gewesen sei, da der auf Rechtsmittel bewusst verzichtende Gefangene die menschenunwürdige Behandlung hinnehme und für dieses freiwillige Opfer eine Entschädigung begehre, was auf ein "Dulden und Liquidieren" hinauslaufe. Nicht nur bei Ausschöpfung der durch §§ 109, 114 StVollzG eröffneten Rechtsmittel, sondern auch schon bei Stellung eines Antrags nach §§ 109, 114 StVollzG hätte der Kläger mithin "binnen kürzester Zeit - zumindest innerhalb eines Zeitraums von weniger als zwei Wochen" Abhilfe erreichen können, zumal aufgrund der Fluktuation in der JVA Dortmund durchaus die Möglichkeit bestanden habe, dem Kläger kurzfristig eine Unterbringung in einer Einzelzelle zu ermöglichen. Nach entsprechender Auflage durch den Senat vertieft das beklagte Land seinen Vortrag zur Unterbringungssituation. Danach habe die JVA Dortmund im streitgegenständlichen Zeitraum über insgesamt 293 Hafträume, davon 218 Einzelhafträume und 75 Gemeinschaftshafträume (letztere 48 Hafträume für 2 Gefangene, 1 Haftraum für 3 Gefangene und 26 Hafträume für 4 Gefangene) verfügt. Die Einzelhafträume im Haupthaus, A-Flügel und Abt. 7 hätten über keine vollständige räumliche Abtrennung der Toilette und über eine durchschnittliche Grundfläche von 7,5 m² verfügt. Gleiches gelte sinngemäß für die Einzelhafträume der Abt. 8, die indes über eine Grundfläche von 8,8 m² verfügt hätten. Die 48 Gemeinschaftshafträume (für jeweils 2 Gefangene) hätten im streitgegenständlichen Zeitraum lediglich eine Schamwand zum Toilettenbereich aufgewiesen. Die Gemeinschaftshafträume (für jeweils 3 bzw. 4 Gefangene) hätten im streitgegenständlichen Zeitraum über eine vollständige räumliche Abtrennung der Toilette verfügt, die auch gesondert entlüftet worden sei. Soweit tatsächlich Wartelisten für Einzelhafträume bestanden hätten, seien diese für die Jahre 2004 und 2005 nicht mehr nachvollziehbar. Im Übrigen sei zutreffend, dass ein bloßer Antrag an die Strafvollstreckungskammer als Kriterium für eine ohne Beachtung der Warteliste erfolgte Zuweisung eines Einzelhaftraumes erst in einer Konferenz der Leiter der Justizvollzugsanstalten am 04./05.09.2008 festgelegt worden sei.

Das beklagte Land beantragt,

unter Abänderung des erstinstanzlichen Urteils die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Kläger verteidigt unter Vertiefung und Wiederholung seines erstinstanzlichen Vorbringens das angefochtene Urteil.

Der Senat hat den Kläger persönlich angehört. Wegen des Ergebnisses der Parteianhörung wird auf den das wesentliche Ergebnis der Parteianhörung zusammenfassenden Berichterstattervermerk vom 24.11.2010 verwiesen. Die Gefangenenpersonalakten des Klägers Gefangenen-Personalakte JVA Dortmund, Az. 1916-04-5, lag zu Informationszwecken vor und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

II.

Die zulässige Berufung des beklagten Landes ist nur im tenorierten Umfange begründet. Die Klage ist in Höhe eines Betrages von 3.325,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 10.03.2009 begründet, da der Kläger einen Anspruch in dieser Höhe hat.

Dem Kläger steht gegen das beklagte Land ein Entschädigungsanspruch im Hauptausspruch in vorgenannter Höhe nach § 839 Abs. 1 BGB in Verbindung mit Art. 34 GG wegen menschenunwürdiger Unterbringung in der JVA Dortmund zu.

1.

Auf der Grundlage der Rechtsprechung des Senats war die gemeinschaftliche Unterbringung des Klägers menschenunwürdig.

a)

Eine dem beklagten Land vorzuwerfende Amtspflichtverletzung ergibt sich indes nicht bereits aus dem Umstand der gemeinschaftlichen Unterbringung des Klägers als solcher. Zwischen den Parteien zwar unstreitig, aber durch den Inhalt der beigezogenen Gefangenen-Personalakte des Klägers belegt, befand sich der Kläger nicht in Strafhaft, sondern in Untersuchungshaft. Unabhängig davon, ob der Kläger sich in Straf- oder Untersuchungshaft befand, wäre allein die gemeinschaftliche Unterbringung als solche nicht in der Lage, einen Entschädigungsanspruch des Klägers zu tragen.

aa)

Läge Strafhaft vor, so sieht - wie der Senat bereits in seinen Urteil vom 18.03.2009 (Az. 11 U 88/08; VersR 2009, 1666 = StV 2009, 262) und 08.09.2010 (Az. I-11 U 367/09) näher dargelegt hat - § 18 Abs. 1 Satz 1 StVollzG zwar grundsätzlich eine Einzelunterbringung von Strafgefangenen während der Ruhezeiten vor. Davon abweichend gestattet indes § 201 Nr. 3 StVollzG für Anstalten, mit deren Errichtung wie im Fall der Justizvollzugsanstalt Dortmund - bereits vor Inkrafttreten des Strafvollzugsgesetzes am 01.01.1977 begonnen wurde, während der Ruhezeiten eine gemeinschaftliche Unterbringung von Gefangenen, solange die räumlichen Verhältnisse der Anstalt dies erfordern. Die Vorschrift verfolgt damit das Ziel, in den vor dem genannten Zeitpunkt errichteten Anstalten die Anwendung des § 18 Abs. 1 Satz 1 StVollzG zu suspendieren, wodurch verhindert werden soll, dass Strafgefangene in diesen Anstalten ohne eine Einschränkungsmöglichkeit im Einzelfall einen einfachgesetzlichen Anspruch auf Einzelunterbringung erfolgreich geltend machen können (BGH, NJW 2006, 306 ff, 309). Der Wirksamkeit des § 201 Nr. 3 Satz 1 StVollzG steht dabei nicht entgegen, dass es sich bei der Bestimmung um ein Zeitgesetz handelt, der Zeitpunkt des Außer-Kraft-Tretens hierin aber nicht bestimmt wird. Denn die fehlende Befristung liegt innerhalb des Gestaltungsermessens des Gesetzgebers und wird von sachlichen Erwägungen getragen (vgl. BGH, NJW 2006, 306).

Kann nicht jedem Gefangenen ein Einzelhaftraum zur Verfügung gestellt werden, hat die Justizvollzugsanstalt im Anwendungsbereich des § 201 Nr. 3 StVollzG das ihr im Rahmen ihrer Organisationshoheit zustehende Ermessen in zwei Stufen auszuüben: Zunächst ist zu klären, ob dem Gefangenen aus besonderen Gründen ein Einzelhaftraum zugewiesen werden kann bzw. muss. Ist dies nicht der Fall, ist zu klären, mit wie vielen und welchen Gefangenen er in einer Zelle untergebracht wird. Das bei beiden Entscheidungen eröffnete Ermessen ist dabei an nachvollziehbaren und mit dem Strafvollzugsgesetz in Einklang stehenden Kriterien auszurichten (OLG Celle, NJW 2004, 2766).

Dass dem beklagten Land (bereits) unter diesem Gesichtspunkt eine Amtspflichtverletzung vorzuwerfen ist, ist weder vom Kläger dargetan noch erkennbar. Auch der Kläger macht nicht geltend, dass (schon) die Entscheidung, ihn gemeinschaftlich unterzubringen und/oder die Auswahl der Gefangenen, mit denen er zusammen untergebracht wurde, ermessensfehlerhaft getroffen worden sei.

bb)

Soweit er sich in Untersuchungshaft befunden hätte, wäre der Kläger nach der im streitgegenständlichen Zeitraum geltenden Bestimmung des § 119 Abs. 1 Satz 1 StPO in ihrer bis zum 31.12.2009 gültigen Fassung ebenso wie auch nach Nummer 23 der bis zum Inkrafttreten des UVollzG NRW am 01.03.2010 geltenden UVollzO ebenso einzeln unterzubringen gewesen. Eine gemeinschaftliche Unterbringung eines Untersuchungshaftgefangenen war indes, abgesehen von ihrer ausdrücklichen Beantragung durch den Gefangenen, nur dann gestattet, wenn es dessen körperlicher oder geistiger Zustand gebot. Indes führte allein die Feststellung der Rechtswidrigkeit der gemeinschaftlichen Unterbringung als solcher nicht zur Annahme einer Entschädigungspflicht des beklagten Landes.

b)

Dem beklagten Land ist hier jedoch als Amtspflichtverletzung vorzuwerfen, dass die gemeinschaftliche Haftunterbringung des Klägers jedenfalls in der Zeit vom 09.12.2004 bis 07.03.2005 und 14.03.2005 bis 18.08.2005, mit Ausnahme des 08.08.2005, des 09.08.2005 und des 10.08.2005, mit einem bzw. zwei weiteren Gefangenen menschenunwürdig war, was einen Verstoß gegen Art. 1 und 2 Abs. 1 GG sowie zugleich gegen Art 3 EMRK begründet, weil der Haftraum mit einer unzureichender sanitären Ausstattung infolge fehlender baulicher Abtrennung der installierten, zudem nicht gesondert entlüfteten Toilette versehen und daher die Unterbringung menschenunwürdig war. Soweit die Unterbringung des Klägers für zwei Tage, nämlich den 26.01.2005 und den 27.01.2005, wo er mit zwei weiteren Gefangenen untergebracht war, in einem für die jeweilige Belegung nicht ausreichend großen weil eine Grundfläche von mindestens 5 m² pro Gefangenen unterschreitenden - und zudem mit einer unzureichender sanitären Ausstattung infolge fehlender baulicher Abtrennung der installierten, zudem nicht gesondert entlüfteten Toilette versehenen Hafträume untergebracht war, war seine Unterbringung erst recht menschenunwürdig.

aa)

Unabhängig davon, dass nach verbreiteter und vom Senat geteilter Auffassung je nach Lage des Einzelfalls allein schon die gemeinschaftliche Unterbringung eines Gefangenen mit anderen Mitgefangenen gegen die Menschenwürde des betroffenen Strafgefangenen verstoßen kann (Senat, StV 2009, 262 mit weiterem Nachweis; Senat, Urteil vom 08.09.2010, Az. I-11 U 367/09), ist eine gemeinschaftliche Haftunterbringung nach ständiger Rechtsprechung des Senats, von der abzuweichen der Streitfall keine Veranlassung gibt, jedenfalls bei ungenügender sanitärer Ausstattung des Haftraums wegen fehlender baulicher Trennung der im Haftraum installierten Toilette, zumal bei zusätzlichem Fehlen einer gesonderten Entlüftung (Senat, StV 2009, 262) als menschenunwürdig und daher als eine entschädigungspflichtige Amtspflichtverletzung anzusehen.

Die aus dargelegten Gründen für die Unterbringungszeiträume zu konstatierende Verletzung der Menschenwürde des Klägers überschritt auch die erforderliche Erheblichkeitsschwelle. Der Senat hält dabei auch in Ansehung der abweichenden Rechtsprechung der Oberlandesgerichte Köln und Düsseldorf (vgl. etwa Urteil des OLG Düsseldorf vom 25.08.2010, Az. I-18 U 21/10) nach wie vor daran fest, dass der Eintritt physischer und/oder psychischer Schäden in Fällen der hier in Rede stehenden Art grundsätzlich nicht Voraussetzung für die Zuerkennung einer Entschädigung ist. Wie der Senat bereits in seinen Urteilen vom 18.03.2009 (StV 2009, 262) und vom 08.09.2010 (Az. I-11 U 367/09) dargelegt hat, ist der vom Kläger vorliegend geltend gemachte Schaden einerseits kein Vermögensschaden, andererseits auch kein bloßes Schmerzensgeld im Sinne des § 253 Abs. 2 BGB (vgl. BGH, NJW 2005, 58). Vielmehr geht es um den Ausgleich einer Verletzung der Menschenwürde (Art. 1 Abs. 1 GG) und des aus Art. 1 und Art. 2 Abs. 1 GG hergeleiteten allgemeinen Persönlichkeitsrechts. Die Zubilligung einer Geldentschädigung in bestimmten Fällen der Beeinträchtigung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts beruht auf dem Gedanken, dass ohne einen solchen Anspruch Verletzungen der Würde und Ehre des Menschen häufig ohne Sanktion blieben, mit der Folge, dass der Rechtsschutz der Persönlichkeit verkümmerte (BGH a.a.O.). Anders als beim Schmerzensgeldanspruch steht bei dem Anspruch auf eine Geldentschädigung wegen einer Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts der Gesichtspunkt der Genugtuung des Opfers im Vordergrund.

Das zusätzliche Erfordernis körperlicher beziehungsweise seelischer Beeinträchtigungen würde hingegen zum einen dazu führen, dass neben der eigenständigen Verletzung der Rechtsgüter der Menschenwürde und des Persönlichkeitsrechts zusätzlich die Verletzung eines weiteren Rechtsgutes, nämlich der Gesundheit, hinzutreten müsste, was den zu gewährleistenden Schutz der Menschenwürde und des Persönlichkeitsrechts unangemessen einschränken würde.

Zum anderen käme den für den Senat ausschlaggebenden Aspekten der Sanktion und Prävention dann kein nennenswertes Gewicht mehr zu. In diesem Zusammenhang ist von besonderer Bedeutung, dass die Justizvollzugsorgane mit der menschenunwürdigen Unterbringung gegen eine Kardinalpflicht verstoßen (vgl. BGH, NJW-RR 2010, 167), weshalb es spürbarer Auswirkungen bedarf, um das beklagte Land dazu anzuhalten, künftig weitere Verstöße gegen die im Schutzauftrag aus Art. 1 Abs. 1 Satz 2 GG wurzelnde Kardinalpflicht, Gefangene menschenwürdig zu behandeln, zu vermeiden oder - liegen sie bereits vor - nicht länger fortdauern zu lassen. Mag die gemeinschaftliche Unterbringung in Hafträumen zu geringer Größe und/oder mit unzureichender sanitärer Ausstattung auch - wie das beklagte Land geltend macht - in einer Vielzahl von Fällen mit Zustimmung des oder der betroffenen Häftlings/e erfolgen und dann nicht (mehr) auf einer Amtspflichtverletzung beruhen, ändert dies doch nichts an der gebotenen Feststellung, dass die Art der Unterbringung objektiv gegen die Menschenwürde der jeweiligen Häftlinge verstößt und wegen der Unantastbarkeit und Unverzichtbarkeit der Menschenwürde daher verfassungswidrig ist. Bei dieser Sachlage würde die Sanktionslosigkeit einer - wie hier - auf einer Amtspflichtverletzung beruhenden und aus noch darzulegenden Gründen von einem erheblichen Verschulden getragenen Verletzung der Menschenwürde die Besorgnis begründen, dass der dem Staat gemäß Art. 1 Abs. 1 Satz 2 GG obliegende Schutzauftrag auch weiterhin nicht die gebotene Umsetzung erfährt.

bb)

Soweit indes der Zeitraum vom 27.10.2004 bis 09.11.2004 betroffen ist, sind nur 12 Tage anzusetzen, da er in diesem Zeitraum zwar grundsätzlich mit einem weiteren Gefangenen untergebracht war. Indes war er am 03.11.2004 und am 12.11.2004 alleine in diesem Raum untergebracht.

Soweit aber nur ein Zeitraum von 12 Tagen betroffen ist, ist nicht das notwendige Maß an Schwere erreicht, das erforderlich ist, um eine Geldentschädigung als Wiedergutmachung zu rechtfertigen. Wie der Senat in seinem Urteil vom 18.03.2009 (StV 2009, 262 und DÖV 2009, 508) ausgeführt hat, ist die für die Zubilligung einer Entschädigung erforderliche Erheblichkeitsschwelle auch ohne Eintritt von psychischen und/oder physischen Gesundheitsschäden überschritten, wenn eine menschenunwürdige Unterbringung von beachtlicher Dauer und Gewicht zu verzeichnen ist, weil andernfalls diese Rechtsverletzung sanktionslos bliebe und so der Schutz der Menschenwürde und des Persönlichkeitsrechts verkümmern würde. Indes ist diese Erheblichkeitsschwelle nicht schon bei einem Aufenthalt von nur einem oder wenigen Tagen überschritten. Der Schutzzweck der Entschädigungspflicht erfordert nur dann eine Geldentschädigung zur Wiedergutmachung, wenn die Verletzung der Menschenwürde und des Persönlichkeitsrechts von einiger Dauer ist. Der Senat hält einen Zeitraum von 14 Tagen für erforderlich, um eine die Erheblichkeitsschwelle überschreitende Unterbringung anzunehmen (vgl. Senat, Beschluss vom 14.09.2009, Az. 11 W 89/09). Eine menschenunwürdige Unterbringung während eines derart überschaubar kurzen Zeitraums gebietet in den hier in Rede stehenden Fallkonstellationen regelmäßig keine über die Feststellung der Rechtsverletzung hinausgehende Genugtuung; auch ist bei einer solch kurzen Dauer nicht anzunehmen, dass die Sanktionslosigkeit die Wiederholungsgefahr nennenswert steigern könnte.

Daran ändert der Umstand, dass der Kläger - wie gezeigt - in der Zeit vom 09.12.2004 bis 07.03.2005 (89 Tagen) in dem ebenfalls 12,34 m² großen Haftraum 435, der ebenfalls über keine räumlich abgetrennte Toilette verfügte, untergebracht war, nichts, da aufgrund der zeitlichen Zäsur von einem Monat die bisherige menschenunwürdige Unterbringung nicht ihre zeitnahe Fortsetzung gefunden hat.

2.

Ungeachtet hiergegen erhobener Einwände ist dem beklagten Land auch ein relevantes Verschulden in Gestalt eines Organisationsverschuldens anzulasten. Denn es ist nicht nachvollziehbar, dass und weshalb das beklagte Land aus von ihm nicht zu vertretenden Gründen außerstande gewesen ist, Haftbedingungen wie die dem Kläger zugemuteten durch rechtzeitig veranlasste bauliche und/oder organisatorische Maßnahmen abzuwenden. Der hierzu gehaltene Vortrag des beklagten Landes, das unter eingehender Darlegung unter anderem auf von ihm in der Vergangenheit unternommene Anstrengungen zur Behebung vorhandener Missstände und Belegungsengpässe in den Justizvollzugsanstalten des Landes verweist, belegt im Gegenteil, dass ein Mangel an geeigneten, den Anforderungen der Menschenwürde entsprechenden Haftplätzen durchaus bekannt war und rechtfertigt so den Vorwurf des erheblichen - weil jedenfalls als "vorsatznah" einzustufenden (vgl. BGH, NJW-RR 2010, 167) - Organisationsverschuldens, wobei zur weiteren Begründung auf die Ausführungen im Urteil des Senats vom 18.03.2009 (StV 2009, 262) verwiesen, die der BGH mit Urteil vom 11.03.2010 (veröffentlicht u.a. in MDR 2010, 743) nicht beanstandet hat.

3.

Der Anspruch des Klägers ist nicht nach § 839 Abs. 3 BGB insgesamt ausgeschlossen, weil der Kläger es schuldhaft versäumt hätte, Rechtsmittel gegen seine nun beanstandete menschenunwürdige Unterbringung zu ergreifen.

a)

Wie der Senat bereits in seinen Urteilen vom 18.03.2009 (StV 2009, 262) und vom 08.09.2010 (Az. I-11 U 367/09) im Einzelnen dargelegt hat, tritt nach § 839 Abs. 3 BGB eine Ersatzpflicht nicht ein, wenn es der Verletzte vorsätzlich oder fahrlässig unterlassen hat, den Schaden durch Gebrauch eines Rechtsmittels abzuwenden. Es handelt sich dabei um eine besondere Ausprägung des Mitverschuldensprinzips, das in seiner allgemeinen Form in § 254 BGB niedergelegt ist. Die Bestimmung geht davon aus, dass nur demjenigen Schadensersatz zuerkannt werden kann, der sich in gehörigem und ihm zumutbaren Maße für seine eigenen Belange eingesetzt und damit den Schaden abzuwenden bemüht hat (vgl. BGH NJW 1971, 1694). Es soll nicht erlaubt sein, den Schaden entstehen oder größer werden zu lassen, um ihn schließlich gewissermaßen als Lohn für eigene Untätigkeit, dem Beamten oder dem Staat in Rechnung zu stellen (vgl. BGH NJW 1971, 1694). Der Betroffene hat kein freies Wahlrecht zwischen dem primären Rechtsschutz und der sekundären Geltendmachung von Entschädigungsansprüchen (vgl. BVerfG NJW 2000, 1402). Anders als § 254 BGB führt die Regelung in § 839 Abs. 3 BGB bei jeder Form schuldhafter Mitverursachung zum völligen Anspruchsverlust (vgl. Papier, in: Münchener Kommentar, BGB, 4. Auflage, § 839 Rn. 329). Rechtsmittel i.S.d. § 839 Abs. 3 BGB sind alle Rechtsbehelfe im weitesten Sinne, die sich unmittelbar gegen ein bereits erfolgtes, sich als Amtspflichtverletzung darstellendes Verhalten richten und darauf abzielen und geeignet sind, einen Schaden dadurch abzuwenden oder zu mindern, dass dieses schädigende Verhalten beseitigt oder berichtigt wird (vgl. BGH, NJW 2003, 1208; BGH, NJW-RR 2004, 706). Dazu gehören insbesondere auch Gegenvorstellungen, Erinnerungen, Beschwerden und Dienstaufsichtsbeschwerden (BGH NJW 1974, 639) oder - hier von Interesse - Verlegungsanträge an die Anstaltsleitung sowie Anträge nach §§ 109, 114 StVollzG oder Anträge an den Haftrichter bei Annahme von Untersuchungshaft.

Die Nichtergreifung eines zur Verfügung stehenden Rechtsmittels ist nach ständiger Rechtsprechung des Senats regelmäßig als schuldhaft anzusehen. Wird bewusst davon abgesehen, bestehende Rechtsmittel zu ergreifen, liegt hierin ein vorsätzliches Unterlassen. Soweit dem Gefangenen das dargelegte Rechtsmittelsystem dagegen unbekannt gewesen sein sollte, ist ihm gleichwohl Fahrlässigkeit anzulasten, da insoweit eine Erkundigungspflicht durch Nachfrage bei fachkundigen Mitarbeitern in der Anstalt (Sozialarbeiter, Betreuungspersonal) oder auch bei Mitgefangenen besteht, zur Not auch die Hilfe eines Rechtsanwaltes in Anspruch zu nehmen ist, was dem Kläger - wie die vorliegende, mit anwaltlicher Unterstützung vorbereitete Klage zeigt - auch nicht unzumutbar war. Dass der Kläger um die Möglichkeit der Stellung von Verlegungsanträgen wusste, zeigt sich auch an seinem Antrag vom 18.08.2005.

b)

Etwas anderes kann allerdings dann gelten, wenn dem Gefangenen auf einen von ihm gestellten Verlegungsantrag durch Bedienstete der JVA Dortmund vermittelt worden ist, jedes Bemühen um eine sofortige Verlegung in die Einzelunterbringung sei aussichtslos, da die Vergabe von Einzelhafträumen ausschließlich nach Maßgabe einer Warteliste erfolge. Besteht bei einer solchen Sachlage kein Anhalt dafür, an der Richtigkeit dieser Auskunft zu zweifeln, ist es regelmäßig nicht zumutbar, weitere Rechtsmittel einzulegen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 29.01.2009 und vom 12.03.2009 - jeweils zu III ZR 182/08; OLG Schleswig, Urteil vom 19.06.2008, Az. 11 U 24/07).

Die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass der Betroffene den Schaden durch Einlegung eines Rechtsmittels hätte abwenden können, trägt im Übrigen der in Anspruch genommene Schädiger (BGH, NJW 1986, 1924).

c)

Unstreitig hat der Kläger einen förmlichen Antrag nach § 109 StVollzG ebenso wenig gestellt wie einen Eilantrag nach § 114 Abs. 2 StVollzG oder ein Antrag nach § 126 StPO a.F..

Seine vom beklagten Land bestrittene Behauptung, vielfach "unverzüglich" mehrfach mündlich einen Verlegungsantrag an die Anstalt gestellt zu haben, hat der Kläger nicht mehr aufrechterhalten, sondern ausgeführt, dass er nicht sofort nach seiner Unterbringung einen schriftlichen Antrag gestellt habe; er habe aber oftmals die Beamten nach einer Einzelunterbringung oder zumindest nach der Unterbringung mit einem Nichtraucher gefragt. Ihm sei aber entgegnet worden, dass ein Weg an der Warteliste vorbei nicht möglich sei.

aa)

Soweit der Kläger sich zum Beweis seiner Behauptung, ihm sei die Aussichtslosigkeit etwaiger Rechtsmittel seitens Bediensteter der JVA erklärt worden, auf das Zeugnis von seitens der JVA zu identifizierender Mitgefangener beruft, ist der entsprechende unter Beweis gestellte Vortrag substanzlos und damit unschlüssig und der Beweisantritt im Übrigen unzulässig. Nach § 373 ZPO ist es grundsätzlich Sache des Beweisführers, Zeugen namentlich und unter Angabe ihrer ladungsfähigen Anschrift zu benennen. Zwar kann es zulässig sein, einen Zeugen zu benennen, über dessen Namen und ladungsfähige Anschrift der Beweisführer nicht verfügt, sondern nur der Gegner (Greger, in: Zöller, ZPO, 28. Aufl., Vor 284 Rn. 5). Dies setzt aber voraus, dass der Beweisführer trotz redlicher Bemühung nicht zur ordnungsgemäßen Benennung in der Lage ist (vgl. Hartmann, in: Baumbach/Lauterbach/ Albers/Hartmann; ZPO, 63. Aufl., § 373 Rn. 2). Dazu, ob und gegebenenfalls welche Bemühungen er unternommen hat, um die erforderlichen Angaben in Erfahrung zu bringen, trägt der Kläger nichts vor.

bb)

Soweit der Kläger sich pauschal auf die Gefangen-Personalakte beruft, ist sein Beweisantritt unzulässig. Eine solche pauschale Bezugnahme stellt keinen zulässigen Beweisantritt dar (vgl. dazu: Hartmann, in: Baumbach/Lauterbach/ Albers/Hartmann, a.a.O., Einf § 284 Rn. 24 m.w.N.). Denn insbesondere im Rahmen des Beibringungsgrundsatzes ist es nicht Aufgabe des Gerichts, solche Akten ohne nähere Angaben des Beweisführers, z.B. hinsichtlich der Seitenzahl, auf für ihn günstige Teile zu untersuchen (Hartmann, in: Baumbach/Lauterbach/ Albers/Hartmann, a.a.O.). Dies gilt gleichfalls für Gefangenenpersonalakten. Daher hätte der Kläger als Beweisführer in diesem Fall zur Erlangung der für substantiierten Vortrag und zulässige Beweisantritte erforderlichen Informationen von seinem Auskunfts- bzw. Akteneinsichtsrecht nach § 185 StVollzG nach Maßgabe des § 19 BDSG Gebrauch machen müssen, das als Ausfluss des Rechts auf informelle Selbstbestimmung die Voraussetzung für die Erlangung umfassenden Rechtsschutzes, z.B. für die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen, ist (Gabriele Schmid, in: Schwind/Böhm/ Jehle/Laubenthal (Hrsg.), StVollzG - Bund und Länder, 5. Aufl., § 185 Rn. 1 und 9 m.w.N.; vgl. auch: Calliess/Müller-Dietz, StVollzG, 11. Aufl., § 185 Rn. 1). Auf dieser Grundlage ist auf mündlichen oder schriftlichen Antrag des Klägers als Betroffenem bzw. seiner bevollmächtigten Vertreterin (vgl. dazu: Gabriele Schmid, a.a.O., Rn. 6; Callies, a.a.O., Rn. 2) - wenn auch nicht durch Versendung der Gefangengenpersonalakten in die Kanzleiräume der bevollmächtigten Vertreterin (Calliess/Müller-Dietz, a.a.O., Rn. 4) - Auskunftserteilung zu begehren bzw. Akteneinsicht zu nehmen, da für das Vorliegen eines Ausschlusstatbestandes nach § 19 Abs. 2, 3 oder 4 BDSG nichts vorgetragen und auch sonst nichts ersichtlich ist, und das bei Weigerung der Vollzugsbehörde der vollen gerichtlichen Nachprüfung nach den §§ 109 ff. StVollzG unterliegt (Calliess/Müller-Dietz, a.a.O. Rn. 7).

c)

Das beklagte Land hat aber unwidersprochen und damit unstreitig vorgetragen, dass in der JVA Dortmund Wartelisten geführt worden sind und grundsätzlich auch nach der Reihenfolge, die auf der Warteliste vermerkt war, entsprechende Haftplätze vergeben worden sind.

Erst auf eine Entscheidung der Strafvollstreckungskammer wäre seitens der JVA reagiert und abweichend von der Warteliste dem Einzelhaftplatz begehrenden Gefangenen ein solcher Haftplatz zugewiesen worden. Ein bloßer Antrag an die Strafvollstreckungskammer ist als Kriterium für eine ohne Beachtung der Warteliste erfolgte Zuweisung eines Einzelhaftraumes erst in einer Konferenz der Leiter der Justizvollzugsanstalten am 04./05.09.2008 festgelegt worden.

Damit aber hat das beklagte Land unstreitig vorgetragen, dass der Kläger - da kein Ausnahmetatbestand vorgetragen oder aus anderen Umständen heraus ersichtlich ist -, auf einen entsprechenden Verlegungsantrag allein auf die Warteliste gesetzt worden wäre.

Dafür, dass der Kläger mit einem Verlegungsantrag seine Unterbringung zeitlich vor deren tatsächlicher Beendigung hätte erreichen können, ist das beklagte Land darlegungs- und beweisbelastet. Indes hat das beklagte Land erklärt, dass - soweit tatsächlich Wartelisten für Einzelhafträume bestanden hätten - diese für die Jahre 2004 und 2005 nicht mehr nachvollziehbar seien, womit es aber seiner entsprechenden Darlegungslast zur Behauptung einer frühzeitigeren Beendigung nicht genügt. Ist mithin davon auszugehen, dass der Kläger bei Stellung eines Verlegungsantrags allein seine Aufnahme auf die Warteliste hätte erreichen können und wäre ihm dann die Verbindlichkeit der Reihenfolge der Warteliste erklärt worden, was schon deswegen anzunehmen ist, weil ansonsten die Verbindlichkeit der Warteliste konterkariert worden wäre, wäre ihm nachgehend die Einlegung eines Rechtsmittels - wie bereits ausgeführt - unzumutbar gewesen.

4.

Dem Kläger steht ein Entschädigungsanspruch von insgesamt 3.325,00 € zu.

a)

Angesichts des seitens des beklagten Landes erhobenen Verjährungseinwandes ist ein Entschädigungsanspruch für die Zeit vom 09.12.2004 bis 31.12.2004 zu verneinen. Der die Haftbedingungen im Jahr 2004 betreffende Entschädigungsanspruch des Klägers war - unabhängig von seiner sachlichen Berechtigung - bereits vor der am 15.08.2008 erfolgten Einreichung des verfahrenseinleitenden Prozesskostenhilfegesuchs des Klägers (§ 204 Abs. 1 Nr. 14 BGB i.V.m. § 167 ZPO) verjährt.

Wie der Senat bereits in seinem Urteil vom 18.03.2009 (VersR 2009, 1666 = StV 2009, 262), auf welches zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen wird, ausgeführt hat, unterfällt der behauptete Anspruch der regelmäßigen dreijährigen Verjährung des § 195 BGB, die nach § 199 Abs. 1 BGB mit Schluss des Jahres in Gang gesetzt wurde, in dem der Anspruch entstand und der Kläger von den anspruchsbegründenden Umständen - vorliegend den als menschenunwürdig beanstandeten Haftbedingungen - und der Person des Schuldners - hier des antragsgegnerischen Landes als Träger der JVA Dortmund - Kenntnis erlangt hat oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen musste. Entstanden ist der die Haftunterbringung im Jahr 2004 betreffende Entschädigungsanspruch des Klägers noch im Jahr 2004, in dem der Kläger weiterhin auch die nach § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB erforderliche Kenntnis hatte, so dass die Verjährung mit Ablauf des 31.12.2004 begann und dem entsprechend mit Ablauf des 31.12.2007 endete.

Dass möglicherweise erst durch den Senat eine etwaig bestehende unsichere und ungeklärte Rechtslage geklärt worden wäre, führt zu keinem anderen Ergebnis. Kenntnis im Sinne des § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB setzt nicht voraus, dass der Kläger alle Einzelheiten der dem Anspruch zugrunde liegenden Umstände überblickt. Es genügt, dass er den Hergang in seinen Grundzügen kennt und weiß, dass der Sachverhalt erhebliche Anhaltspunkte für die Entstehung eines Anspruchs bietet (vgl. BGH, NJW 1990, 176; BGH, NJW 1986, 2309; OLG Frankfurt, NJW-RR 1996, 21). Aus den Umständen muss für den Kläger ferner ersichtlich sein, dass gerade er als Anspruchsinhaber in Betracht kommen kann.

Die erforderliche Kenntnis hatte der Kläger aber im Zeitpunkt seiner Unterbringung. Er hatte bereits zu diesem Zeitpunkt die schädlichen Folgen dergestalt gekannt, dass er eine Schadensersatzklage - zumindest in der Form der Feststellungsklage - mit einigermaßen sicherer Aussicht auf Erfolg hätte erheben können (BGH, NJW 1999, 2041; BGH, NJW 1993, 648). Erforderlich, aber auch ausreichend ist im allgemeinen die Kenntnis der tatsächlichen Umstände, aus denen sich der Schaden und die Person des Schädigers ergeben. Nicht vorausgesetzt wird die zutreffende rechtliche Würdigung des bekannten Sachverhalts (BGH, NJW-RR 2005, 1148; BGH, NJW 1996, 117; BGH, NJW 1994, 3162). Daher kommt es grundsätzlich nicht darauf an, ob der Kläger die Rechtswidrigkeit des Geschehens, das Verschulden des antragsgegnerischen Landes oder den in Betracht kommenden Kausalverlauf richtig einschätzt (vgl. BGH, NJW 1999, 2041; BGH, NJW 1993, 648). Erst recht kommt es nicht darauf an, ob bereits entsprechende Klagen anhängig gewesen seien.

Allenfalls dann, wenn die Klageerhebung unzumutbar gewesen wäre, etwa bei unübersichtlicher oder zweifelhafter Rechtslage, die selbst ein rechtskundiger Dritter nicht einzuschätzen vermocht hätte, kann sich der Verjährungsbeginn wegen Rechtsunkenntnis hinausschieben (BGH, NJW-RR 2008, 1237). Dieser Fall liegt indes nicht vor. Denn dass die Unterbringungsbedingungen für den Kläger als menschenunwürdig empfunden worden sind, hat der Kläger mit seinen Ausführungen deutlich gemacht. Vor diesem Hintergrund konnte er - unabhängig davon, ob und in welchem Umfang derartige Klageverfahren bereits anhängig waren - keine Zweifel an der Unzulässigkeit der gerügten Maßnahmen hegen.

Im Übrigen war schon zu einem früheren Zeitpunkt, nämlich im Jahre 2002, anerkannt, dass eine derartige Unterbringung vor dem Hintergrund des § 18 StVollzG unzulässig war (vgl. OLG Celle, NStZ 1999, 216; vgl. auch BVerfG, NJW 2002, 2700). Dass erst mit dem Urteil des Senats vom 18.03.2009, Az. 11 U 88/08, eine entsprechende "Klärung" herbeigeführt worden sein mag, ist mithin unbeachtlich, da es für die Annahme der Kenntnis der anspruchsbegründenden Tatsachen erst recht nicht erforderlich ist, dass sich eine gefestigte obergerichtliche Rechtsprechung gebildet hat.

Auch hat auch das BVerfG (BVerfG, Az. 1 BvR 414/04) die Rechtsauffassung ausdrücklich gebilligt hat, den Anspruch aus Art. 5 Abs. 5 EMRK der Verjährung des § 852 BGB Abs. 1 BGB a.F. zu unterstellen. Damit aber gelten auch die dargestellten Grundsätze zur erforderlichen Kenntnis (vgl. Senat, Beschluss vom 13.05.2009, Az. 11 W 42/09). Somit kann weder unter dem Gesichtspunkt der Zumutbarkeit noch aus anderen Gründen auf einen späteren Zeitpunkt, etwa den Zeitpunkt der Haftentlassung zur Bestimmung des Beginns der Verjährung abgestellt werden.

Mithin besteht ein Anspruch des Klägers für die Zeit vom 01.01.2005 bis 07.03.2005 (66 Tage) in Höhe von 1.000,00 € (66 Tage x 15,00 € = 990,00 € + (2 Tage x 5,00 € = 10,00 €). Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats, von der abzuweichen der vorliegende Sachverhalt keinen Anlass gibt, beträgt die kalendertägliche Entschädigung grundsätzlich 15,00 €. Für zwei Tage, nämlich den 26.01.2005 und den 27.01.2005, wo er mit zwei weiteren Gefangenen in diesem Raum untergebracht war, ist darüber hinaus eine Entschädigung von weiteren 5,00 € täglich anzusetzen, da insoweit die vom Senat in ständiger Rechtsprechung für erforderlich gehaltene Mindestraumgröße von 5 m² für jeden Gefangenen unterschritten ist.

b)

Hinsichtlich des Zeitraums vom 14.03.2005 bis 18.08.2005, kann der Kläger im Hinblick auf die gerügte Toilettensituation für 155 Tage eine Entschädigung von 15,00 € täglich beanspruchen. Insoweit ist zu beachten, dass der Kläger am 08.08.2005, am 09.08.2005 und am 10.08.2005 in der JVA Hagen untergebracht war. Dies ergibt einen Betrag von 2.325,00 €.

c)

Wegen des beanstandeten Rauchens in der Zelle sind die Entschädigungsbeträge nicht zu erhöhen, da nicht dargetan ist, dass der Kläger das Rauchen in der Zelle (wann, bei welcher Gelegenheit, wem gegenüber) überhaupt gerügt hat.

d)

Der Verjährungseinwand hinsichtlich der zur (Hilfs-)Aufrechnung gestellten Forderungen ist nicht entscheidungserheblich, da die seitens des beklagten Landes erklärte Hilfsaufrechnung an § 242 BGB scheitert, was das beklagte Land inzwischen nicht mehr in Abrede stellt.

5.

Der Zinsanspruch besteht jedenfalls ab dem 10.03.2009 nach §§ 280 Abs. 2, 286 BGB

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO, § 26 Nr. 8 Satz 1 EGZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen, da die Zulassungsvoraussetzungen gemäß § 543 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung und die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordert nicht eine Entscheidung des Berufungsgerichts. Die maßgeblichen rechtlichen Fragen sind vielmehr höchstrichterlich geklärt (vgl. BGH, NJW-RR 2010, 167; BGH, MDR 2010, 743 = VersR 2010, 811).






OLG Hamm:
Urteil v. 19.11.2010
Az: I-11 U 11/10


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/54361ef103ed/OLG-Hamm_Urteil_vom_19-November-2010_Az_I-11-U-11-10




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