Oberlandesgericht Köln:
Urteil vom 27. August 1999
Aktenzeichen: 6 U 28/99
(OLG Köln: Urteil v. 27.08.1999, Az.: 6 U 28/99)
"Wiener Steffie" MarkenG §§ 5, 15, 4, 14, 153; UWG § 1; BGB §§ 12, 823 1) Dem Firmenbestandteil "Steffie" kommt sowohl in der Gesamtfirma "Heuriger Wiener Steffie Weingaststätten GmbH" als auch in der verwendeten Etablissementsbezeichnung "Wiener Steffie" von Hause aus Namensfunktion und Kennzeichnungskraft und damit selbständiger kennzeichenrechtlicher Schutz zu. 2) Mit den gleichfalls für Gaststätten-/Unterhaltungsbetriebe benutzten Bezeichnungen "Zülpicher Steffi" und "Bergheimer Steffi" verletzt ein Wettbewerber die -prioritätsälteren- Rechte am (Wiener) "Steffie". 3) Der räumliche Schutzbereich eines Unternehmens der Unterhaltungswirtschaft (hier: Gaststätte) ist auf dessen geschäftlichen Wirkungsbereich beschränkt, der unter Berücksichtigung der konkreten Bezeichnung, seiner Attraktivität und der heutigen Mobilität seiner Besucher sowie mit Blick auf die reale kommunale Konkurrenzsituation beim Kultur- und Unterhaltungsangebot zu bestimmen ist. 4) Zur Frage der Verwechselbarkeit einer Wortbezeichnung (hier: Bonner Steffi) mit einer Wort/Bildmarke (hier: Wiener Steffie Heuriger), in der die Bildelemente deutliche Hinweise auf die Stadt Wien enthalten.
Gründe
Die in formeller Hinsicht einwandfreie und insgesamt zulässige
Berufung der Antragsgegnerinnen hat in der Sache keinen Erfolg.
Zu Recht hat das Landgericht in dem angefochtenen Urteil die im
Beschlußweg erlassene einstweilige Verfügung bestätigt. Denn der
ihr zu Grunde liegende Antrag auf Erlaß einer einstweiligen
Verfügung ist auch unter Berücksichtigung des Berufungsvorbringens
der Antragsgegnerinnen als zulässig und begründet zu erachten.
I. Der für die Zulässigkeit des Verfügungsbegehrens
vorauszusetzende Verfügungsgrund der Dringlichkeit ist im
Streitfall zu bejahen. Entgegen der Ansicht der Antragsgegnerinnen
ist die für das Vorliegen der Dringlichkeit sprechende Vermutung
des § 25 UWG vorliegend nicht widerlegt.
Soweit die Antragsgegnerinnen in diesem Zusammenhang einwenden,
aus der früheren Untätigkeit der Antragstellerin gegenüber den im
Jahre 1995 (10. bis 23.03.1995 und 10.08. bis 23.08.1995) sowie im
Jahre 1996 (22.08. bis 28.08.1996) in bestimmten ausgewählten
Filialen stattgefundenen Testverkaufsaktionen gehe hervor, daß es
der Antragstellerin mit ihrem gegenüber den nunmehr regulär und
bundesweit angebotenen Tafel- und Geschirrservicen "Alt Lüneburg"
geltend gemachten Unterlassungsbegehren in Wirklichkeit nicht
derart eilig sei, daß sie nicht auf ein Hauptsacheverfahren
verwiesen werden könnte, greift das nicht. Allerdings trifft es zu,
daß der Verfügungsgrund der Dringlichkeit dann verloren geht, wenn
die antragstellende Partei - trotz Kenntnis der Verletzungshandlung
- mit der Rechtsverfolgung zu lange wartet und damit selbst zu
erkennen gibt, daß es ihr mit dem prozessual geltend gemachten
Anliegen in Wirklichkeit nicht in einem solchen Maße eilig ist, daß
sie auf das Erwirken eines Titels im Verfahren des vorläufigen
Rechtsschutzes angewiesen ist und es ihr nicht etwa zugemutet
werden kann, einen derartigen Titel im Hauptsacheverfahren zu
erlangen (vgl. Teplitzky, Wettbewerbsrechtliche Ansprüche, 7.
Aufl., 54. Kapitel, Rn. 24 m.zahlr.w.N.). Ein solcher Fall der
Selbstwiderlegung der Dringlichkeit des einstweiligen
Verfügungsbegehrens kann der Antragstellerin im hier zu
entscheidenden Fall jedoch nicht angelastet werden. Denn auch wenn
das im Rahmen der vorbezeichneten Testverkaufsaktionen angebotene
Prozellangeschirr der Antragsgegnerinnen eben die Gestaltung und
das Dekor wie das hier zu beurteilende Service aufgewiesen hat,
kann nicht übersehen werden, daß es sich bei diesen
Verkaufsaktionen in den Jahren 1995 und 1996 um in sich
abgeschlossene, lediglich kurzfristige Aktivitäten gehandelt hat,
denen gegenüber die jetzt - nach mehr als zwei Jahren - bundesweit
in erheblichem Umfang gestartete und beworbene Aktion sich als eine
eigenständige, eine qualitativ neue wettbewerbliche Intensität
entfaltende Handlung einzuordnen ist. Das spricht dafür, die
Dringlichkeit für die gegenüber dieser Wettbewerbshandlung
ergriffenen Maßnahmen des vorläufigen Rechtsschutzes selbständig
und losgelöst von dem in der Vergangenheit bereits seit langem
abgeschlossenen Verhalten der Antragsgegnerinnen zu beurteilen.
Maßgeblich kommt im Streitfall aber hinzu, daß nicht ersichtlich
ist, inwiefern diese kurzfristigen, und alsbald abgeschlossenen
Testaktionen ein derartiges Ausmaß einnahmen, welches der
Antragstellerin die Kenntnis dieser Verkaufsaktionen verschafft hat
oder aber bei gehöriger Marktbeobachtung hätte verschaffen müssen.
Die positive Kenntnis der Antragstellerin von den vorbezeichneten
früheren Testverkaufsaktionen der Antragsgegnerinnen läßt sich
weder dem Vortrag der Antragsgegnerinnen, noch dem Sachverhalt im
übrigen entnehmen, wobei im übrigen auch von einem Verstoß gegen
eine etwaige Marktbeobachtungspflicht nicht die Rede sein kann.
Ungeachtet der Problematik des Postulats einer allgemeinen
Marktbeobachtungspflicht (vgl. Teplitzky, a.a.O., 54. Kapital, Rn.
29 m.w.N.), kann jedenfalls im Streitfall nicht angenommen werden,
daß der Antragstellerin die Testverkaufsaktionen nur unter Verstoß
gegen eine derartige Obliegenheit verborgen bleiben konnten. Denn
zum einen wiesen die Verkaufsaktionen nur einen räumlich und
zeitlich verhältnismäßig begrenzten Umfang auf; zum anderen zählten
die Antragsgegnerinnen aber auch nicht zu den regelmäßigen
Konkurrenten der Antragstellerin, so daß deren Aktivitäten im
Grundsatz nicht in den Markt einzubeziehen waren, den die
Antragstellerin gegebenenfalls ohne weiteres in ihre Beobachtungen
einbeziehen mußte. Daß zu den damaligen Zeitpunkten auf seiten der
Antragstellerin ein konkreter Anlaß bestanden hätte, auf das
Marktverhalten der Antragsgegnerinnen in bezug auf etwaige
Wettbewerbsaktionen zu achten, ist nicht ersichtlich.
Kann somit auf Grund der schlichten Untätigkeit der
Antragstellerin gegenüber den in den Jahren 1995 und 1996
durchgeführten zeitlich begrenzten und bereits seit langem
abgeschlossenen Testverkaufsaktionen nicht darauf geschlossen
werden, daß es der Antragstellerin mit ihrem gegen das nunmehrige
Verhalten der Antragsgegnerinnen gerichteten Unterlassungspetitum
in Wirklichkeit nicht eilig sei, gilt entsprechendes im Hinblick
auf die aktuelle, den unmittelbaren Anlaß des einstweiligen
Verfügungsverfahrens bildende Verkaufsaktion der
Antragsgegnerinnen. Denn daß die Antragstellerin die
Rechtsverfolgung gegenüber der jetzt zu beurteilenden,
eigenständigen Wettbewerbshandlung nur schleppend aufgenommen und
dadurch zu erkennen gegeben hätte, daß es ihr in Wirklichkeit mit
dem begehrten Verbot nicht so eilig sei, als daß sie nicht auf ein
Hauptsacheverfahren verwiesen werden könnte, ist nicht ersichtlich.
Die Antragstellerin hat durch Vorlage der Kaufquittung glaubhaft
gemacht, am 24.08.1998 das Kaffeeservice des Dekors "Alt Lüneburg"
erworben und daher von dessen Gestaltung positive Kenntnis erhalten
zu haben. Mit Blick auf den Umstand, daß der Antrag auf Erlaß einer
einstweiligen Verfügung am 28.08.1998 eingereicht worden ist, ist
ein dringlichkeitsschädliches Hinauszögern oder Verschleppen der
Rechtsverfolgung daher nicht zu erkennen. Soweit die
Antragsgegnerinnen vorbringen, aus dem Verhalten des
Geschäftsführers des Verbandes der Keramischen Industrie (VKI), des
Herrn F., gegenüber dem Vorstand der W. AG, Herrn W., sei darauf zu
schließen, daß der Vorstand W. v. B. der Antragstellerin bereits
Ende 1997 Kenntnis davon gehabt habe, daß die Antragsgegnerinnen
ein Geschirr in dem jetzt in Rede stehenden Dekor "Alt Lüneburg" in
den Verkehr bringen wollen, vermag das ebenfalls nicht zu
überzeugen. Das Landgericht, auf dessen überzeugenden Ausführungen
zur Vermeidung von Wiederholungen gemäß § 543 Abs. 1 ZPO Bezug
genommen wird, hat dies zu Recht als bloße Mutmaßung angesehen und
für unbeachtlich gehalten. Die genannte Wertung des Landgerichts
überzeugt vor allem im Hinblick darauf, daß das streitbefangene
Dekor "Alt Lüneburg", für dessen Produktion die Antragsgegnerinnen
Unternehmen der Porzellanherstellung angeschrieben hatten, in den
Ausschreibungsunterlagen mit der Bezeichnung "Blume in Blau"
benannt worden ist. Inwiefern die Antragstellerin, die im übrigen
von den Antragsgegnerinnen gerade nicht angeschrieben worden war,
vor diesem Hintergrund Kenntnis davon erlangt haben soll, daß das
Geschirr gerade in der hier fraglichen Ausstattung in den Verkehr
gebracht werden soll, läßt sich daraus nicht erkennen.
Ein dringlichkeitsschädliches Hinauszögern der Rechtsverfolgung
durch die Antragstellerin ergibt sich weiter aber auch nicht mit
Blick auf ihre Untätigkeit gegenüber den Gestaltungen des
wettbewerblichen Umfeldes. Dabei kann es im gegebenen Zusammenhang
dahinstehen, ob diese Produkte die Antragstellerin überhaupt zum
Einschreiten hätten veranlassen müssen. Das ist hier deshalb nicht
von entscheidungserheblicher Bedeutung, weil
dringlichkeitsschädlich nur die Untätigkeit des gegebenenfalls
Verletzten in bezug auf die konkrete Verletzungshandlung sein kann.
Zu letzerer gehören aber nicht nur der Wettbewerbsverstoß als
solcher, sondern auch die Person des Störers. Selbst wenn - was im
gegebenen Zusammenhang offengelassen werden kann - die von den
Antragsgegnerinnen vorgelegten Einwendungsbeispiele des
wettbewerblichen Umfelds der hier in Rede stehenden angegriffenen
Gestaltung des unter der Bezeichnung "Alt Lüneburg" vertriebenen
Kaffee- und Tafelgeschirrs der Antragsgegnerinnen identisch oder
nahezu identisch sein sollten, läßt sich daher aus einer
Untätigkeit der Antragstellerin gegenüber diesen Produkten des
wettbewerblichen Umfelds nicht darauf schließen, daß es ihr mit der
Rechtsverfolgung gegenüber den Antragsgegnerinnen in Wirklichkeit
nicht so eilig ist, daß sie nunmehr darauf zu verweisen wäre, einen
Titel im Hauptsacheverfahren zu erstreiten.
II. Das Unterlassungspetitum in der von der Antragstellerin
umformulierten aktuellen Fassung ist weiter auch begründet. Die
Antragstellerin vermag mit ihren gegenüber dem Kaffee- und
Tafelservice des Dekors "Alt Lüneburg" geltend gemachten
Unterlassungsbegehren gegenüber beiden noch in Anspruch genommenen
Antragsgegnerinnen durchzudringen.
Der Antragstellerin steht ein solcher Anspruch gemäß § 1 UWG
unter dem Gesichtspunkt der vermeidbaren betrieblichen
Herkunftstäuschung zu.
Die grundsätzlich zulässige Nachahmung fremder, nicht unter
Sonderrechtsschutz stehender Erzeugnisse ist gemäß § 1 UWG dann
wettbewerbswidrig, wenn sie unter Óbernahme von Merkmalen erfolgt,
mit denen der Verkehr eine betriebliche Herkunftsvorstellung
verbindet und der Nachahmer im Rahmen des Möglichen und Zumutbaren
nicht alles Erforderliche getan hat, um eine Irreführung des
Verkehrs möglichst auszuschließen (vgl. BGH GRUR 1981, 517/519 -
"Rollhocker" -; Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, 20. Aufl., §
1 UWG Rn. 450, jew.m.w.N.). Mit dem Landgericht ist davon
auszugehen, daß das beanstandete Verhalten der Antragsgegnerinnen
diese Voraussetzungen erfüllt und somit unlauter ist. Die
Mitglieder des erkennenden Senats konnten diese Feststellungen aus
eigener Sachkunde und Lebenserfahrung treffen, da sie ebenso wie
die Mitglieder der erstinstanzlich entscheidenden Kammer des
Landgerichts zu den Verkehrskreisen gehören, an welche sich die
Parteien mit ihren streitgegenständlichen Produkten wenden.
Wettbewerbliche Eigenart besitzt ein Erzeugnis, dessen konkrete
Ausgestaltung oder bestimmte Merkmale geeignet sind, die
interessierten Verkehrskreise auf die betriebliche Herkunft oder
die Besonderheiten des Erzeugnisses hinzuweisen (BGH GRUR 1985,
876/877 - "Tchibo/Rolex I" -; Baumbach/Hefermehl, a.a.O., § 1 UWG
Rn. 451 m.w.N.). Der konkreten Gestaltung des Services der
Antragstellerin im Dekor "Alt Luxemburg" kommt in diesem Sinne
wettbewerbliche Eigenart zu, denn es weist eine Kombination von
Merkmalen auf, die in ihrer Gesamtwirkung dem Produkt der
Antragstellerin gegenüber den vergleichbaren Konkurrenzprodukten
eine einprägsame Individualität verleihen und herkunftshinweisend
wirken.
Das Erscheinungsbild des Dekors "Alt Luxemburg" der
Antragstellerin ergibt sich dabei aus dem Zusammenspiel der in
kräftigem Blauton gehaltenen floralen Dekorelemente, in deren
Vordergrund der "Blumenzweig" steht. Dessen ästhetischer Ausdruck
als Gestaltungsmerkmal wird seinerseits geprägt einmal durch die
fast mittig angebrachte stilisierte Darstellung einer geöffneten
Blüte, die aus zwei den unteren Stiel andeutenden Halmen wächst.
Hinter der Blüte ranken sich zwei oben auseinanderstrebende Blüten
bzw. Grashalme in die Höhe, wobei aus der Blüte selbst seitlich
ebenfalls zwei stilisierte Triebe oder Blätter hervorstehen. Auch
wenn durch das letztgenannte Gestaltungselement eine gewisse Breite
des hier in Rede stehenden Dekorationsmerkmals entsteht, bewirken
die sich in die Höhe rankenden, miteinander verschlungenen "Halme"
insgesamt eine Höhe des Blütenzweigs, der hierdurch trotz der in
die Breite weisenden seitlichen Elemente insgesamt schmal und
zierlich wirkt. Als weiteres markantes, das streitgegenständliche
Dekor "Alt Luxemburg" in seiner Gesamtwirkung mitbestimmendes
Gestaltungselement kommt die Anordnung der floralen
Dekorationselemente hinzu, die auf den Tellerspiegeln parallel zum
Rand angeordnet sind, wobei sich - mit Ausnahme der Untertassen des
Kaffeegeschirrs - der vorbeschriebene, das Hauptmotiv des Dekors
darstellende Blütenzweig mit kleineren, schlichteren floralen
Dekorationsteilen abwechselt, die ihrerseits dem genannten
Hauptmotiv des Blütenzweigs entlehnt sind oder doch zumindest
einzelne Darstellungselemente dieses Dekorationsteils gestalterisch
"zitieren" und sich an dieses anlehnen, dabei aber sämtlich
innerhalb des durch das Hauptmotiv gegebenen schmalen, zierlichen
Gestaltungsrahmens bleiben. Bei den größeren Tellern des hier in
Rede stehenden Geschirrs der Antragstellerin kommt weiter hinzu,
daß die vorbeschriebenen floralen Dekorationsteile über den
Tellerkessel gestreut sind. Die durch die beschriebenen floralen
Dekorationselemente und ihre Verteilung entstehende verhältnismäßig
bewegte, an barocke Gestaltungsformen erinnernde Anmutung wird
aufgenommen und noch verstärkt durch das Relief, welches sich in
deutlich "sförmig" gedrehten Wellen über die Spiegel der Teller
sowie den Tassenrand und den Rand der zu dem Dekor angebotenen
Gefäße (Milchkännchen/Schüssel) hinzieht. Die durch das
Zusammenwirken dieser einzelnen Gestaltungselemente entstehende
Dekoration wird optisch eingefaßt durch die an den Rändern der
Tellerspiegel sowie am oberen Rand der Gefäßöffnungen jeweils
angebrachte durchgezogene Linie, die als statisches Element den
durch die vorbezeichneten floralen Merkmale, deren Anordnung und
das Relief hervorgerufenen bewegten, verhältnismäßig unruhigen
Eindruck abmildert und so die Form insgesamt einrahmt und optisch
"hält". In Kombination mit dem elfenbeinfarbenen warmen Grundton
des Porzellans, der dem verwendeten kräftigen Blauton der
Dekorationselemente einen eigenen Kontrast verleiht, entsteht in
der Gesamtwirkung die Anmutung einer zwar barockbäuerlichen,
gleichwohl leichten und spielerischen Form, die dem Kaffee- und
Tafelservice der Antragstellerin eine individuelle Gestaltung
verleiht, die von Hause aus in hohem Maße geeignet ist,
unterscheidend in bezug auf die betriebliche Herkunft zu
wirken.
Die wettbewerbliche Eigenart des Services der Antragstellerin in
der hier beurteilten Form des Dekors "Alt Luxemburg" wird auch
nicht durch das Produktumfeld beeinträchtigt, auf welches sich die
Antragsgegnerinnen zu Abwehr des Unterlassungsverlangens
berufen.
Was das Geschirr der Produktion "W." ("Granica" - Anlage AG 2)
angeht, gilt das bereits deshalb, weil der Farbton des verwendeten
Porzellans, nämlich "reinweiß", deutlich von dem typischen
Elfenbeinton des Dekors der Antragstellerin abweicht und dadurch
insgesamt eine andere Kontrastwirkung des für die Dekoration
verwendeten Blautons hervorgerufen wird. Hinzu komm weiter, daß der
als florales Dekorationselement verwendete Blütenzweig anders als
beim Produkt der Antragstellerin durch den stark seitlich
herausragenden "Trieb" erheblich in die Breite gezogen ist und so
nicht der für das Dekor "Alt Luxemburg" der Antragstellerin
wiederum typische Eindruck einer "schmalen" zierlichen floralen
Form entsteht.
Bei dem Service des türkischen Herstellers G.-P./Kutahya gemäß
Anlage AG 11 ergibt sich Gleiches. Auch hier bildet statt eines
elfenbeinfarbenen Grundtons eine "reinweiße" Farbtönung des
Porzellans den Hintergrund der Dekoration. Darüber hinaus ist das
Relief in abweichender Weise in der Form deutlicher, im
wesentlichen parallel zueinander verlaufende Rippen gestaltet, die
nur im oberen Bereich eine angedeutete Krümmung aufweisen. Bei
beiden Produkten des wettbewerblichen Umfelds (Anlagen AG 2 und AG
11) entsteht auf diese Weise in der Gesamtwirkung gerade nicht der
für das Dekor der Antragstellerin aber wiederum typische Eindruck
einer barockbäuerlichen, verspielten Form; vielmehr weisen sie
demgegenüber in der Gesamtwirkung eine klassischere,
zurückhaltendere Gestaltung auf.
Was den aus der Produktion der italienischen Firma T. Porcellane
stammenden Teller angeht, so weicht dieser allein schon durch die
völlig andere Gestaltung des Reliefs augenfällig vom Geschirr der
Antragstellerin des Dekors "Alt Luxemburg" ab.
Sind die vorbezeichneten Produkte des wettbewerblichen Umfelds
auf Grund ihrer von der Gesamtwirkung her deutlich vom Dekor "Alt
Luxemburg" der Antragstellerin abweichenden Gestaltungen nicht
geeignet, die wettbewerbliche Eigenart des streitbefangenen
Geschirrs der Antragstellerin zu schwächen, gilt das im Hinblick
auf die von den Antragsgegnerinnen ferner angeführten Drittprodukte
der H. Porzellanmanufaktur ("Amalienburg") und R. ("Romanze in
Blau") schon deshalb, weil für diese keinerlei Umsatzzahlen
dargelegt worden sind, so daß nicht ersichtlich ist, inwiefern die
genannten Produkte geeignet sind, in relevanter Weise die
Vorstellung des Verkehrs vom Aussehen eines Geschirrs zu
beeinflussen.
Das Service des Dekors "Alt Luxemburg" der Antragstellerin war
auch, wie vom Tatbestand der vermeidbaren Herkunftstäuschung
gefordert, schon beim Marktzutritt der beanstandeten Kaffee- und
Tafelservice der Antragsgegnerinnen auf dem Markt, so daß es
tatsächlich zu Verwechslungen kommen konnte. Mit den von der
Antragstellerin bereits in erster Instanz vorgelegten Prospekten
und anderen Unterlagen ist überdies belegt, daß das
Antragstellermodell in seiner heutigen Form schon seit erheblicher
Zeit, zumindest seit 1975, auf dem Markt ist und auch beworben
wurde.
Das unter der Bezeichnung "Alt Lüneburg" angebotene Geschirr der
Antragsgegnerinnen ist mit demjenigen der Antragstellerin auch in
fast allen, die wettbewerbliche Eigenart des Dekors "Alt Luxemburg"
der Antragstellerin ausmachenden Merkmalen nahezu identisch. Es
weist nicht nur die nämliche Tönung des Porzellans bzw. von dessen
Lasur auf, sondern darüber hinaus auch eine dem Produkt der
Antragstellerin ganz erheblich nahe kommende Gestaltung der
floralen Dekoration und deren Anordnung. Auch hier ist der das
Hauptmotiv darstellende Blütenzweig trotz seitlich herausragender
Teile in der Gesamtwirkung schmal gehalten. Es findet sich auf den
Tellerspiegeln wie beim Dekor der Antragstellerin auch hier die
abwechselnde Wiedergabe eben dieses Blütenzweigs mit kleineren,
dieser Hauptdekorationsform entlehnten floralen Elemente. Hinzu
kommt eine dem Relief des Dekors der Antragstellerin nahe kommende,
sförmige Ausprägung des Reliefbildes bei dem Geschirr der
Antragsgegnerinnen. An dem auf diese Weise entstandenen
Gesamteindruck zweier im wesentlichen übereinstimmender
Gestaltungsformen ändern die im übrigen vorhandenen Abweichungen,
nämlich die andere Gestaltung der Blüte des Zweigs, die waagerechte
Anordnung des Blütenzweigs auf der Tasse sowie die fehlende
Streuung der floralen Elemente auf den Tellerkesseln nichts. Es ist
maßgeblich auf die Óbereinstimmungen, nicht aber auf die
Abweichungen der Produkte abzustellen, die dem Verkehr in aller
Regel nicht nebeneinander begegnen, sondern die aus der Erinnerung
"verglichen" und beurteilt werden. In dem nach diesen Maßstäben zu
beurteilenden Gesamteindruck sind sich die Geschirre der hier in
Frage stehenden Dekore aber in einem Maße ähnlich, daß für
jedenfalls einen nicht unerheblichen Teil des Verkehrs die Gefahr
von Verwechslungen in bezug auf die betriebliche Herkunft besteht.
Ein mehr als nur unmaßgeblicher Teil der Adressaten wird danach
bereits annehmen, daß es sich bei dem angegriffenen Dekor "Alt
Lüneburg" um eine (preiswerte) Zweitlinie des Herstellers des
Dekors "Alt Luxemburg" handelt. Ein ebenfalls als nicht
unbeachtlich einzuordnender Teil der Adressaten, der demgegenüber
erkennt oder annimmt, daß die hier streitigen Dekore der Parteien
aus verschiedenen Herkunftsstätten stammen, wird auf Grund der
Àhnlichkeit darauf schließen, daß zumindest organisatorische
und/oder wirtschaftliche Verbindungen zwischen diesen verschiedenen
Herkunftsstätten stehen. Beides begründet die für den Tatbestand
der vermeidbaren betrieblichen Herkunftstäuschung erforderliche
Verwechslungsgefahr. An dieser Wertung ändern auch die Ergebnisse
der von den Antragsgegnerinnen als Anlage zum Schriftsatz vom
24.06.1999 vorgelegten Verkehrsbefragung nichts. Denn diese
Befragung untersucht hauptsächlich die Zuordnung der verschiedenen
Dekore zu bestimmten Herstellen sowie die Bekanntheit der Dekore
selbst. Das aber ist für die hier interessierende und
entscheidungserhebliche Frage, ob ein nicht unerheblicher Teil des
Verkehrs zu der im Tatsächlichen aber unzutreffenden Auffassung
gelangen könnte, daß die - verschiedenen - Hersteller der Produkte
(vgl. S. 12 des Gutachtens: 18 % der Befragten, denen die Dekore
der Parteien und daneben das der Firma W. vorgelegt wurde) aus
wirtschaftlich und/oder organisatorischen miteinander in Beziehung
stehenden - verschiedenen - Herkunftsstätten stammen, nicht von
Bedeutung.
Im Ergebnis Gleiches gilt, soweit die Antragsgegnerinnen auf die
jeweils unterschiedliche Gestaltung der Kaffeekannen der sich
gegenüberstehenden streitbefangenen Service der Parteien hinweisen.
Dabei kann es dahinstehen, ob die in bezug auf diese einzelnen
Bestandteile der Kaffeeservice der Parteien vorhandenen
Abweichungen - insbesondere die Deckelgestaltung der Kannen -
geeignet sind, den auf Grund der im übrigen vorhandenen
Óbereinstimmungen hervorgerufenen Eindruck zu vermeiden, es
zumindest mit Gestaltungsvarianten des Dekors ein und desselben
Herstellers oder jedenfalls organisatorisch und/oder wirtschaftlich
verbundener Hersteller zu tun zu haben. Das kann hier deshalb offen
bleiben und ist nicht von entscheidungserheblicher Bedeutung, weil
die Antragsgegnerinnen ihre Service unstreitig nur als Gesamtheit
und nicht in Einzelteilen abgeben, so daß die Kaffeekanne jeweils
als Bestandteil dieser der übrigen Gestaltung nach die Gefahr einer
Irreführung des Verkehrs über die betriebliche Herkunft im Sinne
des Unlauterkeitstatbestandes des § 1 UWG begründenden Services von
dem Verbot erfaßt wird.
Daß der Unlauterkeitstatbestand der vermeidbaren betrieblichen
Herkunftstäuschung schließlich auch in subjektiver Hinsicht zu
bejahen ist, kann weiter keinem Zweifel unterliegen. Zur Vermeidung
von Wiederholungen nimmt der Senat gemäß § 543 Abs. 1 ZPO Bezug auf
die überzeugenden Ausführungen des Landgerichts in dem
angefochtenen Urteil der ersten Instanz, zu deren Ergänzung kein
Anlaß besteht.
Liegen somit insgesamt die materiellen Voraussetzungen des
wettbewerblichen Unlauterkeitstatbestandes des § 1 UWG unter dem
Gesichtspunkt der vermeidbaren betrieblichen Herkunftstäuschung
vor, greift schließlich ebenfalls der von den Antragsgegnerinnen
mit Blick auf die Duldung des seit 20 Jahren verwendeten Dekors der
Firma W. durch die Antragstellerin geltend gemachte
Verwirkungseinwand nicht. Denn selbst wenn - was hier ausdrücklich
offengelassen werden kann - auf seiten der Antragstellerin Anlaß
bestanden hätte, gegen das in Rede stehende Dekor der Firma W.
("Granica") als Verletzung ihres Dekors "Alt Luxemburg"
einzuschreiten, so vermag eine derartige Untätigkeit der
Antragstellerin zu Gunsten der Antragsgegnerinnen den
Verwirkungseinwand nicht zu begründen. Denn die Voraussetzungen der
Verwirkung beurteilen sich im Verhältnis gerade zwischen den
jeweiligen Prozeßparteien. Aus dem Verhalten der Antragstellerin
gegenüber einem Dritten läßt sich daher die für den Erfolg des
Verwirkungseinwandes vorauszusetzende Rechtsposition der
Antragsgegnerinnen nicht begründen. Im Verhältnis gegenüber den
Antragsgegnerinnen muß die Antragstellerin sich dabei auch eine
Verwirkung ihres Unterlassungsanspruches nicht entgegenhalten
lassen. Denn ungeachtet der Frage, inwiefern die Antragsgegnerinnen
in bezug auf ihre Service in der angegriffenen Gestaltung "Alt
Lüneburg" einen schutzwürdigen Besitzstand erlangt haben (vgl.
Baumbach/Hefermehl, a.a.O., Einleitung UWG, Rn. 430/431), ist
jedenfalls nicht ersichtlich, daß sie auf Grund eines Verhaltens
der Antragstellerin annehmen und darauf vertrauen durften, diese
dulde den Vertrieb des streitbefangenen Kaffee- und Tafelservices
in der Gestaltung des Dekors "Alt Lüneburg".
Was schließlich die Passivlegitimation der Antragsgegnerin zu 1)
angeht, so ergibt sich diese aus deren Eigenschaft zumindest als
Mitstörerin. Auch insoweit wird auf die überzeugende Argumentation
des Landgerichts in dem angefochtenen Urteil der ersten Instanz
Bezug genommen (§ 543 Abs. 1 ZPO). Diese gilt unabhängig davon, ob
die Antragsgegnerin zu 1) Muttergesellschaft der Antragsgegnerin zu
2) ist. Denn auch als Holding verfügt sie zweifelsohne über die
Einflußmöglichkeit, der Antragsgegnerin ein bestimmtes
betriebliches Verhalten im Zusammenhang mit dem Vertrieb der
Produkte des "Neben"-Sortiments abzuverlangen und dieses zu
kontrollieren. Daß der Antragsgegnerin zu 1) im übrigen das
konkrete Verhalten der Antragsgegnerin zu 2) im Streitfall
unbekannt gewesen wäre, behaupten selbst die Antragsgegnerinnen
nicht.
Die Kostenfolge ergibt sich aus § 97 Abs. 1 ZPO. Eine
abweichende Kostenverteilung ist auch nicht im Hinblick auf die
Umformulierung des Unterlassungsantrags der Antragstellerin im
Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Senat veranlaßt. Denn
diese Umformulierung bewirkt lediglich eine Anpassung des Antrags
an die von Anfang an zur Unterlassung begehrte konkrete
Verletzungshandlung der Antragsgegnerinnen, ohne daß damit eine
sachliche Reduzierung des Unterlassungsbegehrens verbunden ist.
Das Urteil ist mit seiner Verkündung rechtskräftig (§ 545 Abs. 2
ZPO).
OLG Köln:
Urteil v. 27.08.1999
Az: 6 U 28/99
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