Bundespatentgericht:
Beschluss vom 5. Juli 2004
Aktenzeichen: 30 W (pat) 69/03
(BPatG: Beschluss v. 05.07.2004, Az.: 30 W (pat) 69/03)
Tenor
Die Beschwerde der Widersprechenden wird zurückgewiesen.
Gründe
I.
In das Markenregister eingetragen ist unter 398 61 731 EUSTAD unter anderem für "Pharmazeutische Erzeugnisse".
Widerspruch erhoben hat die Inhaberin der rangälteren, seit 1998 für die Waren "Arzneimittel, nämlich Atemwegstherapeutika" eingetragenen Marke 398 38 971 EULAST.
Die Markenstelle für Klasse 5 des Deutschen Patent- und Markenamts hat in zwei Beschlüssen, von denen einer im Erinnerungsverfahren ergangen ist, den Widerspruch zurückgewiesen. Zur Begründung ist im wesentlichen ausgeführt, in den Schriftbildern der gut überschaubaren Zeichenwörter sorgten die unterschiedlichen Besetzungen der meisten Buchstabenpositionen, insbesondere auch der hinteren Wortränder, für den erforderlichen Abstand. In klanglicher Hinsicht wichen die Zeichen unbeschadet der gemeinsamen Anfangssilbe "EU-" deutlich genug voneinander ab.
Die Widersprechende hat Beschwerde eingelegt und ihren Widerspruch auf "Pharmazeutische Erzeugnisse" beschränkt. Zur Begründung führt sie im wesentlichen aus, die Zeichen wiesen insbesondere auch wegen der identischen Vokalfolge eine große phonetische und darüber hinaus auch schriftbildliche Ähnlichkeit auf. Besonders ins Gewicht falle dabei die Übereinstimmung am besonders beachteten Wortanfang. Zudem finde sich die Konsonantenfolge "ST" an unterschiedlichen Stellen in den beiden Zeichenwörtern.
Die Widersprechende beantragt (sinngemäß), im Umfang des Widerspruchs die angefochtenen Beschlüsse aufzuheben und die Löschung der angegriffenen Marke anzuordnen.
Die Markeninhaberin beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.
Sie ist der Ansicht, bei der übereinstimmenden Lautfolge "EU" handele es sich nicht um einen kennzeichnungskräftigen Bestandteil, da dieser auf eine "europäische Wirkung" des so gekennzeichneten Produkts hinweise und wegen dieser Bedeutung verbraucht sei. Der Verkehr werde sich daher an den Endsilben, die ausreichend unterschiedlich seien, orientieren.
II.
Die zulässige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg. Es besteht keine Verwechslungsgefahr nach § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG.
Nach der maßgeblichen Registerlage umfassen die Waren "Pharmazeutische Erzeugnisse" des angegriffenen Zeichens die Produkte der Widerspruchsmarke, so daß Identität gegeben ist.
Mangels gegenteiliger Anhaltspunkte ist von einer durchschnittlichen Kennzeichnungskraft und damit einem normalen Schutzumfang der Widerspruchsmarke auszugehen.
Der unter diesen Umständen gebotene besonders deutliche Abstand wird von der angegriffenen Marke eingehalten.
Dies gilt zunächst in klanglicher Hinsicht. Dabei sind die Zeichen grundsätzlich in ihrer Gesamtheit gegenüber zu stellen. Es besteht vorliegend insbesondere keine Veranlassung, die Anfangssilbe "EU" als nur eingeschränkt kollisionsrelevant in den Hintergrund treten zu lassen. "EU" steht zwar in erster Linie für "Europäische Union". Dies gilt allerdings nur dann, wenn die vorgenannte Buchstabenverbindung isoliert auftritt oder mittels eines Bindestrichs einem weiteren Begriff vorangestellt wird. Nur in diesen Fällen ist auch eine getrennte Aussprache als zwei Laute, die dem vorgenannten Sinngehalt entspricht, zu erwarten. Demgegenüber ist vorliegend der Zeichenbestandteil "EU" in die Markenwörter eingebunden und wird entsprechend den allgemeinen Regeln als ein Laut wiedergegeben. Auch im Hinblick auf die gegenständlichen Waren ist ein Hinweis auf die "Europäische Union" nicht nahegelegt. Der gemeinsame Wortanfang der Marken geht vielmehr wohl auf das griechische "" im Sinne von "gut" zurück (Langenscheidts Taschenwörterbuch Altgriechisch-Deutsch, Neubearbeitung 1986). In diesem Sinn wird es dem Publikum nicht nur als Anfangssilbe mehrerer medizinischer Fachausdrücke (etwa Eugenik, Eukinese, Euphorie), sondern auch durch zahlreiche Arzneimittelmarken nahe gebracht, weshalb hierauf nicht der Schwerpunkt der markenmäßigen Orientierung liegen wird (vgl zB PAVIS - Proma, Brandt Eubonat/EUBIONA).
Auch bei Gegenüberstellung der Zeichen in ihrer Gesamtheit reichen die Unterschiede trotz der klanglichen Identität im Anfangslaut aus. Dies beruht auf den Abweichungen in den Schlußsilben der Zeichen. Dort stimmen zwar drei Laute miteinander überein, sie finden sich aber in den Zeichenwörtern an jeweils unterschiedlicher Stelle wieder. Dies führt auch bei den Gesamtzeichen zu einem deutlich voneinander abweichendem Klangbild.
Ohne Belang ist es, daß sich die Zeichenfolge "ST" in dieser Anordnung an unterschiedlichen Stellen in den sich gegenüberstehenden Markenwörtern wiederfindet. Auf eine derartige Zeichenkonstellation können insbesondere nicht die Grundsätze der anagrammatischen Klangrotation angewendet werden. Diese beruht darauf, daß sich der durchschnittliche Abnehmer bei flüchtiger Wahrnehmung eines Wortes dessen einzelne Elemente merkt, sich aber - wenn der erste Eindruck verblaßt ist - nicht mehr an deren genaue Reihenfolge erinnert und deshalb versucht ist, in einem aus entsprechenden Teilen gebildeten, diese aber in anderer Reihenfolge enthaltenden Wort die früher gehörte Marke wiederzuerkennen (Ströbele/Hacker, MarkenG, 7. Aufl, § 9 Rdnnr 190 mwN). Die Rechtsfigur der anagrammatischen Klangrotation ist - soweit ersichtlich - nur für Zeichenteile diskutiert worden, die aus mindestens einer Silbe bestehen. Bei der vorliegenden bloßen Buchstabenfolge ist eine entsprechende Erinnerung des Verkehrs an diese gerade nicht zu erwarten, so daß keine Veranlassung besteht, die zurückhaltend anzuwendende Rechtsfigur (Ströbele/Hacker aaO) auf diese Fallgestaltung zu übertragen.
In Übereinstimmung mit der Markenstelle ist insbesondere wegen der unterschiedlichen Wortumrisse auch keine schriftbildliche Verwechslungsgefahr gegeben.
Eine Kostenauferlegung (§ 71 Abs. 1 MarkenG) ist nicht veranlaßt.
Dr. Buchetmann Winter Schramm Pü
BPatG:
Beschluss v. 05.07.2004
Az: 30 W (pat) 69/03
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