Oberlandesgericht Celle:
Beschluss vom 9. März 2004
Aktenzeichen: 8 W 95/04

(OLG Celle: Beschluss v. 09.03.2004, Az.: 8 W 95/04)

1. Die Reisekosten eines am Wohn- oder Geschäftsort der auswärtigen Partei ansässigen Rechtsanwalts zur Wahrnehmung eines Termins vor dem Prozessgericht sind gem. § 91 Abs. 1 Satz 1, Halbsatz 2 ZPO grundsätzlich erstattungsfähig.

2. Eine Ausnahme hiervon kommt zum einen in Betracht, wenn ein gewerbliches Unternehmen, das über eine eigene, die Sache bearbeitende Rechtsabteilung verfügt, die Führung eines Prozesses vor einem auswärtigen Gericht einem am Sitz des Unternehmens tätigen Rechtsanwalts überträgt. Zum anderen kann dies bei einem in tatsächlicher Hinsicht überschaubaren Rechtsstreit um eine Geldforderung der Fall sein, wenn die Gegenseite versichert hat, nicht leistungsfähig zu sein und gegenüber einer Klage keine Einwendungen zu erheben.

3. Beauftragt die Partei in einem solchen Fall einen Rechtsanwalt am dritten Ort, d. h. weder am Sitz der Partei noch am Sitz des Prozessgerichts, so sind auch dessen Reisekosten bis zur Höhe der fiktiven Reisekosten eines am Wohn- oder Geschäftsort der Partei ansässigen Rechtsanwaltes grundsätzlich erstattungsfähig.

Tenor

Der Kostenfestsetzungsbeschluss vom 1. Dezember 2003 wird wegen offenbarer Unrichtigkeit dahin berichtigt, dass die von der Beklagten an die Kläger zu erstattenden Kosten festgesetzt werden auf 663,59 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 247 des Bürgerlichen Gesetzbuches seit dem 24. Februar 2003.

Im übrigen wird die sofortige Beschwerde auf Kosten der Beklagten nach einem Beschwerdewert von 213,87 € zurückgewiesen.

Gründe

Die sofortige Beschwerde ist zulässig (§ 104 Abs. 3 S. 1 ZPO i.V.m. § 11 Abs. 1 RPflG), in der Sache aber - soweit der angefochtene Beschluss nicht von Amts wegen zu berichtigen war - unbegründet.

1. Gem. § 319 Abs. 1 ZPO, der entsprechend auch auf Kostenfestsetzungsbeschlüsse Anwendung findet (vgl. Zöller € Vollkommer, ZPO, 24. Aufl., § 319 Rdnr. 3, 20), war der angefochtene Beschluss wegen einer offenbaren Unrichtigkeit zunächst dahin zu berichtigen, dass die von der Beklagten an die Kläger zu erstattenden Kosten festgesetzt werden auf 663,59 € nebst anteiliger Zinsen. In dem Beschluss war übersehen worden, dass die Beklagte bereits Zahlungen auf ihre Kostenschuld in Höhe von 1.299,82 € geleistet hat, wie die Kläger dies auch schon in ihrem Kostenfestsetzungsantrag vom 21. Februar 2003 angegeben hatten.

2. Im übrigen ist die sofortige Beschwerde der Beklagten indessen unbegründet.

Bei den von der Klägern geltend gemachten Fahrtkosten und Abwesenheitsgeldern ihres Prozessbevollmächtigten handelt es sich gem. § 91 Abs. 1 S. 1 Halbsatz 2 ZPO um zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendige Kosten.

Nach der neueren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist die Zuziehung eines am oder in der Nähe des Wohn- oder Geschäftsortes der auswärtigen Partei ansässigen Rechtsanwalts als zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig im Sinne von § 91 Abs. 2 S. 1 Halbsatz 2 ZPO anzusehen (BGH NJW 2003, 898). Dem steht namentlich nicht die Vorschrift des § 91 Abs. 2 S. 2 ZPO entgegen, der die Erstattung von Mehrkosten ausschließt, die durch die Beauftragung eines am Prozessgericht zugelassenen, dort aber nicht ansässigen Rechtsanwaltes entstehen. Unter €Zulassung€ im Sinne dieser Bestimmung ist nämlich nur die berufsrechtliche Zulassung des Rechtsanwaltes bei einem bestimmten Gericht gem. §§ 18 ff BRAO, nicht dagegen die Postulationsfähigkeit gem. § 78 ZPO zu verstehen.

Eine Ausnahme von dieser grundsätzlichen Erstattungsfähigkeit gilt dann, wenn ein gewerbliches Unternehmen, das über eine eigene, die Sache bearbeitende Rechtsabteilung verfügt, die Führung eines Prozesses vor einem auswärtigen Gericht einem am Sitz des Unternehmens tätigen Rechtsanwalt überträgt (BGH NJW 2003, 2027). Ein solcher Fall liegt hier ersichtlich nicht vor.

Eine weitere Ausnahme kann in Betracht kommen, wenn schon im Zeitpunkt der Beauftragung des Rechtsanwalts feststeht, dass ein eingehendes Mandantengespräch für die Prozessführung nicht erforderlich sein wird, etwa wenn bei einem in tatsächlicher Hinsicht überschaubaren Streit um eine Geldforderung die Gegenseite versichert hat, nicht leistungsfähig zu sein und gegenüber einer Klage keine Einwendungen zu erheben (BGH MDR 2003, 233, 235f.; ferner Beschluss des BGH vom 9. Oktober 2003 - VII ZB 45/02 -).

Auch ein solcher Fall liegt hier indessen nicht vor. Die Beklagte hat sich vielmehr zunächst gegen die Zahlung der von den Klägern begehrten 38.148,41 DM gewehrt und erst während des Rechtsstreits einen Großteil des Betrages hinterlegt. Sowohl das erst- als auch das zweitinstanzliche Urteil zeigen, dass insoweit von einem ohne weiteres überschaubaren Sachverhalt nicht ausgegangen werden konnte und die Beklagte sich auch gegen eine Zahlung nicht nur mit dem Argument gewandt hatte, nicht leistungsfähig zu sein. Soweit sich wegen der Hinterlegung der Streitwert während des laufenden Verfahrens reduziert hatte, begründet auch dies keine € ohnehin allenfalls nachträglich in Frage kommende € Verpflichtung der Kläger, sich nunmehr zur Kostenersparnis eines am Sitz des Prozessgerichts ansässigen Rechtsanwaltes zu bedienen.

Schließlich steht es der Erstattungsfähigkeit der Kosten auch nicht entgegen, dass die Kläger in ... und ... wohnen, ihre Prozessbevollmächtigten dagegen in ... residieren, sie also zur Wahrnehmung ihrer Interessen gerade keinen am oder in der Nähe ihres Geschäftsortes sitzenden Rechtsanwalt beauftragt hat. Nach der neueren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sind die Reisekosten des an einem dritten Ort ansässigen Prozessbevollmächtigten bis zur Höhe der fiktiven Reisekosten eines am Wohn- oder Geschäftsort der Partei ansässigen Rechtsanwaltes erstattungsfähig, wenn dessen Beauftragung € was dem Regelfall entspricht € zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder -verteidigung erforderlich gewesen wäre (Beschluss vom 18. Dezember 2003 - I ZB 21/03 -). Denn darf bei einem Streitfall die Partei den für sie einfacheren und naheliegenderen Weg wählen, einen an ihrem Wohn- oder Geschäftsort ansässigen Rechtsanwalt als Bevollmächtigten zu beauftragen, ist sie, soweit dessen Reisekosten nicht überschritten werden, nicht daran gehindert, einen an einem dritten Ort ansässigen Rechtsanwalt ihres Vertrauens zu beauftragen. Die Partei, die die Mühe auf sich nimmt, einen nicht in ihrer Nähe ansässigen Rechtsanwalt ihres Vertrauens zu beauftragen, wird hierfür sachliche Gründe haben. Schutzwürdige Belange des Gegners, nicht mit zusätzlichen Kosten belastet zu werden, werden wegen der Begrenzung der Kostenerstattung auf die Reisekosten des am Wohn- oder Geschäftsort ansässigen Rechtsanwaltes nicht berührt (BGH, a.a.O.).

Da der Geschäftssitz der Prozessbevollmächtigten der Klägerin in ... näher am Sitz des Landgerichts in Hildesheim und des Oberlandesgerichts in Celle liegt als der Wohnort der Kläger in ... bzw. ... und nur die Fahrtkosten ... € Hildesheim bzw. Celle abgerechnet werden, bestehen Bedenken gegen die Erstattung der festgesetzten Reisekosten mithin nicht.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Der Beschwerdewert beruht darauf, dass der Klägervertreter für die erste Instanz Reisekosten und Abwesenheitsgelder von zusammen 208,28 € angemeldet hat, wovon die Beklagte 90 %, mithin 187,45 € zu tragen hat. Für das Berufungsverfahren wurden entsprechende Kosten von 240,14 € angemeldet, von denen die Beklagte 11 %, mithin 26,42 € zu tragen hat, woraus sich insgesamt ein Beschwerdewert von 213,87 € ergibt.






OLG Celle:
Beschluss v. 09.03.2004
Az: 8 W 95/04


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